Archiv für den Monat: August 2012

Aufklärungsrüge – mit der einen Hand gegeben, mit der anderen Hand genommen

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Mit der einen Hand gegeben, mit der anderen Hand genommen. Das denkt man, wenn man den BGH, Beschl. v. 24.07.2012 – 1 StR 302/12 – liest, der sich in einem Zusatz zur Zulässigkeit einer Aufklärungsrüge verhält. Da hießt es:

„Die Aufklärungsrügen (§ 244 Abs. 2 StPO) der Angeklagten K. und Ka. sind nicht schon deshalb unzulässig (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO), weil die Aktenstellen der Beweismittel nicht angegeben sind. Zum einen haben die Revisionsführer die Fundstellen angegeben, soweit die Beweismittel sich bei den Akten befinden, zum anderen müssen die Aktenstellen zur Zulässigkeit der Rüge nicht angegeben werden (vgl. hierzu u.a. Senatsurteil vom 15. März 2011 – 1 StR 33/11, NStZ-RR 2011, 253 ff. mwN; BGH, Beschluss vom 21. Mai 2003 – 4 StR 157/02, NStZ-RR 2003, 334). Die vom Generalbundesanwalt als Gegenmeinung angeführte Entscheidung (BGH, Urteil vom 21. Dezember 1966 – 4 StR 458/66, VRS 32, 305 ff.) steht schon deshalb nicht entgegen, weil es sich dort um Stellen in den Akten eines früheren Verfahrens gehandelt hat.

Die Rügen sind aber deshalb unzulässig, wie der Generalbundesanwalt zutreffend ausgeführt hat, weil es an bestimmten Beweisbehauptungen fehlt und keine konkreten Anhaltspunkte dafür vorgetragen werden, dass die geschädigte Firma tatsächlich mit den Diebstählen einverstanden war.

Es drängte daher nichts dazu, die von den Revisionen vermissten Beweiserhebungen vorzunehmen.

Den Angeklagten wird es im Übrigen ziemlich egal sein, warum ihre Aufklärungsrügen unzulässig waren. Und: Wann „drängt“ es den 1. Strafsenat des BGH denn schon mal…?

Endgültiger Freispruch im Münsteraner Lustreisenprozess

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In Münster hat es den Lustreisenprozess gegeben. Über den hatten wir ja auch schon ein paar Mal berichtet (vgl. u.a. hier). In ihm wurde den Aufsichtsratsmitgliedern der Städtischen Wohnungsgesellschaft aus Münster Untreue, begangen durch verschiedene Reisenm, vorgeworfen. Übrig geblieben war nur noch der Geschäftsführer, der vom LG (auch) frei gesprochen worden ist. Inzwischen hat nun das OLG Hamm entschieden und die Revision der Staatsanwaltschaft verworfen (vgl. hier). Damit ist der Freispruch rechtskräftig.

Die StA scheint sich aber nicht strecken zu wollen. Ob endgültig für alle Beschuldigten das Verfahren zu Ende ist, ist wohl noch nicht ganz klar.

Ganz klar ist mir auch nicht, was die Frage soll, ob die Beschuldigten, die sich mit § 153 a StPO einverstanden erklärt hatten, ihr Geld zurück bekommen. Ich sehe im Moment die „Anspruchsgrundlage“ nicht. Wiederaufnahme des Verfahrens? Wohl kaum.

Das Sommerloch – Peter Ramsauer nutzt es. Oder: Spät kommt er, aber er kommt.

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Es war längere Zeit still um ihn geworden. Aber nun hat er es genutzt, das Sommerloch – rechtzeitig zum Ende der allmählich bundesweit eingeläuteten Sommerferien- Peter Ramsauer, unser Bundesverkehrsminister, hat ein Thema entdeckt, das wir m.E. nun gar nicht brauchen: „Städte sollen Autokennzeichen frei wählen können„. Da werden Straßen nicht in Stand gesetzt, weil die Mittel fehlen, das klappt es – aus welchen Gründen auch immer – bei der Deutschen Bahn nicht, aber unser Verkehrsminister macht sich Gedanken darum, ob und wie Städte Autokennzeichen frei bestimmen/wählen können. Zu Recht fragte sich gestern die WN, ob wir keine anderen Probleme haben?

Oh ha Herr Verteidiger (?), Beschwerde gegen Revisionsverwerfung?

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Kurz und knapp behandelt der BGH eine in meinen Augen verfahrensmäßige Fehlleistung nach einer Revsionsverwerfung. Gegen den Verwerfungsbeschluss wird nämlich noch Beschwerde eingelegt. Dazu dann der BGH, Beschl. v. 27.07.2012 – 1 StR 210/12:

„Durch den angefochtenen Beschluss hat der Senat die Revision der Angeklagten verworfen.
Hiergegen ist keine Beschwerde zulässig (§ 304 Abs. 4 Satz 1 StPO). Selbst wenn man (entsprechend § 300 StPO) das Begehren als Antrag gemäß § 356a StPO werten wollte, hat dieser keinen Erfolg. Es kann hierbei dahinstehen, ob die Wochenfrist des § 356a Satz 2 StPO eingehalten wurde; denn es fehlt an der erforderlichen Begründung des Antrags.
Im Übrigen wurde bei der Senatsentscheidung vom 14. Juni 2012 der Anspruch der Verurteilten auf rechtliches Gehör nicht in entscheidungserheblicher Weise verletzt.“

Man fragt sich natürlich, wer war es? Die Verurteilte ggf. selbst oder deren Verteidiger(in)? Letzteres könnte ich kaum verstehen. Denn das sollte man, wenn man Revisionsrecht macht, wissen, dass die Revisionsentscheidungen des BGH mit der Beschwerde nicht anfechtbar sind. Und wenn eine Anhörungsrüge (§ 356a StPO) gemeint gewesen sein sollte: Ein Blick ins Gesetz zeigt, welche Anforderungen erfüllt sein müssen.

Unterbringung – wann reicht es?

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Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus ist aufgrund ihrer zeitlichen Unbegrenztheit eine außerordentlich beschwerende Maßnahme. Sie darf deshalb nur dann angeordnet werden, wenn eine Wahrscheinlichkeit höheren Grades dafür besteht, dass der Täter infolge seines Zustands in Zukunft Taten begehen wird, die eine schwere Störung des Rechtsfriedens zur  Folge haben (BGH, Urteil vom 2. März 2011 – 2 StR 550/10, NStZ-RR 2011, 240, 241; Beschluss vom 22. Februar 2011 – 4 StR 635/10, NStZ-RR 2011, 202; Urteil vom 7. Januar 1997 – 5 StR 508/96, NStZ-RR 1997, 230)„, so formuliert der BGH zu § 63 StGB im BGH, Beschl. v. 04.07.2012 – 4 StR 224/12 – und fasst dann noch einmal zusammen, wie die Anlasstaten beschaffen sein müssen, um Grudnlage für eine Unterbringungsanordnung sein können:

Ob eine zu erwartende Straftat zu einer schweren Störung des Rechtsfriedens führt, ist anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls zu entscheiden (BGH, Beschluss vom 22. Februar 2011 – 4 StR 635/10, NStZ-RR 2011, 202; Beschluss vom 26. April 2001 – 4 StR 538/00, StV 2002, 477 f.). Dabei kann sich – wie in aller Regel bei Verbrechen oder Gewalt- und Aggressionsdelikten – eine schwere Störung des Rechtsfriedens bereits allein aus dem Gewicht des Straftatbestandes ergeben, mit dessen Verwirklichung gerechnet werden muss (BGH, Beschluss vom 22. Februar 2011 – 4 StR 635/10, NStZ-RR 2011, 202; Urteil vom 12. Juni 2008 – 4 StR 140/08, NStZ 2008, 563, 564; Beschluss vom 24. November 2004 – 1 StR 493/04, NStZ-RR 2005, 72, 73). Sind die zu erwartenden Delikte nicht wenigstens dem Bereich der mittle-ren Kriminalität zuzuordnen, ist die Annahme einer schweren Störung des Rechtsfriedens dagegen nur in Ausnahmefällen begründbar (BGH, Urteil vom 2. März 2011 – 2 StR 550/10, NStZ-RR 2011, 240, 241; Beschluss vom 18. März 2008 – 4 StR 6/08; Beschluss vom 18. Februar 1992 – 4 StR 27/92, BGHR StGB § 63 Gefährlichkeit 16; Beschluss vom 28. Juni 2005 – 4 StR 223/05, NStZ-RR 2005, 303, 304).

Die für die Maßregelanordnung erforderliche Gefährlichkeitsprognose ist auf der Grundlage einer umfassenden Würdigung der Persönlichkeit des Täters, seines Vorlebens und der von ihm begangenen Anlasstaten zu entwickeln (BGH, Urteil vom 17. August 1977 – 2 StR 300/77, BGHSt 27, 246, 248 f.; Urteil vom 17. November 1999 – 2 StR 453/99, BGHR StGB § 63 Gefährlichkeit 27). Dabei sind an die Darlegungen umso höhere Anforderungen zu stellen, je mehr  es sich bei dem zu beurteilenden Sachverhalt unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes (§ 62 StGB) um einen Grenzfall handelt (vgl. BGH, Beschluss vom 8. November 2006 – 2 StR 465/06, NStZ-RR 2007, 73, 74).

In dem dem BGH, Beschl. zugrunde liegenden Verfahren hatte es dann nicht gereicht.