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Über den OLG Celle, Beschl. v. 15.07.2013 – 31 Ss 24/13, der die Verlesung von Protokollen und Vermerken der Strafverfolgungsbehörden in der Hauptverhandlung nach § 256 Abs. 1 Nr. 5 StPO behandelt, kann man m.E. mit Fug und Recht schreiben: Schützt dem Unmittelbarkeitsgrund, entleert nicht die Hauptverhandlung, den sonst ist es keine „Verhandlung“. sondern nur noch eine „Verlesung“. Darauf läuft es nämlich dem Grunde nach hinaus, wenn man die die Zulässigkeit der Verlesung von Protokollen und Vermerken der Strafverfolgungsbehörden über Ermittlungshandlungen nicht von vornherein auf Routinevorgänge beschränkt, sondern eine Beschränkung nur durch die Aufklärungspflicht nach § 244 Abs. 2 StPO, deren Verletzung dann nur mit der Aufklärungsrüge geltend gemacht werden kann, vornimmt. Viele Entscheidungen zu dieser durch das 1. JuMoG 2004 in die StPO aufgenommenen Vorschrift gibt es nicht, daher sind die, die veröffentlicht werden von besonderem Interesse.
In der Sache geht es um einen den Angeklagte,n der vom AG vom Vorwurf der Sachbeschädigung (§ 303 Abs. 2 StGB) durch Anbringen von schwarzen Schriftzügen auf Bildern in einer Gaststättentoilette frei gesprochen worden war. Auf die Berufung der Staatsanwaltschaft hat das LG den Angeklagten wegen Sachbeschädigung verurteilt. Die Revision des Angeklagten hatte keinen Erfolg.
In der Revision stellte sich dann die verfahrensrechtliche Frage, ob die Grundlage für die Verurteilung wegen Sachbeschädigung in der Hauptverhandlung (§ 261 StPO) richtig ermittelt worden war. Das OLG hat das bejaht und nimmt in dem Zusammenhang auch auf einen Vermerk eines Polizeibeamten Bezug, in dem die notwendigen Informationen über die Herstellung von Abbildungen enthalten waren Der ist in der Hauptverhandlung verlesen worden.
„Abgesehen davon war jedenfalls die Verlesung des Vermerks des POK K. vom 25. Oktober 2012 nach § 256 Abs. 1 Nr. 5 StPO zulässig, weil er eine Erklärung über Ermittlungshandlungen der Polizei enthält und keine Vernehmung zum Gegenstand hat. Soweit die Revision meint, dass die Verlesung des Vermerks unzulässig war, weil er keinen Routinevorgang betreffe, kann ihr nicht gefolgt werden. Eine derartige Beschränkung der Verlesungsmöglichkeit kann weder dem Gesetzeswortlaut noch den Materialien entnommen werden. Zwar ergibt sich aus der amtlichen Begründung zum Gesetzentwurf, dass der Gesetzgeber bei Schaffung dieser Regelung in erster Linie „Protokolle und Vermerke über Routinevorgänge wie Beschlagnahme, Spurensicherung, Durchführung einer Festnahme, Sicherstellungen, Hausdurchsuchungen etc.“ im Blick hatte (vgl. BT-Drucks. 15/1508 S. 26). Weiter heißt es dort aber auch, dass der Polizeibeamte „bei den meist routinemäßig erstellten Protokollen“ (Hervorhebung d. d. Senat) ohnehin nicht mehr bekunden könne als das, was bereits schriftlich festgelegt sei (BT-Drucks. a. a. O.). Diese Formulierung zeigt, dass die Vorschrift auch nicht routinemäßig erstellte Protokolle und Vermerke erfasst. Mit Ausnahme von Vernehmungen erlaubt das Gesetz also grundsätzlich die Verlesung aller Protokolle und Vermerke über polizeiliche Ermittlungshandlungen (vgl. BGH NStZ 2008, 529; Meyer-Goßner § 256 Rn. 26; Pauly/Folkert-Hösser in Ratke/Hohmann StPO § 256 Rn. 19). Eine Beschränkung erfährt die Verlesungsmöglichkeit nur durch die Aufklärungspflicht nach § 244 Abs. 2 StPO. Ein Verstoß hiergegen ist allerdings mit einer Aufklärungsrüge geltend zu machen (vgl. BGH NStZ 1993, 397; Meyer-Goßner a. a. O. Rn. 30; Pauly/Folkert-Hösser a. a. O. Rn. 23), welche hier nicht in zulässiger Form erhoben worden ist, wie die Generalstaatsanwaltschaft bereits zutreffend ausgeführt hat. Im Übrigen betrifft der Vermerk vom 25. Oktober 2012 die Spurensicherung und damit einen der in der Begründung zum Gesetzentwurf ausdrücklich erwähnten Routinevorgänge. Das zur Tatortaufnahme eingesetzte PHIDIAS-Verfahren stellt entgegen der Revision auch nicht deshalb eine außergewöhnliche Besonderheit dar, weil es von speziell dafür ausgebildeten Polizeibeamten angewandt wird. Generell wird die Spurensicherung von dafür speziell ausgebildeten Polizeibeamten vorgenommen und ist dennoch in den Augen des Gesetzgebers ein Routinevorgang.
Der vom OLG gezogene Schluss ist m.E. nicht zwingend und schränkt die Unmittelbarkeit der Hauptverhandlung(§ 250 StPO) noch mehr ein, als sie durch die neue Vorschrift so oder so schon eingeschränkt wird. Warum das OLG sich „so weit aus dem Fenster gelehnt“ hat, erschließt sich mir nicht. Nötig wäre das nicht gewesen bzw. die Frage hätte man offen lassen können. Denn wenn man davon ausgeht, dass der Vermerk vom 25. 10. 2012 die Spurensicherung betrifft und damit einen der in der Begründung zum Gesetzentwurf des § 256 Abs. 1 Nr. 5 StPO ausdrücklich erwähnten Routinevorgang, dann kam es auf die Frage, ob die Vorschrift auch besondere Vorgänge erfasst nicht mehr. Es sei denn, das OLG war sich doch nicht so sicher, wie es zuvor hinsichtlich der Beurteilung der im Vermerk enthaltenen Erkenntnisse und Vorgänge schreibt.
Allerdings wird sich der Verteidiger auf diese Auffassung des OLG einstellen müssen und darauf zu achten haben, dass er „richtig“ reagiert. Das bedeutet, dass er, wenn er sich nicht mit der Verlesung zufrieden geben will, dieser widersprechen und im Hinblick auf § 244 Abs. 2 StPO einen Beweisantrag stellen muss. Den braucht er auch allein schon deshalb, weil er sonst die in der Revision nach Auffassung des OLG zu erhebende Aufklärungsrüge kaum ausreichend wird begründen können .