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Fahrerlaubnisentziehung I: Fahrerlaubnis auf Probe, oder: Entziehung nach Verzicht und Wiedererteilung

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Und dann heute „Kessel Buntes Tag“, und zwar mit zwei Entscheidungen zur Entziehung der Fahrerlaubnis (auf Probe).

Zunächst stelle ich das BVerwG, Urt. v. 10.10.2024 – 3 C 3/23 – vor. In dem Verfahren wird um die Entziehung der Fahrerlaubnis des Klägers gestritten.

Dem Kläger war erstmals am 30.07.2014 die Fahrerlaubnis der Klasse B erteilt worden. Bei einer allgemeinen Verkehrskontrolle und einer weiteren Kontrolle aus Anlass von Verkehrsverstößen wurde dann der Konsum von Cannabis festgestellt. Deshalb und wegen der Verkehrsverstöße wurde die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens angeordnet. Das von dem Kläger vorgelegte Gutachten führte zu einer negativen Beurteilung seiner Fahreignung. Hierauf verzichtete er mit Schreiben vom 14.04.2015 auf seine Fahrerlaubnis.

Auf der Grundlage eines nunmehr positiven medizinisch-psychologischen Gutachtens und der Vorlage einer Bescheinigung über die Teilnahme an einem Aufbauseminar erteilte die Beklagte dem Kläger am 22.07.2020 erneut die Fahrerlaubnis der Klasse B. Am 24.09.2020 überfuhr der Kläger eine bereits länger als eine Sekunde rote Ampel. Der deshalb erlassene Bußgeldbescheid wurde rechtskräftig. Die Beklagte ordnete hierauf erneut die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens an und stützte ihre Anordnung auf § 2a Abs. 5 Satz 5 StVG. Nachdem der Kläger das von ihm verlangte Gutachten nicht fristgerecht vorgelegt hatte, entzog sie ihm mit Bescheid vom 09.03.2021 die Fahrerlaubnis. Der hiergegen gerichtete Widerspruch wurde zurückgewiesen.

Das Verwaltungsgericht hat der dagegen erhobenen Klage stattgegeben. Die erneute Anordnung zur Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens könne nicht auf § 2a Abs. 5 Satz 5 StVG gestützt werden. Nach dem eindeutigen Wortlaut des Gesetzes gelte die Bestimmung nur nach einer vorausgegangenen Entziehung der Fahrerlaubnis, nicht aber im Falle eines Verzichts. Ihre analoge Anwendung scheide aus, weil es an einer planwidrigen Regelungslücke fehle. Der Gesetzgeber habe die Möglichkeit einer Umgehung gesehen, innerhalb des § 2a StVG aber Entziehung und Verzicht nicht in allen Fällen gleichgestellt. Im Umkehrschluss bleibe es hier grundsätzlich bei den Maßnahmen nach § 2a Abs. 2 StVG. Ein Versehen liege auch angesichts der Beratungen in verschiedenen Ausschüssen des Deutschen Bundestags und des Bundesrates fern. Zudem sprächen gute Gründe dafür, im Regelungskontext von § 2a Abs. 5 Satz 4 und 5 StVG die Entziehung nicht mit dem Verzicht gleichzustellen. Der Verzicht könne aus unterschiedlichen Gründen erfolgen, weshalb nicht unterstellt werden könne, eine Umgehung sei beabsichtigt. Im Einzelfall könne auf der Grundlage von § 2a Abs. 4 Satz 1 StVG die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens angeordnet werden. Ein differenziertes Vorgehen sei schlüssig und wegen der Eingriffsintensität der Untersuchung verfassungsrechtlich geboten.

Das OVG hat das Urteil des VG geändert und die Klage abgewiesen. Die Beklagte habe die Fahrerlaubnis des Klägers zu Recht entzogen. Sie habe auf seine Nichteignung zum Führen von Kraftfahrzeugen schließen dürfen, da er das von ihm rechtmäßig geforderte medizinisch-psychologische Gutachten nicht fristgerecht vorgelegt habe. Die Anordnung des medizinisch-psychologischen Gutachtens habe auf § 2a Abs. 5 Satz 5 StVG in analoger Anwendung gestützt werden können. Die Vorschrift sei in Fällen eines Verzichts jedenfalls dann entsprechend anwendbar, wenn der Fahrerlaubnisinhaber vor der Neuerteilung an einem Aufbauseminar teilzunehmen hatte. Es bestehe eine planwidrige Regelungslücke. Das Recht der Fahrerlaubnis auf Probe habe zunächst an keiner Stelle zwischen Fahrerlaubnisentziehung und -verzicht unterschieden. Es habe vorgesehen, dass nach einer Fahrerlaubnisentziehung vor der Neuerteilung der Nachweis über die Teilnahme an einem Nachschulungskurs zu erbringen sei. Aufbauend darauf habe es geregelt, dass in der neu beginnenden Probezeit der Maßnahmenkatalog des § 2a Abs. 2 StVG keine Anwendung finde und stattdessen die zuständige Behörde im Falle einer erneuten relevanten Zuwiderhandlung in der Regel die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens anzuordnen habe (§ 2a Abs. 5 Satz 1 bis 3 StVG a. F.). Das sei von dem Gedanken getragen gewesen, dass eine Wiederholung des Nachschulungskurses nicht sinnvoll sei. Aus dem Änderungsgesetz vom 24.04.1998 (BGBl. I S. 747) ergebe sich, dass dies uneingeschränkt auch nach einem Verzicht gelten solle. Der Gesetzgeber habe einen weitgehenden Gleichlauf der Verlusttatbestände klarstellen wollen. Er habe geregelt, dass eine neue Probezeit auch nach einem Verzicht beginne und der Nachweis der Teilnahme an einem Aufbauseminar (vormals: Nachschulungskurs) erbracht werden müsse, wenn deren Anordnung wegen des Verzichts unterblieben oder ihr nicht nachgekommen worden sei (§ 2a Abs. 5 Satz 2 StVG). Ein sachlicher Unterschied der Voraussetzungen für die Neuerteilung der Fahrerlaubnis nach einer Entziehung und einem Verzicht bestehe nicht mehr. Die Verknüpfung zwischen den Voraussetzungen für die Neuerteilung und den Rechtsfolgen für die neue Probezeit erforderten eine Gleichbehandlung. Aus der analogen Anwendung von § 2a Abs. 5 Satz 4 StVG folge die Anwendung von § 2a Abs. 5 Satz 5 StVG. Anderenfalls komme es bei einer erneuten Anordnung der Teilnahme an einem Aufbauseminar zu einer sinnwidrigen Verlängerung der Probezeit auf sechs Jahre (§ 2a Abs. 2a Satz 1 StVG). Die Analogie überzeuge auch aufgrund der Ziele und Wertungen des Gesetzgebers. Danach seien bei einem Fahranfänger, der sich in der ersten Probezeit nicht bewähre und trotz Teilnahme an einem Aufbauseminar erneut relevante Zuwiderhandlungen begangen habe, frühzeitig ernsthafte Zweifel an der Fahreignung gegeben. Denkbar unterschiedliche Motive eines Verzichts seien in der Regel nicht bedeutsam. Dem Gesetzgeber sei es darum gegangen, dass sein Regelungsregime nicht unterlaufen werde. Die Anordnung einer medizinisch-psychologischen Begutachtung sei auch im Verzichtsfall verhältnismäßig, zumal sie nur in der Regel zu erfolgen habe und damit atypischen Konstellationen Rechnung getragen werden könne. Der Analogie stehe nicht entgegen, dass die Anordnung einer medizinisch-psychologischen Begutachtung im Einzelfall gegebenenfalls auf eine andere Rechtsgrundlage gestützt werden könne. Denn diese sehe die Anordnung nicht als Regelfall vor und setze andere – strengere – Tatbestandsmerkmale voraus (§ 2a Abs. 4 Satz 1 StVG). Auch das Änderungsgesetz vom 19.03.2001 (BGBl. I S. 386) bestätige, dass der Gesetzgeber die Gefahr der Umgehung gesehen und eine Gleichbehandlung gewollt habe. Angesichts der mitunter komplexen Regelungsstruktur des § 2a StVG mit verschachtelten Verweisungsketten sei naheliegend, dass der Regelungsbedarf in § 2a Abs. 5 Satz 4 und 5 StVG übersehen worden sei. Danach habe die Beklagte die Anordnung der Beibringung eines Gutachtens auf § 2a Abs. 5 Satz 5 StVG in entsprechender Anwendung stützen können. Dessen Voraussetzungen seien gegeben und auch im Übrigen sei die Anordnung nicht zu beanstanden.

Dagegen die Revision des Klägers, die keinen Erfolg hatte. Ich stelle hier nur den Leitsatz des BVerwG ein und verweise wegen der Einzelheiten der Begründung auf den verlinkten Volltext:

Gegenüber dem Inhaber einer Fahrerlaubnis auf Probe, der nach der Begehung von mindestens einer schwerwiegenden oder zwei weniger schwerwiegender Zuwiderhandlung(en) im Sinne von § 2a Abs. 2 Satz 1 StVG auf die Fahrerlaubnis verzichtet und der nach der Neuerteilung der Fahrerlaubnis in der neuen Probezeit erneut eine schwerwiegende oder zwei weniger schwerwiegende Zuwiderhandlung(en) begeht, hat die zuständige Fahrerlaubnisbehörde wie im Falle einer vorangegangenen Fahrerlaubnisentziehung in entsprechender Anwendung des § 2a Abs. 5 Satz 5 StVG in der Regel die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens anzuordnen.

Fahrerlaubnisentziehung II, oder: MPU wegen Alkoholauffälligkeiten außerhalb des Straßenverkehrs

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In der zweiten Entscheidung, dem OVG Bremen, Beschl. v. 13.08.2020 – 2 B 143/20 -, geht es ebenfalls um eine Fahrerlaubnisentziehung. Der lag die Anordnung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens wegen Alkoholauffälligkeiten des Fahrerlaubnisinhabers außerhalb des Straßenverkehrs zugrunde. Der Beschluss ist ihm Verfahren über die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs (§ 80 Abs. 5 VwGO) ergangen. Grundlage war folgender Sachverhalt:

„Der Antragsteller ist Berufskraftfahrer. Er hat im Jahr 1998 eine Fahrerlaubnis der damaligen Klasse 3 erworben, die im Jahr 2000 um die Klassen C und CE erweitert wurde.

Am 12.08.2014 gegen 0:30 Uhr kam es auf dem Wohngrundstück des Antragstellers zu einem Polizeieinsatz wegen eines Streits zwischen ihm und seiner Ehefrau. Die Polizeibeamten trafen laut dem Einsatzbericht den Antragsteller alkoholisiert und aufgebracht an. Er schrie, gestikulierte wild und forderte die Beamten zum Verlassen des Grundstücks auf. Auch durch mehrmalige Aufforderungen ließ er sich nicht beruhigen. Als seine Ehefrau das Grundstück mit dem gemeinsamen PKW verlassen wollte, versperrte der Antragsteller ihr die Ausfahrt, schlug mit der Hand auf den Außenspiegel ein und ging auf die Fahrertür des Wagens los. Zur Verhinderung einer Körperverletzung nahmen die Polizeibeamten den Antragsteller in Gewahrsam. Da er Aufforderungen, die Hände auf den Rücken zu legen oder sich auf den Bauch zu legen, nicht nachkam, musste die Ingewahrsamnahme mit Hebelgriffen und Blendschlägen durchgesetzt werden. Der Antragsteller setzte sich hiergegen zur Wehr; während der Fahrt in den Polizeigewahrsam versuchte er, einen Beamten zu beißen. Um 04:50 Uhr wurde er aus dem Gewahrsam entlassen.

Am 16.06.2019 gegen 05:45 Uhr kam es zu einem Polizeieinsatz in der Wohnung des Antragstellers. Der Antragsteller erschien den Beamten als stark alkoholisiert. Seine Aussprache sei verwaschen gewesen und er habe sich an Möbelstücken stützen müssen. Seine Ehefrau gab an, der Antragsteller habe am Vorabend drei Flaschen Wodka getrunken; gegen 21:30 Uhr habe er sie geschlagen. Der Sohn habe ihn dann ins Bett gebracht; seit circa 2 oder 3 Uhr morgens sei er aber wieder aggressiv und laut. Auch während der Anwesenheit der Beamten gebärdete sich der Antragsteller nach dem Einsatzbericht aggressiv, sobald er die Stimme seiner Frau hörte. Als seine Frau in seiner Nähe stand, habe er die Faust in ihre Richtung erhoben. Die Beamten seien eingeschritten und hätten die beiden räumlich getrennt, um eine körperliche Auseinandersetzung zu vermeiden. Die Polizeibeamten nahmen den Antragsteller in Gewahrsam. Eine um 06:02 Uhr durchgeführte Atemalkoholkontrolle ergab einen Wert von 1,02 mg/l. Um 12 Uhr wurde der Antragsteller entlassen.

Mit Schreiben vom 24.10.2019 forderte die Antragsgegnerin den Antragsteller unter Berufung auf die vorstehend beschriebenen Zwischenfälle auf, bis zum 17.01.2020 ein medizinisch-psychologisches Gutachten vorzulegen zu der Frage, ob er trotz der aktenkundigen Hinweise auf einen Alkoholmissbrauch ein Kraftfahrzeug der Klassen BE, CE sicher führen könne und ob insbesondere zu erwarten sei, dass er zukünftig ein Kraftfahrzeug nicht unter Alkoholeinfluss führen werde. Da der Antragsteller dieses Gutachten nicht beibrachte, entzog die Antragsgegnerin ihm nach Anhörung mit Bescheid vom 10.03.2020 die Fahrerlaubnis und ordnete die sofortige Vollziehung an. Die Fahrerlaubnis der Klassen C und CE war bereits am 08.03.2020 durch Ablauf der Geltungsdauer erloschen.

Der Antragsteller hat am 26.03.2020 beim Verwaltungsgericht Klage erhoben (5 K 579/20) und vorläufigen Rechtsschutz beantragt. Das Verwaltungsgericht hat die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes mit Beschluss vom 21.04.2020 abgelehnt. Hiergegen wendet sich die Beschwerde des Antragstellers.“

Und die Beschwerde hatte keinen Erfolg. Hier die Leitsätze zu der Entscheidung des OVG:

  1. Nicht unmittelbar mit der Teilnahme am Straßenverkehr in Zusammenhang stehende Alkoholauffälligkeiten rechtfertigen die Anordnung der Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens zum Vorliegen von Alkoholmissbrauch, wenn es zu mehreren schweren Alkoholisierungen kam und der Betroffene dabei ein Ausmaß an unbeherrschter Aggressivität und Rücksichtslosigkeit gezeigt hat, das auf einen allgemeinen Kontrollverlust unter Alkoholeinfluss hinweist.
  2. Diese Voraussetzungen können auch dann noch gegeben sein, wenn es sich lediglich um zwei Vorfälle handelt, zwischen denen circa 5 Jahre Abstand liegen, die aber im Wesentlichen gleichartig sind und somit Rückschlüsse auf Verhaltensmuster des Betroffenen zulassen.
  3. Zu den Voraussetzungen für einen Dauerkonflikt zwischen Alkoholkonsum und Verkehrsteilnahme bei einem überdurchschnittlich alkoholgewöhnten Berufskraftfahrer.

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Trunkenheitsfahrt mit dem Fahrrad, oder: Untersagung des Führens von Fahrrad/Mofa?

entnommen wikimedia.org
Urheber Roulex 45

Als zweite Entscheidung heute dann – seit längerem – mal wieder eine verkehrsverwaltungsrechtliche. Es handelt sich um das VG Augsburg, Urt. v. 09.09.2019 – Au 7 K 18.1240. Es nimmt Stellung zur Anordnung einer MPU nach einer Trunkenheitsfahrt mit dem Fahrrad.

Nach einer Trunkenheitsfahrt der Klägerin, bei der sie mit einem Fahrrad gefahren war, war eine MPU angefordert worden. Der Aufforderung war die Klägerin nicht nachgekommen. Daraus hatte die Verwaltungsbehörde dann auf mangelnde Eignung zur Teilnahme am Straßenverkehr geschlossen und der Klägerin das Führen erlaubnisfreier Fahrzeuge untersagt. Das VG hat das abgesegnet:

2. Der Beklagte hat im vorliegenden Fall zu Recht auf die Nichteignung der Klägerin zum Führen von fahrerlaubnisfreien Fahrzeugen geschlossen, weil diese das geforderte medizinisch-psychologische Gutachten nicht beigebracht hat (§ 3 Abs. 2 i.V.m. § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV).

Der Schluss auf die Nichteignung ist allerdings nur zulässig, wenn die Anordnung der medizinisch-psychologischen Untersuchung rechtmäßig, insbesondere anlassbezogen und verhältnismäßig war (st. Rspr. des BVerwG, vgl. BVerwG, B. v. 9.6.2005 – 3 C 25/04NJW 2005, 3081; B. v. 11.6.2008 – 3 B 99/07NJW 2008, 3014; BayVGH, B. v. 5.6.2009 – 11 CS 09.69; BayVGH, B. v. 19.2.2009 – 11 ZB 08.1466; VG München, U. v. 10.7.2009 – M 6b K 08.1412).

Die Rechtmäßigkeit der Forderung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens ergibt sich hier aus § 3 Abs. 2 i.V.m. § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c FeV. Nach § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c FeV ordnet die Fahrerlaubnisbehörde zur Vorbereitung von Entscheidungen über die Erteilung oder Verlängerung der Fahrerlaubnis oder über die Anordnung von Beschränkungen oder Auflagen an, dass ein medizinisch-psychologisches Gutachten beizubringen ist, wenn ein Fahrzeug im Straßenverkehr bei einer Blutalkoholkonzentration von 1,6 Promille oder mehr oder einer Atemalkoholkonzentration von 0,8 mg/l oder mehr geführt wurde. Gemäß § 3 Abs. 2 FeV gilt dies auch für die Untersagung des Rechts zum Führen fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge.

Nimmt eine Person mit einer Blutalkoholkonzentration von 1,6 Promille oder mehr als Fahrradfahrer am Straßenverkehr teil, so ergeben sich hieraus nicht nur Zweifel an ihrer Eignung, Kraftfahrzeuge zu lenken, sondern es besteht vielmehr auch Grund zu der Besorgnis, dass sie künftig erneut bereit sein könnte, in erheblich alkoholisiertem Zustand wiederum Fahrräder oder andere Fahrzeuge, die ohne Fahrerlaubnis gelenkt werden dürfen, im öffentlichen Straßenverkehr zu führen (vgl. BayVGH, B. v. 22.10.2009 – 11 ZB 09.832; B. v. 8.2.2010 – 11 C 09.2200ZfS 2010, 296; B. v. 11.5.2010 – 11 CS 10.68; B. v. 12.10.2010 – 11 ZB 09.2575; U. v. 1.10.2012 – 11 BV 12.771).

3. Die Anwendung von § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c FeV ist dabei auch gegenüber Personen gerechtfertigt, die lediglich fahrerlaubnisfreie Fahrzeuge führen. Das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz hat seine bisher vertretene gegenteilige Rechtsauffassung (OVG RhPf, B. v. 25.9.2009 – 10 B 10930/09NJW 2010,457), welche vom Bevollmächtigten der Klägerin angeführt wurde, inzwischen aufgegeben (OVG RhPf, U. v. 17.8.2012 – 10 A 19284/12). Zudem ist der Bayerische Verwaltungsgerichtshof der Ansicht des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz, soweit dieses dem Gesetz entnimmt, dass sich die pauschalierende Betrachtungsweise des § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c FeV gegenüber Personen, die lediglich fahrerlaubnisfreie Fahrzeuge führen, nicht rechtfertigen lässt, ausdrücklich entgegengetreten (BayVGH, B. v. 28.12.2010 – 11 CS 10.2095 – juris Rn. 15).

4. Hinsichtlich der Forderung nach der Vorlage eines medizinisch-psychologischen Gutachtens ist es rechtlich unbeachtlich, wenn derjenige, der durch eine entsprechende Trunkenheitsfahrt mit dem Fahrrad auffällig geworden ist, nie eine Fahrerlaubnis besessen hat und auch in Zukunft keine erwerben will. Eine sachliche Differenzierung danach, ob der Radfahrer eine Fahrerlaubnis besitzt oder nicht, erscheint im Hinblick auf das vom alkoholisierten Radfahrer ausgehende Gefahrenpotential nicht gerechtfertigt (BayVGH, B. v. 11.5.2010 a.a.O.; U. v. 1.10.2012 a.a.O.). Entgegen der Ansicht der Klägerin könnte gerade hierin ansonsten ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG liegen.

Es liegt auf der Hand, dass Verkehrsunfälle, die ungeeignete Fahrer fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge verursachen, ebenfalls mit schwerwiegenden Folgen für Gesundheit, Leben und Eigentum anderer Verkehrsteilnehmer verbunden sein können (BayVGH, B. v. 11.5.2010 – a.a.O.; B. v. 22.10.2009 – a.a.O.; OVG Nds, B. v. 1.4.2008 – 12 ME 35/08). Wie das Bundesverwaltungsgericht in seiner Entscheidung vom 21. Mai 2008 (3 C 32/07BVerwGE 131, 163, vgl. auch U. v. 27.9.1995 – 11 C 34/94BVerwGE 99, 249) ausgeführt hat, bedeutet die Teilnahme am Straßenverkehr unter erheblicher Alkoholisierung mit jedem Fahrzeug eine Gefahr für die Sicherheit des Straßenverkehrs. Diese Einschätzung liegt auch § 316 StGB zugrunde, der nicht nur die Trunkenheitsfahrt mit einem Kraftfahrzeug unter Strafe stellt. Radfahrer sind mit einer Blutalkoholkonzentration von 1,6 Promille absolut fahruntüchtig (vgl. Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 41. Aufl. 2010, § 316 StGB Rn. 18). Der Forderung des § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c FeV, ab einer Trunkenheitsfahrt mit einer Blutalkoholkonzentration von 1,6 Promille ein medizinisch-psychologisches Gutachten beizubringen, liegt die Annahme des Verordnungsgebers zugrunde, dass nach den wissenschaftlichen Erkenntnissen Fahrer mit einer Blutalkoholkonzentration ab 1,6 Promille über deutlich normabweichende Trinkgewohnheiten und eine ungewöhnliche Giftfestigkeit verfügen (BayVGH, U. v. 1.10.2012 – 11 BV 12.771). Diese Personen werden doppelt so häufig rückfällig wie Personen mit geringeren Blutalkoholkonzentrationen. Nicht an Alkohol gewöhnte Personen sind mit einer Blutalkoholkonzentration von 1,6 Promille nicht in der Lage, ihr Fahrzeug aufzufinden, es in Gang zu setzen und es über eine gewisse Strecke zu bewegen. Dies gilt auch bzw. sogar besonders bei einem Fahrrad, dessen Gebrauch ein gesteigertes Maß an Balance erfordert und damit besondere Anforderungen an den Gleichgewichtssinn stellt (vgl. HessVGH vom 6.10.2010 – 2 B 1076/10 Blutalkohol 2010, 436).

Es ist deshalb gerechtfertigt, von solchen Personen die Vorlage eines medizinisch-psychologischen Gutachtens zu fordern.

5. Die Klägerin ist bereits am 11. Juni 2013 ebenfalls mit fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr, damals mit einer Blutalkoholkonzentration von 1,86 Promille, auffällig geworden. Selbst bei erstmaligem Verstoß aber ist bei einem Fahrradfahrer, der sich mit hoher Blutalkoholkonzentration am Straßenverkehr beteiligt und damit eine Verkehrsstraftat nach § 316 StGB begeht, in der Regel bei vernünftiger, lebensnaher Einschätzung die ernsthafte Besorgnis begründet, er werde in alkoholisiertem Zustand nicht stets die nötige Selbstkontrolle aufbringen, vom Führen eines Fahrzeuges abzusehen (vgl. BVerwG 21. Mai 2008 – 3 C 32/07BVerwGE 131, 163, U. v. 27.9.1995 – 11 C 34/94BVerwGE 99, 249 für den Kraftfahrzeugführer; BayVGH, U. v. 1.10.2012 – 11 BV 12.771). Die Frage, ob ein Wiederholungsrisiko besteht, auch im Hinblick auf die Persönlichkeitsmerkmale der Klägerin, ist gerade erst mit der angeordneten Begutachtung zu klären. Es ist Sache des Betroffenen, im Rahmen der medizinischen und der psychologischen Untersuchung zur Überzeugung zunächst des Sachverständigen und daraufhin der Entscheidungsträger bei den Behörden und den Gerichten darzutun, warum er trotz des anlassgebenden Sachverhalts zum Führen von fahrerlaubnisfreien Fahrzeugen geeignet ist. Weiter ist es zunächst Aufgabe der Begutachtungsstelle, zu beurteilen, ob ein fahrerlaubnisfreies Fahrzeug unter bestimmten Beschränkungen bzw. Auflagen geführt werden kann…..“

Keine MPU bei erstmaliger Trunkenheitsfahrt unter 1,6 Promille BAK, oder: Gilt auch in Bayern

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Schon einige Zeit hängt in meinem Ordner „Kessel Buntes“ das BVerwG, Urt. v. 06.04.2017 – 3 C 24.15 und das BVerwG, Urt. v. 06.04.2017 – 3 C 13.16. Das lag aber nicht daran, dass ich das Urteil übersehen hatte, sondern an dem Umstand, dass das BVerwG sehr lange gebraucht hat, bis der Volltext zu den Entscheidungen (endlich) da war. Das ist nun der Fall, so dass ich über die Entscheidungen, die ja auch schon andere Blogs beschäftigt haben, hier berichten kann.

Es geht um die Wiedererteilung der Fahrerlaubnis nach Trunkenheitsfahrten. Gegen die beiden Kläger waren nach Trunkenheitsfahrten mit einem Kfz durch Urteil bzw. Strafbefehl Geldstrafen wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr (§ 316 StGB) verhängt worden. Zudem wurden die Fahrerlaubnisse entzogen (§ 69 ff. StGB). Die BAK im jeweiligen Tatzeitpunkt hatten bei 1,13 Promille bzw. 1,28 Promille gelegen. Die Kläger stellten zum Ablauf der Sperrfrist jeweils Anträge auf Wiedererteilung bei den zuständigen Verwaltungsbehörden. Diese stellten sich auf den Standpunkt, nach einer Entziehung der Fahrerlaubnis durch ein Strafgericht (§ 69 StGB) sei in jedem Fall, unabhängig von der erreichten BAK, eine MPU der Fahreignung durchzuführen. Beide Kläger haben sich geweigert, Gutachten vorzulegen und erhoben Verpflichtungs- bzw. Untätigkeitsklage.

Die Klagen blieben erfolglos (vgl. u.a. zu einem Verfahren „Die spinnen die Bayern“ (?), oder: MPU/“Idiotentest“ jetzt ggf. auch schon bei 0,3 Promille?). Begründung: Die Fahrerlaubnisbehörde sei nach § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. d FeV zur Anforderung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens verpflichtet gewesen. Das Strafgericht habe die Fahrerlaubnis wegen (fahrerlaubnisrechtlichen) Alkoholmissbrauchs und damit aus einem der in § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a bis c FeV genannten Gründe entzogen. Nach einer strafgerichtlichen Entziehung der Fahrerlaubnis, die auf der Teilnahme am Straßenverkehr unter Alkoholeinfluss (hier: § 316 StGB) beruhe, sei im Wiedererteilungsverfahren unabhängig von der BAK die Anforderung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens ohne Ermessensspielraum erforderlich.

Das sieht das BVerwG anders:

„Das Berufungsgericht ist der Auffassung, nach einer strafgerichtlichen Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 69 StGB), die auf einer Teilnahme am Straßenverkehr unter Alkoholeinfluss beruht, sei im Wiedererteilungsverfahren unabhängig von der Blutalkoholkonzentration die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens anzuordnen (im Anschluss an die Rechtsprechung des VGH Mannheim, Urteile vom 18. Juni 2012 – 10 S 452/10 – VBIBW 2013, 19 und vom 7. Juli 2015 – 10 S 116/15ZfS 2015, 539 sowie Beschluss vom 15. Januar 2014 – 10 S 1748/13 – VBIBW 2014, 348; diesem folgend auch OVG Greifswald, Beschluss vom 22. Mai 2013 – 1 M 123/12VRS 127, 269 = juris Rn. 14 ff.; zustimmend Rebler, in: Müller/Rebler, Die Klärung von Eignungszweifeln im Fahrerlaubnisrecht, 2. Aufl. 2017, S. 159; offen lassend OVG Münster, Beschluss vom 21. Januar 2015 – 16 B 1374/14DAR 2015, 606 = juris Rn. 10 sowie OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 17. Juli 2015 – OVG 1 S 123.14 – VerkMitt 2015 Nr. 55 = juris Rn. 4; ablehnend VG Würzburg, Beschluss vom 21. Juli 2014 – W 6 E 14.606DAR 2014, 541; VG Regensburg, Beschluss vom 12. November 2014 – RO 8 K 14.1624DAR 2015, 40; VG München, Urteil vom 9. Dezember 2014 – M 1 K 14.2841DAR 2015, 154; Dauer, in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 44. Aufl. 2017, § 13 FeV Rn. 26b; Koehl, DAR 2016, 47; Mahlberg, DAR 2014, 419 und 603; Zwerger, DAR 2015, 157; kritisch auch Dronkovic/Kalus, DAR 2016, 191). Diese Auffassung ist mit § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. d i.V.m. Buchst. a bis c FeV nicht vereinbar. Lag die Blutalkoholkonzentration unter 1,6 Promille, so bedarf es bei einer einmalig gebliebenen Zuwiderhandlung im Straßenverkehr unter Alkoholeinfluss zusätzlicher Tatsachen, die die Annahme von Alkoholmissbrauch begründen. Die Entziehung der Fahrerlaubnis durch das Strafgericht genügt für sich gesehen nicht……….“

Lediglich dann, wenn sich konkrete Tatsachen ergeben sollten, die Grund für die Befürchtung seien, es könnten in Zukunft weitere Trunkenheitsfahrten begangen werden, könne – so das BVerwG – eine MPU-Anordnung begründet sein. Diese Tatsachen seien jedoch nicht allein in der strafgerichtlichen Entziehung zu sehen, denn diese erfolge in den Fallgruppen des § 69 Abs. 2 StGB aufgrund einer Vermutungsregel.

Damit gilt (wieder) – auch in Bayern 🙂 :Wenn ein Strafgericht die Fahrerlaubnis unter Anwendung des § 316 StGB entzieht, der BAK-Wert jedoch unter 1,6 Promille liegt, kann im Regelfall keine MPU im Neuerteilungsverfahren verlangt werden. Dies gilt jedenfalls bei Ersttätern und bei Fehlen weiterer konkreter Tatsachen für künftigen, verkehrsrechtlich relevanten Alkoholmissbrauch. Eine Abweichung kann sich allerdings im Einzelfall ergeben. Dafür müssen aber konkrete Tatsachen vorliegen.

„Du behältst die „Fleppe“ nur mit einer MPU…..“, oder: Widerlegung der Regelvermutung

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So ganz häufig sind ja Entscheidungen der OLG zur Entziehung der Fahrerlaubnis nach den §§ 69, 69a StGB nicht. Daher berichte ich dann gern über die Entscheidungen, die „am Markt“ sind/veröffentlicht werden. Und das ist hier der OLG Hamm, Beschl. v. 10.11.2015 – 5 RVs 125/15. Das AG hatte den Angeklagten u.a. wegen fahrlässiger Straßenverkehrsgefährdung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 6 Monaten verurteilt, ihm die Fahrerlaubnis entzogen, seinen Führerschein eingezogen und angeordnet, dass dem Angeklagten vor Ablauf von noch 18 Monaten keine neue Fahrerlaubnis erteilt werden darf. Auf die Berufung hatte das LG dann nur noch eine Geldstrafe verhängt und hat von einer Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 69 StGB)  sowie einer Sperre für die Erteilung einer Fahrerlaubnis (§ 69 a StGB) abgesehen.

Zur Widerlegung der Regelvermutung des § 69 Abs. 2 Nr. 2 StGB hatte es sich auf die Bekundungen einer Therapeutin des Angeklagten gestützt, die als Heilpraktikerin für Psychotherapie tätig ist und bei der sich der Angeklagte in Behandlung befunden hat. Für den Zeitpunkt der Tatbegehung hat das LG eine BAK in Höhe von mindestens 2,14 Promille bei dem Angeklagten angenommen. Die Revision der Staatsanwaltschaft hatte Erfolg. Dem OLG passt das Absehen von der Entziehung der Fahrerlaubnis nun gar nicht:

„Allerdings sind an eine Widerlegung der Regelvermutung nochmals gesteigerte Anforderungen zu stellen, sofern es sich um einen Wiederholungstäter handelt, gegen den bereits früher Maßregeln nach §§ 69, 69 a StGB verhängt worden sind. So ist es hier. Der Angeklagte war bereits durch Urteil des Amtsgerichts Bottrop vom 25. März 2014 – also gerade einmal 4 ½ Monate vor den im vorliegenden Verfahren abgeurteilten Straftaten – wegen fahrlässiger Gefährdung des Straßenverkehrs (durch Trunkenheit) zu einer Geldstrafe verurteilt worden. Außerdem hatte das Amtsgericht Bottrop die Fahrerlaubnis des Angeklagten entzogen, seinen Führerschein eingezogen und die Verwaltungsbehörde angewiesen, dem Angeklagten vor Ablauf von noch 3 Monaten keine neue Fahrerlaubnis zu erteilen. Die Fahrerlaubnis war dem Angeklagten hiernach am 25. Juni 2014 wieder erteilt worden. Angesichts der einschlägigen Vorbelastung des Angeklagten und der Tatsache, dass er die hier abgeurteilten Straftaten nur 6 Wochen nach Neuerteilung der Fahrerlaubnis begangen hat, sind die Anforderungen an eine Widerlegung der Regelvermutung denkbar hoch. In einem solchen Fall kann der gesetzlich vermutete Eignungsmangel nur ganz ausnahmsweise und sicherlich nicht allein durch die Bekundungen einer Therapeutin (Heilpraktikerin), die der Angeklagte privat zum Zwecke einer psychotherapeutischen Behandlung aufsucht, ausgeräumt werden. Vielmehr bedarf es der Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens (Gutachten einer amtlich anerkannten Begutachtungsstelle für Fahreignung, § 11 Abs. 3 Satz 1 FeV; vgl. Fischer, a.a.O., § 69 Rdnr. 36), das sich eingehend und nach Maßgabe anerkannter Begutachtungsrichtlinien zur Eignung des Angeklagten, Kraftfahrzeuge im Straßenverkehr zu führen, verhält (s. auch OLG Köln, Beschluss vom 01. März 2013 – 1 RVs 36/13 –; LG Oldenburg, ZfSch 2002, 354, 355).

Die Notwendigkeit, ein solches medizinisch-psychologisches Gutachten einzuholen, ergibt sich für den vorliegenden Fall auch unter Berücksichtigung der Wertungen, die in den Regelungen des § 13 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 b) und c) FeV zum Ausdruck gebracht worden sind. Dort ist für das Verwaltungsverfahren ausdrücklich bestimmt, dass zur Vorbereitung von Entscheidungen über die Erteilung der Fahrerlaubnis oder über die Anordnung von Beschränkungen ein medizinisch-psychologisches Gutachten beizubringen ist, wenn – wie im Fall des Angeklagten – wiederholt Zuwiderhandlungen im Straßenverkehr unter Alkoholeinfluss begangen wurden oder ein Fahrzeug im Straßenverkehr bei einer BAK von 1,6 Promille oder mehr geführt wurde. Die Generalstaatsanwaltschaft hat hierzu zutreffend ausgeführt, dass die vorgenannte Vorschrift auch dem Strafrichter eine Leitlinie bietet, in welchen Fällen er bei beabsichtigter Abweichung von der Regelvermutung des § 69 Abs. 2 StGB gehalten ist, ein entsprechendes Gutachten einzuholen oder von dem Angeklagten beibringen zu lassen (so auch OLG Naumburg, ZfSch 2000, 554, 556).“

M.E. wird man angesichts der Gesamtumstände – schneller Rückfall, hohe BAK – gegen die Entscheidung des OLG nichts einwenden können. Das LG hatte wohl wirklich ein wenig vorschnell die Regelvermutung als widerlegt angesehen. Für den Verteidiger ist aus der Entscheidung abzuleiten, dass es sich nicht nur im Hinblick auf die spätere Neuerteilung der Fahrerlaubnis im Verwaltungsverfahren, sondern auch schon im Hinblick auf die Entziehung der Fahrerlaubnis im Strafverfahren „lohnen“ kann, den Mandanten frühzeitig vorzubereiten und die Einholung entsprechender Gutachten zu veranlassen.