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BVerfG II: Karlsruhe locuta, causa „Encro“ finita? oder: BVerfG segnet BGH-Rechtsprechung zu EncroChat ab

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Und dann als zweite Entscheidung vom BVerfG der BVerfG, Beschl. v. 01.11.2024 – 2 BvR 684/22 – mit dem das BVerfG zur EncroChat-Rechtsprechung des BGH Stellung nimmt und die abgesegnet hat.

Es ging um den BGH, Beschl. v. 02.03.2022 – 5 StR 457/21 – über den ich auch berichtet hatte (vgl. Außer der Reihe: Volltext zum 5. Ss des BGH zu Encro, oder: Daten sind verwertbar – mich wundert das nicht). Dagegen ist Verfassungsbeschwerde eingelegt worden, die das BVerfG nun zurückgewiesen hat.

Das BVerfG hat die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen. Es sieht weder eine Verletzung des rechtlichen Gehörs noch eine Verletzung des Rechts auf den gesetzlichen Richter; insoweit bitte selbst lesen. Im Übrigen führt es aus:

„3. Unabhängig davon weist die Kammer darauf hin, dass auf der Grundlage der vom Bundesgerichtshof festgestellten, im vorliegenden Verfassungsbeschwerdeverfahren wie dargelegt maßgeblichen Verfahrenstatsachen eine Verletzung von Grundrechten des Beschwerdeführers nicht ersichtlich ist. Insoweit sei insbesondere angemerkt:

a) Unmittelbare Prüfungsgegenstände der Verfassungsbeschwerde sind das Urteil des Landgerichts Hamburg und der Beschluss des Bundesgerichtshofs. Die Verfassungsbeschwerde wendet sich gegen die Verwertung der aus Frankreich zur Verfügung gestellten EncroChat-Daten, soweit sie den Beschwerdeführer betreffen. Die Frage der Verwertung von im Wege der Rechtshilfe erlangten Beweismitteln ist nach nationalem Recht zu beurteilen (vgl. EuGH, Urteil vom 6. Oktober 2020, La Quadrature du Net u.a., C-511/18, C-512/18, C-520/18, EU:C:2020:791, Rn. 222; Urteil vom 30. April 2024, M.N. <EncroChat>, C-670/22, EU:C:2024:372, Rn. 128). Das gilt auch für Erkenntnisse, die mittels einer EEA gewonnen wurden (vgl. EuGH, Urteil vom 30. April 2024, M.N. <EncroChat>, C-670/22, EU:C:2024:372, Rn. 128). Maßstab für die Prüfung sind damit in erster Linie die Grundrechte des Grundgesetzes. Denn die Anwendung innerstaatlichen Rechts, das unionsrechtlich nicht vollständig determiniert ist, prüft das Bundesverfassungsgericht primär am Maßstab dieser Vorschriften (vgl. BVerfGE 152, 152 <169 Rn. 42 f.> – Recht auf Vergessen I).

b) Eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Beschwerdeführers aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG scheidet aus.

aa) (1) Die Verwertung personenbezogener Informationen in einer gerichtlichen Entscheidung greift in das allgemeine Persönlichkeitsrecht ein (vgl. BVerfGE 34, 238 <245>; 80, 367 <376, 379 f.>; 106, 28 <39, 44>; 130, 1 <35>; BVerfGK 14, 20 <23>). Das durch Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG gewährleistete allgemeine Persönlichkeitsrecht umfasst als besondere Ausprägungen unter anderem das Recht am eigenen Wort, das Recht am eigenen Bild und das Recht auf informationelle Selbstbestimmung (vgl. BVerfGE 35, 202 <220>; 54, 148 <153 f.>; 106, 28 <39>; 118, 168 <183 ff.>; 130, 1 <35>). Abhängig von der Art der in der strafgerichtlichen Entscheidung verwerteten Informationen kann ein Eingriff in das Recht am eigenen Bild (vgl. § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO) oder in das Recht am eigenen Wort (durch die Wiedergabe einer Äußerung) vorliegen (vgl. BVerfGE 106, 28 <44>; 130, 1 <35>). Ist keine speziellere Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts betroffen, greift die Verwertung von personenbezogenen Informationen jedenfalls in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ein. Dieses Recht gewährleistet die Befugnis, grundsätzlich selbst über die Preisgabe und Verwendung persönlicher Daten zu entscheiden (vgl. BVerfGE 65, 1 <41 f.>; 78, 77 <84>; 80, 367 <373>; 113, 29 <45 f.>; 115, 166 <187 f.>; 115, 320 <341>).

Das allgemeine Persönlichkeitsrecht ist nach Art. 2 Abs. 1 GG allerdings nicht vorbehaltlos gewährleistet. Beschränkungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts sind zum Schutz überwiegender Allgemeininteressen zulässig, wenn sie durch oder auf Grundlage eines Gesetzes, das Voraussetzungen und Umfang der Beschränkung hinreichend klar umschreibt und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit genügt, erfolgen (vgl. BVerfGE 65, 1 <44, 54>; 67, 100 <143>; 78, 77 <85>; 84, 239 <279 f.>; 92, 191 <197>; 115, 320 <344 f.>; 130, 1 <36>). Soweit Informationen aus dem Kernbereich privater Lebensgestaltung verwertet werden, ist eine Rechtfertigung des Eingriffs jedoch ausgeschlossen. Daten aus dem Kernbereich privater Lebensgestaltung unterliegen einem aus Art. 1 Abs. 1 GG folgenden absoluten Beweisverwertungsverbot im Strafprozess (vgl. BVerfGE 109, 279 <324, 331 f.>; 120, 274 <337>).

(2) Verfassungsgemäße Rechtsgrundlage für die Beweisverwertung im Strafprozess ist § 261 StPO (vgl. BVerfGE 130, 1 <29 ff.>; so zuvor bereits ohne nähere Begründung BVerfG, 2. Kammer des Zweiten Senats BVerfGK 17, 311 <314>). Für die Verwertung von Beweisen, die aus dem Ausland in ein deutsches Strafverfahren eingeführt wurden, gelten insoweit grundsätzlich keine Besonderheiten. Rechtmäßig erhobene oder in das Strafverfahren unter Wahrung der verfassungsrechtlichen Anforderungen eingeführte Informationen dürfen auf Grundlage des § 261 StPO grundsätzlich verwertet werden (vgl. BVerfGE 130, 1 <36 ff.>). Wurden Informationen rechtswidrig erlangt, besteht von Verfassungs wegen kein Rechtssatz, wonach die Verwertung der gewonnenen Informationen stets unzulässig wäre (vgl. BVerfGK 9, 174 <196>; 18, 193 <202 f.> m.w.N. zur ständigen Kammerrechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts).

Welche Folgen ein Rechtsverstoß bei der Informationserhebung oder bei der Einführung von Informationen in ein Strafverfahren hat und ob aus dem Verstoß ein Beweisverwertungsverbot folgt, obliegt in erster Linie der Beurteilung durch die zuständigen Fachgerichte (vgl. BVerfGE 130, 1 <31>; BVerfGK 4, 283 <285>; 9, 174 <196>; 14, 107 <111>; 18, 193 <203>). Die strafgerichtliche Praxis geht in gefestigter Rechtsprechung davon aus, dass dem Strafverfahrensrecht ein allgemein geltender Grundsatz, demzufolge jeder Verstoß gegen Beweiserhebungsvorschriften ein strafprozessuales Verwertungsverbot nach sich zieht, fremd ist und dass die Frage nach dem Vorliegen eines Verwertungsverbots jeweils nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere nach der Art der verletzten Vorschrift und dem Gewicht des Verstoßes unter Abwägung der widerstreitenden Interessen zu entscheiden ist (vgl. BVerfGK 14, 107 <111>; BGHSt 38, 214 <219 f.>; 44, 243 <249>; 51, 285 <289 f. Rn. 20>; vgl. auch Greven, in: Karlsruher Kommentar zur StPO, 9. Aufl. 2023, vor § 94 Rn. 10 ff.). Die Annahme eines Beweisverwertungsverbots stellt dabei eine Ausnahme dar, die nur nach ausdrücklicher gesetzlicher Vorschrift oder aus übergeordneten wichtigen Gründen im Einzelfall anzuerkennen ist (vgl. BGHSt 40, 211 <217>; 44, 243 <249>; 51, 285 <290 Rn. 20>).

Hiergegen ist aus verfassungsrechtlicher Sicht nichts zu erinnern (vgl. BVerfGK 9, 174 <196>; 16, 22 <27>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 1. März 2000 – 2 BvR 2017/94, 2 BvR 2039/94 -, Rn. 10 f.; Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 30. Juni 2005 – 2 BvR 1502/04 -, Rn. 8). Auch wenn die Strafprozessordnung nicht auf Wahrheitserforschung „um jeden Preis“ gerichtet ist, schränkt die Annahme eines Verwertungsverbots eines der wesentlichen Prinzipien des Strafverfahrensrechts ein, nämlich den Grundsatz, dass das Gericht die Wahrheit zu erforschen hat und dazu die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken hat, die von Bedeutung sind (vgl. BVerfGK 18, 193 <203>). Der Rechtsstaat kann sich nur verwirklichen, wenn ausreichende Vorkehrungen dafür getroffen sind, dass Straftäter im Rahmen der geltenden Gesetze verfolgt, abgeurteilt und einer gerechten Bestrafung zugeführt werden (vgl. BVerfGE 33, 367 <383>; 46, 214 <222>; 122, 248 <272 f.>; stRspr). Ein Beweisverwertungsverbot ist von Verfassungs wegen aber zumindest bei schwerwiegenden, bewussten oder willkürlichen Verfahrensverstößen, bei denen die grundrechtlichen Sicherungen planmäßig oder systematisch außer Acht gelassen worden sind, geboten (vgl. BVerfGE 113, 29 <61>; BVerfGK 18, 444 <449>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 15. Juli 1998 – 2 BvR 446/98 -, Rn. 14; Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 16. März 2006 – 2 BvR 954/02 -, Rn. 26 f.). Ein absolutes Beweisverwertungsverbot unmittelbar aus den Grundrechten hat das Bundesverfassungsgericht nur in den Fällen anerkannt, in denen der absolute Kernbereich privater Lebensgestaltung berührt ist (vgl. BVerfGE 34, 238 <245 f.>; 80, 367 <374 f.>; 109, 279 <324>).

bb) Die Würdigung des Bundesgerichtshofs im angegriffenen Beschluss, wonach die EncroChat-Daten keinem aus einem Verfahrensfehler abgeleiteten Beweisverwertungsverbot unterliegen, ist nach diesen Maßstäben verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Informationen aus dem Kernbereich privater Lebensgestaltung wurden im Urteil des Landgerichts nicht verwertet. Dass der Bundesgerichtshof die Verwertung der Informationen, deren Erhebung im Ausland den wesentlichen rechtsstaatlichen Grundsätzen im Sinne des deutschen und europäischen ordre public (vgl. Gleß/Wahl/Zimmermann, in: Schomburg/Lagodny, Internationale Rechtshilfe in Strafsachen, 6. Aufl. 2020, § 73 IRG Rn. 1 ff. mit umfassenden weiteren Nachweisen) nicht widerspricht, vor dem Hintergrund der von ihm vorgenommenen Abwägung der widerstreitenden Interessen davon abhängig macht, ob die Voraussetzungen der – nicht unmittelbar anwendbaren – § 100e Abs. 6, § 100b Abs. 2 Nr. 5 Buchstabe b StPO vorliegen, und dabei auf eine Betrachtung zum Verwertungszeitpunkt abstellt, begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken; der Bundesgerichtshof unterschreitet damit das verfassungsrechtlich unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit Gebotene jedenfalls nicht. Auch gegen die Annahme des Bundesgerichtshofs, die durch französische Behörden durchgeführte Beweiserhebung habe auch nicht gegen wesentliche rechtsstaatliche Grundsätze im Sinne des nationalen und europäischen ordre public verstoßen, ist auf der Grundlage des von ihm festgestellten Sachverhalts von Verfassungs wegen nichts zu erinnern.“

Ich denke, damit dürfte die Diskussion um EncroChat und vergleichbare Messengerdienste allmählich zum Ende kommen. Besser wäre wahrscheinlich die Formulierung: „…. sollte….“.

KCanG I: Erneut „alte“ Überwachungserkenntnisse, oder: Einige OLG für, einige gegen Verwertbarkeit

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Und dann heute nach längerer Zeit mal wieder einige Entscheidungen zum KCanG.

Ich beginne mit einer Zusammenstellung der mir vorliegenden Rechtsprechung der OLG zu den Auswirkungen des KCanG auf die Verwertbarkeit „alter“ EncroChat-ANOM_Überwachungsdaten. Dazu habe ich hier vier Entscheidungen, und zwar:

Für eine Verwertbarkeit von vor Inkrafttreten des KCanG gewonnenen Überwachungsdaten haben sich ausgesprochen:

Vergehen nach § 34 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 KCanG rechtfertigen als „schwere Straftaten“ weiterhin die Anordnung einer Telekommunikationsüberwachung nach § 100a StPO (§ 100a Abs. 2 Nr. 7a StPO). Sie gehören indes nicht zu den Delikten, die als „besonders schwere Straftaten“ nach § 100b Abs. 2 StPO die Anordnung einer Online-Durchsuchung erlauben würden. Das hat aber keinen Einfluss auf die Verwertbarkeit von vor dem Inkrafttreten des KCanG durch eine EncroChat-Maßnahme gewonnene Daten.

Zur – bejahten _ Verwertbarkeit von EncroChat- und SkyECC-Daten nach Einführung des KCanG.

Gegen eine Verwertbarkeit von vor Inkrafttreten des KCanG gewonnenen Überwachungsdaten haben sich ausgesprochen:

1. Erkenntnisse aus der Auswertung des über den Kryptomessenger-Dienst ANOM geführten Chatverkehrs sind unter Berücksichtigung des Grundgedankens der Verwendungsschranke des § 100e Abs. 6 StPO verwertbar. Eine Beweisverwertung derart erlangter Daten ist demnach stets unzulässig, sofern diese den Kernbereich privater Lebensführung i. S. v. § 100d Abs. 2 S. 1 StPO betreffen. Darüber hinaus dürfen die Erkenntnisse in einem Strafverfahren ohne Einwilligung der überwachten Person nur zur Aufklärung des Verdachts einer Katalogtat i. S. v. § 100b Abs. 2 StPO oder zur Ermittlung des Aufenthalts der einer solchen Straftat beschuldigten Person verwendet werden. Ferner sind die einschränkenden Voraussetzungen des § 100b Abs. 1 Nr. 2 und 3 StPO zu beachten, wonach die Straftat auch im Einzelfall besonders schwer wiegen und die Erforschung des Sachverhalts oder die Ermittlung des Aufenthaltsorts auf andere Weise wesentlich erschwert oder aussichtslos sein muss.

2. Für die Prüfung, ob die Voraussetzungen einer Katalogtat i. S. v. § 100b StPO erfüllt sind, ist auf den Zeitpunkt der Verwendung der Beweisergebnisse abzustellen. Vor dem 01.04.2024 im Zuge der Überwachung der „ANOM“-Chats erlangte Erkenntnisse sind demnach nur verwertbar, wenn die betreffenden Delikte auch im Verwertungszeitpunkt noch den Anforderungen des § 100e Abs. 6 StPO genügen, wenn sie also auch nach Inkrafttreten des KCanG zum 01.04.2024 noch als Katalogtaten i. S. v. § 100b Abs. 2 StPO einzustufen sind.

Der Senat hält auch in Anbetracht der zwischenzeitlich zur Frage der Verwertbarkeit der bei dem Krypto-Dienstanbieter EncroChat in Frankreich gesicherten und den deutschen Strafverfolgungsbehörden übermittelten Daten ergangenen, in der Sache divergierenden obergerichtlichen Rechtsprechung daran fest, dass diese Daten nur in denjenigen Fällen verwertbar sind, in denen sich der Tatvorwurf auf eine Katalogtat im Sinne des § 100b Abs. 2 StPO bezieht. Hiervon nicht umfasst sind Straftaten gemäß § 34 Abs. 3 Satz 2 KCanG, also Fälle wie– das gewerbsmäßige Handeltreiben mit Cannabis in nicht geringer Menge gemäß § 34 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 und Nr. 4 KCanG und die Abgabe von Cannabis in nicht geringer Menge gemäß § 34 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 KCanG.

Edit: Die Entscheidung des OLG Hamm muss man genau lesen. Das hatte ich erst nicht, habe ich dann aber auf netten Hinweis noch einmal getan und dann den Beitrag und die Überschrift etwas abgeändert

Entziehung der FE II: Vortrag aus dem Strafverfahren, oder: Achtung – BGH-Rechtsprechung gilt nicht

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Und dann habe ich hier das VG Karlsruhe, Urt. v. 18.01.2024 – 4 K 4372/22. Auch in dem Verfahren geht es um die Entziehung der Fahrerlaubnis, und zwar im Einzelnen um die Frage der Verwendung des  Vortrag des Verteidigers aus dem Strafverfahren.

Folgender Sachverhalt: Mit Schreiben vom 20. 07.2022 informierte das Polizeipräsidium K. das Landratsamt K. darüber, dass bei einer Mobilfunkauswertung auf dem Mobiltelefon des Klägers diverse Chatverläufe festgestellt worden seien, aus welchen hervorgehe, dass der Kläger im Zeitraum vom 27.03.2021 bis 01.12. 2021 insgesamt ca. 10,5 Gramm Kokain zum Preis von ca. 840 Euro erworben und offensichtlich auch selbst konsumiert habe. Aufgrund der Menge sei davon auszugehen, dass der Kläger einen unerlaubten Handel mit Betäubungsmitteln betreibe. Im Rahmen der am 07.07.2022 durchgeführten Durchsuchung in der Wohnung des Klägers seien jedoch keine neuen Ermittlungsansätze gewonnen und der Tatverdacht des Handeltreibens sei nicht untermauert worden. Das Verfahren werde an die Staatsanwaltschaft Karlsruhe abgegeben.

Mit Schreiben vom 11.08.2022 gab der Prozessbevollmächtigte des Klägers gegenüber der Staatsanwaltschaft Karlsruhe folgende Verteidigererklärung ab:

„Wie aus der Chatkorrespondenz erkennbar ist, handelt es sich vorliegend um die Versorgung und den Konsum jeweils zum Eigenbedarf. Aufgrund der im Chat genannten Preise und der Umstände des Erwerbs ist davon auszugehen, dass es sich hier um gestreckte Betäubungsmittel von eher minderer Qualität bzw. geringem Wirkstoffgehalt handelte. Mein Mandant gibt hierzu an, dass er seinerzeit bei pp. gearbeitet hatte. Das Arbeitsverhältnis verlief völlig unbefriedigend. Der vom Arbeitgeber ausgeübte Druck war für meinen Mandanten deutlich zu hoch. Das Arbeitsverhältnis wurde deshalb zum 31.12.2021 mit Aufhebungsvertrag beendet. Auch wenn mein Mandant dann bis zum 30.06.2022, mit Ausnahme einer 1½-monatigen Übergangsstelle, arbeitssuchend war, hat sich die Lebenssituation deutlich verbessert. Noch vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses bei pp. hat er den Konsum vollständig eingestellt. Bei der Durchsuchung wurden keine auf einen Konsum hindeutenden Gegenstände gefunden. Herr pp. befindet sich in einer gefestigten Lebenslage. Er ist verheiratet und seit 01.07.2022 in einem festen Arbeitsverhältnis im kaufmännischen Versand. Er erzielt ein Nettoeinkommen von durchschnittlich € 2.100. Schulden gibt es keine. Wegen der weiteren Vorgehensweise hält die Verteidigung ein Rechtsgespräch für sinnvoll. Eine fernmündliche Kontaktaufnahme durch den Unterzeichner wird angekündigt.“

Das Landratsamt hat dann im September 2022 dem Kläger, nachdem der wegen unerlaubten Erwerbs von BtM verurteilt worden war, die Fahrerlaubnis für alle ihm erteilten Klassen entzogen. Dagegen Widerspruch und  Klage. Die blieb ohne Erfolg:

„….

(2) Gemessen an diesen Maßstäben hat der Beklagte die Nichteignung des Klägers zum Führen eines Kraftfahrzeugs zu Recht angenommen. Der Konsum einer „harten Droge“ durch den Kläger steht angesichts der im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren gesammelten Chatprotokolle, der dort abgegebenen Verteidigererklärung des Prozessbevollmächtigten des Klägers und des daraufhin ergangenen Strafbefehls sowie unter Berücksichtigung seiner eigenen Angaben im Rahmen der behördlichen Anhörung zur Überzeugung des Gerichts fest (§ 108 Abs. 1 VwGO).

So ergibt sich aus den im Rahmen des polizeilichen Ermittlungsverfahrens gesammelten Chatprotokollen und deren Auswertung durch die Polizei sowie dem rechtskräftigen Strafbefehl des Amtsgerichts Ettlingen vom 8. September 2022 (pp.), dass der Kläger im Zeitraum vom 27. März 2021 bis 1. Dezember 2021 insgesamt ca. 10,5 Gramm Kokain zum Preis von ca. 840 Euro erworben hat. Dies hat der Kläger bis heute nicht substantiiert in Abrede gestellt oder gar eine andere Interpretation dieser Chatverläufe dargelegt. Angesichts des Inhalts der Chatverläufe deutet, entsprechend der Auswertung durch die Polizei, alles darauf hin, dass der Kläger das Kokain – jedenfalls teilweise – auch selbst konsumiert hat. So schrieb er dort unter anderem: „Brauche dringend Zucker“, „ich würde mir gleich ein kleines Dessert holen gehen“, „ich brauch auch garnicht viel – ist wieder Überbrückung“, „sollen wir eins teilen?“, „zwei kleine Nachtische“, „glaub ich muss mir übel geben – Ja hab nur Schiss das du einpennst – Und ich am Ende nix hab“, „brauch erstmal ein Brett“.

Darüber hinaus hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers in seiner Verteidigererklärung vom 11. August 2022 gegenüber der Staatsanwaltschaft auf eben jene Chatverläufe Bezug genommen und angegeben, dass aus der Chatkorrespondenz erkennbar sei, dass es sich vorliegend um die Versorgung und den Konsum jeweils zum Eigenbedarf gehandelt habe. Aufgrund der im Chat genannten Preise und der Umstände des Erwerbs sei davon auszugeben, dass es sich hier um gestreckte Betäubungsmittel von eher minderer Qualität bzw. geringem Wirkstoffgehalt gehandelt habe. Noch vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses bei pp. zum 31. Dezember 2021 habe der Kläger den Konsum vollständig eingestellt. Die Verteidigererklärung bezieht sich eindeutig auf sämtliche erworbenen Betäubungsmittel und damit auch auf das Kokain, dessen Erwerb durch den Kläger rechtskräftig feststeht. Es kommt daher für den Aussagegehalt der Erklärung vom 11. August 2022 entgegen dem Vorbringen des Prozessbevollmächtigten des Klägers in der mündlichen Verhandlung nicht darauf an, dass der Begriff „Kokain“ dort nicht enthalten ist. Vielmehr hat er in seiner Verteidigererklärung auf die genannten Chatverläufe Bezug genommen und den dort dokumentierten Erwerb von Kokain mit Eigenkonsum gerechtfertigt. Damit wurde der Konsum der „harten Droge“ Kokain eingeräumt.

Angesichts des stimmigen Gesamtbildes aus der Verteidigererklärung und der dort in Bezug genommenen Chatverläufe genügt es im vorliegenden Verfahren nicht, einfach später einen eigenen Konsum pauschal zu bestreiten. Insbesondere spricht nichts dafür, dass die Angaben in der Verteidigererklärung unzutreffend sind. Soweit der Kläger darauf hinweist, dass bei der Wohnungsdurchsuchung im Juli 2022 keine Hinweise auf Betäubungsmittel gefunden worden seien, so kann hieraus nichts für den Zeitraum bis Dezember 2021, auf den der Beklagte bezüglich des Konsums alleine abstellt, abgeleitet werden. Auch die Verteidigererklärung räumt lediglich einen Konsum bis Dezember 2021 ein, steht mithin nicht im Widerspruch zu dem Ergebnis der Wohnungsdurchsuchung. Selbst wenn unterstellt würde, dass die in der Verteidigererklärung gemachten Angaben falsch oder zumindest missverständlich gewesen wären, wäre von einem um seine Glaubwürdigkeit im anschließenden Fahrerlaubnisentziehungsverfahren bemühten Betroffenen zu erwarten gewesen, so bald wie möglich die gemachten Angaben zu korrigieren und richtig zu stellen (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 27. Juli 2016 – 10 S 1880/15 – juris, Rn. 27).

Hier war dem Kläger bereits aufgrund des Anhörungsschreibens vom 26. August 2022 bekannt, dass ihm eine auf die Annahme des Beklagten, dass er Kokain konsumiert habe, gestützte Fahrerlaubnisentziehung drohen könnte. In Kenntnis dieses Umstands hat der Kläger in seiner Stellungnahme vom 8. September 2022 aber lediglich angegeben, dass „die Anschuldigungen“ bereits über neun Monate zurücklägen und er für seinen neuen Job auf die Fahrerlaubnis angewiesen sei. Er sei bereit, einen Nachweis über seine Abstinenz zu liefern. Auch diese Einlassungen sprechen deutlich für einen Konsum des Klägers, zumal die zeitlichen Angaben zu den „Anschuldigungen“ mit denen der Verteidigererklärung zu dem Konsum übereinstimmen und das Angebot eines „Abstinenznachweises“ ebenfalls auf einen früheren, zwischenzeitlich beendeten Konsum hindeutet. Jedenfalls aber hat es der Kläger nicht für nötig erachtet, irgend-etwas Substanzielles vorzutragen, was geeignet gewesen wäre, den von der Fahrerlaubnisbehörde angenommenen und konkret beschriebenen Konsum auch nur ansatzweise in Zweifel zu ziehen, geschweige denn die Angaben in der Verteidigererklärung richtig zu stellen. Dieses Zögern lässt nur den Schluss zu, dass es nichts gab, was hier richtiggestellt hätte werden können. Es reicht, um den gegenüber den Strafverfolgungsbehörden – nach den Gesamtumständen – eindeutig eingeräumten eigenen Konsum von Kokain als nicht zutreffend hinzustellen, nicht aus, wenn ein solcher Konsum – wie hier erstmals in der Widerspruchsbegründung vom 27. Oktober 2022 – ohne erkennbaren Grund erst Monate später und dann auch nur weitgehend unsubstantiiert als nicht erwiesen dargestellt wird. Die von dem Kläger in seiner Klagebegründung gemachten Ausführungen sind insgesamt nicht geeignet, den vorherigen Nachweis des Eigenkonsums zu erschüttern. Er hat sich maßgeblich auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gestützt, ohne im konkreten Fall darzulegen, was die Motivation für eine Falschangabe in der Verteidigererklärung gegenüber der Staatsanwaltschaft gewesen sein sollte, wie die Chatverläufe sonst zu interpretieren sein könnten und was er mit dem erworbenen Kokain gemacht haben will, außer dieses selbst zu konsumieren. In der vorliegenden Konstellation hätte es dem Kläger aber oblegen, die in seine eigene Sphäre fallenden Umstände hinreichend detailliert, in sich schlüssig und auch im Übrigen glaubhaft vorzutragen, so dass ein abweichender Geschehensablauf als ernstlich möglich hätte in Betracht gezogen werden können. Denn gerade dann, wenn sich ein Beteiligter – wie hier – nicht klar und eindeutig zu Geschehnissen äußert, die seine eigene Lebenssphäre betreffen und über die er besser als der Verfahrensgegner Bescheid wissen muss, darf ein Gericht im Rahmen der sich aus § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO ergebenden Befugnis zur freien Beweiswürdigung das prozessuale Erklärungsverhalten des Beteiligten berücksichtigen (vgl. zu den Anforderungen an die Darlegung von Lebenssachverhalten aus der eigenen Sphäre: VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 27. Juli 2016 – 10 S 1880/15 – juris, Rn. 28; VG Würzburg, Beschluss vom 28. Februar 2014 – W 6 S 14.103 – juris, Rn. 27 f. m.w.N.). Die Klagebegründung behauptet aber nicht einmal ausdrücklich, dass der Kläger kein Konsument von Kokain war, sondern bezweifelt nur den Nachweis des Konsums.

Die von dem Kläger angeführte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu der Bedeutung von Verteidigererklärungen führt hier zu keiner abweichenden Beurteilung. Demnach handele es sich bei einer schriftlichen Verteidigererklärung grundsätzlich um eine Prozesserklärung des Verteidigers, die dieser aus eigenem Recht und in eigenem Namen abgebe, und nicht um eine Sacheinlassung des Angeklagten. Ihrer Bedeutung nach sei sie einem Parteivorbringen im Zivilprozess vergleichbar. Bei einer Einlassung mittels Verteidigererklärung habe das Gericht daher zu berücksichtigen, dass dieser von vornherein nur ein erheblich verminderter Beweiswert zukomme, da es sich um schriftliches, situativ häufig nicht hinterfragbares Verteidigungsvorbringen handele (vgl. BGH, Urteil vom 11. März 2020 – 2 StR 69/19 – juris).

Diese zum Strafprozessrecht ergangene Rechtsprechung kann jedoch nicht ohne Weiteres auf das Verwaltungsverfahren und den Verwaltungsgerichtsprozess übertragen werden. Da die Fahrerlaubnisbehörde präventiv zum Schutz hochrangiger Rechtsgüter wie Gesundheit, Leben und Eigentum einer Vielzahl anderer Verkehrsteilnehmer handelt, darf sie nach § 24 LVwVfG im Rahmen ihres pflichtgemäßen Ermessens alles, was ihr zur Kenntnis gelangt, heranziehen, um die Allgemeinheit vor Gefahren durch ungeeignete Kraftfahrer zu schützen. Mit dem Anspruch der Allgemeinheit auf vorbeugende Maßnahmen zur Abwehr von Risiken für die Verkehrssicherheit wäre es nicht zu vereinbaren, wenn die Fahrerlaubnisbehörden an der Berücksichtigung strafprozessual gewonnener Erkenntnisse gehindert wären. § 2 Abs. 12 Satz 1 StVG begründet dementsprechend die umfassende Pflicht der Polizei, der Fahrerlaubnisbehörde Informationen über Tatsachen zu übermitteln, die auf nicht nur vorübergehende Mängel hinsichtlich der Eignung oder auf Mängel hinsichtlich der Befähigung einer Person zum Führen von Kraftfahrzeugen schließen lassen, soweit dies für die Überprüfung der Eignung oder Befähigung aus der Sicht der übermittelnden Stelle erforderlich ist. Es ist auch verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn die Gefahrenprognose aufgrund von Feststellungen aus Ermittlungsergebnissen der Polizei und der Staatsanwaltschaft getroffen wird, sofern diese Fakten einer eigenständigen, nachvollziehbaren Bewertung unterworfen werden. Dabei können die gegenüber einer staatlichen Stelle erfolgten eigenen Bekundungen des Betroffenen zu seinem Betäubungsmittelkonsum selbst bei einem etwaigen Verstoß gegen strafprozessuale Bestimmungen grundsätzlich im Rahmen des Fahrerlaubnisentziehungsverfahrens berücksichtigt werden und unterliegen keinem Verwertungsverbot (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 27. Juli 2016 – 10 S 1880/15 – juris, Rn. 25 f., m.w.N.).

Diese zu eigenen Einlassungen des Beschuldigten entwickelte Rechtsprechung lässt sich nach Auffassung der Kammer angesichts ihrer tragenden Begründung, die Fahrerlaubnisbehörde handele präventiv zum Schutz hochrangiger Rechtsgüter wie Gesundheit, Leben und Eigentum einer Vielzahl anderer Verkehrsteilnehmer und habe daher alle verfügbaren Erkenntnisquellen – auch aus dem Strafverfahren – heranzuziehen, auf eine entsprechende Verteidigererklärung, die – wie hier – im Rahmen des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens für den Kläger abgegeben wird, übertragen, weshalb sich dieser grundsätzlich an deren Inhalt festhalten lassen muss und diesen allenfalls durch substantiiertes Vorbringen erschüttern kann. Dies muss jedenfalls dann gelten, wenn die Verteidigererklärung – wie hier – im strafrechtlichen Verfahren durch den dort Beschuldigten unwidersprochen geblieben und auf dieser Grundlage eine rechtskräftige Verurteilung – hier durch den Strafbefehl – erfolgt ist. Denn mit rechtskräftigem Abschluss des Straf(befehls)verfahrens hat der Beschuldigte die durch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eröffnete Möglichkeit, der Verteidigererklärung zu widersprechen, ungenutzt gelassen. Schließlich ist zu berücksichtigen, dass ein strafprozessual beachtliches Verwertungsverbot für die Verteidigererklärung nicht festzustellen ist und im Übrigen auch der Bundesgerichtshof nicht von einem Verwertungsverbot oder einer „Wertlosigkeit“ der Verteidigererklärung, sondern „lediglich“ von deren vermindertem Beweiswert ausgeht.“

StPO I: EuGH – Verwertung von Encro-Chat? Ja, aber, oder: LG Kiel sieht keine Auswirkungen

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Und dann heute StPO-Entscheidungen – aus der Instanz. Na ja, fast 🙂

Ich erinnere. Das LB Berlin hatte mit dem LG Berlin, Beschl. v. 01.07.2021 – (525 KLs) 254 Js 592/20 (10/21); dem EuGH einige Fragen zur Verwertbarkeit der durch die EncroChat-Übewachung gewonnenen Ergebnisse vorgelegt (vgl. dazu Sondermeldung zur Verwertbarkeit von EncroChat, oder: Endlich Vorlage an den EuGH durch das LG Berlin.

Inzwischen hat sich, worüber ja auch schon an anderen Stellen berichtet worden ist, der EuGH zu den Voraussetzungen für die Übermittlung und Verwendung von Beweismitteln in grenzüberschreitenden Strafverfahren geäußert und die präzisiert. Dabei hat er die deutsche Rspr. bestätigt, wonach die Staatsanwalt Daten, die von ausländischen Behörden gewonnen werden, auch dann verwenden dürfen, wenn die Maßnahme in Deutschland nicht zulässig gewesen wäre (EUGH, Urt. v. 30.4.2024 – C-670/22).

Ich will hier jetzt nicht – die immer – ein wenig schwer lesbare Entscheidung des EuGH einstellen, sondern nur die Grundzüge der Entscheidung mtteilen, die sich etwa wie folgt zusammenfassen lassen:

  • Eine EAA, die auf die Übermittlung von Beweismitteln gerichtet ist, die sich bereits im Besitz der zuständigen Behörden des Vollstreckungsstaats (hier: Frankreich) befinden, muss nicht notwendigerweise von einem Richter erlassen werden. Sie kann von einem StA erlassen werden, wenn dieser in einem rein innerstaatlichen Verfahren dafür zuständig ist, die Übermittlung bereits erhobener Beweise anzuordnen.
  • Der Erlass einer solchen EAA unterliegt denselben materiell-rechtlichen Voraussetzungen, wie sie für die Übermittlung ähnlicher Beweismittel bei einem rein innerstaatlichen Sachverhalt gelten. Es ist nicht erforderlich, dass er denselben materiell-rechtlichen Voraussetzungen unterliegt, wie sie für die Erhebung der Beweise gelten. Jedoch muss ein Gericht, das mit einem Rechtsbehelf gegen diese Anordnung befasst ist, die Wahrung der Grundrechte der betroffenen Personen überprüfen können.
  • Der EuGH stellt außerdem klar, dass der Mitgliedstaat, in dem sich die Zielperson der Überwachung befindet, von einer mit der Infiltration von Endgeräten verbundenen Maßnahme zur Abschöpfung von Verkehrs-, Standort- und Kommunikationsdaten eines internetbasierten Kommunikationsdienstes unterrichtet werden muss. Die zuständige Behörde dieses Mitgliedstaats hat dann die Möglichkeit, mitzuteilen, dass die Überwachung des Telekommunikationsverkehrs nicht durchgeführt werden kann oder zu beenden ist, wenn diese Überwachung in einem vergleichbaren innerstaatlichen Fall nicht genehmigt würde.
  • Das nationale Strafgericht muss in einem Strafverfahren gegen eine Person, die der Begehung von Straftaten verdächtig ist, Beweismittel unberücksichtigt lassen, wenn die betroffene Person nicht in der Lage ist, zu ihnen Stellung zu nehmen, und wenn sie geeignet sind, die Würdigung der Tatsachen maßgeblich zu beeinflussen.

So traurig es ist: Aus der Entscheidung des EuGH  lässt sich wohl kein Beweisverwertungsverbot VV hinsichtlich der EncroChat- bzw. SkyECC-Daten entnehmen. Und auf der Linie liegt dann auch gleich eine LG Entscheidung, und zwar der LG Kiel, Beschl. v. 08.05.2024 – 7 KLs 593 Js 18366/22 -, der weiterhin die Verwertbarkeit von Encrocaht bejaht:

„Auch aus der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 30.04.2024 betreffend EncroChat lässt sich – entgegen den Ausführungen der Verteidigung in der Haftbeschwerde – kein Beweisverwertungsverbot hinsichtlich der EncroChat- bzw. SkyECC-Daten entnehmen. Der Europäische Gerichtshof hat in der Entscheidung u.a. ausgeführt, dass Art. 6 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2014/41 nicht dem Erlass einer Europäischen Ermittlungsanordnung entgegensteht, wenn die Integrität der durch die Überwachungsmaßnahme erlangten Daten wegen der Vertraulichkeit der technischen Grundlagen, die diese Maßnahme ermöglicht haben, nicht überprüft werden kann, sofern das Recht auf ein faires Verfahren im späteren Strafverfahren gewährleistet ist. Die Integrität der übermittelten Beweismittel kann grundsätzlich nur zu dem Zeitpunkt beurteilt werden, zu dem die zuständigen Behörden tatsächlich über die fraglichen Beweismittel verfügen (EuGH, Urt . v. 30.04.2024, Az. C-670/22, Rn. 90). Darüber hinaus ist die Europäische Ermittlungsanordnung ein Instrument der justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen im Sinne von Art. 82 Abs. 1 AEUV, die auf dem Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung gerichtlicher Urteile und Entscheidungen beruht. Dieser Grundsatz, der den „Eckstein“ der Justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen bildet, beruht seinerseits auf dem gegenseitigen Vertrauen sowie auf der widerlegbaren Vermutung, dass andere Mitgliedstaaten das Unionsrecht und insbesondere die Grundrechte einhalten. Daraus folgt, dass die Anordnungsbehörde, wenn sie mittels einer Europäischen Ermittlungsanordnung um Übermittlung von Beweismitteln ersucht, die sich bereits im Besitz der zuständigen Behörden des Vollstreckungsstaats befinden, nicht befugt ist, die Ordnungsmäßigkeit des gesonderten Verfahrens zu überprüfen, mit dem der Vollstreckungsmitgliedstaat die Beweise, um deren Übermittlung sie ersucht, erhoben hat. Insbesondere würde eine gegenteilige Auslegung von Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2014/41 in der Praxis zu einem komplexeren und weniger effizienten System führen, das dem mit der Richtlinie verfolgten Ziel abträglich wäre (vgl. EuGH, Urt. v. 30.04.2024, Az. C-670/22, Rn. 99 f.). In einem Strafverfahren im Anordnungsstaat ist bei der Bewertung. der mittels einer Europäischen Ermittlungsanordnung erlangten Beweismittel sicherzustellen, dass die Verteidigungsrechte gewahrt und ein faires Verfahren gewährleistet wird, was impliziert, dass ein Beweismittel, zu dem eine Partei nicht sachgerecht Stellung nehmen kann, vom Strafverfahren auszuschließen ist (vgl. EuGH, Urt. v. 30.04.2024, Az, C-670/22, Rn. 130).

Diese Ausführungen des Europäischen Gerichtshofes sind auch auf die SkyECC-Daten übertragbar.

Die Kammer ist davon überzeugt, dass die Verteidigungsrechte des Angeklagten gewahrt sind und ein faires Verfahren gewährleistet wird. Insbesondere *besteht für den Angeklagten die Möglichkeit zu sämtlichen vorliegenden Daten sachgerecht Stellung zu nehmen. Es liegen zudem die französischen Beschlüsse im Zusammenhang mit der Erhebung der SkyECC-Daten vor (SB französische Beschlüsse I und II), sodass die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Verfahrensbeteiligten nachprüfbar waren und sind. Hinsichtlich der Übereinstimmung der im‘ hiesigen Verfahren zu Grunde liegenden Daten mit den durch die französischen, Behörden übermittelten SkyECC-Daten hat die Kammer bereits Beweis erhoben durch Vernehmung des.Zeugen pp. des LKA .Kiel, u.a. über .dessen durchgeführten Datenabgleich. Danach ergeben sich keine Anhaltspunkte für eine Datenverfälschung in Deutschland. ‚Soweit es den französischen Bereich betrifft, gibt es ebenfalls keine Anhaltspunkte dafür, dass die Daten fehlerhaft und inhaltlich verfälschend aufgezeichnet und ausgewertet worden sind. Widersprüche bei den Zahlen und sonstigen Datenwiedergaben sieht die Kammer nicht. Dabei übersieht die Kammer nicht, dass die Chats die Kommunikation nicht lückenlos wiedergeben. Das hat sie berücksichtigt und wird es weiter berücksichtigen.“

Nach der EuGH-Entscheidung wird man sich fragen (müssen), ob eigentlich EncroChat noch ein „vernünftiger“ Verteidigungsansatz ist. Jedenfalls wird das Verteidigen mit EncroChat sicherlich nicht leichter.

KCanG II: SkyECC-Chatinhalte und das neue KCanG, oder: LG Köln hält sie für verwertbar

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Und dann habe ich hier noch eine zweite Entscheidung zur Verwertbarkeit von Verwertbarkeit von SkyECC-Daten nach Inkrafttreten des KCanG. Das LG Köln macht es im LG Köln, Beschl. v. 16.4.2024 – 323 Qs 32/24 – anders als die bisherige Rechtsprechung. Es sieht die Daten als vewertbar an und führt dazu in einem Haftverfahren aus:

„Die im Haftbefehl dargestellten Fälle lassen sich im Sinne eines dringenden Tatverdachts anhand der in den Sonderheften dargestellten SkyECC-Chatinhalte zu der Kennung pp. nachvollziehen. Der dringende Verdacht, dass der Beschuldigte der — ausschließliche — Nutzer des SkyECC-Accounts pp.  war ergibt sich aus den in den Identifizierungsvermerken vom 11.05.2023 und vom 07.06.2023 dargelegten Umständen.

1. Die erlangten Erkenntnisse aus mittels Sky-ECC geführter Kommunikation sind auch nach Änderung der Gesetzeslage durch das Inkrafttreten des KCanG verwertbar.

a) Bisher existiert keine höchstrichterliche Rechtsprechung zu der Verwertbarkeit der mittels „SkyECC“ versandten Daten (vgl. aber Oberlandesgericht Celle, Beschluss vom 15. November 2021 – 2 HEs 24-30/21; juris; OLG Hamm, Beschluss vom 10. Januar 2023 — 111-5 Ws 341 – 344/22 juris). Orientiert an der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Verwertbarkeit von EncroChat-Daten (BGH, Beschluss vom 2. März 2022 — 5 StR 457/21 —, juris; BGH, Beschluss vom 8. Februar 2022 — 6StR 639/21 juris; BGH, Beschluss vom 5. Juli 2022 — 4 StR 61/22 juris; vgl. auch OLG Köln, Beschluss vom 31. März 2021 — 2 Ws 118/21, juris) ist die Kammer indes bislang durchgängig von der Verwertbarkeit der SkyECC-Daten ausgegangen.

b) Die Einführung des KCanG ändert im Ergebnis nichts an der Verwertbarkeit von SkyECC-Daten.

Geändert hat sich die Rechtslage, soweit für die Frage der Verwertbarkeit von Interesse, infolgedessen in zweierlei Hinsicht: Zum einen sieht § 100b StPO Abs. 2 Nr. 5 a. StPO lediglich noch für Straftaten nach § 34 Abs. 4 KCanG die Möglichkeit einer Online-Durchsuchung vor, also nur noch bei bandenmäßigem oder bewaffneten Handeltreiben mit Cannabis in nicht geringer Menge. Zum anderen ist der Strafrahmen des § 34 Abs. 3 KCanG mit drei Monaten bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe oder Geldstrafe deutlich geringer als der des § 29a Abs. 1 BtMG, der ein Jahr bis fünfzehn Jahre Freiheitsstrafe vorsieht.

aa) Die für die in Rede stehenden Taten nicht mehr gegebene Möglichkeit einer Online-Durchsuchung nach § 100b StPO steht der Verwertbarkeit nicht entgegen.

(1) Für die über den kryptierten Nachrichtendienst „EncroChat“ versandten Daten hat der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs in seinem Beschluss vom 02. März 2022 — 5 StR 457/21, juris auf Grundlage einer umfassenden — an verfassungsrechtlichen Maßstäben — vorgenommenen Prüfung entschieden, dass diese in einem deutschen Strafverfahren verwertbar sind.

Die Frage, ob im Wege der Rechtshilfe erlangte Beweise verwertbar sind, richtet sich danach ausschließlich nach dem nationalen Recht des um Rechtshilfe ersuchenden Staates, soweit — wie hier — der um Rechtshilfe ersuchte Staat die unbeschränkte Verwendung der von ihm erhobenen und übermittelten Beweisergebnisse gestattet hat (BGH aaO. Rn. 26). Im Rechtshilfekontext sei es gerade nicht ausgeschlossen, von anderen Mitgliedstaaten ausdrücklich zu Zwecken der Strafverfolgung übermittelte Daten aus Maßnahmen zu verwenden, die keine Entsprechung in der StPO haben (BGH aaO. Rn. 73, unter ausdrücklicher Ablehnung der anderweitigen Auffassung des von der Verteidigung zitierten Singelnstein). Verfassungsgemäße Rechtsgrundlage für die Verwertung in der Hauptverhandlung erhobener Beweise ist danach § 261 StPO, unabhängig davon, ob diese zuvor im Inland oder auf sonstige Weise – etwa im Wege der Rechtshilfe – erlangt worden sind (BGH aaO. Rn. 25). Entscheidender Zeitpunkt für die Frage der Verwertbarkeit auf den Zeitpunkt der Verwertung, nicht der der Erlangung der Daten (vgl. zum Zeitpunkt der Verwertbarkeit BGH aaO. Rn. 69).

Hinsichtlich der Verwertbarkeit der im Wege europäischer Rechtshilfe erlangten .Beweisergebnisse hat der 5. Strafsenat ausgeführt, dass auf die in strafprozessualen Verwendungsbeschränkungen verkörperten Wertungen zurückgegriffen werden könne, mit denen der Gesetzgeber dem verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz bei vergleichbar eingriffsintensiven Mitteln Rechnung trägt (vgl. auch BVerfG, Urteil vom 19. Mai 2020 – 1 11./R 2835/17, BVerfGE 154, 152 ff. Rn. 216 ff.). In dem von ihm zu entscheidenden Fall hat er aufgrund des Gewichts der Maßnahme zur Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes — auch um jede denkbare Benachteiligung auszuschließen — die Grundgedanken der Verwendungsschranke mit dem höchsten Schutzniveau (§ 100e Abs. 6 StPO) fruchtbar gemacht (BGH aaO. Rn. 68) und damit an die Voraussetzungen des § 100b StPO angeknüpft.

(2) Die vom Bundesgerichtshof aufgestellten Grundsätze sind für die Verwertbarkeit der aus Sky-ECC geführten Kommunikation erlangten Daten übertragbar.

Ebenso wie die Encrochat-Daten sind diese in einem französischen Ermittlungsverfahren erhoben worden und auch die wesentlichen Rahmenbedingungen stimmen zwischen den beiden Anbietern überein. Insbesondere befand sich – ausweislich der vorliegenden Beschlüsse des in beiden Fällen zuständigen Gerichts in Lille – bei beiden Anbietern der Server, über den die Kommunikation erfolgte, an einem Standort in Frankreich und das Angebot sowohl von „Encrochat“ als auch von „SkyECC“ war dadurch gekennzeichnet, dass die Geräte nicht über legale Vertriebswege verkauft wurden und für die verschlüsselten Geräte ein außergewöhnlich hoher Preis – etwa 1.500 Euro für eine sechsmonatige Nutzung – zu zahlen war, obwohl die Geräte selbst nur über einen sehr eingeschränkten Funktionsumfang verfügten (so OLG Celle, Beschluss vom 15.11.2021 – 2 HEs 24 – 30/21 – juris Rn. 22 ff.; OLG Hamm, Beschluss vom 10. Januar 2023 — 111-5 Ws 341 ¬344/22 —, Rn. 42, juris).

(3) Unter Berücksichtigung der vom Bundesgerichtshof in der Entscheidung vom 02. März 2022 aufgestellten Grundsätzen, sind die erlangten SkyECC-Daten auch nach Inkrafttreten des KCanG verwertbar.

Ein absolutes Beweisverwertungsverbot liegt schon wegen des Inhalts der überwachten Kommunikation nicht vor (BGH aaO. Rn. 62.) Aber auch ein relatives Beweisverwertungsverbot ist nicht gegeben.

(a) So hat der 5. Strafenat des Bundesgerichtshofs zwar in dem von ihm entschiedenen Fall die Grundgedanken der Verwendungsschranke mit dem höchsten Schutzniveau (§ 100e Abs. 6 StPO) fruchtbar gemacht (vgl. BGH aaO. Rn. 68).

Dies bedeutet allerdings nicht, dass Daten unterhalb dieses Schutzniveaus in keinem Fall verwertbar sind. Gegen diesen, in der Beschwerdebegründung und offenbar auch durch das Landgericht Mannheim (Az. 5 KLs 804 Js 28622/21, vgl. die Pressemitteilung des LG Mannheim) und das Landgericht Darmstadt gezogenen Schluss sprechen vielmehr schon die soeben wiedergegebene Formulierung als auch die im Zusammenhang damit stehenden Passagen des Beschlusses des Bundesgerichtshofs vom 02. März 2022.

Der Bundesgerichtshof stellt mit der wiedergegebenen Formulierung klar, dass § 100e Abs. 6 StPO nicht unmittelbar anwendbar ist (so auch schon BGH aa0. Rn. 25 und 65), lediglich dessen Grundgedanke ist anwendbar, und dies auch nur, um jede denkbare Beeinträchtigung auszuschließen. Daraus ergibt sich sehr deutlich, dass nach Auffassung des Bundesgerichtshofs die Daten im Grundsatz immer verwertbar sind, wenn die Voraussetzungen des § 100e Abs. 6 StPO vorliegen, unter die in den folgenden Absätzen des Beschlusses des Bundesgerichtshofs subsumiert wird. Es ergibt sich daraus aber nicht der Umkehrschluss, dass sie anderenfalls nicht verwertbar sind.

Vielmehr kommen dem Kernbereichsschutz und dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz besondere Bedeutung zu (BGH aa0. Rn. 67). Hierfür kann auf die in strafprozessualen Verwendungsbeschränkungen verkörperten Wertungen zurückgegriffen werden, mit denen der Gesetzgeber dem verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz bei vergleichbar eingriffsintensiven Mitteln Rechnung trägt (BGH aaO. Rn. 68).

In dem Zusammenhang ist von Bedeutung, dass die vorgenommene Maßnahme nach deutschem Recht jedenfalls teilweise nach § 100a Abs. 1 StPO gerechtfertigt wäre, also gemäß § 100a Abs. 2 Nr. 7a. a) StPO auch beim Vorwurf des gewerbsmäßigen Handeitreibens mit Cannabis in Betracht kommt. Denn § 100a Abs. 1 S. 2 und 3 StPO erlaubt die Quellen-TKÜ und damit auch den Zugriff auf laufende und hinzukommende —hingegen nicht bereits vorhandene — Kommunikationsinhalte auf dem Endgerät des Betroffenen (Meyer-Goßner/Schmitt/Köh/er, StPO, 66. Auflage, § 100a, Rn. 14a, 14b; KK-StPO/Henrichs/Weingast, 9. Aufl. 2023, StPO § 100a Rn. 42). Die Aufnahme des gewerbsmäßigen Handeltreibens in den Katalog des § 100a Abs. 2 StPO demonstriert, dass der Gesetzgeber auch nach Inkrafttreten des KCanG zur Aufklärung derartiger Straftaten sehr eingriffsintensive Ermittlungsmaßnahmen wie eben auch die Quellen-TKÜ als zulässig erachtet. Dies fügt sich dazu, dass die Eindämmung der organisierten Kriminalität gerade Ziel der Einführung des KCanG war, wie die Staatsanwaltschaft zutreffend ausgeführt hat.

Der Bundesgerichtshof fordert im Ergebnis daher eine restriktive Verhältnismäßigkeitsprüfung unter Berücksichtigung der Eingriffsintensität, der Schwere der Straftat, der Intensität des Tatverdachts und des staatlichen Aufklärungsinteresses (vgl. BGH aaO. Rn. 43f.). Als Ausdruck der „Abwägungslehre“ (vgl. dazu Meyer-Goßner/Schmitt aaO. Einl. Rn. 55c ff.) ist danach vom Einzelfall auszugehen und nach der Sachlage und der Art des Verbotes zu unterscheiden, wobei stets das Interesse des Staates an der Tataufklärung gegen das Individualinteresse des Bürgers an der Bewahrung seiner Rechtsgüter abzuwägen ist.

(b) Gemessen daran und der danach vorzunehmenden Abwägung im konkreten Einzelfall sind die erlangten Daten aus der vom Beschuldigten geführten Sky-ECC Kommunikation nach Auffassung der Kammer weiterhin verwertbar.

Zunächst betreffen die Daten keine Erkenntnisse aus dem Kernbereich der privaten Lebensgestaltung (vgl. § 100 d Abs. 2 S. 1 StPO). Auch stehen andere Beweismittel nicht zur Verfügung, mithin ist eine Erforschung des Sachverhalts ohne diese Beweismittel nicht möglich. Die Sky-ECC Protokolle sind besonders ergiebig, da darin offen über Drogengeschäfte in erheblichem Umfang kommuniziert wird, wofür gerade zur Verschleierung der Straftaten ein entsprechend kryptierter Kommunikationsweg genutzt wurde.

Es besteht ferner mit einem dringenden Tatverdacht die höchste Verdachtsintensität. Dieser dringender Tatverdacht bezieht sich des Weiteren auf schwere Straftaten. Auch nach der Reduzierung des Strafrahmeris stellt das Handeltreiben mit Cannabis in § 34 Abs. 3 KCanG im Grundsatz eine solche schwere Straftat dar, wie bereits die Aufnahme der Vorschrift in die „schweren Straftaten“ des § 100a Abs. 1 S. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 7a. a) StPO demonstriert.

Es steht zudem außer Frage, dass es sich bei den dem Beschuldigten zur Last liegenden Taten konkret überwiegend um sehr schwerwiegende Taten handelt. Der Beschuldigte war im Sinne eines dringenden Tatverdachts bereits bei den einzelnen Taten jeweils für sich genommen mit ganz erheblichen Mengen befasst, die teilweise im dreistelligen Kilogrammbereich lagen und einen Verkaufswert im hohen sechsstelligen Bereich repräsentieren. Die vorliegenden Chatverläufe belegen nicht nur, dass der Beschuldigte mit grenzüberschreitende Drogenhandel von Spanien nach Deutschland (Fälle 3, 4; 7, 8) befasst war, sondern‘ über Kontakte in weitere europäische und außereuropäische Länder verfügte. Er war Teil eines Netzwerkes aus Lieferanten, Logistikem, Investoren und Verkäufern. Es steht außer Frage, dass diese Taten nicht nur auch nach Inkrafttreten des KCanG noch strafbar sind, es handelt sich bei ihnen auch um Taten der organisierten Kriminalität, deren Bekämpfung die Einführung des KCanG dienen soll, worauf die Staatsanwaltschaft zurecht hinweist.

Weiter ist im Rahmen der im Einzelfall zu erfolgenden Abwägung der Umfang des erfolgten Eingriffs aufgrund der Verwendung der Daten abzustellen. Die Daten wurden durch die französischen Behörden nur für einen begrenzten Zeitraum erhoben. Der damit verbundene Eingriff in die Rechte der Betroffenen war zeitlich überschaubar und im Hinblick auf die dadurch gewonnenen Erkenntnisse in jeder Form verhältnismäßig.

bb) Wie bereits dargelegt, handelt es sich auch bei Verstößen gegen § 34 Abs. 3 Nr. 1 und 4 KCanG um im Grundsatz schwere Straftaten und gilt dies für die dem Beschuldigten zur Last liegenden Taten in besonderem Maße.

Man wird sehen, wie es weitergeht.