Archiv für den Monat: Juni 2009

Vorsicht beim genetischen Fingerabdruck

Die 2. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts hat in zwei Fällen die Anwendung der Bestimmung des § 81g Abs. 1 StPO für verfassungswidrig erklärt. Diese Entscheidung erfolgte im Anschluss an die grundsätzliche Billigung der Vorschriften über den „genetischen Fingerabdruck“ bei verurteilten Straftätern (Beschluss vom 14. Dezember 2000 – 2 BvR 1741/99 -, BVerfGE 103, 21; dazu Pressemitteilung Nr. 8/2001 vom 18. Januar 2001).

Die zwei Beschwerdeführer waren jeweils zu Freiheitsstrafen auf  Bewährung verurteilt worden. Die Amtsgerichte hatten die Entnahme von Speichel- oder Blutproben und die Speicherung des „genetischen Fingerabdrucks“ auf der Grundlage von § 81g Abs. 1 StPO angeordnet. Die Rechtsmittel der Beschwerdeführer blieben erfolglos. Gegen die
Entscheidungen der Amts- und Landgerichte hatten die Beschwerdeführer jeweils Verfassungsbeschwerde erhoben.

Die Beschlüsse der Amts- und Landgerichte verletzen die Beschwerdeführer in ihrem Recht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 GG). Die Begründungen der Beschlüsse lassen jeweils nicht erkennen, dass die
erforderliche umfangreiche und gründliche Prüfung des Einzelfalls durchgeführt worden ist. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, dass die Speicherung des „genetischen Fingerabdrucks“ nur bei angemessener Berücksichtigung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung angeordnet werden darf. Dazu ist das Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen jeweils einzelfallbezogen darzulegen. In die vorzunehmende Würdigung ist insbesondere eine Strafaussetzung zur Bewährung einzubeziehen, die nicht automatisch die
negative Prognose ausschließt. Will das Gericht von der im Rahmen der Bewährungsentscheidung getroffenen positiven Prognose abweichen, muss dies jedoch im Einzelnen begründet werden.

Im Fall 2 BvR 400/09 hat die Kammer zudem beanstandet, dass die Prognose, der Beschwerdeführer werde auch künftig Straftaten begehen, mit früheren Verurteilungen begründet worden war, die nach den einschlägigen Bestimmungen des Bundeszentralregistergesetzes zum Nachteil des Beschwerdeführers nicht mehr verwertet werden durften.

Beschluss v. 22. Mai 2009 – 2 BvR 287/09, 2 BvR 400/09

Mobiltelefon im Straßenverkehr

Das Mobiltelefon ist aus dem Straßenverkehr nicht mehr wegzudenken. Alle Welt telefoniert beim Fahren und ist dann erstaunt, wenn es eine Geldbuße gibt. Dann werden alle/viele Register gezogen, um der Verurteilung zu entkommen.  So auch ein Kraftfahrer im Bereich des OLG Köln. Der hatte es vor einiger Zeit mit der Einlassung versucht, der Akku sei leer gewesen. Deshalb habe keine Benutzung vorgelegen.

Dem hat das OLG Köln einen Riegel vorgeschoben.  Nach seiner Auffassung liegt ein verbotswidriges Benutzen eines Mobiltelefons i.S. von § 23 Abs. 1a StVO liegt auch dann vor, wenn der Fahrzeugführer das Gerät aufnimmt, um dieses zum Telefonieren einzuschalten, das Einschalten aber am entladenen Akku scheitert (vgl. Beschl. v. 14.04.2009 – 83 Ss-OWi 32/09). Ähnlich hatte bereits das OLG Hamm hinsichtlich der Einlassung entschieden, das Gespräch sei nicht zustande gekommen.

BVV bei Blutentnahme weiter in der Diskussion

Die Flut der Entscheidungen zum Beweisverwertungsverbot bei Verletzung des Richtervorbehalts bei der Blutentnahme (§ 81a Abs. 2 StPO) reißt nicht ab. Nachdem der 3. Strafsenat des OLG Hamm (3 Ss 31/09) und das OLG Dresden (1 Ss 90/09) ein Beweisverwertungsverbot bejaht haben, haben jetzt der 2. Strafsenat des OLG Hamm (2 Ss 117/09) und das OLG Karlsruhe (1 Ss 183/08) ein BVV verneint, allerdings letztlich ohne neue Begründung.

Die Ausführungen, die praktisch wortgleich sind mit denen in früheren OLG-Entscheidungen anderer Gerichte, kann man m.E. auch zusammenfassen unter: Es darf nicht sein, was nicht sein kann. Allerdings setzen sich beide OLG mit der Frage von Gefahr im Verzug auseinander und haben die verneint. Das OLG Karlsuhe hat zudem die „Cottbuser-Lösung“ gewählt. BVV derzeit nein, nach dieser Entscheidung des Senats kann aber Willkür in Betracht kommen. Na ja, schade. Gerade vom 2. Strafsenat des OLG Hamm hätte man sich eine Entscheidung in der Frage erhofft, wie denn damit umzugehen ist, wenn der Polizeibeamte den Richtervorbehalt des § 81a Abs. 2 StPO gar nicht kennt. Denn genau das war in dem dort entschiedenen Fall passiert.

Seitenwechsel: Schuldspruch gegen Horst Mahler wegen Verwendens Zeichen verfassungswidriger Organisationen

Das OLG Brandenburg hat einen Schuldspruch wegen des Verwendens Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen gegen Horst Mahler bestätigt. Der Angeklagte Horst Mahler zeigte am 15.11.2006 gegen 16.30 Uhr vor der Justizvollzugsanstalt Cottbus-Dissenchen den „Deutschen“ Gruß. Dabei rief er entweder „Sieg heil“ oder „Heil Hitler“. In erster Instanz erließ das AG Cottbus gegen den Angeklagten zunächst einen Strafbefehl wegen des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen und setzte darin eine Geldstrafe von 120 Tagessätzen fest. Auf den Einspruch des Angeklagten verurteilte ihn das AG am 23.11.2007 zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten. Dagegen haben sowohl der Angeklagte als auch die Staatsanwaltschaft Cottbus Berufung eingelegt. Mit Urteil vom 22.07.2008 verwarf das LG Cottbus die Berufung des Angeklagten als unbegründet und verurteilte ihn auf die Berufung der Staatsanwaltschaft zu einer Freiheitsstrafe von elf Monaten. Die gegen dieses Urteil gerichtete Revision des Angeklagten hat das OLG Brandenburg hinsichtlich des Schuldspruches mit Beschluss als offensichtlich unbegründet verworfen. Damit steht rechtskräftig fest, dass die dem Angeklagten vorgeworfene Handlung den Straftatbestand des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen erfüllt. Hinsichtlich der verhängten Strafe hat der Senat die Strafsache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LG Cottbus zurückverwiesen, da die Strafzumessungserwägungen der Kammer nicht frei von Rechtsfehlern waren.

Beschluss des OLG Brandenburg vom 17.03.2009

Geltendes Jugendkriminalrecht hat sich nach Ansicht der Bundesregierung bewährt

Die Bundesregierung ist der Ansicht, dass sich das geltende Jugendkriminalrecht im Wesentlichen bewährt habe. Das teilt sie in ihrer Antwort (BT-Drs. 16/13142) auf eine Große Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (BT-Drs. 16/8146) mit. Weiter ist sie der Auffassung, dass bei den für Jugendliche typischen Taten wie gefährlicher Körperverletzung oder dem sogenannten Abziehen, bei dem unter Androhung von Gewalt Geld oder ein Handy erpresst wird, keine Gefahr bestehe, dass die zuständigen Gerichte nachträglich Sicherungsverwahrung gegen diese Jugendlichen anordnen. Die Wahrung der Verhältnismäßigkeit, aber auch der Erziehungsgrundsatz erforderten es, dass die Anordnung der Sicherungsverwahrung nur in besonderen Fällen – wenn das Opfer schwer seelisch und körperlich geschädigt sei – in Betracht kommen dürfe. Wie aus der Antwort weiter hervorgeht, sieht die Regierung auch keinen Bedarf, das Strafmündigkeitsalter herabzusetzen. Es bestünden bereits geeignete rechtliche Handlungsmöglichkeiten. So halte das Sozialgesetzbuch unter anderem Erziehungsberatung, soziale Gruppenarbeit, Erziehungsbeistandschaft, Vollzeitpflege und Heimerziehung zur Integration junger Menschen in die Gesellschaft bereit. Bei einer Kindeswohlgefährdung sei das Familiengericht berechtigt, wenn die Eltern nicht gewillt oder nicht in der in Lage seien, die Gefahr beispielsweise durch Bestellung eines Vormunds abzuwenden. Dies gelte verstärkt, so die Regierung, angesichts der Warnung von Kriminologen vor den negativen Nebenfolgen, die ein frühes förmliches Eingreifen der Strafjustiz für die weitere Entwicklung der Jugendlichen haben könne.

Die Regierung ist im Übrigen auch der Ansicht, dass der Täter-Opfer-Ausgleich bei der Konfliktregelung ein sinnvolles Mittel ist. Möglichst unter Anleitung eines unparteiischen und geschulten Vermittlers könnten Opfer und Täter so ihre jeweilige Sichtweise und Interessen unmittelbar schildern. Der Täter-Opfer-Ausgleich sei so ein wichtiges Instrument, um den Rechtsfrieden wiederherzustellen und eine bedeutsame Alternative zu einem herkömmlichen Strafverfahren. Wie es in der Antwort weiter heißt, begingen Strafverdächtige, die für ihre Taten noch nicht zur Verantwortung herangezogen werden können, weil sie unter 14 Jahren sind, zumeist Brandstiftung, Laden- oder Taschendiebstahl und Sachbeschädigung. Der Regierung liegen keine Erkenntnisse vor, dass Gewaltdelikte zugenommen haben. Für das Jahr 2007 seien bundesweit mehr als 102.000 kindliche Tatverdächtigte verzeichnen – darunter seien mehr als 84.000 Deutsche.

Bei den Intensivtätern komme wesentliche Bedeutung einer zeitnahen und konsequenten Reaktion zu, sowohl seitens der Polizei als auch der Justiz, erläutert die Regierung. Positive Effekte würden den in einigen Ländern von der Polizei vorgenommenen Erziehungsgesprächen zugeschrieben. Eine enge Kooperation zwischen der Polizei, der Staatsanwaltschaft und der kommunalen Verwaltung insbesondere den Jugendämtern, verbessere den analytischen Blick auf den jeweiligen Täter und seinen individuelle Lebenslauf. Das wiederum ermögliche einen genauen Zuschnitt der zu treffenden Maßnahmen.