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Die FE wird entzogen, der Führerschein „eingezogen“, oder: Zusätzliche Verfahrensgebühr Nr. 4142 VV RVG?

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Und als zweite Entscheidung dann noch einmal etwas zur Nr. 4142 VV RVG, und zwar den AG Amberg, Beschl. v. 04.12.2021 – 7 Cs 114 Js 5614/18 (2). Das AG nimmt Stellung zur Nr. 4142 VV RVG in den Fällen der Einziehung des Führerschein(dokuments) Entziehung der Fahrerlaubnis.

Der Kollege Jendricke, der mir die Entscheidung geschickt hat, hatte als Pflichtverteidiger ua.a. eine 1,0 Verfahrensgebühr nach Nr. 4142 VV-RVG aus einem Gegenstandswert von 5000,00 EUR, somit € 257,00, geltend gemacht. Begründet wurde dies damit, dass im Zuge der Einziehung des Führerscheindokuments diese Gebühr angefallen sei. Als Gegenstandswert seien entsprechend Ziffer 46.3 des Streitwertkatalogs der Verwaltungsgerichtsbarkeit € 5000 anzusetzen. Der Rechtspfleger hat die Festsetzung abgelehnt. Dagegen die Erinnerung, die beim AG teilweise Erfolg hat.

„2. Der zugrundeliegende Gebührentatbestand Nr. 4142 VV-RVG lautet:

„Verfahrensgebühr bei Einziehung und verwandten Maßnahmen

(1)      Die Gebühr entsteht für eine Tätigkeit für den Beschuldigten, die sich auf die Einziehung, dieser gleichstehende Rechtsfolgen (§ 439 StPO), die Abführung des Mehrerlöses oder auf eine diesen Zwecken dienende Beschlagnahme bezieht.

(2)      Die Gebühr entsteht nicht, wenn der Gegenstandswert niedriger als 30,00 € ist. […]“

Nr. 4142 VV RVG gewährt dem Rechtsanwalt damit eine besondere Verfahrensgebühr. Sie ist als Wertgebühr ausgestaltet und steht dem Rechtsanwalt zusätzlich zu, wenn er bei Einziehung und verwandten Maßnahmen eine darauf bezogene Tätigkeit für den Beschuldigten ausübt (Abs. 1 der Anm. zu Nr. 4142 VV RVG).

Unstrittig fällt bei einer Entziehung der Fahrerlaubnis die Verfahrensgebühr nicht an. Die Entziehung der Fahrerlaubnis ist keine Einziehung im Sinne von Nr. 4142 VV RVG (ganz h.M., vgl. nur OLG Koblenz, Beschluss vom 13. 2. 2006 – 2 Ws 98/06). Auch eine analoge Anwendung oder eine Behandlung als verwandte Maßnahme kommen nicht in Betracht (vgl. nur Toussaint/Felix, 51. Aufl. 2021, RVG VV 4142 Rn. 5).

3. Noch nicht abschließend geklärt ist hingegen, ob die Einziehung des Führerscheindokuments den genannten Gebührentatbestand auslöst. Dies wird in der Literatur ohne nähere Begründung bejaht (z.B. BeckOK RVG/Knaudt, 53. Ed. 1.9.2021, RVG VV 4142 Rn. 4; Gerold/Schmidt/Burhoff, 25. Aufl. 2021, RVG VV 4142 Rn. 9). Dagegen spricht freilich, dass es sich bei der Einziehung des Führerscheindokuments um eine bloße Folgemaßnahme zur Entziehung der Fahrerlaubnis handelt.

Nach Rechtsauffassung des Gerichts ist zu differenzieren: Grundsätzlich ist die Einziehung des Führerscheindokuments gesetzliche Folge der Entziehung der Fahrerlaubnis. Bei der Entziehung der Fahrerlaubnis regelmäßig eine Gebühr für die Einziehung des Führerscheindokuments fallen zu lassen, würde die gesetzgeberische Wertung, wonach die Entziehung der Fahrerlaubnis keine Einziehung im Sinne von Nr. 4142 VV RVG sein soll, ad absurdum führen. Damit kann die bloße anwaltliche Beratung darüber, dass im Falle der Wiedererteilung ein neues Führerscheindokument ausgegeben wird und das mit Rechtskraftentziehung der Fahrerlaubnis das Führerscheindokument abzuliefern ist, noch keinen Anfall des Gebührentatbestandes begründen. Auch eine Beratung über MPU-Maßnahmen, wie im Schriftsatz vom 26.05.2021 erklärt, bezieht sich in erster Linie auf die Fahrerlaubnis als solche und höchstens mittelbar auf das Führerscheindokument.

Etwas anderes gilt jedoch, wenn sich die anwaltliche Tätigkeit und Beratung spezifisch auf Fragen im Zusammenhang mit dem Führerscheindokument errichtet. Dies ist hier der Fall, indem die Frage der Übersendung des Führerscheindokument in die Tschechische Republik aufgrund einer Sonderkonstellation und anlässlich eines gerichtlichen Schreibens vom 21.08.2020 erörtert wurde.

Nach Wortlaut und Sinn von Nr. 4142 VV-RVG kann der Anwalt die besondere Verfahrensgebühr geltend machen, wenn sich seine Tätigkeit auf die Einziehung und verwandte Maßnahmen richtet. Das sind alle Tätigkeiten, die einen Bezug zu solchen Maßnahmen haben, also z.B. Schriftsätze, Stellungnahmen, Besprechungen, Beschwerden usw. (Burhoff, RVGreport 2006, 412, abzurufen unter https://www.burhoff.de/veroeff/aufsatz/rvgreport_2006_412.htm). Zwar braucht die Tätigkeit keinen besonderen Umfang zu entfalten. Ein Mindestmaß an spezifischer Beratung im Hinblick auf die Entziehung des Führerscheindokuments gegenüber dem Mandanten oder an Eingaben gegenüber dem Gericht oder der Vollstreckungsbehörde muss aber stattgefunden haben und dokumentiert sein.

Dies ist hier der Fall.

2. Hinsichtlich des Gegenstandswerts ist jedoch auf die Gebühren für das Führerscheindokument als solches abzustellen. Um Fahrstunden, Fahrerlaubnisprüfung, MPU-Vorbereitung geht es nicht, weil diese wiederum nicht dem Führerscheindokument als solchem, sondern dem Bereich der Fahrerlaubnis zuzuordnen sind.

Entsprechend der Stellungnahme des Bezirksrevisors vom 26.05.2021 ist ein Wertansatz in Höhe von 300,00 EUR als angemessen anzusehen.“

Wenn ich schon lese: „ohne nähere Begründung…“. Warum soll ich etwas begründen, was sich aus dem Wortlaut des Gesetzes ergibt? Im Übrigen ist die Einschränkung des AG falsch. Sie ergibt sich nicht aus dem Gesetz und widerspricht den allgemeinen Regeln zur Verfahrensgebühr. Es reicht eben „jede“ Tätigkeit, auch wenn das ggf. den Rechtspflegern und/oder Amtsrichtern nicht gefällt.

Um den Gegenstandswert kann man streiten. Mal sehen, was das LG macht. 🙂 .

Festsetzung von Rahmengebühren im OWi-Verfahren, oder: Zusätzliche Verfahrensgebühr Nr. 5115 VV RVG

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Und zum Ausklang der Woche dann noch Gebührenrecht.

Zunächst der der AG Offenbach, Beschl. v. 15.07.2021 – 275 Owi 248/21 – zum Anfall der zusätzlichen Gebühr Nr. 5115 VV RVG und zur Bemessung der Rahmengebühren im Bußgeldverfahren.

Gegen den Betroffenen ist ein Bußgeldbescheid ergangen. Gegen den hatte der Verteidiger des Betroffene Einspruch eingelegt und zugleich Akteneinsicht beantragt. Zudem hat der Verteidiger angekündigt, nach Einsichtnahme eine Einlassung abzugeben. Das Verfahren ist dann später nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden, ohne dass der Verteidiger eine Einlassung abgegeben hat. Der Betroffene beantragte die Erstattung der ihm entstandenen notwendigen Auslagen und macht auch die zusätzliche Verfahrensgebühr nach Nr. 5115 VV RVG geltend. Die Verwaltungsbehörde hat die Erstattung dieser Gebühr abgelehnt. Der hiergegen gerichtete Antrag auf gerichtliche Entscheidung hatte keinen Erfolg:

„Die Mitwirkungsgebühr gem. Nr. 5115 VV RVG war nicht festzusetzen, da hier keine anwaltliche Mitwirkung vorlag, durch die eine Verfahrensbeendigung eingetreten ist.

Für die Entstehung dieser Gebühr ist ein Beitrag des Verteidigers an der Verfahrensbeendigung erforderlich. Dabei sind allerdings keine hohen Anforderungen an den Beitrag zu stellen. So kann bereits die Mitteilung, dass keine Angaben zur Sache gemacht werden, einen Beitrag darstellen. Im hiesigen Fall hatte der Verteidiger allerdings eine solche Angabe nicht gemacht. Er hatte vielmehr erklärt, Einspruch einzulegen und angekündigt, eine weitere Stellungnahme abzugeben. Eine solche Stellungnahme erfolgte allerdings nicht. Es erfolgte gerade nicht die Mitteilung, dass von einem Schweigerecht Gebrauch gemacht werde. Der Behörde wurde vielmehr suggeriert, dass noch weitere Angaben erfolgen würden. Auch die Sachstandsanfrage des Verteidigers stellt keine Verfahrenshandlung dar, die an einer Beendigung des Verfahrens mitwirkt.“

Und zur Bemessung der Rahmengebühren führt das AG aus:

„Grundsätzlich ist bei der Bemessung der Gebühr von der Mittelgebühr auszugehen. Bei Straßenverkehrsordnungswidrigkeiten ist allerdings in der Regel, aufgrund des Massencharakters, der einfach gelagerten Sachverhalte und der niedrigen Höhe der Bußgelder eine Gebühr unterhalb der Mittelgebühr festzusetzen. Bei Verkehrsordnungswidrigkeiten, denen ein standardisiertes Messverfahren zugrunde liegt, erfolgt in der Regel eine Festsetzung deutlich unterhalb der Mindestgebühr, da es sich dabei um besonders einfache Sachverhalte handelt, die leicht zu prüfen sind, keine rechtlichen Schwierigkeiten aufweisen und für die Betroffenen häufig nicht von besonderer Bedeutung sind. Zu berücksichtigen ist auch, dass bei solchen Verkehrsordnungswidrigkeiten in der Regel keine Zeugen zu vernehmen sind, da der Beweis alleine durch Urkunden und Lichtbilder geführt wird. Dies ist bei Verkehrsordnungswidrigkeiten, denen kein standardisiertes Messverfahren zugrunde legt, in der Regel nicht der Fall. Es ist allerdings immer eine Prüfung des Einzelfalles vorzunehmen und der Umfang und die Bedeutung des konkreten Verfahrens zu bestimmen.

Dem hiesigen Verfahren lag ein Geschwindigkeitsverstoß zu Grunde, wobei nur ein Fahrlässigkeitsvorwurf gemacht wurde. Von der Behörde wurde die Regelgeldbuße von 160 Euro und das Regelfahrverbot von 1 Monat festgesetzt. Der Antragsteller hat mitgeteilt, dass die Betroffene deutlich oberhalb des Einkommensdurchschnittsverdiene. Damit hat das Verfahren für sie aufgrund der geringen Bußgeldhöhe eine niedrige Bedeutung, auch wenn hier ein Fahrverbot verhängt wurde. Aufgrund ihrer guten Einkommensverhältnisse wäre es für die Betroffene, im Vergleich zu weniger gut gestellten Menschen, ein leichtes gewesen, dass Fahrverbot durch die Nutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln und Taxis zu kompensieren.

Inhaltlich enthält die Akte nur 9 Seiten relevanten Inhaltes. Das Verfahren lag damit hinsichtlich seines Umfanges am absolut unteren Ende. Ausweislich des Akteninhaltes war hinsichtlich des Geschwindigkeitsverstoßes der Vollbeweis erbracht. Die Messung erfüllte die Voraussetzungen eines standardisierten Messverfahrens. Hätte der Verteidiger den Akteninhalt geprüft, so wäre ihm bewusst gewesen, dass in diesem Verfahren nur eine Verurteilung der Betroffenen hätte erfolgen können, sofern nicht zuvor ein Verfahrensfehler auftritt. Der Akteninhalt war allerdings überhaupt nicht bekannt, da die Behörde dem Akteneinsichtsgesuch des Verteidigers nicht nachgekommen war und dies auch im Verfahren zu keinem Zeitpunkt nachgeholt hat. Der Verteidiger hatte damit nur einen Aktenumfang von 2 Seiten zu prüfen, nämlich den Anhörungsbogen und den Bußgeldbescheid. Auf dieser Basis konnte nur eine Prüfung erfolgen, ob die auf dem Lichtbild des Anhörungsbogens abgebildete Fahrerin die Betroffene war. Ein derart beschränkter Prüfungsumfang rechtfertigt nur die Festsetzung deutlich unterhalb der Mittelgebühr liegender Gebühren. Dies gilt sowohl für die Grund- als auch für die Verfahrensgebühr.“

Zusätzliche Verfahrensgebühr im BTM-Verfahren, oder: In der Anklage Einziehungsantrag

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Den heutigen RVG-Tag eröffne ich mit einem (kleinen) Beschluss des AG Stralsund. Das hat im AG Stralsund, Beschl. v. 03.09.2021 – 34 Ls 5/21 – zum Entstehen der zusätzlichen Verfahrensgebühr Nr. 4142 VV RVG in einem BtM-Verfahren Stellung genommen. Entschieden hat das AG über die Höhe des Gegenstandswertes. Es führt in dem Zusammenhang aus:

„In der Anklageschrift vom 30.03.2021 hat die Staatsanwaltschaft angekündigt, die Einziehung von Wertersatz in Höhe von 1.060,- € zu beantragen.

Zwar wurde in der Hauptverhandlung durch Beschluss vom 05.07.2021 von einer Einziehungsentscheidung nach § 421 StPO abgesehen, einer Wertfestsetzung bedarf es jedoch gleichwohl, da die Verteidigergebühr nach Nr. 4142 VV RVG bereits bei Tätigkeiten des Anwalts entsteht, wenn eine Einziehung möglicherweise droht, was angesichts der Ankündigung in der Anklageschrift gegeben war.

Die Höhe richtet sich nach dem in der Anklageschrift angekündigtem Antrag.“

Klein, aber fein.

KG entscheidet bei der zusätzlichen VG nach wie vor falsch, oder: Aber der Verteidiger bessert nicht nach

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Und als zweite Entscheidung dann der KG, Beschl. v. 30.6.2021 – 1 Ws 16/21.

Gegen den Angeklagten war ein Verfahren wegen Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt anhängig. Die Staatsanwaltschaft hatte dem früheren Angeklagten Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt in 73 Fällen in der Zeit vom Januar 2005 bis zum November 2006 mit einem Gesamtschaden von 3.033.470,23 Euro vorgeworfen. Einen Einziehungsantrag hatte die Staatsanwaltschaft nicht gestellt. Der Rechtsanwalt meldete sich als Verteidiger des früheren Angeklagten. Er reichte eine Vollmacht zur Akte, die u.a. die Befugnisse enthält, Rechtsmittel und Rechtsbehelfe einzulegen, Anträge auf Kostenfestsetzung zu stellen und Gelder in Empfang zu nehmen. Das LG hat das Verfahren gegen den früheren Angeklagten gemäß § 154 Abs. 2 StPO eingestellt, gemäß § 421 Abs. 1 Nr. 3 StPO von der Einziehung des Wertes von Taterträgen abgesehen und die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten der Landeskasse auferlegt.

Der Rechtsanwalt hat beantragt, die notwendigen Auslagen des Angeklagten festzusetzen. U.a. hat er auch die Festsetzung einer zusätzlichen Verfahrensgebühr Nr. 4142 VV RVG in Höhe von 10.863,00 € beantragt. Die Gebühr ist nicht festgesetzt worden. Das hat das LG damit begründet, dass keine Tätigkeit des Rechtsanwalts auf eine Einziehung oder verwandte Maßnahme erbracht worden sei, da insoweit kein diesbezügliches Verfahren beantragt oder betrieben worden sei. Dagegen hat der Rechtsanwalt sofortige Beschwerde eingelegt. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg:

„2. Die Gebühr nach Nr. 4142 VV RVG entsteht nur, wenn der Rechtsanwalt eine auf die Einziehung und verwandte Maßnahmen bezogene Tätigkeit für den Beschuldigten ausübt (vgl. BGH, Beschluss vom 29. November 2018 – 3 StR 625/17 – m.w.N.) und sich dadurch für das — oft besonders wertvolle — Eigentum des Mandanten einsetzt (vgl. Senat, Beschluss vom 17. Juni 2008 —1 Ws 123/08 — und Urteil vom 18. Juli 2005 — 5 Ws 256/05 —). Erfasst werden von ihr sämtliche Tätigkeiten, die der Rechtsanwalt im Hinblick auf die Einziehung erbringt und die zumindest auch einen Bezug zur Einziehung haben. Nr. 4142 VV RVG setzt dabei — insbesondere im Hinblick auf die Höhe der Gebühr — keine gerichtliche Tätigkeit des Rechtsanwalts voraus. Auch Besprechungen und Beratungen des Mandanten lösen die Gebühr aus, sofern die Tätigkeit nach Aktenlage geboten war (vgl. Burhoff in Gerold/Schmidt, RVG 24. Aufl., W 4142 Rdnr. 10, 12 m.w.N.; OLG Oldenburg, Beschluss vom 3. Dezember 2009 — 1 Ws 643/09 —). Allein der Umstand, dass im Falle der Verurteilung eine derartige Maßnahme gegebenenfalls in Betracht kommen könnte, reicht für die Entstehung der Gebühr nach der ständigen Rechtsprechung des Senats nicht aus (vgl. Senat, Beschlüsse vom 8: November 2019 — 1 Ws 53/19 —, vom 25. Oktober 2019 — 1 Ws 86/19 — und vom 17. Juni 2008 — 1 Ws 123/08 —).

a) Nach diesem Maßstab ist das Landgericht zu Recht davon ausgegangen, dass Rechtsanwalt eine Gebühr gemäß Nr. 4142 VV RVG nicht zusteht. Weder hat die Staatsanwaltschaft in ihrer Anklageschrift einen Antrag nach § 73c StGB gestellt, noch ist es zu anderen Maßnahmen, wie etwa zu einem Vermögensarrest zur Sicherung der Wertersatzeinziehung oder zu einer Beschlagnahme, gekommen (vgl. Burhoff a.a.O. VV 4142 Rdnr. 7). Auch das Gericht, das die Anklage mit Beschluss vom 25. Juli 2014 unverändert zur Hauptverhandlung zugelassen hat, hat den Angeklagten zu keinem Zeitpunkt darauf hingewiesen, dass er seine Verteidigung darauf einzurichten habe, dass die Einziehung des Wertes von Taterträgen gemäß § 73c StGB in Betracht komme (vgl. Senat, Beschluss vom 25. Oktober 2019 — 1 Ws 86/19 —). Nach der derzeitigen Rechtslage wäre ein gerichtlicher Hinweis nach § 265 Abs. 2 Nr. 1 StPO jedoch zwingende Voraussetzungen gewesen, um mit einer etwaigen Verurteilung eine Einziehung des Wertes etwaiger Taterträge vorzunehmen (vgl. BGH, Beschluss vom 6. Dezember 2018 — 1 StR 186/18 —; BGH, Beschluss vom 14. April 2020 — 5 StR 20/19 —). Zwar führt die Beschwerde zutreffend aus, dass keine gerichtliche Tätigkeit des Rechtsanwalts erforderlich ist, sondern auch die nur beratende Tätigkeit des Anwalts die Gebühr auslöst (vgl. OLG Dresden, Beschluss vom 14. Februar 2020 — 1 Ws 40/20 —; KG, Urteil vom 18. Juli 2005 — 5 Ws 256/05 —). Mangels eines entsprechenden Hinweises ist jedoch nicht ersichtlich, dass eine solche Beratung zu irgendeinem Zeitpunkt im Laufe des Verfahrens bis zu seiner Einstellung am 15. Februar 2021 nach Aktenlage geboten war.

Soweit die Beschwerde sich darauf beruft, dass sich schon aus dem Beschluss des Landgerichts vom 15. Februar 2021, in dem gemäß § 421 Abs: 1 Nr. 3 StPO von der Einziehung der Taterträge abgesehen wurde, umstandslos ergebe, dass nach Akten-lage im Fall der Hauptverhandlung mit der Einziehung zu rechnen war, kann dem nicht gefolgt werden. Denn der Einziehung unterliegen keine Beträge, die durch nach § 154 Abs. 2 StPO eingestellte Taten erlangt worden sind (vgl. BGH, Beschluss vom 1. August 2018 — 1 StR 326/18—). Mit der Einstellung des Verfahrens nach § 154 Abs. 2 StPO, mit der die gerichtliche Anhängigkeit endet (vgl. BGH, Beschluss vorn 9. September 1981 — 3 StR 290/81 —), musste daher nicht von der Einziehung abgesehen werden. Die Einziehung wäre vielmehr nur noch im selbständigen Verfahren nach § 76a Abs. 1, Abs. 3 StGB in Betracht gekommen, das einen Antrag der Staatsanwaltschaft nach § 435 StPO voraussetzt (vgl. BGH, Beschluss vom 8. November 2018 — 4 StR 297/18 —). Der Einstellungsbeschluss lässt daher entgegen dem Beschwerde-vorbringen weder eine „Prognose“ für eine etwaige Einziehung in der Hauptverhandlung zu, noch zeigt er an, dass eine Einziehung Gegenstand der anwaltlichen Beratung sein musste.“

Was der Senat grundsätzlich zur Nr. 4142 VV RVG schreibt, ist m.E. falsch. Aber das ist nun mal leider die falsche Rechtsprechung des KG, von der man auch nicht abweicht. Im Ergebnis ist die Entscheidung allerdings zutreffend. Denn:

„b) Darüber hinaus merkt der Senat an, dass sich insbesondere aus dem Beschwerde-vorbringen nicht ergibt, welche Tätigkeit der Rechtsanwalt tatsächlich im Hinblick auf eine etwaige Einziehung ausgeübt hat, Zwar genügt der Kostenfestsetzungsantrag diesbezüglich den Anforderungen des § 10 Abs. 2 RVG (vgl. dazu BGH MDR 2019, 127). Zudem kommt es für das Entstehen und die Höhe der Gebühr auf den Umfang der Tätigkeit nicht an (vgl. OLG Oldenburg a.a.O.). Der angefochtene Beschluss stellt aber ausdrücklich darauf ab, dass keine Tätigkeit des Rechtsanwalts auf eine Einziehung oder verwandte Maßnahme erbracht worden sei. Im Rahmen des im Kostenfestsetzungsverfahren grundsätzlich geltenden Beibringungsgrundsatzes (vgl. Toussaint, Kostenrecht 51. Aufl., § 11 RVG Rdnr. 61) wäre daher zu erwarten gewesen, dass der Rechtsanwalt mit seiner Beschwerde eine dem Vergütungsanspruch zugrundeliegende Tätigkeit vorträgt. Soweit die Beschwerde auf den anwaltlichen Schriftsatz vom 9. Dezember 2013 verweist, enthält dieser aber allein eine Auseinandersetzung mit dem Zahlenwerk der Anklageschrift. Im Übrigen stützt sich die Beschwerde darauf, dass eine Beratung hinsichtlich der Einziehung nicht lediglich geboten, sondern unerlässlich gewesen sein soll. Diesen Ausführungen lassen sich konkrete Tätigkeiten mit Bezug auf eine Einziehung nicht entnehmen. Es ist auch nicht ersichtlich, dass allein die telefonische Anhörung durch die Vorsitzende Richterin vor der Beschlussfassung zu einer entsprechenden Tätigkeit führte.“

Warum man als Verteidiger nicht nachbessert, wenn mangelnder Vortrag „angenöhlt“ wird, erschließt sich mir nicht.

Bemessung des Gegenstandswertes in der Revision, oder: Zusätzliche Verfahrensgebühr

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Und als zweite Entscheidung dann noch einmal etwas zur zusätzlichen Verfahrensgebühr Nr. 4142 VV RVG – Stichwort: Einziehung, und zwar den BGH, Beschl. v. 09.06.2021 – 5 StR 43/20. Der BGH hat in dem Beschluss seine bisherige Rechtsprechung zur Bemessung des Gegenstandswertes für die Tätigkeit des Verteidigers im Revisionsverfahren bestätigt. Kurz und zackig 🙂 .

„Der Gegenstandswert ist nach § 33 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 2, § 2 Abs. 1 RVG auf Antrag des Verteidigers des Angeklagten festzusetzen, weil sich seine Tätigkeit im Revisionsverfahren auf die angeordnete Einziehung des Wertes von Taterträgen in dieser Höhe erstreckt hat und deshalb nach Nr. 4142 VV RVG der Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG eine besondere Verfahrens-gebühr als Wertgebühr angefallen ist. Deren Gegenstand bemisst sich nach dem wirtschaftlichen Interesse des Angeklagten. Maßgeblich ist der Wert der Einziehungsforderung, wie ihn das Landgericht beziffert hat (BGH, Beschlüsse vom 22. Mai 2019 –1 StR 471/18; vom 29. November 2018 –3 StR 625/17, NStZ-RR 2019, 127 f.).“

Steht übrigens auch alles in <<Werbemodus an: Burhoff/Volpert, 6. Aufl. 2021, RVG Straf- und Bußgeldsachen. Nein, ich sage jetzt nicht, wo und wie man den bestellen kann.<<Werbemodus aus>>.