Archiv für den Monat: Oktober 2012

Manchmal gefällt auch dem 1. Strafsenat des BGH etwas nicht..

© Dan Race – Fotolia.com

Manchmal versteht man die Gedankengänge von Tatrichtern erst beim zweiten lesen.So die in einem Urteil des LG Mosbach, das jetzt den BGH beschäftigt hat und zu dem sich der BGH, Beschl. v. 05.09.2012 – 1 StR 324/12 – verhält.

Zum Sachverhalt: Es kommt zu einer Auseinandersetzung, zwischen dem Angeklagten und dem Geschädigten, in deren Verlauf der Geschädigte nicht unerheblich verletzt wird. Der Angeklagte wird von der herbei gerufenen Polizei in der Nähe des Ortes der Auseinandersetzung angehalten anhalten und angesprochen. Er gibt nur an, mit dem Vorfall nichts zu tun zu haben.

Diese Angabe des Angeklagten gegenüber der Polizei unmittelbar nach der Tat hat die Strafkammer als „ein nicht unwesentliches Indiz für die Täterschaft des Angeklagten“ angesehen. Erst im Rahmen der Hauptverhandlung hatte er sich auf Notwehr berufen. Demgegenüber hatte sich der Angeklagte bei einer anderen Auseinandersetzung im Januar 2004 zunächst mit einem Bierkrug verteidigt und war danach zum Gegenangriff übergegangen. Aber im Gegensatz zu der vorliegenden Tat sei er – so die Strafkammer – damals am Tatort geblieben und habe sich gegenüber der eintreffenden Polizei sofort auf Notwehr berufen.

Das gefällt dem BGH nicht:

Der Senat versteht die Ausführungen in dem angefochtenen Urteil so, dass die Berufung des Angeklagten auf das Vorliegen einer Notwehrsituation deswegen nicht überzeugend gewesen sei, weil er bei einem einige Jahre zurückliegenden Vorfall sich sogleich auf Notwehr berufen, während er hier zunächst eine Tatbeteiligung abgestritten habe. Danach ist zu besorgen, dass der Tatrichter aus dem ursprünglichen, einem Schweigen gleichzusetzenden pauschalen Abstreiten einer Tatbeteiligung durch den Angeklagten einen Schluss zu dessen Nachteil gezogen hat. Solches wäre unzulässig (BGHSt 38, 302, 305, 307; BGH StV 1994, 413, vgl. auch Eschelbach in Graf, StPO, 2. Aufl. 2012, § 261 Rn. 16 mwN). Nichts anderes gilt auch dann, wenn – wie hier – der Angeklagte sich in einem früheren Verfahren von Beginn an auf Notwehr berufen hat.

Selbst wenn die Formulierung „… ist ein nicht unwesentliches Indiz für die Täterschaft …“ darauf hindeutet, dass die Überzeugung der Strafkammer nicht allein auf seinem Aussageverhalten beruht, kann der Senat, dem eine ei-gene Beweiswürdigung verwehrt ist, nicht ausschließen, dass die Strafkammer ohne Berücksichtigung dieses Umstands zu einem anderen Ergebnis gekommen wäre.

Und das beim 1. Strafsenat des BGH, der doch sonst fast immer alles ausschließen kann :-(.

Wiedereinsetzung – nicht nach bereits erfolgter Begründung

© eccolo – Fotolia.de

An einer Stelle im Revisionsrecht ist es immer nicht einfach, einen Rat zu geben: Nämlich bei der Frage: Soll man die Revision- was viele Verteidiger tun – sofort bei Einlegung mit der (allgemeinen) Sachrüge begründen? Ich neige dazu, die Frage zu bejahen, weil damit die Revision ausreichend i.S. der §§ 344, 345 StPO begründet ist und man die Begründung dann nicht mehr vergessen/übersehen kann. Allerdings eins darf man nicht übersehen und muss es beachten: Wenn man so vorgeht, gibt es i.d.R. keine Wiedereinsetzung mehr, um ggf. noch Verfahrensrügen nachzuholen bzw. das wird ganz schwer. An der Stelle muss man also abwägen und überlegen, was man will. Das ergibt sich auch aus dem BGH, Beschl. v. 23.08.2012 – 1 StR 346/12:

 1. Das Wiedereinsetzungsgesuch ist bereits deshalb unzulässig, weil die Revision des Angeklagten infolge der rechtzeitig erhobenen Sachrüge frist- und formgerecht begründet worden ist (vgl. BGHSt 1, 44; BGHR StPO § 44 Verfahrensrüge 3, 7; BGH, Beschluss vom 15. März 2001 – 3 StR 57/01). In solchen Fällen kommt eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Nachholung von Verfahrensrügen nur ausnahmsweise bei besonderen Verfahrens-lagen in Betracht, in denen dies zur Wahrung des Anspruchs des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) unerlässlich erscheint (vgl. BGHR StPO § 44 Verfahrensrüge 8; Beschluss vom 25. September 2007 – 1 StR 432/07). Eine solche Ausnahmesituation liegt nicht vor. Insbesondere genügt es hierfür nicht, dass sich für den Angeklagten nunmehr ein bislang am Verfahren nicht beteiligter Rechtsanwalt als Verteidiger gemeldet hat. Denn bei der Revision des Angeklagten handelt es sich unabhängig von der Anzahl der Verteidiger um ein einheitliches Rechtsmittel mit einer einheitlichen Begründungsfrist (§ 37 Abs. 2 StPO; vgl. BGHR StPO § 345 Abs. 1 Fristbeginn 4).

Strafaussetzung zur Bewährung – so sollte es gehen

© Dan Race – Fotolia.com

In der Praxis wird das Zusammenspiel der drei Absätze des § 56 StGB, in denen die Voraussetzungen für eine Strafaussetzung zur Bewährung geregelt sind, nicht immer zutreffend gesehen. Das Ineinandergreifen der Vorschriften hat jetzt noch einmal der BGH, Beschl. . 28.08.2012 – 3 StR 305/12 skizziert. Da hatte das Tatgericht StK die Strafaussetzungen zur Bewährung mit der Begründung abgelehnt, „da es „in der Person des Angeklagten P. oder in der Tat keine besonderen Umstände zu erkennen“ vermochte„.

Der BGH beanstandet das:

Diese Begründung hält der rechtlichen Prüfung nicht stand. § 56 Abs. 2 StGB ermöglicht dem Gericht, besondere, in der Tat oder der Persönlichkeit des Angeklagten vorliegende Umstände zu berücksichtigen. Das Gericht kann unter den Voraussetzungen des Abs. 1, also bei Vorliegen einer günstigen Sozialprognose, die stets vorrangig zu prüfen ist, und wenn der Ausschlussgrund des Abs. 3 nicht gegeben ist, auch die Vollstreckung einer Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren zur Bewährung aussetzen. Besondere Umstände in diesem Sinne sind Milderungsgründe von besonderem Gewicht, die eine Strafaussetzung trotz des sich in der Strafhöhe widerspiegelnden Unrechts- und Schuldgehalts als nicht unangebracht erscheinen lassen (vgl. Fischer, StGB, 59. Aufl., § 56 Rn. 19 f. mwN).

Diesen Maßstäben wird die Ablehnung durch das Landgericht nicht gerecht. Sie lässt bereits die Prüfung der Sozialprognose des Angeklagten gemäß § 56 Abs. 1 StGB vermissen. Es ist aber schon im Ansatz rechtsfehlerhaft, besondere Umstände im Sinne des § 56 Abs. 2 StGB zu verneinen, ohne sich mit der Frage zu befassen, ob dem Angeklagten eine günstige Sozialprognose nach § 56 Abs. 1 StGB zu stellen ist. Dies gilt schon deshalb, weil zu den nach Abs. 2 zu berücksichtigenden Faktoren auch solche gehören, die schon für die Prognose nach Abs. 1 von Belang sind (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 30. April 2009 – 2 StR 112/09, NStZ 2009, 441). Die Erwägung, dass „keine besonderen Umstände zu erkennen“ seien, nach denen eine Strafaussetzung „geboten wäre“, gibt zudem Anlass zu der Besorgnis, dass das Landgericht bei seiner versagenden Entscheidung zu hohe Anforderungen an das Vorliegen besonderer Umstände im Sinne von § 56 Abs. 2 StGB gestellt haben könnte.

Zu den zu berücksichtigenden Umständen dann noch der Hinweis:

Zu den danach zu berücksichtigenden Umständen können – neben denen, die schon für eine günstige Prognose nach Abs. 1 von Bedeutung waren – auch solche gehören, die bei der Findung des Strafrahmens oder der Festsetzung der konkreten Strafhöhe von Bedeutung sind, hier etwa der Umstand, dass der Angeklagte nicht vorbestraft ist sowie der Umfang der bereits durch Anrechnung der Untersuchungshaft als verbüßt geltenden Freiheitsstrafe (vgl. Fischer, aaO, Rn. 20 mwN).

Zuschlag aufs Schmerzensgeld bei Bestreiten wider besseres Wissen

Ganz interessant die Entscheidung, über die das OLG Schleswig in seiner PM Nr. 18/2012 vom 18.09.2012 berichtet. Es geht um das OLG Schleswig, Urt. v. 05.09.2012 – 7 U 15/12. da heißt es:

Einem Motorradfahrer steht nach einem Unfall ein erhöhtes Schmerzensgeld gegen ein Unternehmen des öffentlichen Nahverkehrs zu, weil dieses die Unfallursache wider besseres Wissen vor Gericht bestritten hat. Dies hat der 7. Zivilsenat des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts entschieden und das beklagte Unternehmen, die Stadtverkehr Lübeck GmbH, zu Schadensersatz und Schmerzensgeld verurteilt.

Der klagende Motorradfahrer hatte im März vergangenen Jahres die Priwallfähre über die Trave genutzt. Er folgte beim Auffahren auf die Fähre den Anweisungen des Personals und wechselte auf der Fähre die Spur, um nach vorn zu fahren. Dabei brach das Hinterrad aus und der Motorradfahrer stürzte auf die linke Schulter. Er erlitt eine Schultergelenkssprengung mit Abriss von Bändern, wurde anschließend operiert und über mehrere Wochen nachbehandelt. Die Fähre war gerade zur Überholung in der Werft gewesen und hatte einen neuen Anstrich des Fahrbahndecks erhalten. Nach dem Unfall ließen die Verkehrsbetriebe die Fähre mit einem anderen Anstrich versehen. Der Motorradfahrer trug vor Gericht vor, dass der neue Belag ungeeignet und bei Feuchtigkeit sehr glatt gewesen sei. Die Verkehrsbetriebe beriefen sich darauf, dass es bisher keine Probleme mit dem neuen Belag gegeben habe. Eventuell habe der Motorradfahrer zu viel Gas gegeben und sei deshalb gestürzt. Vor dem Landgericht Lübeck hatte der Motorradfahrer zunächst keinen Erfolg. Im Verfahren vor dem Oberlandesgericht forderten die Richter die Verkehrsbetriebe auf, das Bordbuch der Fähre vorzulegen. Dieses wies für den Vortag des Unfalls folgenden Eintrag auf: „Deck bei Regen und Tau sehr glatt!!! Unfallgefahr“.

Die Verkehrsbetriebe haben dem Motorradfahrer die entstandenen Schäden zu ersetzen und ein Schmerzensgeld zu zahlen. „Es steht fest, dass das frisch gestrichene Fahrdeck der Fähre bei Feuchtigkeit und Nässe mehr als zu erwarten sehr glatt war. Es hätte mindestens eines deutlichen Warnhinweises an die Benutzer der Fähre bedurft, wenn die Fähre trotz der Gefährdung der Nutzer weiterhin eingesetzt wurde. Der Kläger durfte als ständiger Fährnutzer davon ausgehen, dass der Fahrbahnbelag die übliche Beschaffenheit auswies. Erschwerend und schmerzensgelderhöhend berücksichtigt der Senat (die Richter) zusätzlich das nicht hinnehmbare Verhalten der Beklagten, die im ersten Rechtszug angesichts des Dienstbucheintrags wider besseres Wissen bestritten hat, dass das Fährpersonal um die besondere Glätte bei Feuchtigkeit wusste.“ Aus diesem Grund erhöhten die Richter das angemessene Schmerzensgeld um 500 Euro auf 5.500 Euro.“

Also immer schön bei der Wahrheit bleibe, sonst kann es teuer(er) werden.

BtM-Geschäft – Täterschaft oder Teilnahme?

© yellowj – Fotolia.com

Insbesondere für die Höhe der Strafe ist in BtM-Verfahren die Frage von Bedeutung: War der Angeklagte (Mit)Täter oder Teilnehmer? Die Antwort richtet sich nach ständiger Rechtsprechung des BGH nach den allgemeinen Abgrenzungskriterien für Täterschaft/Teilnahme. Mittäter ist, wer nicht nur fremdes Tun fördert, sondern einen eigenen Tatbeitrag derart in eine gemeinschaftliche Tat einfügt, dass sein Beitrag als Teil der Tätigkeit des anderen und umgekehrt dessen Tun als Ergänzung seines eigenen Tatanteils erscheint. Und ob ein Beteiligter ein so enges Verhältnis zur Tat hat, ist nach den gesamten Umständen, die von seiner Vorstellung umfasst sind, in wertender Betrachtung zu beurteilen. Darauf weist noch einmal der 3. Strafsenat des BGH im BGH, Beschl. v. 04.09.2012 – 3 StR 337/12 hin und kommt im entschiedenen Fall zunächst mal nur zur Beihilfe:

„b) Nach diesen Maßstäben rechtfertigen die bisherigen Feststellungen nur die Annahme einer Beihilfe des Angeklagten zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge. Er vermittelte und begleitete lediglich ein fremdes Umsatzgeschäft. Zur Höhe der Entlohnung, die ihm zugesagt war, hat die Kammer keine Feststellungen treffen können; jedoch spricht das in der Beweiswürdigung zitierte Gespräch mit seinem Lieferanten, nach dem im Wesentlichen andere an dem Geschäft verdienen würden, gegen einen hohen Grad des eigenen finanziellen Tatinteresses. Einen eigenen Einfluss auf das Betäubungsmittelgeschäft, die angefragte Menge, deren Preis sowie deren Weiter-verkauf hatte der Angeklagte nicht; ebenso wenig sollte er die gehandelten Betäubungsmittel in Besitz nehmen. Sein Beitrag bei dem Erwerb und der Über-gabe des Heroins beschränkte sich auf das Dolmetschen zwischen den Käufern und dem Lieferanten, so dass auch insoweit keine hinreichend gewichtigen Aktivitäten festgestellt sind, die eine Täterschaft des Angeklagten belegen könnten.