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Dolmetscher II: Übersetzer im Vollstreckungsverfahren, oder: Es gelten die allgemeinen Regeln

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In der zweiten Entscheidung, die ich vorstelle, geht es um Zuziehung eines Dolmetschers im Strafvollstreckungsverfahren. Folgender Sachverhalt:

Der Verurteilte ist litauischer Staatsangehöriger und der deutschen Sprache nicht mächtig. Er verbüßte eine Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren. Die bedingte Entlassung zum Zweidrittelzeitpunkt lehnte die Strafvollstreckungskammer mit Beschluss vom 07.12.2022 ab.

Diesem Beschluss war am 30.11.2022 die mündliche Anhörung des Verurteilten vorausgegangen. Den Termin hatte die Strafvollstreckungskammer mit dem Verteidiger abgestimmt. Der Verteidiger hatte angekündigt, einen Dolmetscher mitbringen zu wollen. Es war insoweit vereinbart worden, dass die Staatskasse die anteiligen Kosten für den Dolmetscher übernehme, sofern dieser auch zu der gerichtlichen Anhörung hinzugezogen werde. Die Dolmetscherleistungen, die die mündliche Anhörung des Verurteilten betrafen, wurden gegenüber dem Gericht geltend gemacht und durch die Staatskasse beglichen.

Gestritten wird nun noch um weitere Auslagen in Höhe von 361,24 EUR. Diese betreffen die Dolmetscherkosten für das im Vorfeld der Anhörung geführte Gespräch zwischen dem Verurteilten und seinem Verteidiger. Die Strafvollstreckungskammer insoweit hat den Festsetzungsantrag abgelehnt. Dagegen hat der Verteidiger für den Verurteilten sofortige Beschwerde eingelegt. Diese hatte beim OLG mit dem OLG Koblenz, Beschl. v. 30.08.2024 – 2 Ws 413/23 – Erfolg:

„c) …. Die angegriffene Entscheidung erweist sich indes in der Sache im Wesentlichen als fehlerhaft.

aa) Die Kammer ist noch zutreffend davon ausgegangen, dass sich ein Anspruch auf Erstattung der Dolmetscherkosten für das Vorgespräch mit dem Verteidiger mangels Ver-handlung nicht aus § 185 GVG herleiten lassen kann.

bb) Auch aus § 187 GVG lässt sich ein Anspruch auf Erstattung der Dolmetscherkosten für ein Verteidigergespräch nicht ableiten, da die Vorschrift nur regelt, unter welchen Voraussetzungen das Gericht verpflichtet ist, einen Dolmetscher für den Verurteilten heranzuziehen. Hier geht es indes um die Erstattungsfähigkeit derjenigen Kosten, die dadurch entstanden sind, dass der Verteidiger für das Mandantengespräch mit dem Verurteilten einen Dolmetscher hinzugezogen hat.

cc) Ein Anspruch auf Erstattung der Dolmetscherkosten ergibt sich auch nicht aus Art. 6 Abs. 3 lit e) EMRK. Nach dieser Vorschrift hat jede angeklagte Person das Recht, unentgeltliche Unterstützung durch einen Dolmetscher zu erhalten, wenn sie die Verhandlungssprache des Gerichts nicht versteht oder spricht. Die Vorschrift, die als Berechtigten die „angeklagte Person“ benennt, ist auf das Strafvollstreckungsverfahren nicht anwendbar (OLG Karlsruhe, 2 Ws 300/19 v. 2.9.2019, BeckRS 2019, 44105 Rn. 9 m.w.N.; BeckOK StPO/Valerius, 52. Ed. 1.7.2024, EMRK Art. 6 Rn. 2; Karpenstein/Mayer/Meyer, 3. Aufl. 2022, EMRK Art. 6 Rn. 37).

dd) Ein Anspruch auf Erstattung der Dolmetscherkosten für das Gespräch mit dem Verteidiger, das die Anhörung vor der Entscheidung über eine Reststrafenaussetzung zur Bewährung vorbereiten soll, ergibt sich aber unmittelbar aus Art. 3 Abs. 3 GG.

Jeder Ausländer hat im Verfahren vor Gerichten der Bundesrepublik Deutschland dieselben prozessualen Grundrechte und denselben Anspruch auf ein rechtsstaatliches Verfahren wie jeder Deutsche. Das Recht auf ein faires Verfahren verbietet es, den der deutschen Sprache nicht oder nicht hinreichend mächtigen Angeklagten zu einem unverstandenen Objekt des Verfahrens herabzuwürdigen; er muss in die Lage versetzt werden, die ihn betreffenden wesentlichen Verfahrensvorgänge zu verstehen und sich im Verfahren verständlich machen zu können (BVerfG, 2 BI« 2032/01 v. 27.8.2003, NJW 2004, 50).

Art. 3 Abs. 3 GG verbietet jede Diskriminierung wegen der Sprache oder anderer dort auf-geführter Merkmale. Die Norm verstärkt den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG, indem sie der dem Gesetzgeber darin eingeräumten Gestaltungsfreiheit engere Grenzen zieht. Die in Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG genannten Merkmale dürfen grundsätzlich weder unmittelbar noch mittelbar als Anknüpfungspunkt für eine rechtliche Ungleichbehandlung herangezogen werden. Dem Beschuldigten, der die Gerichtssprache nicht versteht oder sich nicht in ihr ausdrücken kann, dürfen daher keine Nachteile im Vergleich zu einem dieser Sprache kundigen Beschuldigten entstehen. Dementsprechend ist für das Ermittlungs- und Erkenntnisverfahren in Ausfüllung dieser Maßstäbe anerkannt, dass der fremdsprachige Angeklagte zum Ausgleich seiner sprachbedingten Nachteile in jedem Verfahrensstadium einen Dolmetscher hinzuziehen darf und ihm die Dolmetscherkosten für die erforderlichen Mandantengespräche nicht nur mit dem Pflichtverteidiger, sondern auch mit einem Wahlverteidiger zu ersetzen sind (BGH, 3 StR 6/00 v. 26.10.2000, NJW 2001, 309; OLG Karlsruhe 2 Ws 305/09 v. 9.9.2009, BeckRS 2009, 139810 Rn. 4 Hilger in: Löwe-Rosenberg, StPO, 26. Aufl. 2010, § 464a, Rn. 9). Die unentgeltliche Beistandsleistung eines Dolmetschers auch für die vorbereitenden Gespräche mit dem Verteidiger ist unabdingbar, da eine wirksame Verteidigung und damit ein faires Verfahren ohne vorbereitende Verteidigergespräche kaum denkbar sind (BVerfG, a.a.O.). Das mit den zusätzlichen Dolmetscher-kosten erhöhte Kostenrisiko soll den Verurteilten auch nicht an der Zuziehung eines Verteidigers hindern (BVerfG, a.a.O.; Brandenburgisches Oberlandesgericht, 1 Ws 83/05 v. 27.7.2005, BeckRS 2005, 30360540).

Diese Grundsätze finden auch auf den vorliegenden Fall Anwendung, bei dem es im Rahmen des Vollstreckungsverfahrens um die Vorbereitung der Entscheidung über die bedingte Entlassung nach § 57 Abs. 1 StGB geht. Auch hier verbietet sich gerade in Anbetracht der unmittelbaren Grundrechtsrelevanz (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG) der anstehenden Entscheidung, bei der es um die Frage geht, ob der Verurteilte zum Halb- oder Zweidrittelzeitpunkt auf freien Fuß gelangt, einen fremdsprachigen Verurteilten im Verhältnis zu einem der deutschen Sprache mächtigen Verurteilten auf Grund seiner fehlenden Sprachkenntnisse ungleich zu behandeln (LG Dresden, 3 Qs 11/19 v. 8.4.2019, Rn. 28, juris; LG Kassel, 3 StVK 62/12 v. 29.1.2019, juris).

Dies gilt auch für das vorbereitende Gespräch mit seinem Verteidiger. Würde man einem fremdsprachigen Verurteilten die Erstattung von Dolmetscherkosten für dieses Gespräch mit seinem Verteidiger verweigern, so stünde er schlechter als ein deutschsprachiger. Beiden stünde zwar gleichermaßen das in § 137 Abs. 1 StPO normierte Recht zu, sich in jeder Lage des Verfahrens – wozu insoweit auch das Strafvollstreckungsverfahren gehört (KK-StPO/Willnow, 9. Aufl. 2023, StPO § 137 Rn. 2 m.w.N.; BeckOK StPO/Wessing, 52. Ed. 1.7.2024, StPO § 137 Rn. 2) – des Beistandes eines Verteidigers zu bedienen. Dabei muss ein Verurteilter – soll dieses Recht nicht leerlaufen – die Möglichkeit haben, sich in Vorbereitung der Anhörung mit dem Verteidiger zu besprechen. Dem deutschsprachigen Verurteilten ist dies möglich, ohne dass ihm zusätzliche Kosten durch Dolmetscherleistungen entstehen. Der Verurteilte, der der deutschen Sprache nicht mächtig ist, kann dieses Gespräch nur führen, wenn er einen Dolmetscher hinzuzieht, was mit weiteren Kosten verbunden ist. Würden man nunmehr dem der deutschen Sprache nicht mächtigen Verurteilten die Erstattung dieser Kosten verweigern, würde er allein auf Grund seiner Sprache schlechter gestellt sein, als ein deutschsprachiger Verurteilter, ohne dass ein sachlicher Grund vorläge (so auch Volpert in Schneider/Volpert/Fölsch, Gesamtes Kostenrecht, 3. Auflage 2021, 7. Strafvollstreckung Rn. 54).

Um eine solche Ungleichbehandlung zu vermeiden, ist dem Verurteilten, der der deutschen Sprache nicht mächtig ist, jedenfalls im Verfahren über die Reststrafenaussetzung nach § 57 StGB ein Anspruch auf Erstattung der Kosten für die Hinzuziehung eines Dolmetschers zu dem die Anhörung vorbereitenden Gespräch mit dem Verteidiger zuzuerkennen (so auch LG Dresden, a.a.O.). Die Inanspruchnahme eines Dolmetschers für Mandantengespräche durch einen Verteidiger ist nicht von der vorherigen Bewilligung durch das Tatgericht abhängig (OLG Karlsruhe, a.a.O.; BVerfG, a.a.O.).

Dementsprechend kann der Verurteilte hier dem Grunde nach Ausgleichung der verfahrens-gegenständlichen Auslagen verlangen.

d) Bedenken gegen die in Ansatz gebrachten Kosten der Höhe nach bestehen in Bezug auf die Einzelpositionen nicht, zumal die geltend gemachten Dolmetscher- und Fahrkosten den JVEG-Sätzen entsprechen.

……“

Auslagenerstattung im Vollstreckungsverfahren, oder: Keine Rechtsgrundlage, sondern ggf. Amtshaftung

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Und am Gebührenfreitag heute zunächst dann wieder/noch einmal ein „Nachschlag“, und zwar zur Gebührenfrage vom vergangenen Freitag. Die hatte gelautet: Ich habe da mal eine Frage: Auslagenerstattung nach Einstellung der Vollstreckung?. Und meine Lösung dazu war: Lösung zu: Ich habe da mal eine Frage: Auslagenerstattung nach Einstellung der Vollstreckung?

Inzwischen liegt mir die in der Frage ergangene amtsgerichtliche Entscheidung vor. Das AG Friedberg hat im AG Friedberg, Beschl. 29.09.2023 – 47a OWi 179/23 – den Antrag zurückgewiesen, also so entschieden, wie ich dem Kollege geantwortet hatte:

„Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist gem. § 108 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 62 OWiG statthaft. Dass das Regierungspräsidium den Bescheid, mit selbstständigen Kostenbescheid nach dem RVG überschrieben hat, führt zu keiner Anwendung des § 57 RVG, da mit dem Rechtsbehelf des § 57 RVG nur Entscheidungen nach. den Vorschriften des RVG angefochten werden können. Diese betreffen aber nur die Höhe der Gebühren bzw. deren Anfall, nicht aber die Kostengrundentscheidung selbst (vgl. Gerold/Schmidt/Burhoff, 26. Aufl. 2023, RVG § 57 Rn. 1-6.). Hier hat das Regierungspräsidiurn Kassel aber eine Entscheidung über die Auferlegung der notwendigen Auslagen auf die Staatskasse, mithin eine Kostengrundentscheidung, getroffen.

Zugunsten des Betroffenen ist davon auszugehen, dass die Frist des § 108 Abs. 1 S. 2 OWiG eingehalten wurde. Eine Zustellung des Bescheids ist nicht erfolgt, so dass eine weitere Fristprüfung nicht möglich ist.

Der Antrag ist indes unbegründet. Die Entscheidung des Regierungspräsidiums ist nicht zu beanstanden.

Es besteht keine Rechtsgrundlage für eine neuerliche Kostengrundentscheidung.

Eine solche wurde bereits in dem Einstellungsbeschluss vom 15.03.2021 getroffen. Nach dieser Entscheidung wurden die notwendigen Auslagen, nicht der Staatskasse auferlegt, womit sie beim Betroffenen verblieben sind.

Eine weitere Kostengrundentscheidung für die Tätigkeit des Verteidigers bzgl. der Vollstreckungsandrohung nach der Einstellung ist nicht möglich. Für eine solche Kostengrundentscheidung besteht keine Rechtsgrundlage. Vielmehr ergibt sich aus § 464a Abs. 1 S. 2 Hs. 2 StPO, dass die Kosten des Vollstreckungsverfahren von der Kostenentscheidung im Hauptsacheverfahren umfasst werden (KK-StPO/Gieg, 9. Aufl. 2023, StPO § 464 Rn. 3.).

Auch wenn man die hiesige Vollstreckungsankündigung mangels rechtskräftiger vollstreckbarer Entscheidung nicht unter § 465a Abs. 1 S. 2 Hs. 2 StPO subsumieren will, ergäbe sich nichts anderes. Denn in diesem Fall würde es an einer Rechtsgrundlage für eine weitere Kostengrundentscheidung fehlen. In keiner der in § 105 OWiG zitierten Vorschriften findet sich eine Rechtsgrundlage für eine entsprechende Kostengrundentscheidung. Für eine analoge Anwendung des § 464 StPO bleibt kein Raum, da es angesichts der detaillierten Regelegungen im Kostenrecht an einer Analogiefähigkeit des § 464 StPO fehlt. Für eine solche Analogie besteht auch kein Bedürfnis, da es dem Betroffenen möglich und zumutbar ist die von ihm verauslagten Rechtsanwaltsgebühren im Wege der Amtshaftung geltend zu machen. Die Vollstreckungsankündigung des Regierungspräsidiums beruht letztlich auf einer fehlerhaften Auskunft der Staatsanwaltschaft Gießen.“

Unschön, ist aber leider so.

Pflichti II: Entscheidungen zu den Beiordnungsgründen, oder: Vollstreckung, stationäre Therapie, Einziehung

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Im zweiten Posting zu Pflichtverteidigungsentscheidungen dann hier drei Entscheidungen zu den Bestellungsvoraussetzung, und zwar:

    1. Das „Gebot bestmöglicher Sachaufklärung“ (BVerfG, Beschluss vom 8. November 2006 – 2 BvR 578/02) erhebt die gerichtliche Verpflichtung zur Einholung eines kriminalprognostisch-psychiatrischen Sachverständigengutachtens in § 454 Abs. 2 Satz 1 StPO zum gesetzlichen Regelfall und indiziert damit zugleich eine besondere Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage im Sinne von § 140 Abs. 2 StPO.
    2. Die Verneinung des „Erwägens“ einer Strafaussetzung in § 454 Abs. 2Satz 1 StPO kommt nur dann in Betracht, wenn die Möglichkeit einer Aussetzung der Vollstreckung völlig fernliegend ist und als ernsthafte Alternative zur Fortdauer der Strafhaft von vornherein ausgeschlossen erscheint (Festhalten an Senat, Beschluss vom 13. Juli 2009 – 2 Ws 291/09, NJW 2009, 3315 m.w.N.).
    3. Ob eine solche Ausnahme im konkreten Einzelfall vorliegt, stellt eine im Sinne des § 140 Abs. 2 StPO schwer zu beurteilende Sachfrage dar, die regelmäßig nicht allein nach Aktenlage, sondern erst nach der durch § 454 Abs. 1 Satz 3 StPO ausdrücklich vorgeschriebenen und aufgrund der Gesetzessystematik vorbehaltlich Satz 4 der Bestimmung grundsätzlich zuvor durchzuführenden mündlichen Anhörung des Verurteilten beantwortet werden kann.
    1. Zu der Anstaltsunterbringung im Sinne des § 140 Abs. 1 Nr. 5 StPO gehören insbesondere die verschiedenen Formen der Haft sowie die Unterbringung nach §§ 63, 64 StGB, ebenso indes auch – in analoger Anwendung – die stationäre Behandlung in einer Drogentherapieeinrichtung nach § 35 BtMG sowie ein die persönliche Freiheit erheblich einschränkender Aufenthalt in einer stationären Alkoholentzugsbehandlung.
    2. Die Regelung des § 141 Abs. 2 Satz 3 StPO ist sowohl ihrem Wortlaut als auch ihrer systematischen Stellung nach lediglich auf Fälle der Pflichtverteidigerbestellung von Amts wegen nach § 141 Abs. 2 StPO anzuwenden, nicht jedoch auf Fälle der Bestellung auf Antrag des Beschuldigten nach § 141 Abs. 1 StPO.

Auch wenn es sich bei der Einziehung nach §§ 73 ff. StGB nicht um eine Nebenstrafe handelt, sondern um eine Maßnahme im Sinne von § 11 Abs. 1 Nr. 8 StGB eigener Art, ist sie als sonstige Rechtsfolge, die einem Angeklagten ggf. im Fall seiner Verurteilung droht, bei der Beurteilung der „Schwere der Rechtsfolge“ i.S. des § 140 Abs. 2 StPO zu berücksichtigen.

 

 

Vollstreckung III: Rechtliches Gehör gewährt?, oder: Spätestens bei der mündlichen Anhörung

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Und als dritte Entscheidung zum Vollstreckungsrecht dann noch der KG, Beschl. v. 29.12.2021 – 2 Ws 147/21 – zum rechtliches Gehör im Vollstreckungsverfahren.

Die Strafvollstreckungskammer hat eine „Zwei-Drittel-Entlassung“ auf Bewährung abgelehnt. Das dagegen gerichtete Rechtsmittel des Verurteilten hatte Erfolg:.

„Die angefochtene Entscheidung beruht auf einem durchgreifenden Verfahrensfehler.

Die Generalstaatsanwaltschaft Berlin hat zu dem Rechtsmittel wie folgt Stellung genommen:

„Soweit die Strafvollstreckungskammer die Aussetzung der Reststrafen zur Bewährung abgelehnt hat, ist ihre Entscheidung verfahrensfehlerhaft zustande gekommen und kann daher keinen Bestand haben; denn sie hat ihre Entscheidung ohne ausreichende Anhörung des Verurteilten getroffen.

Der Zweck der gemäß § 454 Abs. 1 Satz 3 StPO zwingend erforderlichen Anhörung des Verurteilten liegt zum einen in der Gewährung rechtlichen Gehörs, zum anderen darin, den Sachverhalt zu ermitteln und sich durch einen unmittelbaren und aktuellen persönlichen Eindruck von dem Verurteilten eine zuverlässige Entscheidungsgrund-lage zu verschaffen (vgl. KG Berlin, Beschluss vom 19. September 2012 – 2 Ws 269 – 270/12 –, juris, m. w. N.). Daher müssen spätestens im Zeitpunkt der mündlichen Anhörung dem Verurteilten die Stellungnahmen der Justizvollzugsanstalt und der Staatsanwaltschaft bekannt sein oder bekannt gemacht werden, insbesondere so-weit darin belastende Umstände, die entscheidungserheblich sind, enthalten sind (vgl. KG a.a.O.). Diesen Anforderungen wird das Verfahren der Kammer nicht gerecht.

Die Kammer hat das rechtliche Gehör des Verurteilten in entscheidungserheblicher Weise verletzt, indem sie aufgrund von Tatsachen entschieden hat, zu denen er in der mündlichen Anhörung nicht gehört werden konnte, weil sie zu diesem Zeitpunkt allen Beteiligten noch unbekannt waren. Denn sie hat ihrer Entscheidung die Stellungnahme der Justizvollzugsanstalt Tegel vom 3. Dezember 2021 zugrunde gelegt, die nach dem glaubhaften Vortrag des Verteidigers nicht Gegenstand der am selben Tage durchgeführten mündlichen Anhörung war und nach Aktenlage weder dem Verurteilten noch dem Verteidiger vor der Anhörung bekannt gemacht worden ist. Vielmehr dürfte die Stellungnahme, die erst am 3. Dezember 2021 um 15:47 Uhr von der Justizvollzugsanstalt versandt wurde, ausweislich des Protokolls der Anhörung erst nach dem Anhörungstermin bei der Strafvollstreckungskammer eingegangen sein. Die Stellungnahme vom 3. Dezember 2021 entsprach zwar in weiten Teilen der vorangegangenen Stellungnahme der Justizvollzugsanstalt vom 13. August 2021, die Gegenstand der Erörterungen im Anhörungstermin war. Sie enthielt indes auch neue entscheidungserhebliche Gesichtspunkte. Dies gilt insbesondere für die Ausführungen zu den Stimmungsschwankungen und Verhaltensweisen des Verurteilten. Der Fehler hat sich auch auf die Entscheidung ausgewirkt; denn die Strafvollstreckungs-kammer hat die Stellungnahme vom 3. Dezember 2021 – was sich aus deren voll-ständiger Einrückung in den Beschluss ergibt – auch auf die erst in der neuen Stellungnahme mitgeteilten Tatsachen gestützt.

Unter diesen Umständen wird die Anhörung ihrem Zweck, dem entscheidenden Gericht einen aktuellen persönlichen Eindruck von dem Verurteilten zu verschaffen, nicht mehr gerecht.

Das Beschwerdegericht kann in der Sache entgegen § 309 Abs. 2 StPO nicht selbst entscheiden. Zwar kann das rechtliche Gehör grundsätzlich im Beschwerdeverfahren nachgeholt werden (vgl. KG a.a.O.). Vorliegend ist die Zurückverweisung jedoch unumgänglich, weil das Landgericht die nach § 454 Abs. 1 Satz 3 StPO zwingend vor-geschriebene mündliche Anhörung des Verurteilten nicht ordnungsgemäß durchgeführt hat und dies einen im Beschwerderechtszug nicht heilbaren Verfahrensmangel darstellt (vgl. KG a.a.O.).“

Diese Ausführungen treffen zu. Der Senat schließt sich ihnen an.“

Hand aufs Vermögen gelegt – so beuge ich dich

Geld MünzenManche Vorschriften führen ein Schattendasein. So z.B. § 290 StPO und die folgenden Vorschriften, die mir bislang nur selten untergekommen sind. Von daher ganz interessant der KG, Beschl. v. 20.02.2014 – 2 Ws 50 u. 70/14 -, der die dort behandelte Vermögensbeschlagnahme als Beugemittel auch im Vollstreckungsverfahren als zulässig ansieht.

„Gemäß § 457 Abs. 3 Satz 1 StPO stehen der Vollstreckungsbehörde, wenn der Verurteilte sich dem Vollzug entzieht, die gleichen Befugnisse zu wie der Strafverfolgungsbehörde, soweit die Maßnahmen bestimmt und geeignet sind, den Verurteilten festzunehmen. Für die notwendig werdenden Entscheidungen ist gemäß § 457 Abs. 3 Satz 3 StPO das Gericht des ersten Rechtszuges zuständig.

Diese Regelung beruht auf dem Gedanken, dass die Gefährlichkeit des Täters nicht mit der Rechtskraft seiner Verurteilung endet. Alle Maßnahmen, die im Erkenntnisverfahren zur Ergreifung des Beschuldigten zulässig sind, sollen daher grundsätzlich auch im Vollstreckungsverfahren gelten (vgl. OLG Düsseldorf NStZ 1997, 103). Der Senat teilt die Auffassung des Oberlandesgerichts Düsseldorf, dass der Gesetzeszweck dafür spricht, dass die Beschlagnahme des inländischen Vermögens, die § 290 StPO unmittelbar erlaubt, um die Gestellung des Angeklagten zur Durchführung der Hauptverhandlung zu erzwingen (vgl. Meyer-Goßner, StPO 56. Aufl., § 290 Rdn. 1), auch zur Gestellung des Verurteilten zum Zwecke der Strafvollstreckung erfolgen kann.

Zwar ist § 290 StPO seinem Wortlaut und seiner systematischen Stellung nach auf das Erkenntnisverfahren zugeschnitten. Die Bestimmung regelt außerdem eine Befugnis, die dem Gericht und nicht der Staatsanwaltschaft von Amts wegen zusteht. Wenn das Gesetz jedoch das Beugemittel bereits zulässt, wenn es um die Feststellung geht, ob ein staatlicher Strafanspruch überhaupt besteht, muss es erst recht anwendbar sein, wenn feststeht, dass er besteht, und es lediglich um seine Durchsetzung geht. Diese Auslegung entspricht aus der Sicht des Senats auch dem Sinn des § 457 Absatz 3 StPO. Ein triftiger Grund, § 290 StPO aus dem Anwendungsbereich des § 457 Abs. 3 StPO auszunehmen, ist nicht ersichtlich.

Die Voraussetzungen, die § 290 StPO für die Vermögensbeschlagnahme nennt, sind im vorliegenden Fall erfüllt. Der Verurteilte ist abwesend im Sinne des Gesetzes. Er hält sich im Ausland auf und seine Gestellung ist nicht ausführbar. Gegen ihn ist öffentliche Klage erhoben worden und er ist der angeklagten Tat nicht allein dringend verdächtig, sondern sogar überführt und deshalb rechtskräftig verurteilt. Die Beschlagnahme ist angesichts des Gewichts der abgeurteilten Taten und der Höhe der noch zu vollstreckenden Freiheitsstrafe auch verhältnismäßig.“