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OWi II: Zum Verfahrensrecht im Bußgeldverfahren, oder: Quer durch das OWiG

Und im zweiten Psting hier ein paar Entscheidungen zum Verfahrensrecht im Bußgeldverfahren, ein wenig „Ecken sauber machen“. 🙂 Vorgestellt werden aber jeweils nur die Leitsätze, und zwar:

Eine Vertretung des Betroffenen in der Hauptverhandlung im Sinne der § 73 Abs. 3, 79 Abs. 4 OWiG setzt den Nachweis der Vertretungsvollmacht voraus. Im Falle einer Untervertretung genügt es hierfür nicht, wenn zwar eine vom Wahlverteidiger dem Untervertreter erteilte Vollmacht zu den Akten gelangt ist, aber keine dem Wahlverteidiger erteilte Vertretungsvollmacht nachgewiesen ist.

1. Zur Beurteilung der Frage, ob bei der Verhängung mehrerer Geldbußen die Wertgrenze des § 79 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 OWiG überschritten ist, sind einzelne Geldbußen zu addieren, soweit sie wegen einer Tat im prozessualen Sinne gemäß § 264 Abs. 1 StPO i.V.m. § 46 Abs. 1 OWiG verhängt wurden.

2. Kann aufgrund der unzulänglichen tatrichterlichen Feststellungen nicht beurteilt werden, um wie viele prozessuale Taten es sich bei den abgeurteilten Verstößen gegen das Steuerberatungsgesetz handelt, sind die verhängten Geldbußen für die Prüfung der Statthaftigkeit der Rechtsbeschwerde zusammenzurechnen.

Das Verschlechterungsverbot hindert das neue Tatgericht im neuen Rechtsgang nicht an der Verurteilung wegen einer für den Betroffenen nachteiligen Schuldform (hier Vorsatz statt Fahrlässigkeit), wohl aber an der Verhängung einer gegenüber dem ersten Rechtsgang höheren Geldbuße.

1. Nach der unmissverständlichen Formulierung des § 79 Abs.1 Satz 2 OWiG ist die Zulassung der Rechtsbeschwerde nur gegen Urteile möglich. Gegen nach § 72 OWiG erlassene Beschlüsse ist eine Zulassungsrechtsbeschwerde ausgeschlossen.

2. Gibt das Tatgericht dem Betroffenen unter Fristsetzung die Möglichkeit, rechtsfolgenmindernde Umstände nachzuweisen (hier: verkehrserzieherische Nachschulung), so stellt es eine Verletzung rechtlichen Gehörs im Sinne des § 79 Abs. 1 Nr. 5 Alt. 2 OWiG dar, wenn der nach § 72 OWiG ergehende Beschluss vor Fristablauf ergeht.

1. Die Zulassung der Rechtsbeschwerde ist nicht allein deshalb geboten, weil das angefochtene Urteil keine Urteilsgründe enthält, obwohl die Voraussetzungen des § 77b OWiG, unter denen von der Fertigung von Urteilsgründen abgesehen werden kann, nicht gegeben sind, da ggf. insbesondere bei massenhaft auftretenden Bußgeldverfahren wegen einfacher Verkehrsordnungswidrigkeiten, die in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht keine Schwierigkeiten aufweisen, die Zulassungsvoraussetzungen häufig auch ohne Kenntnis von Urteilsgründen geprüft werden können.

2. Ist jedoch das Recht auf rechtliches Gehär des Betroffenen verletzt, ist die Rechtsbeschwerde ggf. zuzulassen.

So, Ecken sauber. Und das Bild mal nur so bzw.: Die o.a. Fragen sind alle auch in unserem OWi-Hnadbuch angesprochen. Zur <<Werbemodus an>> Bestellseite geht es hier. <<Werbemodus aus>>.

 

 

 

OWi III: Fehlen von Urteilsgründen und Zulassungsrechtsbeschwerde, oder: Wer ist schuld: Haupt – oder Unterbevollmächtigter?

Und als dritte Entscheidung dann noch der OLG Koblenz, Beschl. v. 23.04.2019 – 1 OWi 6 SsRs 47/19, also schon etwas älter. Aber dennoch….

Auch der Beschluss hat mit Rechtsbeschwerde „zu tun“. Der Beschluss greift nämlich noch einmal eine Problematik auf, die in der Praxis immer wieder eine Rolle spielt. Nämlich: Rechtsbeschwerde in den Fällen, in denen das amtsgerichtliche Urteil nicht innerhlab der Frist des § 275 StPO – fünf Wochen – begründet worden ist. Dann ist an sich die Rechtsbeschwerde ein Selbstläufer, allerdings – iwe man hier sieht – in den Zulassungsfällen eben nicht. Das OLG prüft dann nämlich, ob auch ohne Kenntnis der Urteislsgründe über die Zulassung entschieden werden kann. Dafür ist dann aber Voraussetzung, dass die Rechtsbeschwerdebegründung den gesetzlichen Anforderungen entspricht. Und das war hier nicht der Fall, mit der Folge, dass das OLG den Zulassungsantrag verwerfen konnte und verworfen hat:

Der Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde ist zulässig, bleibt jedoch ohne Erfolg.

1. Zwar ist das Urteil hier nicht innerhalb der mit Urteilsverkündung beginnenden fünfwöchigen Frist des § 77b OWiG nachträglich begründet worden. Auch liegt kein Fall vor, in dem eine ausnahmsweise Fristverlängerung gemäß § 275 Abs. 1 StPO i.V.m. § 46 Abs, 1, 71 Abs. 1 OWiG in Betracht käme (vgl. Thüringer Oberlandesgericht, Beschluss vom 13. Mai 2004 — 1 Ss 87/04 juris. VRS 107, 374), da die irrtümliche Annahme, das Urteil sei rechtskräftig, keinen unvorhersehbaren unabwendbaren Umstand im Sinne des § 275 Abs. 1 Satz 4 StPO darstellt (vgl. BGH, Beschluss vom 26. Januar 1988 — 5 StR 1/88 —, juris = StV 88, 193).

2. Das unzulässige Fehlen von Urteilsgründen führt im Falle einer zulässigen Rechtsbeschwerde in der Regel schon auf die Sachrüge hin zur Aufhebung, da dem Rechtsbeschwerdegericht in diesem Falle eine Nachprüfung auf sachlich-rechtliche Fehler nicht möglich ist. Davon zu unterscheiden sind jedoch die Fälle, in denen die Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde – wie hier – von deren Zulassung abhängt. In diesen Fällen begründet das Fehlen von Urteilsgründen für sich allein noch nicht die Zulassung der Rechtsbeschwerde, erforderlich ist vielmehr auch in diesen Fällen die Prüfung, ob die Zulassungsvoraussetzungen vorliegen. Dabei können diese Voraussetzungen, jedenfalls bei massenhaft auftretenden Bußgeldverfahren wegen einfacher Verkehrsordnungswidrigkeiten ohne erkennbare Schwierigkeiten in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht, häufig auch ohne Kenntnis von Urteilsgründen geprüft werden, auch unter Einbeziehung des Bußgeldbescheides, des Zulassungsantrages und sonstiger Umstände (vgl. BGH, Beschluss vom 16. Juli 1996 – 5 StR 230/95, BGHSt 42, 187-191; OLG Stuttgart, Beschluss vom 3. August 2009 – 5 Ss 1249/09 – beck-online m.w.N.). So liegt der Fall hier. Es handelt sich um den Vorwurf einer Geschwindigkeitsüberschreitung um 24 km/h außerorts, die im standardisierten Messverfahren festgestellt wurde und zu der verschiedene Beweisanträge gestellt wurden.

3. Da vorliegend eine Geldbuße von nicht mehr als 100,- €, nämlich 70,- €, verhängt worden ist, ist die Rechtsbeschwerde nur dann zuzulassen, wenn die Nachprüfung des Urteils zur Fortbildung des materiellen Rechts geboten oder das Urteil wegen Versagung rechtlichen Gehörs aufzuheben ist, § 80 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 OWiG.

a) Die Rüge der Versagung rechtlichen Gehörs dringt nicht durch. Die Rüge der Versagung rechtlichen Gehörs ist mit einer den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO genügenden Verfahrensrüge geltend zu machen. Hiernach muss der Betroffene die zugrunde liegende Tatsachen so genau und vollständig mitteilen, dass dem Rechtsbeschwerdegericht allein anhand der Begründungsschrift und ohne Rückgriff auf den Akteninhalt eine Beurteilung ermöglicht wird, ob der Man-gel vorliegt, wenn die Tatsachen erwiesen wären (st. Rspr.). Diesen Anforderungen entspricht das Vorbringen des Betroffenen nicht. Dieser macht geltend, bereits zur Vorbereitung der Hauptverhandlung zwei Beweisanträge an das Gericht gesandt zu haben. Hinsichtlich des ersten Antrags sei nicht ersichtlich, dass das Gericht ihn zur Kenntnis genommen, sich mit ihm auseinandergesetzt, ihn in ausreichender Weise gewürdigt oder gar in der Hauptverhandlung durch Be-schluss zurückgewiesen habe. Bezüglich des zweiten Antrags rügt der Betroffene, dass sich das Gericht in den Urteilsgründen nicht mit ihm auseinandergesetzt habe. Mit diesem Vorbringen sind die Anforderungen an eine Verfahrensrüge nicht erfüllt. Der Betroffene trägt bereits nicht vor, dass die Anträge in der Hauptverhandlung überhaupt gestellt wurden. Zudem ist sein Vorbringen objektiv unrichtig. Ausweislich des Protokolls der Hauptverhandlung hat sich das Amtsgericht eingehend mit den in der Hauptverhandlung gestellten Anträgen beschäftigt und sie in ausführlichen Beschlüssen zurückgewiesen – was zudem zur Unbegründetheit der Rüge führt. Der Senat verkennt bei seiner Bewertung nicht, dass der vertretungsberechtigte Hauptbevollmächtigte des Betroffenen in der Hauptverhandlung nicht anwesend war, sondern sich aufgrund der ihm hierzu ebenfalls erteilten Vollmacht von einem Unterbevollmächtigten vertreten ließ. Infolgedessen hatte der Hauptbevollmächtigte keine eigene Kenntnis von den Vorgängen in der Hauptverhandlung. Der Senat verkennt ebenso wenig, dass der Verteidiger bis zum Ablauf der Rechtsmittelbegründungsfrist weder das Protokoll der Hauptverhandlung noch Akteneinsicht erhalten hatte. Einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 46 StPO, § 46 Abs. 1 OWiG) hat er nach Erhalt der Akteneinsicht jedoch nicht gestellt. Anlass zur Wiedereinsetzung von Amts wegen bestand nicht, da der Verteidiger die Rechtsbeschwerdebegründung nach Akteneinsicht lediglich durch Ausführungen zum Fehlen bzw. Nachschieben der Urteilsgründe ergänzt, zur Rüge rechtlichen Gehörs jedoch nicht weiter vorgetragen hat.

b) Die Nachprüfung des Urteils zur Fortbildung des Rechts ist nicht geboten. Für die Beurteilung dieses Zulassungsgrundes ist es nicht entscheidend, ob das Recht im Einzelfall richtig angewendet worden ist, sondern allein, ob der Einzelfall Veranlassung gibt, Leitsätze für die Auslegung von Gesetzesbestimmungen des Rechtes aufzustellen oder Gesetzeslücken schöpferisch zu schließen (Göhler, OWiG, 17. Aufl. § 80 Rn. 3 m.w.N.). Entscheidungserhebliche, abstraktionsfähige und klärungsbedürftige Fragen des Rechts, die allgemein für die Rechtsanwendung von grundsätzlicher Bedeutung sind (vgl. OLG Koblenz, Beschlüsse vom 29. Oktober 2010 — 2 SsRs 52/10 — und vom 27. Mai 2007 — 2 Ss 144/07), stellen sich vorliegend nicht.“

Wenn man es liest, fragt man sich: Fehler des Unterbevollmächtigten oder des Hauptbevollmächtigten? Nun – auf die HV bezogen – handelt es sich um einen Fehler des Unterbevollmächtigten – man fährt wahrscheinlich als Verteidiger besser selbst zum AG. Auf die Rechtsbeschwerde bezogen m.E. ein Fehler des Hauptbevollmächtigten, der die Rechtsbeschwerde eben nicht ausreichend begründet hat, wobei natürlich der Fehler des Unterbevollmächtigten sich fortsetzt….

Die Verfahrensverzögerung als „zinsfreie Stundung seines Bußgeldes“, oder: Unfassbares OLG Frankfurt

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Die 40. Woche eröffne ich mit einer Entscheidung des OLG Frankfurt am Main, die mir der Kollege Gratz aus dem Saarland geschickt hat. Er hat darüber in seinem VerkehrsrechtsBlog auch schon berichtet.

Ich greife diese Entscheidung, den OLG Frankfurt am Main, Beschl. v. 19.09.2019 – 2 Ss-Owi 530/18 – hier aber noch einmal auf, weil ich mich über die Entscheidung schon geärgert habe. In meinen Augen unfassbar, was sich das OLG da leistet. Vor allem im Ton.

Zum Hintergrund der Entscheidung – ich habe mich bei dem Kollegen kundig gemacht: Die Verteidigerin des Betroffenen hatte gegen desssen Verurteilung vom 12.03.2018 – bitte auf die Daten achten! – am 15.03.2018 Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde gestellt. Die Begründung der Zulassungsrechtsbeschwerde erfolgte am 23.04.2018. Darüber hat der Senat am 24.07.2019 entschieden und den Zulassungsantrag zurückgewiesen. Mit der Anhörungsrüge wird dagegen geltend gemacht, dass vor Ablauf der Begründungsfrist entschieden worden sei, da diese mangels ordnungsgemäßer Zustellung des Urteils – Urteilsformel nicht im Protokoll enthalten – noch nicht begonnen habe.

Und darauf antwortet das OLG durch seinen Einzelrichter dann wie folgt:

„Der Anhörungsrüge mit der Begründung „ der Senat habe vor Ablauf der Stel­lungnahmefrist entschieden“ irritiert vorliegend.

Das Urteil des Amtsgerichts Groß Gerau datiert vom 12.03.2018. Der Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde der Verteidigerin ist vom 15.03.2018. Die Begründung der Zulassungsrechtsbeschwerde erfolgte am 23.04.208 [muss wohl heißen: 2018].

Auf Grund der Überlastung des Senats und der vordringlichen Entscheidung von Haftsachen hat der Senat erst am 24.07.2019 entschieden. Von allen An­gelegenheiten, die der Senat zu bearbeiten hat, sind Zulassungsrechtsbe­schwerden von nachrangiger Bedeutung, da sie lediglich Geldzahlungen ohne Nebenfolgen betreffen, die keinerlei nachteilige Auswirkungen für den Betroffe­nen haben können.

Nach 1 Jahr und 4 Monaten konnte der Senat davon ausgehen, dass der Ver­teidigerin genug Zeit gewährt worden war, ihren Vortrag dem Senat zukommen zu lassen, zumal der Verteidigerin offensichtlich aus dem Blick geraten ist, dass bei einer Zulassungsrechtsbeschwerde eine Verfahrensrüge notwendig ist, die nach Ablauf der Rechtsmittelbegründungsfrist nicht mehr nachgeholt werden kann und vorliegend nicht nach den gesetzlichen Vorschriften entsprechend erhoben worden ist.

Der Vortrag, wegen Verfahrensverzögerung das Bußgeld entfallen zu lassen oder für vollstreckt zu erklären, scheidet bei Verfahren die als Rechtsmittel nur die Zulassungsrechtsbeschwerde vorsehen, grundsätzlich aus. Es entsteht beim Betroffenen kein kompensationsbedürftiger Nachteil. Er erhält im Gegen­teil eine zinsfreie Stundung seines Bußgeldes von vorliegend 75,– €.“

Für mich ist der Ton nicht nachvollziehbar. Denn: Die Verteidigerin und/oder der Betroffene sind ja nun mal nicht dafür verantwortlich, wenn der OLG-Senat überlastet ist; da mag man sich an die Justizverwaltung wenden. Und auch nach 1 Jahr und 4 Monaten kann der Betroffene erwarten, dass das Verfahren eingehalten wird und die Begründungsfrist in Lauf gesetzt wird. Denn dann hätte der Betroffene bzw. die Verteidigerin m.E. „nachholen“ können. So hat das OLG ihm die Möglichkeit genommen. Und dem Betroffenen dann noch vorzuhalten, die eigene zögerliche Behandlung sei im Ergebnis „eine zinsfreie Stundung seines Bußgeldes“, ist dann die Krönung.

Im Übrigen: Der Senat bzw. der entscheidende Einzelrichter will doch nicht ernsthaft behaupten, dass er mit Haftsachen so überlastet war, dass er es in 15 Monaten (!!!) nicht schaffen konnte, über den Zulassungsantrag zu entscheiden. Die werden doch eh alle „abgebügelt“, zumal, wenn es wie hier zum einen um die Einsicht in die Lebensakte, zum anderen darum ging, dass die dies betreffende Beschwerde vom AG nicht ans LG weitergeleitet wurde. Möglicherweise hat die Verzögerung ja ganz andere Gründe, wenn man sich die Autorenliste in der „Festschrift“ der PTB zu „60 Jahre „Blitzer“ in Deutschland: Der aktuelle Stand“ ansieht. Aber das lasse ich dann lieber mal dahingestellt.