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beA II: Bei der Berufung fehlt die „richtige“ Signatur, oder: Irrtum des Rechtsanwalts nicht unverschuldet.

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In der zweiten Entscheidung, dem OLG Zweibrücken, Beschl. v. 04.12.2023 – 9 U 141/23 – geht es auch noch einmal um die Frage der „richtigen“ Signatur.

Die Beklagte ist vom LG teilweise zur Zahlung verurteilt worden, im Übrigen wurde die weitergehende Klage abgewiesen. Das Urteil wurde der Prozessbevollmächtigten der Beklagten am 04.08.2023 zugestellt.

Gegen diese Entscheidung hat die Beklagte am 04.09.2023 durch einen unter dem Briefkopf der Anwaltskanzlei „pp.“ verfassten, durch die Rechtsanwältin pp. persönlich auf einem sicheren Übermittlungsweg aus einem besonderen elektronischen Anwaltspostfach (beA) eingereichten Schriftsatz vom 04.09.2023, der beim OLG Zweibrücken am selben Tag um 10:13 Uhr einging, Berufung eingelegt. In gleicher Form erfolgte die am 22.09.2023 eingegangene Berufungsbegründung, mit der das Ziel einer vollständigen Klageabweisung weiterverfolgt wird.

Die Schriftsätze enden jeweils mit der Zeile „(Rechtsanwältin)“. Ein Name oder eine Unterschrift finden sich oberhalb dieser Zeile nicht). In den Transfervermerken zu den Schriftsätzen findet sich jeweils die Angabe „Sicherer Übermittlungsweg aus einem besonderen Anwaltspostfach“ sowie in dem Feld „Qualifiziert signiert nach ERVB“ die Angabe „nein“.

Die Beklagte ist nach Eingang der Berufungserwiderung darauf hingewiesen worden, dass Bedenken betreffend die formgerechte Einlegung und Begründung ihrer Berufung bestünden, weil die Anforderungen des § 130a Abs. 3 S. 1 ZPO nicht erfüllt seien. Dazu hat sie Stellung genommen und – unter Beifügung von jeweils mit dem Zusatz „gez. pp. (Rechtsanwältin)“ versehenen Exemplaren der Berufungseinlegungsschrift und Berufungsbegründung – vorsorglich Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt.

Im Übrigen vertritt sie die Auffassung, dass sowohl die Schriftsätze bezüglich Berufungseinlegung als auch Berufungsbegründung mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen seien. Denn die Namensnennung im Briefkopf sei angesichts ihrer Tätigkeit als Einzelanwältin als einfache Signatur anzusehen; zudem sei ein sicherer Übermittlungsweg gewählt worden. Sie sei ohne Sonderwissen und Beweisaufnahme als verantwortliche Person zu erkennen. Jedenfalls sei ihr Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, da das Gericht ihr den angeblichen Formmangel jeweils noch vor Fristablauf hätte anzeigen können. Die in der diesbezüglichen Unterlassung liegende gerichtsinterne Verzögerung habe sie nicht zu verantworten.

Das OLG hat die Berufung der Beklagten ist gemäß § 522 Abs. 1 S. 2 ZPO als unzulässig zu verwerfen und den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen:

„Die von der Beklagten beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der Berufung ist zurückzuweisen, da die Versäumung der Notfrist des § 517 ZPO nicht unverschuldet ist (§ 233 ZPO). Denn die Beklagte muss sich das Verschulden ihr Prozessbevollmächtigten gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen.

1.1.1. Entgegen der Behauptung der Beklagten im Schriftsatz vom 24.11.2023 ist der Berufungseinlegungsschriftsatz vom 04.09.2023 nicht mit einer qualifizierten elektronischen Signatur (siehe dazu Zöller/Greger, ZPO, 34. Aufl., § 130a Rn 7, 8) der Rechtsanwältin pp. versehen. Denn aus dem Transfervermerk (prüfvermerk.pdf) zur Berufungseinlegung ergibt sich, dass in der Rubrik „Qualifiziert signiert nach ERVB“ ausschließlich „nein“ vermerkt ist.

1.2. Entgegen der Ansicht der Beklagten genügt für eine formgerechte Berufungseinlegung auch nicht, dass der Schriftsatz vom 04.09.2023 auf einem sicheren Übermittlungsweg (besonderes elektronisches Anwaltspostfach = beA) eingereicht wurde. Denn es fehlt dem eingereichten Schriftsatz die zusätzlich notwendige einfache Signatur der für das Schreiben verantwortlichen Person.

Die einfache Signatur erfordert eine Wiedergabe des Namens am Ende des Schriftsatzes, beispielsweise in Form eines maschinenschriftlichen Namenszugs oder einer eingescannten Unterschrift.

Die einfache Signatur soll – ebenso wie die eigene Unterschrift oder die qualifizierte elektronische Signatur – die Identifizierung des Urhebers der schriftlichen Verfahrenshandlung ermöglichen und dessen unbedingten Willen zum Ausdruck bringen, die volle Verantwortung für den Inhalt des Schriftsatzes zu übernehmen und diesen bei Gericht einzureichen (BAGE 172, 186 = NJW 2020, 3476 Rn. 19 mwN; BSG NJW 2022, 1334 Rn. 10). Dazu muss die Namenswiedergabe so entzifferbar sein, dass sie von den Empfängern des Dokuments ohne Sonderwissen oder Beweisaufnahme einer bestimmten Person als Verantwortlicher zugeordnet werden kann (BSG NJW 2022, 1334 Rn. 9). Fehlt es hieran, ist das Dokument nicht ordnungsgemäß eingereicht. Die einfache Signatur soll gerade sicherstellen, dass die von dem Übermittlungsweg beA ausgewiesene Person mit der Person identisch ist, welche mit der wiedergegebenen Unterschrift die inhaltliche Verantwortung für das Dokument übernimmt (BAGE 172, 186 = NJW 2020, 3476 Rn. 16 mwN; BSG NJW 2022, 1334 Rn. 9).

Diesen Vorgaben wird der Berufungseinlegungsschriftsatz vom 04.09.2023 nicht gerecht. Denn der Schriftsatz endet nur mit der Bezeichnung „(Rechtsanwältin)“ ohne weitere Namensangabe.

Das Fehlen einer Namensangabe ist entgegen der Auffassung der Prozessbevollmächtigten der Beklagten auch nicht unschädlich. Denn die einfache Signatur soll gerade sicherstellen, dass die von dem Übermittlungsweg beA ausgewiesene Person mit der Person identisch ist, welche mit der wiedergegebenen Unterschrift die inhaltliche Verantwortung für das Dokument übernimmt (vgl. insgesamt: BGH NJW 2022, 3512 Rn 11). Die Berufungsschrift lässt sich vorliegend jedoch keiner bestimmten Person zuordnen, die Verantwortung für ihren Inhalt übernommen hat, da sie lediglich mit der nicht durch eine Namensangabe ergänzten Zeile „(Rechtsanwältin)“ versehen ist und zudem nicht einfach signiert wurde. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass die Prozessbevollmächtigte der Beklagten ausweislich ihres Briefkopfes als Einzelanwältin tätig ist. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann auch bei dieser Sachlage nicht ausgeschlossen werden, dass eine im Briefkopf nicht aufgeführte Rechtsanwältin die Verantwortung für den Schriftsatz übernommen hat (BGH NJW 2022, 3512 Rn 12; siehe auch: BAG NJW 2020, 3476 Rn 17 ff.). Das Fehlen der einfachen Signatur ist entgegen der Auffassung der Beklagten auch nicht deswegen ausnahmsweise unschädlich, weil ohne Beweisaufnahme aufgrund anderer Umstände zweifelsfrei feststehen würde, dass ihre Prozessbevollmächtigte die Verantwortung für den Inhalt des Schriftsatzes übernommen hat (vgl. BAG NJW 2020, 3476 Rn 19). Die Verwendung des Briefbogens der Kanzlei der Prozessbevollmächtigten der Beklagten genügt hierfür nicht, da allein hieraus nicht folgt, dass sie für den Inhalt der Berufungsschrift Verantwortung übernehmen will. Auch lässt sich dem nicht entnehmen, ob die als Absender ausgewiesene Person identisch ist mit der den Inhalt des Schriftsatzes verantwortenden Person (vgl. BAG NJW 2020, 3476 Rn 20).

2. Der Antrag der Beklagten vom 24.11.2023 auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der Berufung ist zurückzuweisen, da die Versäumung der Notfrist nicht unverschuldet war (§ 233 Satz 1 ZPO). Die Beklagte muss sich das Verschulden ihrer Prozessbevollmächtigten, nicht formgerechte (04.09.2023) und daher verspätet nachgeholte Berufungseinlegung (24.11.2023), gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen.

Ein Rechtsirrtum eines Rechtsanwalts über die gesetzlichen Erfordernisse ist regelmäßig nicht unverschuldet. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs muss ein Rechtsanwalt die Gesetze kennen, die in einer Anwaltspraxis gewöhnlich zur Anwendung kommen. Eine irrige Auslegung des Verfahrensrechts kann als Entschuldigungsgrund nur dann in Betracht kommen, wenn der Verfahrensbevollmächtigte die volle, von einem Rechtsanwalt zu fordernde Sorgfalt aufgewendet hat, um zu einer richtigen Rechtsauffassung zu gelangen. Hierbei ist ein strenger Maßstab anzulegen, denn die Partei, die dem Anwalt die Verfahrensführung überträgt, darf darauf vertrauen, dass er dieser als Fachmann gewachsen ist. Selbst wenn die Rechtslage zweifelhaft ist, muss der bevollmächtigte Anwalt den sicheren Weg wählen. Von einem Rechtsanwalt ist zu verlangen, dass er sich anhand einschlägiger Fachliteratur über den aktuellen Stand der Rechtsprechung informiert. Dazu besteht umso mehr Veranlassung, wenn es sich um eine vor kurzem geänderte Gesetzeslage handelt, die ein erhöhtes Maß an Aufmerksamkeit verlangt. Ein Rechtsirrtum ist nur ausnahmsweise als entschuldigt anzusehen, wenn er auch unter Anwendung der erforderlichen Sorgfaltsanforderungen nicht vermeidbar war (vgl. BGH Beschluss vom 07.09.2022 – XII ZB 215/22, zitiert nach juris Rn. 16; BGH NJW 2019, 2230 Rn. 25 mwN). Ein etwa vorliegender Irrtum der Prozessbevollmächtigten der Beklagten über die Notwendigkeit einer einfachen Signatur war nicht unvermeidbar. Denn aus der vorliegenden Kommentarliteratur und Rechtsprechung war grundsätzlich bekannt, dass die einfache Signatur darin besteht, einen Namen unter das Dokument zu setzen, gleich ob man ihn tippt oder eine eingescannte Unterschrift einfügt. Hierüber durfte sich die Prozessbevollmächtigte der Beklagten nicht ohne Verletzung ihrer anwaltlichen Sorgfaltspflichten hinwegsetzen. Zudem war im Zeitpunkt der Einreichung der Berufung bereits Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts und des Bundesgerichtshofs veröffentlicht, wonach das Wort „Rechtsanwalt“ als Abschluss des Schriftsatzes nicht genügt (BAG NJW 2020, 3476 und BGH NJW 2022, 3512). Das schuldhafte Verhalten der Prozessbevollmächtigten der Beklagten war auch ursächlich für die Versäumung der Berufungseinlegungsfrist.

Die Beklagte kann sich nicht darauf berufen, dass das Gericht seine ihr gegenüber bestehende prozessuale Fürsorgepflicht und damit das allgemeine Prozessgrundrecht auf ein faires Verfahren verletzt habe, mit der Folge, dass ein in der eigenen Sphäre der Partei liegendes Verschulden hinter das staatliche Verschulden zurücktritt.

Aus dem „allgemeinen Prozessgrundrecht“ auf ein faires Verfahren aus Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) folgt die Verpflichtung des Richters zur Rücksichtnahme gegenüber den Verfahrensbeteiligten in ihrer konkreten prozessualen Situation. Es ist ihm hiernach untersagt, aus eigenen oder ihm zuzurechnenden Fehlern oder Versäumnissen Verfahrensnachteile für die betroffenen Prozessparteien abzuleiten (BVerfG 14. November 2018 – 1 BvR 433/16 – Rn. 11; 17. Januar 2006 – 1 BvR 2558/05 Rn. 8). Der Anspruch auf ein faires Verfahren kann eine gerichtliche Hinweispflicht auslösen, wenn ein Rechtsmittel nicht in der vorgesehenen Form übermittelt worden ist. Eine Partei kann erwarten, dass dieser Vorgang in angemessener Zeit bemerkt wird und innerhalb eines ordnungsgemäßen Geschäftsgangs die notwendigen Maßnahmen getroffen werden, um eine drohende Fristversäumnis zu vermeiden. Unterbleibt ein gebotener Hinweis, ist der Partei Wiedereinsetzung zu bewilligen, wenn er bei ordnungsgemäßem Geschäftsgang so rechtzeitig hätte erfolgen können und müssen, dass es der Partei noch möglich gewesen wäre, die Frist zu wahren. Kann der Hinweis im Rahmen ordnungsgemäßen Geschäftsgangs nicht mehr so rechtzeitig erteilt werden, dass die Frist durch die erneute Übermittlung des fristgebundenen Schriftsatzes noch gewahrt werden kann, oder geht trotz rechtzeitig erteilten Hinweises der formwahrende Schriftsatz erst nach Fristablauf ein, scheidet eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand allein aus diesem Grund dagegen aus. Aus der verfassungsrechtlichen Fürsorgepflicht der staatlichen Gerichte und dem Anspruch auf ein faires Verfahren folgt keine generelle Verpflichtung der Gerichte dazu, die Formalien eines als elektronisches Dokument eingereichten Schriftsatzes sofort zu prüfen, um erforderlichenfalls sofort durch entsprechende Hinweise auf die Behebung formeller Mängel hinzuwirken (BGH 21. März 2017 – X ZB 7/15 – Rn. 13). Dies nähme den Verfahrensbeteiligten und ihren Bevollmächtigten ihre eigene Verantwortung dafür, die Formalien einzuhalten. Eine solche Pflicht überspannte die Anforderungen an die Grundsätze des fairen Verfahrens (BVerfG 17. Januar 2006 – 1 BvR 2558/05 – Rn. 10; BAG 5. Juni 2020 – 10 AZN 53/20 – Rn. 39; BGH 18. Oktober 2017 – LwZB 1/17 – Rn. 11). Die Abgrenzung dessen, was im Rahmen einer fairen Verfahrensgestaltung an richterlicher Fürsorge aus verfassungsrechtlichen Gründen geboten ist, kann sich nicht nur am Interesse der Rechtsuchenden an einer möglichst weitgehenden Verfahrenserleichterung orientieren, sondern hat auch zu berücksichtigen, dass die Justiz im Interesse ihrer Funktionsfähigkeit vor zusätzlicher Belastung geschützt werden muss (vgl. BAG 5. Juni 2020 – 10 AZN 53/20 – Rn. 39; BGH 20. April 2011 – VII ZB 78/09 – Rn. 12). Hiervon ausgehend gebietet es die aus dem verfassungsrechtlichen Gebot eines fairen Verfahrens folgende gerichtliche Fürsorgepflicht, eine Prozesspartei auf einen leicht erkennbaren Formmangel – wie die fehlende Unterschrift in einem bestimmenden Schriftsatz – hinzuweisen und ihr Gelegenheit zu geben, den Fehler fristgerecht zu beheben (dazu BGH 14. Oktober 2008 – VI ZB 37/08 – Rn. 10).

Daran gemessen ist dem Senat bei der Versäumung der Frist zur Berufungseinlegung keine Fürsorgepflichtverletzung vorzuwerfen.

Die Annahme der Beklagten, das Oberlandesgericht hätte auf die am letzten Tag der Notfrist, den 04.09.2023, 10:13 Uhr, übermittelte Berufungsschrift noch im Laufe des Tages darauf hinweisen müssen, dass die Voraussetzungen des § 130a ZPO nicht erfüllt sind, überspannt die gerichtliche Überprüfungspflicht. Zwar darf eine Frist bis zum Ende ausgeschöpft werden; allerdings gilt dann ein erhöhter Sorgfaltsmaßstab, der insbesondere auch die Überprüfung der Form der Rechtsmittelschrift durch den Rechtsanwalt umfasst. Eine Pflicht des Gerichts, an der Heilung von Form- und Fristmängeln durch außerordentliche Maßnahmen außerhalb des ordnungsgemäßen Geschäftsgangs mitzuwirken, besteht nicht (vgl. BGH NJW 2013, 236; NJW-RR 2014, 2). Dass der ordnungsgemäße Geschäftsgang nicht vorsieht, dass vom zuständigen Spruchkörper innerhalb weniger Stunden von eingehenden Berufungen Kenntnis genommen wird, um auf mögliche Formmängel hinzuweisen, bedarf keiner weiteren Ausführungen.

Im normalen Geschäftsgang ist das Berufungsverfahren durch die Eingangsgeschäftsstelle nach dem bestehenden Turnussystem dem 9. Zivilsenat zugeteilt worden. Im Anschluss daran hat die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle mit Verfügung vom 07.09.2023 (Bl. 13, 14 d. eA II) die Eingangsformalien erledigt und das Verfahren wegen Urlaubs des Vorsitzenden der Stellvertreterin zur Kenntnis vorgelegt. Zu diesem Zeitpunkt konnte eine rechtzeitige Berufungseinlegung durch die Beklagte nicht mehr erfolgen. Ein Verschulden von Seiten des Gerichts ist daher nicht gegeben.“

beA II: beA/elektronisches Dokument im Strafrecht, oder: Wiedereinsetzung, Ersatzeinreichung, Email

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Und nach der kleinen RÜ zum beA im Zivilverfahren (vgl. hier: beA I: beA/elektronisches Dokument im Zivilrecht, oder: aktuelle Software, Zustellung, Ersatzeinreichung) nun etwas zum Straf-/OWi-Verfahren, und zwar:

  • BGH, Beschl. v. 06.02.2024 – 6 StR 609/23 – zur Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der Revision, in dem sich ein Dissens bei den Strafsenaten des BGH andeutet/ankündigt:

„(1) Der Senat vermag der Rechtsansicht des 3. Strafsenats des Bundesgerichtshofs nicht zu folgen, wonach die Zulässigkeit des Wiedereinsetzungsantrags in Fällen, in denen die vorübergehende technische Unmöglichkeit der Einreichung eines Schriftsatzes als elektronisches Dokument geltend gemacht wird, einer aus sich heraus verständlichen, geschlossenen Schilderung der tatsächlichen Abläufe oder Umstände bedarf (vgl. BGH, Beschluss vom 5. September 2023 – 3 StR 256/23, NStZ-RR 2023, 347). Gestützt wird dieses Erfordernis auf die für eine zulässige Ersatzeinreichung von Schriftsätzen gemäß § 130d Satz 3 ZPO entwickelten Anforderungen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 21. September 2022 – XII ZB 264/22, NJW 2022, 3647; vom 1. März 2023 – XII ZB 228/22, NJW-RR 2023, 760, 762). Mit den an die Darlegung des technischen Defekts gestellten Anforderungen soll eine missbräuchliche Übersendung von Schriftsätzen im Zivilprozess nach den allgemeinen Vorschriften verhindert werden (vgl. BT-Drucks. 17/12634 S. 27 zu § 130d ZPO). Während das Verschulden des Verfahrensbevollmächtigten nach § 85 Abs. 2 ZPO demjenigen der Partei gleichsteht und daher die Wiedereinsetzung gemäß § 233 Satz 1 ZPO versagt werden kann, wenn die elektronische Übermittlung etwa wegen eines technischen Fehlers fehlschlägt und der Anwalt nicht die Möglichkeit ergreift, das Dokument nach den allgemeinen Vorschriften fristwahrend zu übermitteln (vgl. BGH, Beschluss vom 1. März 2023 – XII ZB 228/22, NJW-RR 2023, 760, 762), erscheint die Übertragung der insoweit entwickelten Grundsätze auf die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß §§ 44, 45 StPO nicht sachgerecht, weil das Verschulden des Verteidigers bei der formwidrigen Übermittlung von Schriftsätzen dem Angeklagten nicht als eigenes zuzurechnen ist (vgl. BVerfG, NJW 1994, 1856; BGH, Beschluss vom 4. Juli 2023 – 5 StR 145/23, NJW 2023, 3304).

(2) Es kann letztlich dahinstehen, ob das vom 3. Strafsenat postulierte Darlegungserfordernis anzunehmen ist. Denn hier würde das Vorbringen des Antragstellers diesen Anforderungen gerecht, weil es mit Blick auf den glaubhaft gemachten Hardware-Defekt am Kanzleirechner, über den das besondere elektronische Anwaltspostfach geführt wurde (§ 31a BRAO), und die Dauer der Störung eine verständliche und geschlossene Schilderung enthielte.“

Im Falle einer im Verantwortungsbereich der Justiz zu verortenden Störung, die den beA-Empfang bei allen Gerichten im Lande (über einen längeren Zeitraum und) über den Ablauf der Einlegungsfrist hinaus unmöglich machen, bedarf es einer sonst erforderlichen anwaltlichen Versicherung – insbesondere von Umständen, die sich der genaueren Kenntnis des Versichernden zu Ursachen und Ausmaß der Störung entziehen – ausnahmsweise nicht, um den Anforderungen des § 32 d Satz 3 und Satz 4 StPO zu genügen.

1. Die Rechtsmitteleinlegung durch genügt nicht der gesetzlichen Schriftform gemäß § 32a Abs. 3 StPO, wenn die Email weder mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der das Dokument verantwortenden Person versehen noch vom Verfasser signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht worden ist.

2. Dem Schriftformerfordernis wird aber ausnahmsweise dadurch genügt, wenn die Email ausgedruckt und zur Akte genommen wurde. Aus dem Schriftstück muss dann jedoch der Inhalt der Erklärung, die abgegeben werden soll, und die Person, von der sie ausgeht, schon im Zeitpunkt des Eingangs der Erklärung bei Gericht hinreichend zuverlässig entnommen werden können.

beA I: beA/elektronisches Dokument im Zivilrecht, oder: aktuelle Software, Zustellung, Ersatzeinreichung

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Und heute im „Kessel Buntes“ u.a. beA-Entscheidungen. Hier kommt zunächst eine kleine Zusammenstellung von Entscheidungen aus dem Zivilverfahren, allerdings immer nur die Leitsätze der Entscheidungen, und zwar:

1. Für die Rücksendung des elektronischen Empfangsbekenntnisses in Form eines strukturierten Datensatzes per besonderem elektronischen Anwaltspostfach (beA) ist es erforderlich, dass aufseiten des die Zustellung empfangenden Rechtsanwalts die Nachricht geöffnet sowie mit einer entsprechenden Eingabe ein Empfangsbekenntnis erstellt, das Datum des Erhalts des Dokuments eingegeben und das so generierte Empfangsbekenntnis versendet wird. Die Abgabe des elektronischen Empfangsbekenntnisses setzt mithin die Willensentscheidung des Empfängers voraus, das elektronische Dokument an dem einzutragenden Zustellungsdatum als zugestellt entgegenzunehmen; darin liegt die erforderliche Mitwirkung des Rechtsanwalts, ohne dessen aktives Zutun ein elektronisches Empfangsbekenntnis nicht ausgelöst wird.

2. Das von einem Rechtsanwalt elektronisch abgegebene Empfangsbekenntnis erbringt – wie das herkömmliche papiergebundene (analoge) Empfangsbekenntnis – gegenüber dem Gericht den vollen Beweis nicht nur für die Entgegennahme des Dokuments als zugestellt, sondern auch für den angegebenen Zeitpunkt der Entgegennahme und damit der Zustellung. (Anschluss an BVerwG, Beschluss vom 19. September 2022 – 9 B 2/22, NJW 2023, 703).

Der von der Vollstreckungsbehörde in Form eines elektronischen Dokuments zu erteilende Vollstreckungsauftrag zur Pfändung und Verwertung beweglicher körperlicher Sachen nach dem Justizbeitreibungsgesetz (JBeitrG), der eine qualifizierte elektronische Signatur des bearbeitenden Mitarbeiters als der verantwortenden Person trägt, genügt den im elektronischen Rechtsverkehr geltenden Formanforderungen (Anschluss an BGH, Beschl. v. 6.4. 2023 – I ZB 84/22, NJW-RR 2023, 906).

1. War es bereits im Zeitpunkt der Ersatzeinreichung eines Schriftsatzes möglich, die vorübergehende technische Unmöglichkeit der elektronischen Übermittlung darzulegen und glaubhaft zu machen, hat dies mit der Ersatzeinreichung zu erfolgen; in diesem Fall genügt es nicht, wenn die Voraussetzungen für eine Ersatzeinreichung nachträglich darlegt und glaubhaft gemacht werden (BGH, Beschl. v. 17.11.2022 – IX ZB 17/22, NJW 2023, 456 f.).

2. Die an die Nutzungspflicht und die an eine Ersatzeinreichung eines elektronischen Dokuments zu stellenden Voraussetzungen ergeben sich aus dem Gesetz. Dass die Rechtsmittelbelehrung darauf nicht gesondert hinweist, ist unschädlich und führt nicht zur Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.

1. Die Glaubhaftmachung der vorübergehenden Unmöglichkeit der Einreichung eines Schriftsatzes als elektronisches Dokument bedarf einer aus sich heraus verständlichen, geschlossenen Schilderung der tatsächlichen Abläufe oder Umstände. Hieran fehlt es, wenn die glaubhaft gemachten Tatsachen jedenfalls auch den Schluss zulassen, dass die Unmöglichkeit nicht auf technischen, sondern auf in der Person des Beteiligten liegenden Gründen beruht.

2. Rechtsanwälte, die ihre beA-Software nicht aktualisieren, können sich nicht auf eine technische Unmöglichkeit berufen, wenn deshalb ein fristgebundener Schriftsatz zu spät bei Gericht eingeht. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kommt in solchen Fällen nicht in Betracht.

Ein Rechtsmittel ist unzulässig, wenn die Rechtsmittelschrift zwar  von einem Rechtsanwalt auf einem sogenannten sicheren Übermittlungsweg eingereicht wird, aber weder einfach noch qualifiziert elektronisch signiert wurde.

 

Fristverlängerung für Beschwerdebegründung, oder: Wiedereinsetzung nach Versagung?

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Und dann heute der letzte Tag in 2023 mit Entscheidungen. Und es ist Samstag, also „Kessel-Buntes-Tag“. Ich stelle daher zwei Entscheidungen aus dem Zivilverfahren vor.

Zunächst kommt hier der schon etwas ältere BGH, Beschl. v. 02.08.2023 – XII ZB 96/23. Das OLG Dresden hatte die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Beschwerdebegründung mit der Begründung abgelehnt, der Wiedereinsetzungsantrag sei nicht innerhalb der gemäß §§ 113 Abs. 1 Satz 2, 117 Abs. 5 FamFG maßgeblichen Frist des § 234 Abs. 1 Satz 2 ZPO gestellt worden. Der BGH hat das „gehalten“:

„a) Das Oberlandesgericht hat zu Recht angenommen, dass die Antragsgegnerin die Beschwerde weder binnen der am 3. März 2022 abgelaufenen (§ 117 Abs. 1 Satz 3 FamFG) noch innerhalb der gemäß § 117 Abs. 1 Satz 4 FamFG, § 520 Abs. 2 Satz 2 ZPO bis 4. April 2022 ohne Einwilligung des Gegners verlängerbaren Frist begründet hat. Hiergegen erinnert auch die Rechtsbeschwerde nichts.

b) Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde hat das Oberlandesgericht auch eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Beschwerdebegründung mit zutreffenden Erwägungen abgelehnt. Die zutreffende Auffassung des Oberlandesgerichts, der Wiedereinsetzungsantrag sei nicht innerhalb der gemäß §§ 113 Abs. 1 Satz 2, 117 Abs. 5 FamFG maßgeblichen Frist des § 234 Abs. 1 Satz 2 ZPO gestellt worden, greift die Rechtsbeschwerde nicht an. Anders als die Rechtsbeschwerde meint, war aber auch eine Wiedereinsetzung in den Lauf der Beschwerdebegründungsfrist von Amts wegen nicht veranlasst.

aa) Nach §§ 117 Abs. 5 FamFG, 233 Satz 1 ZPO ist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn ein Verfahrensbeteiligter ohne sein Verschulden verhindert war, die Beschwerdebegründungsfrist einzuhalten. Das Verschulden seines Verfahrensbevollmächtigten ist dem Beteiligten zuzurechnen (§ 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG iVm § 85 Abs. 2 ZPO). Der Verfahrensbeteiligte muss die die Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen gemäß § 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG iVm § 236 Abs. 2 Satz 1 ZPO glaubhaft machen.

Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kann gemäß § 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG iVm § 236 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 ZPO auch von Amts wegen gewährt werden, wenn die versäumte Verfahrenshandlung innerhalb der Antragsfrist nachgeholt worden ist. Weitere Voraussetzung ist allerdings, dass die Gründe für die unverschuldete Fristversäumung offenkundig sind oder nach erforderlichem gerichtlichem Hinweis offenkundig geworden wären (vgl. Senatsbeschluss vom 23. Mai 2012 – XII ZB 375/11FamRZ 2012, 1205 Rn. 30 mwN; BGH Beschluss vom 16. Januar 2018 – VIII ZB 61/17NJW 2018, 1022 Rn. 19 mwN) und daher keiner Glaubhaftmachung bedürfen.

bb) Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt. Zwar hat die Antragsgegnerin die versäumte Rechtshandlung – die Einreichung einer Beschwerdebegründung – am 14. April 2022 und damit jedenfalls innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist des § 234 Abs. 1 Satz 2 ZPO nachgeholt. Gründe für eine unverschuldete Fristversäumung sind indes nicht offenkundig.

(1) Die Sorgfaltspflicht verlangt in Fristsachen von einem Rechtsanwalt alles ihm Zumutbare, um die Wahrung von Rechtsmittelfristen zu gewährleisten. Dabei kann die Berechnung und Notierung von Fristen zwar einer gut ausgebildeten, als zuverlässig erprobten und sorgfältig überwachten Bürokraft übertragen werden. Der Rechtsanwalt hat jedoch durch geeignete organisatorische Maßnahmen sicherzustellen, dass die Fristen zuverlässig festgehalten und kontrolliert werden (vgl. Senatsbeschluss vom 19. Oktober 2022 – XII ZB 113/21NJW-RR 2023, 136 Rn. 11 mwN).

Die Einhaltung einer Rechtsmittelbegründungsfrist ist nicht nur durch die Eintragung der Hauptfrist, sondern zusätzlich durch eine ausreichende Vorfrist sicherzustellen (vgl. Senatsbeschlüsse vom 17. Mai 2023 – XII ZB 533/22 – juris Rn. 11 mwN und vom 19. Oktober 2022 – XII ZB 113/21NJW-RR 2023, 136 Rn. 13 ff. mwN). Für den Fall eines Fristverlängerungsantrags bestehen zudem weitere Anforderungen an das Fristenwesen. In diesen Fällen muss als zusätzliche Fristensicherung auch das hypothetische Ende der beantragten Fristverlängerung bei oder alsbald nach Einreichung des Verlängerungsantrags im Fristenbuch eingetragen, als vorläufig gekennzeichnet und rechtzeitig – spätestens nach Eingang der gerichtlichen Mitteilung – überprüft werden, damit das wirkliche Ende der Frist festgestellt werden kann (vgl. etwa BGH Beschluss vom 22. Juni 2021 – VIII ZB 56/20NJW 2022, 400 Rn. 34 mwN).

(2) Dass diese Anforderungen erfüllt waren, war nicht offenkundig, sondern hätte der konkreten Darlegung und Glaubhaftmachung durch die Antragsgegnerin bedurft. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde gilt insbesondere hier nicht deshalb etwas Abweichendes, weil das Oberlandesgericht nicht vor Ablauf der ohne Einwilligung des Gegners verlängerbaren Begründungsfrist über den Fristverlängerungsantrag entschieden oder die Antragsgegnerin zumindest rechtzeitig vor dem Ende dieser hypothetischen Frist darauf hingewiesen hatte, dass eine Fristverlängerung über den 4. April 2022 hinaus mangels Einwilligung des Antragstellers ausgeschlossen war. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist einem Beteiligten allerdings auch bei ihm zuzurechnendem Verschulden an der Fristversäumung zu gewähren, wenn sich das Verschulden wegen einer hierfür ursächlichen Verletzung der gerichtlichen Hinweispflicht nicht ausgewirkt hat (vgl. BGH Beschluss vom 14. Oktober 2008 – VI ZB 37/08FamRZ 2009, 321 Rn. 8). Dies ist hier indes nicht der Fall.

(a) Zunächst erweist es sich nicht als verfahrensfehlerhaft, dass das Oberlandesgericht über den Fristverlängerungsantrag der Antragsgegnerin nicht vor Ablauf der ohne Einwilligung des Gegners verlängerbaren Frist entschieden hat (vgl. BGH Beschluss vom 7. Februar 2023 – VIII ZB 55/21NJW 2023, 1812 Rn. 40 mwN). Soweit für den Fall einer gänzlich unterbliebenen, also auch nicht nachträglich ergangenen Entscheidung über einen Fristverlängerungsantrag anderes gelten sollte (BGH Beschluss vom 16. Januar 2018 – VIII ZB 61/17NJW 2018, 1022 Rn. 16), käme es hierauf nicht an, weil die verschuldete Versäumung der Beschwerdebegründungsfrist auf dem Unterbleiben einer Entscheidung über den Fristverlängerungsantrag nach dem gemäß § 520 Abs. 2 Satz 2 ZPO einwilligungsfrei bewilligungsfähigen Zeitraum jedenfalls nicht beruht.

(b) Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde war das Oberlandesgericht auch nicht aufgrund seiner aus dem Gebot eines fairen Verfahrens folgenden (BVerfGE 93, 99 = FamRZ 1995, 1559; BGH Beschluss vom 14. Oktober 2008 – VI ZB 37/08FamRZ 2009, 321 Rn. 9) gerichtlichen Fürsorgepflicht gehalten, die Antragsgegnerin vor Ablauf des nach § 520 Abs. 2 Satz 3 ZPO ohne Einwilligung des Gegners bewilligungsfähigen Zeitraums auf die mangels Einwilligung fehlende Möglichkeit einer weitergehenden Fristverlängerung hinzuweisen. Denn das Rechtsmittelgericht darf grundsätzlich davon ausgehen, dass dem Verfahrensbevollmächtigten eines Beteiligten die Voraussetzungen für eine Fristverlängerung von mehr als einem Monat bekannt sind (vgl. Senatsbeschluss vom 25. August 2021 – XII ZB 172/20FamRZ 2021, 1988 Rn. 14 mwN; BGH Beschluss vom 16. Januar 2018 – VIII ZB 61/17NJW 2018, 1022 Rn. 16; vgl. auch BVerfGE 93, 99 = FamRZ 1995, 1559) und er daher eines entsprechenden Hinweises nicht bedarf.

Aus dem Grundsatz, wonach ein Verfahrensbeteiligter darauf vertrauen darf, dass seine Schriftsätze alsbald nach ihrem Eingang bei Gericht zur Kenntnis genommen werden, offensichtliche äußere formale Mängel dabei nicht unentdeckt bleiben und er auf derartige behebbare Versäumnisse oder Fehler hingewiesen wird (vgl. BGH Beschluss vom 14. Oktober 2008 – VI ZB 37/08FamRZ 2009, 321 Rn. 10), ergibt sich nichts Anderes. Bei der Einwilligung des Gegners zu einer über die Monatsfrist des § 520 Abs. 2 Satz 3 ZPO hinausgehenden Fristverlängerung handelt es sich schon nicht lediglich um eine bloße Formalie, bei deren Fehlen von einem offenkundigen Versehen des antragstellenden Verfahrensbeteiligten auszugehen ist.

(c) Grundsätzlich ist es Sache der Verfahrensbeteiligten, für die Wahrung der Rechtsmittel- und Rechtsmittelbegründungsfristen Sorge zu tragen, eine etwa erforderliche Einwilligung des Gegners zu einer Fristverlängerung beizubringen und Unklarheiten über das Fristende oder sonstige Voraussetzungen der Fristwahrung rechtzeitig auszuräumen. Dabei muss ein Rechtsmittelführer damit rechnen, dass der Vorsitzende des Rechtsmittelgerichts in Ausübung seines pflichtgemäßen Ermessens eine beantragte Verlängerung der Rechtsmittelbegründungsfrist versagt (Senatsbeschluss vom 31. Januar 2018 – XII ZB 565/16FamRZ 2018, 841 Rn. 19 mwN; BGH Beschluss vom 26. Januar 2017 – IX ZB 34/16NJW-RR 2017, 564 Rn. 10 mwN). Darf der Beteiligte auf die Gewährung einer beantragten Fristverlängerung vertrauen, weil deren Bewilligung mit großer Wahrscheinlichkeit erwartet werden kann, bedarf es zwar keiner Nachfrage beim Gericht, ob die beantragte Fristverlängerung bewilligt wurde oder bewilligt werden wird (BGH Beschluss vom 30. Januar 2023 – VIa ZB 15/22FamRZ 2023, 718 Rn. 10 ff. mwN). So liegt es regelmäßig im Falle eines Fristverlängerungsantrags um nicht mehr als einen Monat oder bei Einwilligung des Gegners in eine weitergehende Fristverlängerung sowie Vorliegen der weiteren Voraussetzungen des § 520 Abs. 2 Satz 3 ZPO (BGH Beschlüsse vom 30. Januar 2023 – VIa ZB 15/22FamRZ 2023, 718 Rn. 10 ff. mwN; vom 16. Januar 2018 – VIII ZB 61/17NJW 2018, 1022 Rn. 25 und vom 9. Mai 2017 – VIII ZB 69/16NJW 2017, 2041 Rn. 11 f. mwN).

Anderes gilt jedoch, wenn der Beteiligte mit der beantragten Fristverlängerung nicht rechnen kann, etwa weil diese die nach § 520 Abs. 2 Satz 3 ZPO einwilligungsfreie Dauer übersteigt und eine Einwilligung des Antragsgegners zu einer weitergehenden Fristverlängerung – wie vorliegend – weder erteilt noch vom Verfahrensbevollmächtigten des Gegners angekündigt ist (vgl. Senatsbeschluss vom 25. August 2021 – XII ZB 172/20FamRZ 2021, 1988 Rn. 10 f.; BGH Beschlüsse vom 7. Februar 2023 – VIII ZB 55/21NJW 2023, 1812 Rn. 29 und vom 16. Januar 2018 – VIII ZB 61/17NJW 2018, 1022 Rn. 14 f.). In einem solchen Fall ist es Sache des Beteiligten, sich rechtzeitig nach dem Schicksal des von ihm gestellten Antrags auf Verlängerung der Rechtsmittelbegründungsfrist zu erkundigen, um die Begründung fristwahrend einreichen zu können (vgl. BGH Beschlüsse vom 30. Januar 2023 – VIa ZB 15/22FamRZ 2023, 718 Rn. 12 mwN und vom 26. Januar 2017 – IX ZB 34/16NJW-RR 2017, 564 Rn. 12 mwN). Hiervon entbindet auch die gerichtliche Fürsorgepflicht nicht, sofern – wie hier – nicht erkennbar wird, dass der Verfahrensbevollmächtigte aufgrund eines Versehens auf die Bewilligung der beantragten Frist vertraut und er daher eines Hinweises bedarf.

Wenn eine Zustellung am 23. Dezember erfolgt, oder: Das reicht nicht für eine Wiedereinsetzung

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Und dann haben wir heute den 2. Weihnachtstag. Es ist noch Feiertag, aber man kann allmählich wieder in den Betriebsmodus gehen. Und daher gibt es hier heute zwei Entscheidungen zum Warmlaufen für den Jahresendspurt.

Zunächst hier der OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 14.11.2023 – OVG 3 K 45/23. Es handelt sich um eine Entscheidung über eine Beschwerde gegen eine gerichtliche Erinnerungsentscheidung. Die Erinnerung war vom VG als verfristet zurückgewiesen worden. Das OVG bestätigt die Entscheidung und führt zur Wiedereinsetzung aus:

„Dem Erinnerungsführer ist keine Wiedereinsetzung in die versäumte Frist nach § 151 Abs. 1 VwGO zu gewähren (§ 60 VwGO). Das Beschwerdevorbringen ergibt nicht, dass er ohne Verschulden verhindert war, die Frist einzuhalten (vgl. § 60 Abs. 1 VwGO). Dass die Zustellung des Kostenfestsetzungsbeschlusses am 23. Dezember 2022 und damit kurz vor den Weihnachtsfeiertagen erfolgte, verletzt keine gesetzlichen Regelungen. An eine etwaige Übung der Verwaltung im M…, zwischen Advent und Neujahr keine mit Fristablauf versehenen Bescheide ohne besonderen Rechtsgrund zuzustellen, war das Verwaltungsgericht nicht gebunden. Soweit der Erinnerungsführer geltend macht, er habe vom 22. Dezember 2022 bis zum 3. Januar 2023 seine pflegebedürftigen Eltern betreut, genügt das nicht, um eine unverschuldete Fristversäumung darzulegen, denn die Frist für den Antrag auf gerichtliche Entscheidung lief noch bis zum 6. Januar 2023. Auch der Umstand, dass das Erinnerungsschreiben bereits vom 4. Januar 2023 datiert, spricht dafür, dass genügend Zeit blieb, um die Erinnerung anzubringen. Dass die Frist aufgrund einer zu langen Postlaufzeit versäumt wurde, ist weder dargelegt noch sonst erkennbar. Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass der Kostenfestsetzungsbeschluss der in J… wohnenden Erinnerungsführerin Frau M. erst am 5. Januar 2023 zugestellt wurde. Dies ist nach Lage der Akten darauf zurückzuführen, dass ein erster Zustellversuch an sie fehlgeschlagen war, weil offenbar – so dürfte der Vermerk des Postbediensteten „BK unzug.“ zu verstehen sein – der Briefkasten unzugänglich war. Auch wenn die beiden Erinnerungsführer sich bei der Begründung der Erinnerung abstimmen wollten, entschuldigt dies die Fristversäumung durch den Erinnerungsführer nicht, denn er war hierdurch nicht an einer rechtzeitigen Erinnerung gehindert, sondern hätte ggf. Fristnachlass für eine abgestimmte Begründung beantragen können.“