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OWi III: Entbindung und rechtlicher Hinweis, oder: Rechtsbeschwerde – Anlagenkonvolut/Unterzeichnung

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Und dann habe ich hier im letzten Posting des Tages noch Rechtsprechung zum Verfahrensrecht im Bußgeldverfahren; auch hier nichts Neues, das hatten wir alles schon:

1. War der Verteidiger nicht im Sinne des § 73 Abs. 3 OWiG „mit nachgewiesener Vollmacht“ zur Vertretung befugt und deshalb auch nicht berechtigt, einen Entbindungsantrag für den Betroffenen zu stellen, so ist der Einspruch des Betroffenen nach § 74 Abs. 2 OWiG zu verwerfen.

2. Hat das Amtsgericht gleichwohl zur Sache verhandelt und entschieden, so ist der Betroffene mit dem Einwand ausgeschlossen, in der fälschlich abgehaltenen Verhandlung sei Verteidigervortrag unberücksichtigt geblieben.

3. Hat die prozessordnungswidrige Verhandlung für den Betroffenen zu einer Verschlechterung geführt (Erhöhung der Geldbuße), so stellt dies einen Verfahrensfehler dar, der auf Rechtsbeschwerde zur Aufhebung des Urteils zumindest im Rechtsfolgenausspruch führen würde. Ein Zulassungsgrund nach § 80 Abs. 1 Nr. 2 OWiG ergibt sich aber nicht, weil sich die Fehlerhaftigkeit des Urteils nicht aus einer Verletzung rechtlichen Gehörs ergibt, sondern aus der irrtümlichen Annahme, der Verteidiger sei zur Vertretung befugt.

Möchte der Tatrichter die im Bußgeldbescheid festgesetzte Geldbuße erhöhen, so bedarf dies grundsätzlich keines Hinweises entsprechend § 265 StPO.

Gibt der Verteidiger durch einen distanzierenden Zusatz zu erkennen, dass er nicht die Verantwortung für den Inhalt des Schriftsatzes übernehmen will oder kann, ist die Rechtsbeschwerdebegründung nach § 345 StPO formunwirksam.

1. Ein unübersichtliches Konvolut aus Ablichtungen des Bußgeldbescheides, Ablichtungen aus dem amtsgerichtlichen Sitzungsprotokoll, Gesetzeszitaten, Ablichtungen aus einem privaten Sachverständigengutachten sowie von Schreiben des Verteidigers an das Gericht genügt den Anforderungen an einen ausreichenden Vortrag nicht.

2. Aus dem Rechtsbeschwerdevortrag muss erkennbar sein, aufgrund welcher konkreten Tatsachen sich das Gericht zu weiteren Beweiserhebungen hätte gedrängt sehen sollen.

3. Es ist nicht Aufgabe des Rechtsbeschwerdegerichts, sich aus einem unübersichtlichen Vortrag das für die jeweilige Rüge Passende herauszusuchen.

OWi II: Die Zustellung ohne Vollmachtsnachweis, oder: Das reicht auch nach neuem Recht nicht

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Und dann die zweite Entscheidung, und zwar der LG Meiningen, Beschl. v. 23.01.2023 – 6 Qs 240/22. Schon etwas älter, ist aber jetzt erst „rein gekommen“.

Der Beschluss behandelt mal wieder eine Verjährungsfrage, und zwar Zustellung des Bußgeldbescheide an den Verteidiger, der keine Vollmacht vorgelegt hatte. Insofern enthält die Entscheidung nichts Neues, aber: Interessant sind die Ausführungen des LG zur Neufassung des § 51 Abs. 4 OWiG:

„Die Beschwerde der Staatsanwaltschaft hat in der Sache keinen Erfolg. Die angefochtene Entscheidung entspricht der Sach- und Rechtslage. Die Kammer teilt die Auffassung des Erstgerichts und tritt den Gründen der angefochtenen Entscheidung bei.

Das Amtsgericht pp. hat zutreffend festgestellt, dass der Verfolgung der Tat deren Verjährung entgegensteht, § 31 Abs. 1 S. 1 OWiG.

Die dreimonatige Verjährungsfrist aus § 26 Abs. 3 HS 1 StVG, die am 17.09.2021 zu laufen begonnen hat, wurde nur durch die Anhörung des Betroffenen am 05.10.2021 gern. § 33 Abs. 1 Ziff.1, Abs. 2 OWiG unterbrochen. Mit der Folge, dass nun das Ende der Verjährungsfrist auf den 05.01.2022 fiel.

Eine Unterbrechung durch Zustellung des Bußgeldbescheides fand indes nicht statt. Dieser. wurde durch die Bußgeldbehörde nur an den Verteidiger – nicht aber an den Betroffenen – zugestellt. An den gewählten Verteidiger kann gem: § 51. Abs. 3 S. 1 OWiG nur dann wirksam zugestellt werden, wenn dessen Bevollmächtigung nachgewiesen ist und zwar mindestens durch die Übermittlung einer Kopie der Vollmacht durch den Verteidiger. Die reine Anzeige der Verteidigung mit Schreiben vom 12.10.2022 ist hierfür nicht ausreichend (OLG Saarbrücken Beschl. v. 29.4.2009 – Ss (Z) 205/2009 (37/09), BeckRS 2009, 23759, beck-online).

Entgegen der Auffassung der Staatsanwaltschaft ändert auch die Neufassung des § 51 Abs. OWiG nichts an dieser Einschätzung. Der Wahlverteidiger hat seine Bevollmächtigung nachzuweisen, § 53 Abs. 3 S. 1 OWiG. Zur Erleichterung der elektronischen Einreichung der Verteidigervollmacht wird nunmehr auf das Erfordernis des Vorliegens der (Original-)Vollmachtsurkunde bei den Akten verzichtet. Es genügt die elektronische Einreichung einer digitalen Kopie der Vollmachtsurkunde, vgl. § 53 Abs. 3 S. 2 OWiG (vgl. BR-Drs. 57/21, 38, 149, vgl. BeckOK OWiG/A. Bücherl, 36. Ed. 1.10.2022, OWiG § 51 Rn. 62). Spätestens zum Zeitpunkt der Ausführung der Zustellung muss die Bevollmächtigung nachgewiesen sein (vgl. OLG Hamm NStZ 1982, 129); liegt der Nachweis der Bevollmächtigung zu diesem Zeitpunkt nicht vor, so ist die Zustellung an den Verteidiger unwirksam (vgl. OLG Karlsruhe Justiz 1982, 375). Gelangt der Nachweis der Bevollmächtigung später zu den Akten, heilt dies den Mangel nicht (vgl. OLG Stuttgart Justiz 1983, 466; Göhler/Seitz/Bauer Rn. 44a, vgl. BeckOK OWiG/A. Bücherl, 36. Ed. 1.10.2022, OWiG § 51 Rn. 63).

Vorliegend liegen keine Umstände vor, die mit der erforderlichen Sicherheit darauf schließen lassen, dass der Verteidigung zum Zeitpunkt der Zustellung des Bußgeldbescheides zur Entgegennahme von Zustellungen für den Betroffenen ermächtigt war.

Zudem ist dem Amtsgericht beizupflichten, insofern es die Einschlägigkeit des § 26 Abs. 3 Hs. 3 StVG verneint (vgl. BGH, Beschluss vom 28.10.1999, 4stR 453/99 – NJW 2000, 820 (821)).

Damit war zum Zeitpunkt der nächsten Unterbrechung mit Vorlage der Akten an das Amtsgericht Meiningen am 10.03.2022 bereits Verjährung eingetreten.“

Anmerkung: Soweit es im Beschluss an zwei Stellen „§ 53 OWiG“ heißt, handelt es sich um einen offensichtlichen Schreibfehler, der auch im Originalbeschluss enthalten ist.

Keine wirksame Zustellung des Bußgeldbescheides, oder: Die Vollmacht gehört nicht in die (Gerichts)Akte

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Als zweite Entscheidung des Tages dann eine weitere AG-Entscheidung, und zwar der AG Paderborn, Beschl. v. 22.07.2019 – 76 OW1-31 Js 846/19-117/19, den mir der Kollege T.Hein aus  Bad Vilbel geschickt hat.

Das Verfahren gegen seinen Mandanten ist wegen Verjährung eingestellt worden. Begründung des AG:

„Gegen die Betroffene ist am 19.03.201.9 ein Bußgeldbescheid erlassen worden, gegen den sie rechtzeitig Einspruch eingelegt hat.

Die weitere Verfolgung der Ordnungswidrigkeit ist ausgeschlossen, weil inzwischen Verjährung eingetreten ist. Die letzte Verfolgungsverjährung unterbrechende
– Handlung – ist die Abgabe der Sache durch die Staatsanwaltschaft an die
Verwaltungsbehörde, § 33 Abs. 1 Nr. 8 ZPO am 11.03.2019, (BI. 26 d.A.).

Der Bußgeldbescheid ist nicht ordnungsgemäß zugestellt worden, sodass es hier nicht zu einer erneuten Unterbrechung der Verjährung kommen konnte. Gemäß § 51 Abs. 3 S. 1 OWiG gilt der gewählte Verteidiger, dessen Vollmacht sich bei den Akten befindet, als zustellungsbevollmächtigt. Eine solche Vollmacht befand sich zum Zeitpunkt der Zustellung nicht bei der Akte, die anwaltliche Versicherung der Beauftragung der Verteidigung genügt als Nachweis der Zustellungsvollmacht nicht.

Eine wirksame Zustellung an die Betroffene selbst lässt sich der Akte nicht entnehmen.

Was lernen wir mal wieder daraus: Die Vollmacht gehört nicht in die (Gerichts)Akte. Die bleibt zuhause.

Offen ist dann aber noch die Frage der „notwendigen Auslagen“. Das AG hat „nur“ „auf Kosten der Staatskasse eingestellt“.