Archiv für den Monat: Dezember 2010

Lesetipp: Der Widerruf der Strafaussetzung wegen einer neuen Straftat

Für einen Monat steht zum kostenlosen Download bereit auf der Startseite von LexisNexis Strafrecht der Beitrag von Rechtsanwalt L.Krawczyk, Bielefeld, aus StRR 2010, 451: „Der Widerruf der Strafaussetzung wegen einer neuen Straftat“. Das ist ja eine Thematik, die in der Praxis immer wieder von Bedeutung ist.

Richtervorbehalt: Neues zu den Anforderungen an die Revisionsbegründung

Hinsichtlich des Richtervorbehalts (§ 81a Abs. 2 StPO) ist es ja derzeit verhältnismäßig ruhig, vgl, aber hier. Jetzt hat sich allerdings das OLG Hamm dann doch noch einmal zu den Anforderungen  an die Revisionsbegründung gemeldet (vgl. Beschl.  v. 25. 10. 2010 – III-3 RVs 85/10) und ausgeführt, dass der Widerspruch gegen die Verwertung einer unter Verstoß gegen den Richtervorbehalt gewonnenen Blutprobe durch den verteidigten Angeklagten bereits in der ersten Tatsacheninstanz erhoben werden muss. Und: Die Verfahrensrüge der Verletzung der Verfahrensvorschriften verlange die Darlegung der von der Polizei zur Begründung von Gefahr im Verzug herangezogenen Umstände. Fehle es an der gebotenen Dokumentation dieser Umstände durch die Polizei, verkürzt sich die Darlegungslast der Revision entsprechend.

Diese Entscheidung führt zu weiter erhöhten Anforderungen an die Verfahrensrüge (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO). Mit dem ersten Leitsatz nimmt das OLG zunächst zwar nur auf die h.M. in der obergerichtlichen Rechtsprechung zu dieser der Frage Bezug (vgl. BGH NJW 2006, 707, 708; zuletzt u.a. OLG Hamm StRR 2010, 147; OLG Karlsruhe VRR 2010, 354 und OLG Schleswig-Holstein VA 2010, 193; zu allem auch VA 2010, 140), insoweit also nichts Neues. Erhöht werden die Anforderungen jedoch durch den zweiten Punkt, der den Verteidiger zwingt, darauf zu achten, ob die Ermittlungsbehörden ausreichend dokumentiert haben, warum Gefahr im Verzug vorgelegen hat. Erst dann, wenn die erforderliche Dokumentation durch die Polizei fehlt, verkürzt sich die Darlegungslast der Revision entsprechend. Die Revision muss daher entweder darlegen, dass es an einer entsprechenden Dokumentation durch die Ermittlungsbehörden fehlt oder aber deren Inhalt vortragen.

Du bist Landtagsabgeordneter – deshalb erhöhe ich die Geldbuße – Geht das?

Nicht ganz, aber so ähnlich konnte man die Ausführungen des Amtsgerichts in dem der Entscheidung des OLG Bamberg vom 29.11.2010 – 3 Ss OWi 1660/10 zugrunde liegenden Urteil verstehen. Das AG hatte zur Geldbußenhöhe wie folgt begründet:

„Im vor­liegenden Fall liegen (…) Gründe vor, die es rechtfertigen, von dem (…) Regelsatz abzuweichen und die gegen den Betr. zu verhängende Geldbuße auf 500 € zu erhöhen. Maß­gebliches Kriterium hierfür sind die vorhan­denen und verwertbaren Eintragungen des Betr. im VZR, welche im BKat grundsätzlich nicht berücksichtigt sind (§ 3 I BKatV). Vor diesem Hintergrund erschien dem Gericht daher eine massive Erhöhung der Re­gelgeldbuße von 100 € auf 500 € zur verkehrserzieherischen Einwir­kung auf den Betr. uner­lässlich. Dieser ist sich ganz offensichtlich seiner Vorbildfunktion als Landtags­mitglied nicht einmal ansatzweise bewusst.“

Das OLG Bamberg sagt: Grundsätzlich hat bei der Bemessung der Geldbuße die berufliche oder soziale Stellung des Betroffenen außer Betracht zu bleiben. Sie kann als zulässiges Zumessungskri­terium im Einzelfall nur dann zum Nachteil des Betroffenen Berücksichtigung finden, wenn nach den tatrichterlichen Feststellungen zwischen der beruflichen oder sozia­len Stellung des Betroffenen und der Begehung der Ord­nungswidrig­keit eine innere Beziehung besteht.

So weit, so gut. In der konkreten Sache hat das OLG  die Geldbuße dann aber nicht beanstandet und das wie folgt begründet:

Zu einem derartigen inneren Zusammenhang enthält das Urteil allerdings keine hinreichenden Feststellungen. Jedoch ist die auch vom AG als „massiv“ bezeich­nete Erhöhung der Regelgeldbuße – unabhängig von dem Status des Betr. als Land­tagsmitglied – angesichts der Anzahl, der Bedeutung und der insbesondere zuletzt kurzen zeitlichen Abfolge der Vorbelastungen und der diesen zu Grunde liegenden Taten als jedenfalls noch angemessen sowie auch mit Rücksicht auf die wirtschaftlichen Verhältnisse des Betr. (§ 17 III OWiG) als nicht unverhältnismäßig zu beurteilen und daher im Ergebnis aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden; dies gilt umso mehr, als das aus der Vorahndungslage ersichtliche wiederholte Fehlverhalten im Straßenverkehr auch in Ansehung der verfahrensgegenständlichen Tat die Annahme einer beharrlichen Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers iSd. § 25 I 1 StVG zumindest na­helegt. Es kann daher dahinstehen, ob der Tatrichter, der die Erhöhung der Regelgeld­buße von 100 € auf 500 € ausweislich der Urteilsgründe schon „vor (dem) Hintergrund“ der im Einzelnen als „maßgebliches Kriterium“ für die Erhöhung angeführten Vorbelas­tungen des Betr. für „unerlässlich“ erachtet und (erst) im Anschluss an diese Begrün­dung der Höhe der Geldbuße auf eine „Vorbildfunktion als Mitglied des Landtages“ hingewiesen hat, dieser „Vorbildfunktion“ des Betr. eine für die konkrete Höhe der Geldbuße entscheidungserhebliche Bedeutung beigemessen hat.

Na ja, hätte man auch anders sehen können und ein teilweises Beruhen der Höhe der erkannten Geldbuße auf der „Vorbildfunktion“ nicht ausschließen können. Dann wäre das amtsgerichtliche Urteil reif 🙂 für eine Aufhebung gewesen. Allerdings lag diese Sicht wegen der zahlreichen Vorverurteilungen wohl eher nicht nahe.

Wochenspiegel für die 52. KW, oder wir blicken mal wieder über den Tellerrand

Wir berichten:

  1. Über die Massenfreisprüche in Herford und ihre Begründung, vgl. hier und hier.
  2. Und dann natürlich wieder Kachelmann und Alice Schwarzer, vgl. hier und hier.
  3. Jahreszeitbedingt setzte man sich – ebenso wie wir es getan haben – mit zugeschneiten Verkehrsschildern auseinander (vgl. hier).
  4. Der Freispruch für Harry Wörz war ebenfalls ein Thema, vgl. hier, hier und hier.
  5. Und immer wieder: Schweigen ist Gold, vgl. hier und hier.
  6. Über ein 14-stündiges letztes Wort berichtete der Law-Blog.
  7. Die Winterreifenpflicht – in der Praxis – hier und hier.
  8. Zum Rotlichtverstoß hier.
  9. Poliscan mal wieder im Gerede, vgl. hier.
  10. Und für alle, die in die Niederlande fahren wollen, hier etwas zum Drogentourismus.

Weihnachtshauptstadt – was anderes wäre mir lieber

Jetzt ist Münster auch noch „Weihnachtshauptstadt“, vgl. hier, aber wahrscheinlich wäre es vielen Münsteranern – so wie mir auch – und auch vielen Besuchern lieber, man könnte sich auf den Hauptverkehtsstraßen einigermaßen gefahrlos bewegen, was leider nicht bzw. kaum möglich ist (vgl. hier und hier). Die ersten (Straf)Anzeigen sind übrigens beim RP gestellt/eingegangen. Der meint aber, dass mit Einrichtung des Krisenstabs (jetzt) alles ok sei. Na ja. Nur: Wer sagt dem Chef der Abfallwirtschaftsbetriebe, dass er falsch gelegen hat mit seiner Einschätzung und sie nicht dadurch richtig wird, dass er sie immer wieder wiederholt. Ach so: Und die Versicherungen haben Regressforderungen gegen die Stadt auch schon angekündigt.