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Pflichti 8: Nochmal “Waffengleichheit” und: Interessante Auslagenentscheidung

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Heute dann mal wieder ein Tag der Pflichtverteidigung, den wir mit dem LG Hannover, Beschl. v. 20.12.2013 – 40 Qs 135/12 starten. Und dann zur “Waffengleichheit”, nämlich:

“Ist bei mehreren Angeklagte, die eine Tatbeteiligung jeweils bestreiten, zu besorgen, dass die Angeklagten sich in der Hauptverhandlung gegenseitig belasten könnten, gebietet der Grundsatz der „Waffengleichheit” grundsätzlich die Beiordnung eines Pflichtverteidigers, wenn auch dem anderen Mitangeklagten ein Pflichtverteidiger bestellt worden ist.”

Insoweit schon ganz interessant. Interesssant(er) aber noch wegen der Kosten- und Auslagenentscheidung: Die Beschwerde gegen die Ablehnung der Pflichtverteidigerbestellung war nämlich – so das LG – prozessual überholt, nachdem das Amtsgericht in der Sache bereits durch Urteil entschieden hatte; eine rückwirkende Verteidigerbeiordnung kam nach Auffassung des LG nach Abschluss des Verfahrens nicht (mehr) in Betracht. Aber das LG hat die Kosten des Verfahrens sowie die notwendigen Auslagen des Angeklagten in entsprechender Anwendung von § 472 Abs.2 StPO der Landeskasse auferlegt, weil das Rechtsmittel vor Eintritt der prozessualen Überholung Erfolg gehabt hätte. Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Bestellung eines Pflichtverteidigers hätten nämlich vorgelegen, eben wegen der erforderlichen “Waffengleichheit”.

Neues Regelbeispiel für die Pflichtverteidigung

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Ich hatte ja schon allgemein auf die durch das Gesetz zur Stärkung der Rechte von Opfern im Strafverfahren (StORMG) eingetretenen Änderungen in StPO und BGB berichtet (vgl. hier Die Änderungen durch das StORMG – Stärkung des Opferschutzes – Lesetipp).

Für Verteidiger will ich hier nun auf eine Änderung besonders hinweisen: In § 140 Abs. 2 StPO war bereits in der Vergangenheit die Bestellung eines Pflichtverteidigers als Regelfall vorgesehen, wenn dem Verletzten nach den §§ 397a und 406g Abs. 3 StPO seinerseits ein Rechtsanwalt als Beistand beigeordnet worden ist. Das StORMG hat das bisherige Regelbeispiel nunmehr als neue Nr. 9 in den Katalog des § 140 Abs. 1 StPO aufgenommen und zu einem zwingenden Tatbestand der notwendigen Verteidigung heraufgestuft. Damit soll sichergestellt werden, dass der Beschuldigte einem nach den §§ 397a und 406g Abs. 3 und 4 StPO beigeordneten Opferanwalt nicht alleine gegenübertreten muss, was dem Gesetzgeber unter dem Aspekt der Waffengleichheit und des fairen Verfahrens problematisch erschien. Für die Änderung sollen nach Auffassung des Gesetzgebers aber auch Gesichtspunkte des Opferschutzes sprechen, da für das Opfer die Auseinandersetzung mit einem unverteidigten Angeklagten sehr viel belastender sein könne als der Umgang mit einem Pflichtverteidiger (vgl. BT-Drucks. 17/6261, S. 11).

Nicht erledigt ist damit allerdings der Streit in Rechtsprechung und Literatur, der an dieser Stelle unter dem Stichwort „Waffengleichheit“ geführt wird, wenn nicht beigeordnet worden ist, sondern der Verletzte mit einem Wahlanwalt erscheint  (vgl. dazu mein Handbuch zum Ermittlungsverfahren, Rn. 2212).

Die Änderungen durch das StORMG – Stärkung des Opferschutzes – Lesetipp

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Gestern ist das Gesetz zur Stärkung der Rechts von Opfern im Strafverfahren (StORMG) vom 14. 03. 2013 in Kraft getreten (vgl. BGBl. I, S. 1805). Es geht u.a. zurück auf die Empfehlungen des sog. „Runden Tisches“, der nach der Aufdeckung/dem Bekanntwerden von Missbrauchsfällen in den Jahren 2010 und 2011 vom BMJ eingerichtet worden ist. Das Gesetz bringt Änderungen im Strafverfahren aber auch im BGB. Auf die will ich hier kurz eben hinweisen (wegen weiterer Einzelheiten siehe den online gestellten Beitrag des Kollegen Deutscher aus StRR 2013, 324 ff.).

Die Änderungen/Neuerungen kann man wie folgt zusammenfassen/gliedern:

I. Ruhen der strafrechtlichen Verjährung (§ 78b Abs. 1 Nr. 1 StGB) und Verlängerung der zivilrechtlichen Verjährungsfrist
II. Strafverfahrensrechtliche Änderungen
1. Ermittlungsverfahren
a) Ausweitung der Video-Vernehmung im Ermittlungsverfahren (§ 58a StPO)
b) Pflichtverteidiger (§§ 140 Abs. 1 Nr. 9, 140 Abs. 2 StPO)
c) Nebenklage (§ 397a StPO)
d) Gerichtliche Zuständigkeiten
aa) Erstinstanzliche Zuständigkeit (§ 24 GVG)
bb) Jugendschutzsachen (§ 26 GVG)
e) Jugendstaatsanwalt (§ 36 JGG)
2. Hauptverhandlung
a) Ausschluss der Öffentlichkeit (§ 171b GVG)
b) Vernehmung des Zeugen zur Sache (§ 69 StPO)
c) Vorführung einer Bild-Ton-Aufzeichnung in der Hauptverhandlung (§ 255a StPO)
d) Anhörung eines Sachverständigen (§ 246a Abs. 2 StPO)
e) Urteilsverkündung (§ 268 StPO)
3. Strafvollstreckung/Mitteilungspflichten (§ 406d StPO)

Der ein oder andere wird sicherlich anmerken: Schon wieder Opferschutz, aber das ist eine Entwicklung, die seit einigen Jahren im Strafverfahrensrecht festzustellen ist: Das Opfer rückt immer mehr in den Focus, der Angeklagte immer mehr an den Rand des Verfahrens. Das wird man nicht mehr aufhalten können.

Pflichtverteidigerbestellung aus Gründen der „Waffengleichheit“

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Ich hatte ja schon mehrfach über landgerichtliche Beschlüsse zur Beiordnung eines Pflichtverteidiger aus Gründen der „Waffengleichheit“ berichtet (vgl. hier und auch hier). Gemeint ist damit, dass, wenn von mehreren Angeklagten nicht alle durch einen Verteidiger verteidigt werden, dann in der Praxis häufig/in der Regel dem nichtverteidigten Beschuldigten ein Pflichtverteidiger beigeordnet wird – eben aus Gründen der Waffengleichheit.

So vor einiger Zeit auch in LG Itzehoe, Beschl. v.12.01.2012 – 1 Qs 3/12, allerdings nach einer umfassenden Würdigung aller Umstände des Einzelfalls.

Eine derartige Einschränkung der Verteidigungsfähigkeit im Sinne des § 140 Abs. 2 StPO kann unter anderem vorliegen, wenn das Gebot der* „Waffengleichheit“ im Verhältnis mehrerer Angeklagter verletzt ist. Ob dies der Fall ist, bestimmt sich anhand einer umfassenden Würdigung der Gesamtumstände im jeweiligen Einzelfall, Dabei begründet der Umstand, dass ein Angeklagter durch einen Verteidiger vertreten wird, ein anderer hingegen nicht, für sich allein noch nicht eine notwendige Verteidigung Es müssen vielmehr weitere Umstände hinzutreten, die im konkreten Fall eine Beiordnung als geboten erscheinen lassen.

Pflichtverteidiger – Aspekt der Waffengleichheit

Auch du, mein Sohn Brutus, aber im positiven Sinn :-).

Auch das OLG Jena, Beschl. v. 15.11.2011 – 1 Ss 1/11 geht davon aus, dass dann, wenn dem Geschädigten ein Beistand beigeordnet worden ist, i.d.R (= praktisch immer) dem Angeklagten ein Pflichtverteidi­ger beizuordnen ist. Prinzip der Waffengleichheit, was demnächst in einen neuen § 140 Abs. 1 Nr. 9 StPO übernommen werden soll.