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Entziehung der Fahrerlaubnis: „… es waren keine Drogen, sondern u.a. Appetitzügler….“

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Aus dem weiten Bereich der Entziehung der Fahrerlaubnis nach dem StVG mal etwas Neues bzw. eine – zumindest für mich – neue Einlassung des Fahrerlaubnisinhabers. Bei dem hatten zwei Urinproben in einem Ermittlungsverfahren positive Amphetaminwerte aufgewiesen. Aus einem Gutachten des Instituts für Forensische Toxikologie der Uni­versität Freiburg vom 24.03.2014 und vom 14.04.2014 ging hervor, dass die erste Urinprobe 55 ng/ml, die zweite Probe 110 ng/ml Amphetamin enthielt. Damit sei – sod as Gutachten – die Aufnahme von Amphetamin nachgewiesen. Ein Telefonat der Polizei mit dem Gutachterinstitut in Freiburg hatte dann noch ergeben, dass die vom Fahrerlaubnisinhaber angegebene Ein­nahme verschiedener Medikamente den Amphetaminnachweis nicht erklären konnte. Die Fahrerlaubnisbehörde entzog ihm daraufhin die Fahrerlaubnis. Der Kläger hat dagegen geklagt. Er hat mit seiner Klage eingewendet, die positiven Werte könnten durch Erkältungsmittel, andere Medikamente oder Appetitzügler verursacht worden sein, die er eingenommen habe und die amphetaminähnliche Wirkstoffe enthielten.

Das VG Neustadt/Weinstraße nimmt ihm das im VG Neustadt, Urt. v. 18.11.2015 – 1 K 338/15.NW nicht ab 🙂 und führt aus:

„Beruft der Fahrerlaubnisinhaber sich im Fall einer toxikologisch nachgewiesenen Drogenaufnahme – wie hier durch die Gutachten des toxikologischen Instituts der Universität Freiburg – auf eine unbewusste Drogeneinnahme, ist von ihm zu ver­langen, dass er diesen Ausnahmetatbestand von Beginn an detailliert, in sich schlüssig, soweit irgend möglich nachprüfbar und widerspruchsfrei schildert (vgl. OVG RP, Beschluss vom 25. Januar 2012, a. a. O.). Daran fehlt es hier: Der Klä­ger hatte zunächst im Strafverfahren die Einnahme bestimmter Medikamente gel­tend gemacht, die indessen den Nachweis von Amphetamin in seinen Urinproben nicht erklären konnten. In der Folgezeit hat er seinen Vortrag angepasst und sich im Verwaltungsverfahren zusätzlich auf das Diätprodukt „slimeasy“ bezogen, im Beschwerdeverfahren vor dem OVG Rheinland-Pfalz ergänzend auf die Einnahme eines Appetitzüglers mit dem Wirkstoff Hydrochlorid und von Aspirin Com­pact/Complex und Wick MediNait. Im vorliegenden Klageverfahren hat er schließ­lich, sein Vorbringen wiederum erweiternd, den angeblichen Appetitzügler „AN1“ als mögliche Erklärung für die positiven Urinproben genannt. Dieses insgesamt unsubstantiierte, in sich nicht geschlossene und gesteigerte Vorbringen ist nicht geeignet, einen schlüssigen und im Kern nachprüfbaren Sachverhalt über eine unbewusste Drogenaufnahme zu belegen.

Im Hinblick auf die Medikamente Aspirin Complex/Compact und Ephedrin steht überdies fest, dass diese keine fehlerhaft positiven Analysewerte im Hinblick auf Amphetamin verursachen können. Das in den Produkten enthaltene Ephedrin und Pseudoephedrin kann wohl bei sehr hoher Konzentration nach der Behandlung der Urinextrakte unter sehr hohen Injektortemperaturen in Metamphetamin umge­wandelt werden. Eine artifizielle Amphetaminbildung ist aufgrund der Molekülstruk­tur des Ephedrins bzw. Pseudo-Ephedrins indessen nicht möglich (vgl. im Einzel­nen Urteil der Kammer vom 10. August 2010 – 6 K 1332/09.NW – aufgrund des dort eingeholten Gutachtens). Dass ein Mittel namens „AN1“ als Appetitzügler im Handel erhältlich ist, das der Kläger ohne Wissen um drogenähnliche Inhaltsstoffe (Phenazopyridine) eingenommen hat, ist nicht glaubhaft dargelegt. Nach den Re­cherchen des Gerichts handelt es sich bei dem Mittel „AN1 (Phenazopyridine Hyd­rochloride)“ vielmehr um ein verschreibungspflichtiges Präparat zur Behandlung von Entzündungen der Harnwege (vgl. http://www.drugs.com/imprints/AN-1­ 14574.html). Die pharmakologische Charakterisierung des auch als „Amphetamenil“ bezeichneten Stoffgemischs beschreibt es als ein Psychopharmakon, das im medizinischen Bereich seit den sechziger Jahren in Westdeutschland unter dem Namen „AN1“ u. a. zur Antriebssteigerung bei Senioren eingesetzt und miss­bräuchlich auch als Rausch- und Partydroge verwendet wurde (vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Amphetaminil). Vor diesem Hintergrund ist es nicht glaubhaft, dass der Kläger ein solches Mittel frei im Internet gekauft und völlig arg­los als Appetitzügler zu sich genommen haben will. Seinem Vortrag fehlt es inso­weit auch an der ausreichenden Substantiierung, weil er schon nicht darlegt, zu welchem Zeitpunkt, über welchen Zeitraum und in welcher Dosierung er das Mittel eingenommen hat. Eine Beweisaufnahme des Gerichts zu den nur unsubstantiiert dargelegten Erklärungsversuchen des Klägers kommt weder in Form eines Sach­verständigengutachtens noch des Zeugenbeweises durch Einvernahme bei­spielsweise des Verkehrsmediziners Dr. N. in Betracht. Die unter Beweis gestellte Behauptung, dass Appetitzügler bzw. Medikamente, die zum Abnehmen nützlich sind, Wirkstoffe beinhalten, die dem Amphetamin gleichkommen oder ampheta­minmäßigen Einfluss haben, macht nicht den erforderlichen glaubhaften Vortrag des Klägers entbehrlich, dass konkret bei ihm der Ausnahmefall einer unbewuss­ten Drogenaufnahme vorgelegen hat.“

Auch wer ein Hörgerät trägt/schlecht hört, kann/darf Auto fahren….

entnommen wikimedia.org By photo taken by Udo Schröter - Own work

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Nicht nur für ggf. mitlesende Senioren ist der VG Neustadt/NW, Beschl. v. 28.01.2016 – 3 L 4/16.NW – interessant. Es geht in ihm um die Frage der Entziehung der Fahrerlaubnis bei einem 85 Jahre alten Fahrerlaubnisinhaber. Der war bei der Fahrerlaubnisbehörde der Antragsgegnerin und hatte u.a. die Umstellung seiner im Jahre 1962 erworbenen Fahrerlaubnis Klasse 3 in die neuen Führerscheinklassen AM+A2+A+BE+C1E+L beantragt. Eine Mitarbeiterin der Fahrerlaubnisbehörde stellte fest, dass der Antragsteller ein Hörgerät trug. Sie fragte den Antragsteller, ob er mit dem Hörgerät gut zurechtkomme, was der Antragsteller bejahte. Dennoch wurde der Antragsteller formlos zur Vorlage eines ärztlichen Attestes darüber aufgefordert, dass der Antragsteller aufgrund des Hörgerätes ausreichend hört. Die vorgelegten Atteste, die das bescheinigten reichten der Fahreralubnisbehörde nicht. Sie ordnete dann gegenüber dem Antragsteller die Beibringung eines Gutachtens eines Arztes einer Begutachtungsstelle für Fahreignung an und führte aus, Einschränkungen des Hörvermögens könnten zur Einschränkung der Fahreignung führen. Mit Schreiben vom 10. 12. 2015 bat die Fahrerlaubnisbehörde den Antragsteller dann um Gutachtensvorlage bis zum 18. 12. 2015, ansonsten werde gemäß § 11 Abs. 8 FeV i. V. m. § 46 Abs. 1 FeV die Fahrerlaubnis entzogen und der Sofortvollzug angeordnet werde. Mit Bescheid vom 21. 12. 2015 entzog die Fahrerlaubnisbehörde dem Antragsteller unter Anordnung des Sofortvollzugs die Fahrerlaubnis Klasse 3. Dagegen dann der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO. Das VG hat dem statt gegeben. Die Gutachtensanordnung war materiell rechtswidrig, weil keine Tatsachen vorliegen, die klärungsbedürftige Zweifel an der Kraftfahreignung des Antragstellers aufwerfen.

„Hiervon ausgehend erweist sich die Gutachtensanforderung vom 9. Oktober 2015 gegenüber dem Antragsteller als materiell rechtswidrig. Es bestanden zum damaligen Zeitpunkt – wie im Übrigen auch im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung – keine tatsächlichen hinreichenden Anhaltspunkte, die bei vernünftiger Einschätzung hier die ernsthafte Besorgnis begründeten, dass beim Antragsteller ein körperlicher Mangel i. S. der Nr. 2 der Anlage 4 zu §§ 11, 13 und 14 FeV vorliegt, der Bedenken an seiner Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen zu begründen vermochte.

Die von der Antragsgegnerin in der Gutachtensanordnung vom 9. Oktober 2015 angeführten Tatsachen, nämlich eine ohrenärztlich attestierte Schwerhörigkeit mit einem Verlust von 56 % des rechten und 100 % des linken Hörvermögens, weswegen der Antragsteller ein Hörgerät trägt, vermögen die auf § 11 Abs. 1 S. 2 i. V. m. Abs. 2 Satz 3 Nr. 5 FeV gestützte Gutachtensanforderung nicht zu rechtfertigen. So besteht nach Nr. 2 der Anlage 4 zu §§ 1, 13 und 14 FeV bei einer hochgradigen Schwerhörigkeit (Hörverlust von 60 % und mehr) ein- oder beidseitig sowie bei Gehörlosigkeit ein- oder beidseitig eine Fahreignung für Fahrerlaubnisinhaber sowohl der Gruppe 1 als auch der Gruppe 2, wenn nicht gleichzeitig andere schwerwiegende Mängel (z. B. Sehstörungen, Gleichgewichtsstörungen) vorliegen. Damit gelten selbst eine hochgradige Schwerhörigkeit oder gar Gehörlosigkeit nicht als Mangel, der generell und allein für das Führen von Fahrzeugen ungeeignet macht (s. a. Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung, Berichte der Bundesanstalt für Straßenwesen, Mensch und Sicherheit, Heft M 115, gültig ab 1. Mai 2014, Seite 13 ff., dort Ziffer 3.2). Die Orientierung im motorisierten Straßenverkehr erfolgt überwiegend über das optische System, da verkehrsrelevante Informationen maßgeblich über visuelle Signale vermittelt werden. (s. Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung, a. a. O.). Da durch eine vorhandene Hörminderung eine Steigerung anderer sensorischer Leistungen erreicht werden kann, sind hörgeminderte oder gehörlose Fahrer in der Lage, durch besondere Umsicht, Aufmerksamkeit und Gewissenhaftigkeit sicher am Straßenverkehr teilzunehmen (s. Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung, a. a. O.).

Nach dem vom Antragsteller der Antragsgegnerin am 17. September 2015 auf deren Aufforderung vom 14. September 2015 vorgelegten ärztlichen Attest des HNO-Arztes Dr. ….., bei dem sich der Antragsteller in regelmäßiger ambulanter Behandlung befindet, wird durch die hörprothetische Versorgung bei dem bei dem Antragsteller vorliegenden prozentualen Hörverlust nach Bönninghaus und Röser (rechts 56, links 100) eine normale Diskrimination und ein altersnormales Hörvermögen erreicht.

Dass bei dem Antragsteller neben der bei ihm fachärztlich attestierten Beeinträchtigung der Hörleistung, wegen der er ein Hörgerät trägt, gleichzeitig andere schwerwiegende gesundheitliche Mängel vorliegen, ist nicht ersichtlich und auch von der Antragsgegnerin nicht ansatzweise behauptet. Auch das Auftreten des Antragstellers in den Räumen der Antragsgegnerin anlässlich seines Antrags auf Umstellung seiner alten Fahrerlaubnis Klasse 3 (graue Führerschein-Urkunde) in eine Fahrerlaubnis der aktuellen Klassen AM+A2+A+BE+C1E+L am 14. Juli 2015 sowie auch seine weiteren Vorsprachen bei der Antragsgegnerin im September 2015 war nach Aktenlage völlig unauffällig. Anzeichen für das gleichzeitige Vorliegen weiterer gesundheitlicher Mängel neben der Beeinträchtigung der Hörleistung des Antragstellers sind dem Inhalt der dem Gericht vorliegenden Verwaltungsakte nicht zu entnehmen und auch von der Antragsgegnerin nicht vorgetragen worden. Es liegt daher nahe, dass die Antragsgegnerin allein auf Grund des Alters des Antragstellers eine weitere Untersuchung angeordnet hat.

Im Übrigen geht auch die Antragsgegnerin davon aus, dass lediglich das Vorliegen einer hochgradigen Schwerhörigkeit für sich allein nicht bereits die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen der Gruppen 1 und 2 in Frage stellt.“

Was lernen wir daraus: Gehe nie zu deinem Herrn, wenn er dich nicht ruft 🙂 .

Der besoffene Fußgänger auf der BAB – MPU

© monticellllo - Fotolia.com

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Gegenstand des VG Neustadt a.d. Weinstraße, Beschl. v. 16.6.2015 – 1 L 442/15.NW – war etwa folgender Sachverhalt: Dem Antragsteller des Verfahresn war nach Entziehung seiner Fahrerlaubnis wegen eines Alkoholdelikts diese im Anschluss an eine positiv verlaufene medizinisch-psychologische Begutachtung im Jahr 2011 wiedererteilt worden. Im Rahmen der Untersuchung wurde ausführlich auf den vorangegangenen Alkoholmissbrauch eingegangen, konkret: auf die Frage, ob der Antragsteller künftig in der Lage sein würde, zu einem kontrollierten Trinkverhalten zurück zu finden und Fahren vom Alkoholkonsum zu trennen. Der Antragsteller hatte insoweit auch vorgetragen, er werde künftig nur noch zu bestimmten Anlässen Alkohol konsumieren und bestimmte Alkoholmengen nicht überschreiten. Auf Grundlage dieser Angaben des Antragstellers sah die Begutachtungsstelle keine Gefahr von Überkonsum und Kontrollverlusten. Am 14.2.2015 wurde der Antragsteller, der als Fußgänger auf der Autobahn nach Hause unterwegs war, von der Verkehrspolizei aufgegriffen. Die gemessene Blutalkoholkonzentration betrug 1,79 Promille, zudem war der Antragsteller orientierungslos und lief in Schlangenlinien.

Die Straßenverkehrsbehörde nahm diesen Vorfall zum Anlass, den Antragsteller erneut zur Beibringung eines medizinisch-psychologischen Fahreignungsgutachtens aufzufordern. Dies wurde mit der Befürchtung begründet, der Antragsteller könnte in seinen früheren Alkoholmissbrauch zurückgefallen sein. Nachdem der Antragstellers dieser Aufforderung nicht nachkam, entzog die Behörde die Fahrerlaubnis wegen nicht ausgeräumter Zweifel auf der Grundlage von §§ 11 Abs. 8, 46 FeV. Der dagegen gerichtete Eilantrag hatte beim VG dann keinen Erfolg:

„Aufgrund des Vorfalls vom 14. Februar 2015 sind indessen berechtigte Zweifel aufgekommen, ob die im Gutachten zugrunde gelegte Verhaltensänderung des Antragstellers als Voraussetzung für eine positive Bewertung seiner Fahreignung weiterhin anhält.

Zwar hat er bei diesem Vorfall nach seinen Angaben „anlassbezogen“ im Sinne des Gutachtens vom 12. Dezember 2011 getrunken, dabei aber offensichtlich die zugestandenen Grenzen eines mäßigen, kontrollierten Trinkens überschritten. Insoweit greift sein Vortrag, er habe sich innerhalb der Vorgaben des medizinisch-psychologischen Gutachtens vom 12. Dezember 2012 gehalten, zu kurz. Dass der Antragsteller die auf die Höchstmenge des konsumierten Alkohols bezogenen Vorgaben des Gutachtens am 14. Februar 2015 überschritten hat, zeigt zum einen die bei ihm gemessene Atemalkoholkonzentration von 1,79 ‰, die jedenfalls einen deutlich über 40 g hinausgehenden Alkoholgenuss belegt, auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass keine Blutalkoholkonzentration gemessen wurde (vgl. die Berechnung des Beklagten Bl. 67 VA) . Zum anderen zeigt aber auch das Verhalten des Antragstellers, dass er alkoholbedingt einen erheblichen, wenn nicht vollständigen Verlust seiner Steuerungsfähigkeit erlitten hatte, als er zu Fuß nach Hause gehen wollte und orientierungslos, in Schlangenlinien laufend auf der Autobahn von der Polizei aufgegriffen wurde. Dieses unkontrollierte Verhalten wies entgegen seiner Auffassung durchaus einen Verkehrsbezug auf, als damit eine erhebliche Unfallgefahr auch für andere Verkehrsteilnehmer einherging. Zudem ist hier zu berücksichtigen, dass der Antragsteller bereits in der Vergangenheit alkoholisiert im Straßenverkehr auffällig wurde. Aus diesen Gründen sind die von ihm zitierten Entscheidungen des OVG RP vom 5. Juni 2007 (10 A 10062/07.OVG) und des BayVGH vom 4. Januar 2006 (11 CS 05.1878) auf seinen Fall nicht übertragbar. Vielmehr besteht aufgrund der neuerlichen Auffälligkeit des Antragstellers Anlass zur Klärung, ob er in den früheren missbräuchlichen Konsum von Alkohol zurück gefallen ist und damit erneut die Gefahr besteht, dass er nicht hinreichend sicher zwischen Trinken und Fahren trennen kann (vgl. OVG RP, Beschluss vom 15. Juni 2010 – 10 B 10465/120.OVG -).

Dies gilt unabhängig davon, ob diese Gefahr am 14. Februar 2015 nicht bestand, weil der Antragsteller sein Fahrzeug bei dem konkreten Anlass nicht mit sich geführt hat. Voraussetzung für ein dauerhaft zuverlässiges Trennen zwischen Trinken und Fahren ist nämlich nach dem Gutachten vom 12. Dezember 2011, dass der Antragsteller einen alkoholbedingten Kontrollverlust hinreichend sicher vermeiden kann. Ob die dazu im Zeitpunkt des Gutachtens erarbeiteten Strategien noch tragfähig sind, kann nur durch eine erneute medizinisch-psychologische Begutachtung geklärt werden.“

Teures Dauerparken, oder: Nach dem Urlaub ist das Auto weg

entnommen wikimedia.org Urheber Sterilgutassistentin

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Urheber Sterilgutassistentin

„Unbegrenztes Parken“ gibt es nicht. Das ist das Fazit aus dem VG Neustadt, Urt. v. 27.01.2015 – 5 K 444/14 NW. In dem Verfahren ging es um die Übernahme der Kosten, die durch das Abschleppen eines „Dauerparkers“ entstanden waren. Der klagende Parker hatte seinen Pkw am Mittwoch, den 27.02.2013 früh morgens auf einem Parkplatz ordnungsgemäß abgestellt. Von dort aus fuhr er mit Freunden weiter in den Urlaub. Noch am selben Tag stellte die Gemeinde Halteverbotsschilder auf mit dem Zusatz „Sonntag, 3. März 2013 ab 7.00 Uhr“. An diesem Tag fand dort ein Umzug statt. Nachdem der Mann sein Fahrzeug auch am Sonntag nicht entfernt hatte und auch telefonisch nicht erreichbar war, ließ die Gemeinde den Pkw am 03.03.2013 um 12.15 Uhr abschleppen und forderte die dafür entstandenen Kosten. Die Klage des urlaubenden Parkers hatte keinen Erfolg.

Das VG meint: Zwar könne auch von einem Dauerparker nicht erwartet werden, dass er stündlich oder täglich sein Fahrzeug überwacht und prüft bzw. prüfen lässt, ob sich die Verkehrsregelungen geändert haben. Parkte ein Fahrzeugführer sein Fahrzeug ursprünglich rechtmäßig auf einem Dauerparkplatz und änderte sich daraufhin die Verkehrslage, so sei es jedenfalls aber dann verhältnismäßig, ihn zu den Abschleppkosten heranzuziehen, wenn das Fahrzeug am vierten Tag nach Aufstellen der Verbotsschilder abgeschleppt wurde.

„Der Kostenbescheid war auch nicht unverhältnismäßig (sogenannte Sekundärebene). Die Beklagte ging zu Recht davon aus, dass es nicht ausnahmsweise unangemessen und unzumutbar war, den Kläger zu den Kosten heranzuziehen (vgl. zu § 6 Abs. 2 Polizei- und Ordnungsbehördengesetz – POG – OVG RP, Urteil vom 1. Oktober 1996 – 7 A 11677/95.OVG –). Nach der Rechtsprechung wird eine solche Ausnahme von der Kostentragungspflicht insbesondere in folgenden Fällen gemacht: Der Fahrzeugführer parkte sein Fahrzeug rechtmäßig, nachträglich entstand aber eine Situation, wonach er rechtswidrig parkte. Diese Änderung der Verkehrslage kündigte die Behörde jedoch nicht früh genug an. Entgegen der Ansicht des Klägers gibt es allerdings keinen Vertrauensschutz dafür, dass ein zunächst rechtmäßiges Dauerparken an einer bestimmten Stelle unbegrenzt erlaubt bleibt. Umgekehrt kann von einem Dauerparker aber auch nicht erwartet werden, dass er stündlich oder täglich sein Fahrzeug überwacht und prüft bzw. prüfen lässt, ob sich die Verkehrsregelungen geändert haben. Ansonsten bestünde kein Unterschied zwischen Kurzzeit- und Dauerparkplätzen (vgl. BayVGH, Urteil vom 17. April 2008 – 10 B 08.449 –, juris). Daher hat die Rechtsprechung in zahlreichen Fällen entschieden, dass die Kostenbelastung jedenfalls dann verhältnismäßig ist, wenn das Fahrzeug abgeschleppt wurde am vierten Tag nachdem die Verbotsschilder aufgestellt wurden (vgl. BVerwG, Urteil vom 11. Dezember 1996 – 11 C 15/95 –, juris; BayVGH, Urteil vom 17. April 2008 – 10 B 08.449 –, juris m. w. N. zu möglichen kürzeren Mindestvorlaufzeiten nach den konkreten Umständen des Einzelfalls). Das Kostenrisiko trifft nach dieser Vorlaufzeit bei längerfristigem Parken denjenigen, der die Sachherrschaft über sein Fahrzeug hat und Vorsorge treffen kann, falls sich die Verkehrslage innerhalb dieses absehbaren Zeitraums ändert. Dieses Kostenrisiko soll nicht die Allgemeinheit tragen. Kann oder will der Fahrzeughalter nicht kontrollieren, ob die Verkehrsverhältnisse sich geändert haben, so kann er sich nicht darauf berufen, dass sich die Verkehrsregelung geändert hat (vgl. SächsOVG, Urteil vom 23. März 2009 – 3 B 891/06 –, juris). Die Beklagte stellte die Verkehrsschilder am Mittwoch, den 27. Februar 2013, auf. Erst nach Ablauf von drei vollen Tagen, am Sonntag, den 3. März 2013, schleppte sie das Fahrzeug des Klägers ab. Es war dem Kläger auch auf einem Dauerparkplatz zumutbar, innerhalb dieser drei Tage Vorlaufzeit zu kontrollieren oder kontrollieren zu lassen, ob das Parken weiter zulässig war.

Und: Ceterum censeo: Hier geht es zur Abstimmung Beste Jurablogs Strafrecht 2015 – wir sind dabei, die Abstimmung läuft…

Mit einem Pkw zu flott – Fahrtenbuchauflage fast für die ganze Fahrzeugflotte

 © lassedesignen Fotolia.com

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Die Fahrtenbuchauflage nach § 31a StVZO ist unbeliebt, und zwar besonders bei (größeren) Firmen, wenn sie sich ggf. gegen die gesamte Fahrzeugflotte richtet. Denn die Auflage macht Arbeit und ist lästig. Aber sie wird dennoch, auch bei größeren Firmen und bei deren Fahrzeugflotte als verhältnismäßig/zulässig angesehen. Das musste sich jetzt eine Firma in Rheinland-Pfalz vom VG Neustadt im VG Neustadt, Beschl. v. 26.01.2015 – 3 L 22/15.NW sagen lassen. Mit einem der Firmenfahrzeuge wurde die zulässige Höchstgeschwindigkeit auf der BAB um 41 km/h überschritten. Die Firma als Halterin hatte nach Auffassung des VG bei der Ermittlung des Fahrers nicht ausreichend mitgewirkt, was dazu führte, dass gegen die Firma als Halterin für die Dauer von 12 Monaten eine Fahrtenbuchauflage fast für die ganze Fahrzeugflotte der Firma – nämlich für 31 Fahrzeuge – angeordnet werden durfte:

„Die Fahrtenbuchauflage für die Kraftfahrzeuge mit den amtlichen Kennzeichen (es folgen die Kennzeichen von 31 Kraftfahrzeugen) in dem angefochtenen Bescheid vom 7. November 2014 ist auch verhältnismäßig. Bei der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nur gebotenen summarischen Prüfung des Sachverhalts lässt sich nicht feststellen, dass die Antragsgegnerin das ihr nach § 31a Abs. 1 Satz 1 StVZO zustehende Ermessen nicht ordnungsgemäß ausgeübt und insbesondere den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht beachtet hat.

In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass bei unaufgeklärt gebliebenen Verkehrsverstößen mit verschiedenen auf einen Halter zugelassenen Firmenfahrzeugen die Anordnung einer Fahrtenbuchauflage bezogen auf den gesamten Fahrzeugpark gerechtfertigt sein kann (vgl. BVerwG, Beschluss vom 27. Juli 1970 – VII B 19.70 – und OVG NRW, Urteil vom 10. September 1997 – 25 A 4812/96 –, juris). Ist der Adressat einer Fahrtenbuchauflage gleichzeitig Halter mehrerer Fahrzeuge, so dürfen diese im Rahmen der ordnungsgemäßen Ermessensausübung der Behörde mit in die Fahrtenbuchauflage einbezogen werden, wenn aufgrund der Nutzungsgepflogenheiten des Halters auch mit anderen Fahrzeugen einschlägige Zuwiderhandlungen naheliegend und zu erwarten sind (vgl. OVG NRW, Urteil vom 7. April 1977 – XIII A 603/76 – und vom 10. September 1997 – 25 A 4812/96 –, juris). Des Nachweises einer konkreten Gefahr weiterer Verkehrsverstöße bedarf es im Rahmen des § 31a StVZO nicht (vgl. VGH BW, Be-schluss vom 17. November 1997 – 10 S 2113/97 –, juris).

Da eine solche Anordnung aber im Verhältnis zur Einzelanordnung für ein jeweiliges Tatfahrzeug eine erhebliche Erweiterung darstellt, bedarf sie einer ihre Auswirkungen auf den betroffenen Halter bzw. Fahrzeugführer berücksichtigenden Verhältnismäßigkeitsprüfung. Voraussetzung für die Entscheidung ist dabei eine hinreichende Sachverhaltsaufklärung durch die anordnende Behörde, die hier vorgenommen wurde. Die Antragsgegnerin hat Art und Umfang des Fahrzeugparks der Antragstellerin und damit die Tatsachen ermittelt, die die Grundlage für eine ordnungsgemäße Ermessensausübung einschließlich der Beurteilung der Erforderlichkeit und An-gemessenheit der streitigen Anordnung bilden. Es lässt sich dem beigezogenen Verwaltungsvorgang der Antragsgegnerin und zwar der Aufstellung über den Fahrzeugbestand der Antragstellerin vom 14. Oktober 2014 (s. Bl. 38 bis 40 der Verwaltungsakte) entnehmen, aus wie vielen und welcher Art von Fahrzeugen der Fuhrpark der Antragstellerin besteht. Die Antragsgegnerin hat bei der Prüfung, auf welche Fahrzeuge aus dem Fahrzeugpark sich die Fahrtenbuchauflage beziehen soll, danach differenziert, ob sich unter den Fahrzeugen nur solche befinden, bei deren Nutzung zukünftig mit Verkehrsverstößen der hier in Rede stehenden Art gerechnet werden kann….“