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Berufungsverwerfung nach Abschiebung, so einfach ist das nicht.

Das LG Dresden (vgl. hier) hatte die Berufung eines Angeklagten verworfen, weil er nach seine Abschiebung dem Gericht seine Heimatadresse nicht mitgeteilt hatte,

Das OLG Dresden hat jetzt auf die Revision aufgehoben und führt im Beschl. v. 14.12.2010 – 1 Ss 866/10 aus:

Das Ausbleiben des Angeklagten im Berufungshauptverhandlungstermin ist auch dann genügend entschuldigt, wenn der Angeklagte nach erfolgter Abschiebung dem Gericht seine Anschrift in seinem Heimatland nicht mitgeteilt hat, da dieser Umstand der Beantragung einer Betretenserlaubnis für den Angeklagten nicht im Wege steht (a.A. LG Dresden VRR 2010, 363 = StRR 2010, 363).“

So einfach ist das mit der Verwerfung in den Fällen also nicht.

Zwickmühle: Zwangsversteigerung versus Hauptverhandlung

Da kann man als Angeklagter ja schon in einer Zwickmühle sein. Man hat die Ladung zur Berufungshauptverhandlung und dann flattert noch der Termin zur Zwangsräumung ins Haus. Was tun. Zur Hauptverhandlung gehen oder zu Hause bleiben und packen? Das OLG Köln hat in seinem Beschl. v. 10.12.2010 – 1 Ws 159/10 – einen Ausweg (?) aus diesem Dilemma gezeigt bzw. zumindest den Versuch dazu unternommen, wenn es meint:

„Die für den Terminstag angedrohte Zwangsräumung der Wohnung kann für den Angeklagten, der Berufung eingelegt hat, einen hinreichenden Entschuldigungsgrund darstellen, im Termin der Berufungshauptverhandlung fernzubleiben. Das bedeutet indes nicht, dass die öffentlich-rechtliche Verpflichtung zum Erscheinen in der Hauptverhandlung in einem solchen Fall stets zurückzutreten hätte. Der Angeklagte ist vielmehr gehalten, im Rahmen des Möglichen geeignete Schritte zu unternehmen, um trotz der angekündigten Zwangsversteigerung auch an der Hauptverhandlung teilnehmen zu können.“

Also: Nichtstun ist in einer solchen Situation tödlich. Und: Vortragen muss man, was man getan hat.

Auch mal etwas Neues – hier vom OLG Zweibrücken

Na ja, so ganz viel Neues gibt es ja kaum noch. Ist alles schon mal dagewesen oder zumindest fast :-). Um so erfreuter ist man dann, wenn man mal auf etwas Neues stößt. So m.E. im Beschl. des OLG Zweibrücken v. 19. 8. 2010 – 1 Ss Bs 26/09, in dem es im Bußgeldverfahren um die Verwerfung eines Einspruchs ging. Aber nicht des Betroffenen, sondern des Verfallsbeteiligten. Dazu hat das OLG ausgeführt, dass für den dieselben (Spiel)Regeln hinsichtlich der Einspruchsverwerfung gelten wie für den Betroffenen. Die Leitsätze lauten wie folgt:

„1. Die Verfallsbeteiligte ist in ihrem Recht auf rechtliches Gehör verletzt worden, wenn das erkennende Gericht ihre Anträge auf Entbindung des Geschäftsführers von der Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen in der Hauptverhandlung (§§ 73 Abs. 2, 74 Abs. 2 OWiG) rechtsfehlerhaft ablehnt.

2. Anlass, das persönliche Erscheinen des Geschäftsführers der Verfallsbe­teiligten zu erzwingen, gibt es nicht, wenn eine Verfallsbeteiligte ihre Einlassung im Laufe eines Verfahrens ändert.

3. Wird der Antrag auf Entbindung des Geschäftsführers der Verfallsbeteiligten mangels Vollmacht in formeller Hinsicht nicht prozessordnungsgemäß ge­stellt, darf er aus diesem Grund zurückgewiesen werden.

4. Wegen einer unterbliebenen Ladung darf hinsichtlich des Verfallbescheides keine Entscheidung nach § 74 Abs. 2 OWiG ergehen.“

Da tut sich also ein Ansatz für die Rechtsbeschwerde auf.

Abschiebung ist keine genügende Entschuldigung

Dre Angeklagte war während der Strafverfahrens abgeschoben worden. Er legt Berufung ein. Eine aktuelle Anschrift des Angeklagten in seinem Heimatland ist nicht bekannt. Es wird  daher durch öffentliche Zustellung geladen. Zur Hauptverhandlung erscheint er nicht (was im Grunde nicht verwunderlich ist).

Das LG Dresden hat mit Urt. v. 05.08.2010 – 10 Ns 422 Js 13356/08 seine Berufung nach § 329 Abs. 1 StPO verworfen. Das Ausbleiben des Angeklagten im Berufungshauptverhandlungstermin sei nicht genügend entschuldigt, wenn der Angeklagte nach erfolgter Abschiebung dem Gericht seine Anschrift in seinem Heimatland nicht mitgeteilt hat, da anderenfalls das Gericht die Möglichkeit gehabt hätte, den Angeklagten unter seinem Aufenthaltsort zu laden und darauf hinzuwirken, dass ihm für die Teilnahme an der Berufungshauptverhandlung eine Betretenserlaubnis für das Bundesgebiet nach § 11 Abs. 2 AufenthG erteilt wird.

Als Verteidiger wird man sich also überlegen müssen, ob man ggf. die neue Anschrift des Angeklagten mitteilt.

Trau, schau, wem… deinem Verteidiger darfst du jedenfalls (meistens) vertrauen

Der Angeklagte kommt nicht zur Berufungshauptverhandlung, seine Berufung wird verworfen, Wiedereinsetzung, so ist der Ablauf. Was ist, wenn der Angeklagte einer Auskunft seines Verteidigers vertraut hat, dass der Termin – weil der Verteidiger krank sei – aufgehoben wird. Das OLG Hamm sagt in seinem Beschl. v. 12.02.2010 3 Ws 51/10: Trau, schau, wem. Na ja, das nicht, aber ungefähr das ist gemeint. Jedenfalls gilt: Dem Angeklagten ist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungshauptverhandlung zu gewähren, wenn der Angeklagte auf die Auskunft seines Verteidigers vertraut, dass die dem Verteidiger aufgrund einer Erkrankung nicht mögliche Teilnahme an der Hauptverhandlung aufgrund der Tatsache, dass er als Pflichtverteidiger beigeordnet worden sei, zu einer Aufhebung des Hauptverhandlungstermins führen werde. Allerdings sollte der Angeklagte und auch der Verteidiger trotzdem vorsichtig sein. Das kann auch mal schief gehen.