Schlagwort-Archive: Verständigung

Pflichtverteidiger, oder: Sich „verständigen“ ist doch nicht schwierig

© ferkelraggae - Fotolia.com

© ferkelraggae – Fotolia.com

Das OLG Naumburg ist in seinem Beschl. v. 04.12.2013 – 2 Ss 151/13 (vgl. dazu:Pflichti 7: Sich “verständigen” ist schwierig) – davon ausgegangen. dass eine Verständigung nach § 257c StPO i.d.R. geeignet ist, die Schwierigkeit der Rechtslage i.S. des § 140 Abs. 2 StPO zu begründen und hatte deshalb die Bestellung eines Pflichtverteidigers als erforderlich angesehen. Dem hat jetzt – fast auf den Tag genau ein Jahr später – das OLG Bamberg im OLG Bamberg, Beschl. v. 03. 12. 2014 – 1 Ws 622/14 – widersprochen. Im vom OLG Bamberg entschiedenen Fall war die in der Hauptverhandlung durch ihren Wahlverteidiger vertretene Angeklagte vom AG wegen Untreue in mehreren Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe verurteilt worden. Dem Urteil war eine Verständigung i.S.v. § 257c StPO vorausgegangen, deren Bestandteil u.a. das Geständnis der Angeklagten war. Gegen das erstinstanzliche Urteil legten sowohl die Angeklagte als auch die Staatsanwaltschaft, diese beschränkt auf den Rechtsfolgenausspruch, Berufung ein. Die Angeklagte wendet sich mit ihrer Berufung nicht nur gegen die Strafhöhe, sondern auch gegen den Schuldspruch. Nachdem die Angeklagte das Mandat ihres Wahlverteidigers gekündigt hat, hat sie dann bei der Berufungskammer beantragt, ihr einen Pflichtverteidiger zu bestellen. Die Vorsitzende der Berufungskammer hat dies abgelehnt.

Die Beschwerde der Angeklagten hatte keinen Erfolg. Auch nach Auffassung des OLG Bamberg liegt ein Fall der notwendigen Verteidigung nicht vor:

4. Ein Fall der notwendigen Verteidigung liegt schließlich insbesondere nicht allein deshalb vor, weil dem amtsgerichtlichen Urteil eine Verständigung gemäß § 257c StPO zugrunde liegt. Der Senat folgt insoweit nicht der Auffassung des OLG Naumburg (OLG Naumburg, Beschl. v. 04.12.2013 – 2 Ss 151/13 = StraFo 2014, 21 = NStZ 2014, 116 m. abl. Anm. Wenske NStZ 2014, 117 f. = StV 2014, 274), wonach eine Verständigung nach § 257c StPO in der Regel geeignet sei, die Schwierigkeit der Rechtslage im Sinne des § 140 II StPO zu begründen. Das OLG Naumburg führt insoweit aus, ein Angeklagter könne sich bei der Erörterung einer Verfahrensweise nach § 257c StPO in der Regel nicht selbst wirksam verteidigen, weil die Anwendung der gesetzlichen Vorschriften des § 257c StPO und der damit im Zusammenhang stehenden Regelungen aus dem Gesetz zur Regelung der Verständigung im Strafverfahren vom 29.07.2009 selbst für Berufsrichter äußerst kompliziert und fehleranfällig sei. Vielmehr sei es unwahrscheinlich, dass ein Angeklagter, der nicht Volljurist ist, seine Rechte im Rahmen des undurchsichtigen Verfahrens, das einer Verständigung vorauszugehen hat, ohne juristischen Beistand erkennen und somit wahrnehmen könne. Diese Entscheidung wird im Schrifttum kritisiert (vgl. neben Wenske a.a.O. auch Peglau jurisPR-StrafR 6/2014 Anm. 2). Der Senat folgt diesen kritischen Einschätzungen.

a) Eine Rechtslage ist dann schwierig im Sinne des § 140 II StPO, wenn bei Anwendung des materiellen oder des formellen Rechts auf den konkreten Sachverhalt bislang nicht ausgetragene Rechtsfragen entschieden werden müssen, oder wenn die Subsumtion im Einzelfall problematisch ist.

b) Zutreffend führt Peglau (a.a.O.) aus, dass der gesamte Strafprozess grundsätzlich fehleranfällig ist. Dieser Fehleranfälligkeit hat der Gesetzgeber bei der Verständigung u.a. mit der Regelung des § 302 I 2 StPO ausdrücklich Rechnung getragen. Der Gesetzgeber geht davon aus, dass es Fälle gibt, in denen der Angeklagte auch im Rahmen eines Verständigungsprozesses keiner Verteidigung bedarf. So heißt es in den Materialien (BT-Drs. 16/12310, S. 2): „Der Gesetzesentwurf unterscheidet bewusst nicht zwischen verteidigtem und unverteidigtem Angeklagten und schließt auch amtsgerichtliche Verfahren nicht von den Vorschriften über die Verständigung aus“. Auch ist die Regelung des § 257c III 4 StPO so zugeschnitten, dass es – jedenfalls beim Zustandekommen der Verständigung – der Mitwirkung eines Verteidigers überhaupt nicht bedarf. Mit dieser Grundstruktur der gesetzlichen Regelungen ist die generelle Entscheidung des OLG Naumburg (a.a.O.) kaum vereinbar. Denn das Gesetz sieht ausführliche und qualifizierte Belehrungen im Verfahren über eine Verständigung vor (§ 257c V StPO). Deshalb ist nicht das Vorliegen einer Verständigung per se, sondern nur die Berücksichtigung aller Besonderheiten des Einzelfalls geeignet, die Notwendigkeit der Mitwirkung eines Verteidigers zu begründen.

c) Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Die Angekl. wendet sich mit ihrer Berufung gegen die Verurteilung insgesamt, also insbesondere gegen die Verurteilung, soweit ihr ein verständigungsbasiertes Geständnis zugrunde liegt. Dies hat zur Folge, dass in der Berufungsinstanz der ansonsten weder tatsächlich noch rechtlich schwierige Sachverhalt durch die Einlassung der Angekl. und aller sonst zur Verfügung stehenden Beweismitteln neu aufgeklärt werden muss.

Überzeugt mich nicht unbedingt: Aus der angeführten Stelle BT-Drs. 16/12310, S. 2 kann man m.E. nichts ableiten, da dort nur allgemein zur Verständigung Stellung genommen wird, die Fragen der Pflichtverteidigung im Gesetzesentwurf im Übrigen aber nicht behandelt werden. Und man wird man auch nicht verkennen können/dürfen, dass die mit der Verständigung zusammenhängenden Fragen für den Laien kaum noch überschaubar sind. Das dürfte vor allem in einem Fall wie dem vorliegenden gelten, wenn der Angeklagte von einer erstinstanzlichen Verständigung abrücken will. Da hilft dann auch nicht der Hinweis auf § 257c Abs. 5 StPO und die dort normierte Belehrungspflicht. Angesichts der zahlreichen Entscheidungen des BGH zu Fehlern bei bzw. nicht ausreichenden Belehrungen ist das in meinen Augen nur ein Scheinargument.

Wer ist denn nun angefangen zu „dealen“…?

HändeschüttelnIch habe ja schon mehrfach darauf hingewiesen, dass die Abspracheregelungen der StPO, also § 257c StPO und alles, was damit zusammenhängt, sicherlich der verfahrensrechtlichen Dauerbrenner sind, der den BGH beschäftigt. Es vergeht i.d.R. kaum eine Woche, in der der BGH nicht auf seiner Homepage dazu Entscheidungen einstellt. Wenn man über alle berichten wollte, würde es sicherlich schnell langweilig; etwas anderes würde vielleicht dann gelten, wenn man ein „Abprache-Blog“ betreiben wollte. Nun, das habe ich nicht vor, so dass ich immer nur über „ausgewählte“ Entscheidungen berichten möchte. Und da kam der gestern auf der BGH-HP eingestellte BGH, Beschl. v. 08.10.2014 – 1 StR 352/14 – gerade recht. Vor allem auch deshalb, weil er zugleich auch ein revisionsrechtliches Problem behandelt, nämlich (mal wieder) die ausreichende Begründung der Verfahrensrüge (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO).

Beanstandet worden ist in dem Verfahren mit der Revision, die Mitteilungs- und Dokumentationspflicht sei dadurch verletzt worden, dass nicht mitgeteilt worden sei, von wem die Initiative zur Führung der Verständigungsgespräche ausgegangen sei. Die Rüge hatte der Angeklagte nicht ausreichend begründet, weil sich seinem Revisionsvortrag nicht entnehmen ließ, ob überhaupt ein Rechtsfehler vorliegen würde, wenn das tatsächliche Vorbringen zuträfe:

Die Revision trägt zum Verfahrensgeschehen vor, dass die Hauptverhandlung unterbrochen worden sei, sodann Verständigungsgespräche stattgefunden hätten und im Anschluss in öffentlicher Hauptverhandlung durch den Vorsitzenden über den Inhalt der Gespräche Mitteilungen erfolgt und diese auch protokolliert worden seien. Es sei „nicht erkennbar, ob bereits aus dem  konkreten Grund der Führung von Verständigungsgesprächen unterbrochen wurde“ oder es sich „alternativ“ um eine „reguläre Unterbrechung der Hauptverhandlung“ gehandelt habe.

Damit wird das tatsächliche Geschehen schon nicht mit der erforderlichen Bestimmtheit behauptet, vielmehr werden alternativ zwei Geschehensabläufe als bloße Möglichkeiten dargestellt. Durch den insoweit unvollständigen Vortrag bleibt aber offen, ob überhaupt eine Verpflichtung bestand, darüber zu informieren, von wem die Initiative zu den Gesprächen ausgegangen ist (vgl. hierzu BVerfG, Urteil vom 19. März 2013 – 2 BvR 2628/10 u.a., NJW 2013, 1058, 1065; BGH, Beschluss vom 9. April 2014 – 1 StR 612/13; Beschluss vom 15. April 2014 – 3 StR 89/14). Wäre dies nämlich in öffentlicher Hauptverhandlung angeregt worden, wie es die Revision als möglich darstellt und es der Darstellung in den dienstlichen Erklärungen des Sitzungsstaatsanwalts und der Berufsrichter entspricht, bestünde insoweit keine Informationspflicht gemäß § 243 Abs. 4 Satz 2 StPO. Diese soll nämlich dazu dienen, außerhalb der Hauptverhandlung stattgefundene Gespräche in der Hauptverhandlung zur Sprache zu bringen, so dass die Möglichkeit eines informellen und unkontrollierbaren Verfahrens ausgeschlossen wird (vgl. BVerfG, aaO, 1069; BGH, Urteil vom 10. Juli 2013 – 2 StR 195/12, BGHSt 58, 310, 312 f.). An dem Erfordernis einer Erörterung von Geschehnissen außerhalb der Hauptverhandlung in der Hauptverhandlung fehlt es aber, wenn die Führung von Verständigungsgesprächen in öffentlicher Hauptverhandlung, mithin für alle Verfahrensbeteiligten und für die Öffentlichkeit transparent, angeregt worden ist.

Wir sind schneller als der BGH; dort: Keine Überraschung….

Augen„Wir sind schneller als der BGH?“, ja, zumindest, was den BGH, Beschl. v. 11.09.2014 – 4 StR 148/14 – angeht, denn der steht noch nicht – bis jetzt jedenfalls -auf der Homepage des BGH.  Bekommen habe ich ihn von dem Kollegen, der in dem Verfahren beteiligt war. In der Sache geht es mal wieder um eine Problematik in Zusammenhang mit einer Absprache/Verständigung (§ 257c StPO). Die war in einem Verfahren wegen gewerbs- und bandenmäßigen Betrugs beim LG Münster zustande gekommen. Inhalt war u.a. eine Bewährungsstrafe.  Die wird auch verhängt. Im Bewährungsbeschluss wird dem Angeklagten dann auch auch die Auflage gemacht, 150 Sozialstunden abzuleisten. Dagegen dann – zusammen mit der Revision – die (zulässige) Beschwerde, die auch beim BGH Erfolg hat.

Der BGH macht es wie vor einiger Zeit das OLG Saarbrücken im OLG Saarbrücken, Beschl. v. 04.10.2013 – 1 Ws 106/13 – (vgl. dazu: Überraschung? Nein, und zwar auch nicht bei der Geldauflage): Überraschung bei der Verständigung ist nicht, auch nicht bei einer Bewährungsauflage. Man muss drüber gesprochen haben.

„….Denn nur wenn der Angeklagte über den gesamten Umfang der Rechtsfolgenerwartung bei der Verständigung informiert Ist, kann er autonom eine Entscheidung über seine Mitwirkung treffen (OLG Saarbrücken, NJW 2014, 238, 239).

Bewährungsauflegen sind Bestandteil dieser Rechtsfolgenerwartung. Sie dienen gemäß § 56b Abs. 1 Satz 1 StGB der Genugtuung für das begangene Unrecht und stellen damit eine strafähnliche Sanktion dar (Stree/Kinzig In Schönke/Schröder, aaO, § 56b, Rn. 1, 2; Arloth, NStZ 1990, 14B, 149). Ebenso wie Geldauflagen können Arbeitsauflagen eine erhebliche Belastung für den Angeklagten darstellen, zumal diese In Zahlungsauflagen umgewandelt werden können. Erst die Kenntnis des Umstandes, dass Ihm neben der zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe weitere Maßnahmen mit Vergeltungscharakter drohen, versetzt den Angeklagten in die Lage, von seiner Entscheidungsfreiheit, ob er auf das Angebot des Gerichts eingehen möchte, auf einer hinreichenden tatsächlichen Grundlage Gebrauch zu machen

bb) Diesen Anforderungen hat die Wirtschaftsstrafkammer nicht entsprochen. Das Gericht hat im Rahmen der Verständigungsgespräche nicht darauf hingewiesen, dass nach seiner Auffassung die Verhängung einer Arbeitsauflage erforderlich ist.

Etwas anderes ergibt sich nicht daraus, dass der Angeklagte sich schon vor Abschluss der Verständigung „weitgehend“ geständig eingelassen hatte. Das Landgericht hat sich in der Verständigung zusichern lassen, dass der Angeklagte „weiter für Fragen zur Verfügung stehen und die Taten, soweit noch nicht geschehen, qualifiziert gestehen“ werde, Dies ist im Anschluss an die Verständigung auch geschehen (UA S, 32). Der Angeklagte stand deshalb vor der Entscheidung, ob er sich auf diese Bedingung des Gerichte einlässt. Diese Entscheidung konnte er nicht auf der Grundlage der Kenntnis der gesamten Rechtsfolgenerwartung treffen, weil die Wirtschaftsstrafkammer ihn nicht zuvor darauf hingewiesen hatte, dass Bewährungsauflagen In Betracht kommen.

Maßstab für die Beschwerdeentscheidung ist allein, ob die getroffene Anordnung rechtswidrig ist; daher kommt es auf die Frage, ob ,,eine Ursächlichkeit der fehlenden Belehrung über etwaige Bewährungsauflagen für das Geständnis ausgeschlossen werden“ kann (vgl. die Zuschrift des Generalbundesanwalts vom 14. Mai 2014, 5. 7, unter Bezugnahme auf das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 7. August 2013 5 StR 253/13, BGHR StPO § 257c Abs. 5 Belehrung 3), nicht an.“

So, dann will ich aber auch mal schnell veröffentlichen, sonst steht die Entscheidung auf der HP des BGH und dann passt die Überschrift nicht mehr :-).

Das Imperium schlägt zurück, oder: Quo vadis Verständigung?

entnommen wikimedia.org Genehmigung (Weiternutzung dieser Datei)  CC-BY-SA-3.0-DE.

entnommen wikimedia.org
Genehmigung
(Weiternutzung dieser Datei)
CC-BY-SA-3.0-DE.

Eigentlich wollte ich zum Wochenabschluss einen anderen Beitrag bringen, aber die „aktuellen Ereignisse“ machen dann dieses Posting doch wohl erforderlich. Welche aktuellen Ereignisse? Nun, es geht um den Donnerschlag aus Karlsruhe zur Verständigung (§ 257c StPO) bzw. zur vorgeschalteten Mitteilungs-/Belehrungspflicht der Gerichts. Dazu hat das BVerfG in dieser Woche drei Beschlüsse veröffentlicht, die man schon als Donnerschlag bezeichnen kann und m.E. zu der Frage führen: Quo vadis Verständigung?

Es handelt sich um folgende Beschlüsse:

„Die gesetzlich vorgeschriebene Belehrung des Angeklagten im Rahmen einer Verständigung muss nicht nur vor seinem Geständnis, sondern bereits vor seiner Zustimmung zu der Verständigung erfolgen. Wird der Angeklagte erst nach seiner Zustimmung zu der Verständigung belehrt, beruhen sein Geständnis und das Strafurteil im Regelfall auf dieser Grundrechtsverletzung. Für eine anderweitige Beurteilung im Einzelfall muss das Revisionsgericht konkrete Feststellungen treffen.“  

„Im Strafverfahren hat das Gericht zu Beginn der Hauptverhandlung mitzuteilen, ob Gespräche über die Möglichkeit einer Verständigung stattgefunden haben. Auch eine Negativmitteilung, dass keine solchen Gespräche stattgefunden haben, ist erforderlich.“

Ich möchte hier nun gar nicht weiter auf die konkreten Inhalte der Beschlüsse eingehen. Das würde m.E. den Rahmen eines Blogbeitrags sprengen. Auf die inhaltlichen Fragen werden demnächst sicherlich viele Aufsätze in überall in Fachzeitschriften veröffentlicht werden; auch wir haben übrigens bereits für den StRR einen Beitrag des Kollegen Dr. Deutscher vorliegen, der in einem der nächsten Hefte erscheinen wird. Ich will mich hier nur auf einige kurze Randbemerkungen beschränken:

  • Mich erstaunt die Diktion des BVerfG. Da heißt es im VerfG, Beschl. v. 26.082.014 – 2 BvR 2400/13:

    „Nach diesen Maßstäben ist die Auslegung des § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO, wie sie der Revisionsentscheidung zugrunde liegt, wonach eine Mitteilungspflicht gemäß dieser Vorschrift nicht bestehe, wenn keine auf eine Verständigung hinzielenden Gespräche stattgefunden haben, unter keinem denkbaren Aspekt rechtlich haltbar. Sie verstößt in unvertretbarer und damit objektiv willkürlicher Weise gegen den eindeutigen objektivierten Willen des Gesetzgebers, wie er auch im Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 19. März 2013 (BVerfGE 133, 168 ff.) herausgearbeitet wurde.“

So etwas habe ich bisher in einer Entscheidung des BVerfG zu einem BGH, Beschluss noch nicht gelesen. Das wird man beim 5. Strafsenat nun gar nicht gerne lesen. Aber auch der 2. Strafsenat wird es nicht gern lesen, bezieht sich doch die aufgehobene Entscheidungen des 5. Strafsenats auf den BGH, Beschl. v. 10.07.2014 – 2 StR 47/13  (vgl. dazu BVerfG ” einfachrechtlich nicht schlüssig” – BGH zur Mitteilungspflicht bei der Absprache) nicht. Da hatte der 2. Strafsenat ausgeführt: „Die Annahme des Bundesverfassungsgerichts, beim Fehlen von Vorgesprächen entfalle das Beruhen des Urteils auf dem Fehlen einer Mitteilung gemäß § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO ist daher einfachrechtlich nicht schlüssig, da nach dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift in diesem Fall bereits kein Rechtsfehler vorliegt“. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass das nun eine zumindest verbale Retourkutsche des BVerfG zu den Kollegen vom BGH ist – es trifft nur leider den falschen Senat. An den drei Entscheidungen des BVerfG war ja übrigens jeweils der Vater des BVerfG, Urt. v. 19.03.0213, RiBVerfG Landau, beteiligt.

  • Allen drei Entscheidungen des BVerfG ist m.E. deutlich anzumerken, dass das BVerfG strikt auf die Einhaltung der durch das BVerfG, Urt. v. 19.03.2013 der Verständigung und dem Verständigungsverfahren vorgegebenen Regeln achtet und bei „Wegabweichungen“ böse wird 🙂 .
  • Wenn man es so liest und sich das Rechtsprechungsmarathon der letzten Zeit zur Verständigung vergegenwärtigt, fragt man sich manchmal schon, ob es nicht vielleicht doch besser gewesen wäre, das BVerfG hätte im vorigen Jahr die Verständigungsregelungen für verfassungswidrig erklärt. Dann hätte der Gesetzgeber eine neue Regelung auf der Grundlage der BVerfG-Entscheidung finden könne/müssen und das Hin und Her hätte sich nicht fortgesetzt.
  • Eins ist m.E. zu erwarten: Der BGH wird gut daran tun, die Vorgaben/scharfen Worte aus dem Schloßbezirk zu beachten und nicht weiter versuchen, diese zu „umgehen“. Das bedeutet, dass er die Beruhensfrage in diesen Fällen wird noch einmal überdenken müssen. Das vor allem auch im Hinblick darauf, dass wir gerade erst einen Beitrag des Vorsitzenden des 2. Strafsenats bei HRRS haben lesen können: vgl. „Strafbarkeit beim Dealen mit dem Recht? Über Lausbuben- und Staatsstreiche“ -, in dem die Frage behandelt wird, wann sich Richter bei der Anwendung des Verständigungsgesetzes wegen Rechtsbeugung („elementarer Rechtsverstoß“) strafbar machen. Nach den BVerfG-Entscheidungen sicherlich von besonderer Brisanz.
  • Auch die Instanzgerichte werden auf der Grundlage gut daran tun, die Vorgaben des BVerfG zu beachten. Ich frage mich, ob die Entscheidungen nicht ggf. zu einem Rückgang bei den Verständigungen führen werden.
  • Und für mich selbst: Ich hatte in meinem Blogordner noch einige BGH-Entscheidungen zur Verständigung hängen, über die ich bei Gelegenheit berichten wollte. Die habe ich gelöscht. Sie und ihr Inhalt sind durch die o.a. BVerfG-Beschlüsse vom 25. und 26.08.2014 überrollt. Man wird das „Verständigungsrecht“ jetzt dann in „Davor/Danach“ einteilen müssen.

5 Jahre Verständigungsregelung – die juristischen Unwörter des Jahres

© pico - Fotolia.com

© pico – Fotolia.com

Schon wieder ein Jahrestag. Nachdem wir gerade am 01.07.2014 den 10. Jahrestag des Inkrafttretens des RVG „feiern“ konnten, können wir im laufenden Monat August schon wieder einen Jahrestag feiern, und zwar heute den 5. Jahrestag des am 04.08.2009 in Kraft getretenen  „Gesetz zur Regelung der Verständigung im Strafverfahren“ ((vgl. BGBl. I, S. 2274)). Das hat es in der Zeit schon bis zum BVerfG geschafft und ist dort auf „Bewährung“ durchgelassen worden (Da ist die Entscheidung aus Karlsruhe: Die genehmigte Verständigung, der verbotene Deal). Die neuen Vorschriften sind seit Sommer 2009 auch Gegenstand vieler – um nicht zu sagen unzähliger – Entscheidungen des BGH gewesen. Es vergeht kaum eine Woche, in der nicht auf der Homepage des BGH neue Entscheidungen veröffentlicht werden. Ich habe es inzwischen aufgegeben, die hier alle zu veröffentlichen/vorzustellen. Das würde m.E. langweilig. Oder: „Verständigung“, „Absprache“ und/oder „Mitteilungspflicht“ würden die (juristischen) Unwörter des Jahres, wenn sie das beim BGH nicht schon längst sind, so einer meiner „Zulieferer“ in der vergangenen Woche, jedenfalls sind es die (verfahrensrechtlichen) „Dauerbrenner“.

Aber heute dann – zur „Feier des Tages“ – dennoch mal wieder einige Verständigungsentscheidungen, und zwar die letzten, die auf der Homepage des BGH eingestellt worden sind. Das ist