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Revision II: Öffentlichkeits- und Verlesungsrüge, oder: Ist die Verfahrensrüge ausreichend begründet?

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Und dann geht es weiter mit Entscheidungen zur Verfahrensrüge, und zwar mit zwei BGH-Beschlüssen, und zwar:

mit dem BGH, Beschl. v. 01.08.2023 – 4 StR 88/23 – „Öffenlichkeitsrüge“:

„b) Die Revision, die sich nicht dagegen wendet, dass dem Ausschluss der Öffentlichkeit entgegen § 174 Abs. 1 Satz 2 GVG kein Gerichtsbeschluss zugrunde lag, rügt als Verstoß gegen § 169 Abs. 1, § 171b GVG in Verbindung mit § 338 Nr. 6 StPO, dass vor den ergänzenden Angaben des Angeklagten zur Sache die Öffentlichkeit der Hauptverhandlung nicht wiederhergestellt worden war. Sie macht geltend, der Angeklagte habe nicht nur eine Erklärung im Sinne des § 257 Abs. 1 StPO zur vorangegangenen Beweiserhebung, sondern eine Einlassung zur Sache abgegeben. Daher habe die Öffentlichkeit vor seiner Äußerung wiederhergestellt werden müssen.

2. Die Rüge ist bereits unzulässig, denn der Vortrag des Beschwerdeführers zu ihrer Begründung genügt nicht den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO. Er enthält nicht sämtliche Tatsachen, deren es zur Prüfung des behaupteten Verfahrensverstoßes bedürfte.

a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs umfasst ein Ausschluss der Öffentlichkeit, der sich auf einen bestimmten Verfahrensvorgang beschränkt, auch weitere Verfahrensvorgänge, die mit diesem in enger Verbindung stehen oder sich aus ihm entwickeln und die daher zu demselben Verfahrensabschnitt gehören (vgl. nur BGH, Urteil vom 22. März 2023 – 1 StR 243/22 Rn. 9; Beschluss vom 17. November 2020 – 4 StR 223/20 Rn. 4; jew. mwN). Infolgedessen muss zur Begründung der Rüge eines zu weit erstreckten Ausschlusses der Öffentlichkeit nicht nur vorgetragen werden, welche Verfahrensvorgänge während seiner Dauer, also in nichtöffentlicher Hauptverhandlung, ausgeführt wurden, sondern diese müssen dabei auch so genau bezeichnet werden, dass dem Revisionsgericht die Nachprüfung ihres etwaigen Zusammenhangs mit dem den Öffentlichkeitsausschluss gebietenden Verfahrensvorgang möglich ist (vgl. BGH, Urteil vom 21. Oktober 2014 – 1 StR 78/14 Rn. 12 [insoweit in NStZ 2015, 226 nicht abgedruckt]).

b) Hieran fehlt es vorliegend.“

und der BGH, Beschl. v. 19.1.2023 – 4 StR 325/23 – zur „Verlesungsrüge“

„Nachdem sich die Angeklagte, ihr Verteidiger und der Vertreter der Staatsanwaltschaft damit einverstanden erklärt hatten, erließ die Strafkammer in der Hauptverhandlung einen Beschluss, wonach insgesamt 24 im Einzelnen bezeichnete ärztliche Berichte gemäß § 251 Abs. 1 Nr. 1 StPO verlesen werden sollten. Eine nähere Begründung enthielt der Beschluss nicht. Die Schriftstücke wurden schließlich im Wege des Selbstleseverfahrens (§ 249 Abs. 2 StPO) in die Hauptverhandlung eingeführt.
b) Die Rüge wurde schon nicht zulässig erhoben. Wie sich bereits aus dem Vorbringen in der Revisionsbegründung und ergänzend auch aus den Urteilsgründen ergibt, wurden mehrere derjenigen Ärztinnen und Ärzten, die aus den Schriftstücken als deren Verfasser hervorgehen, in der Hauptverhandlung als Zeugen gehört. In Bezug auf die hiervon betroffenen ärztlichen Berichte handelte es sich daher nicht um eine die Vernehmung der Auskunftsperson ersetzende, sondern vielmehr um eine vernehmungsergänzende Verlesung (hierzu etwa BGH, Beschluss vom 8. Februar 2018 – 3 StR 400/17 Rn. 18 mwN), die auch ohne Vorliegen der Voraussetzungen des § 251 StPO statthaft ist (Kreicker in MüKo-StPO, 2. Aufl., § 251 Rn. 6). Angesichts dessen hätte es zur Wahrung der sich aus § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO ergebenden Voraussetzungen der Darlegung bedurft, in Bezug auf welche konkreten ärztlichen Berichte es sich überhaupt um eine vernehmungsersetzende Verlesung im Sinne von § 250 Satz 2, § 251 Abs. 1 Nr. 1 StPO handelte (vgl. BGH, Urteil vom 7. Februar 2022 – 5 StR 542/20 Rn. 32 mwN).“

Revision I: Der Belehrungsfehler in der Revision, oder: Ausreichende Begründung der Verfahrensrüge?

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Und am heutigen sonnigen Dienstag gibt es dann etwas zu Revisionsrügen – also Verfahrensrügen.

Ich beginne mit zwei Entscheidungen zur Verfahrensrüge bei Belherungsfehlern.

Die Verfahrensrüge, mit der die Revision eine Verwertung der Angaben des Beschwerdeführers im Zuge seiner ersten polizeilichen Vernehmung beanstandet, weil der Angeklagte zuvor „nicht gesetzesgerecht“ gemäß „§ 163a Abs. 4 Satz 1“ in Verbindung mit § 136 Abs. 1 Satz 2 StPO belehrt worden sei, bleibt ohne Erfolg. Das Revisionsvorbringen genügt nicht den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO. Dabei kann dahinstehen, ob die Rüge – wie der Generalbundesanwalt meint – schon deshalb unzulässig ist, weil die in der Hauptverhandlung in Augenschein genommene Bild- und Tonaufzeichnung der Vernehmung mittels eines körpernah getragenen Aufnahmegeräts („Bodycam“) nicht vorgelegt worden ist (vgl. BGH, Beschlüsse vom 19. Dezember 2018 – 4 StR 58/18; vom 21. September 2022 – 6 StR 160/22, NStZ 2023, 758). Der Beschwerdeführer durfte sich jedenfalls nicht auf die auszugsweise Mitteilung der transkribierten Audiospur beschränken, zumal sich aus ihr Anhaltspunkte dafür ergeben, dass der Angeklagte nicht nur in der durch den Transkriptionsauszug belegten Art und Weise, sondern bereits zuvor belehrt worden war („Das habe ich dir vorhin schon mal gesagt.“). Dem Senat ist es daher verwehrt, die Rechtmäßigkeit der Beschuldigtenbelehrung umfassend zu beurteilen und gegebenenfalls weitergehend zu prüfen, ob aus dem Verfahrensfehler im konkreten Fall ein Beweisverwertungsverbot folgt.“

b) Zu der Beanstandung, eine ohne Belehrung nach § 163a Abs. 4 Satz 2 StPO i.V.m. § 136 Abs. 1 Satz 2 StPO gemachte Aussage sei verwertet worden, gehört die Mitteilung der Umstände, aus denen die Belehrungspflicht folgte, demgemäß also auch, dass gegen den Angeklagten im Zeitpunkt des Erscheinens der Polizeibeamten überhaupt ein Anfangsverdacht bestanden hatte (vgl. Bayerisches Oberstes Landesgericht, Beschluss vom 13. September 2021 – 202 StRR 105/21 –, juris Rn. 9). Die Pflicht zur Belehrung einer Person als Beschuldigten nach § 163a Abs. 4 Satz 2 StPO i.V.m. § 136 Abs. 1 Satz 2 StPO wird nämlich erst dann ausgelöst, wenn sich der Verdacht gegen sie so verdichtet hat, dass sie ernstlich als Täter einer Straftat in Betracht kommt (vgl. BGH, Beschluss vom 7. September 2017 – 1 StR 186/17 –, juris).

c) Für die Begründung der Rüge ist damit unerlässlich, den Inhalt der nach Auffassung des Beschwerdeführers zu Unrecht verwerteten Aussage vollständig und genau wiederzugeben (vgl. BGH, Beschluss vom 9. März 1995 – 4 StR 77/95 –, juris Rn. 8; Gericke a.a.O. Rn. 43).

d) Diesen Anforderungen genügt die Revisionsbegründung hier nicht. …..

Beweis III: Vorsorglich gestellter Beweisantrag, oder: Anforderungen an die Verfahrensrüge

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Und dann zum Tagesschluss die angekündigte Entscheidung des KG. Es geht in dem KG, Beschl. v. 02.02.2024 – 3 ORbs 9/24 – 122 Ss 6/24 – um die Anforderungen an eine Verfahrensrüge in Bezug auf einen nicht beschiedenen „vorsorglich“ gestellten Beweisantrag.

Dazu das KG:

„Die durch die Rechtsbeschwerde erhobene Verfahrensrüge, das Amtsgericht habe entgegen §§ 77 Abs. 3 OWiG, 244 Abs. 6 Satz 1 StPO einen Beweisantrag nicht beschieden, ist unzulässig (§§ 79 Abs. 3 OWiG, 344 Abs. 2 Satz 2 StPO). Der Antrag, die Urheberin der vorgenannten Bescheinigung als Zeugin zu vernehmen, ist nur „vorsorglich“ gestellt worden. Die Rechtsbeschwerde hätte daher – innerhalb der Rechtsbeschwerdebegründungsfrist – vortragen müssen, unter welcher Bedingung die Antragstellung erfolgte und warum diese Bedingung eingetreten ist, sodass die Ablehnung nur durch einen Beschluss unter den Voraussetzungen der §§ 77 OWiG, 244 Abs. 3 StPO erfolgen durfte (vgl. BGH NStZ 2021, 382 und zuvor BGH NStZ-RR 1999, 1 bei Miebach/Sander; BGH NStZ-RR 2013, 349). Dies gilt umso mehr, als das Beweisbegehren bei verständiger, jedenfalls naheliegender Würdigung daran geknüpft war, dass der bescheinigte Inhalt vom Tatgericht nicht geglaubt wird. Tatsächlich hat das Tatgericht den bescheinigten Inhalt aber zumindest als wahr unterstellt, hieran aber nicht die vom Betroffenen gewünschte Schlussfolgerung geknüpft, er werde auch im Falle eines nur einmonatigen Fahrverbots entlassen.

Im nachgereichten Schriftsatz bekundet die Verteidigung, der Beweisantrag sei an die Bedingung geknüpft gewesen, dass das Amtsgericht auf das verwirkte Regelfahrverbot erkennen werde. Diese Tatsachenerklärung zu einer erhobenen Verfahrensrüge ist verspätet (§§ 79 Abs. 3 OWiG, 345 Abs. 1 Satz 1 StPO). Auf die inhaltlich bestehenden Zweifel, dass dem Beweisantrag ein solcher Erklärungsgehalt tatsächlich beikommt und dieser auch erkennbar geworden ist, kommt es daher nicht an.“

StPO II: Über entfallene Bindungswirkung belehrt?, oder: Mit Verfahrensrüge Glück gehabt

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Und dann eine weitere Entscheidung des BGH zur Verständigung (§ 257c StPO), und zwar BGH, Beschl. v. 17.8.2023 – 2 StR 164/23 – zur Frage der Verletzung der verständigungsbezogenen Belehrungspflicht (§ 257c Abs. 5 StPO).

Nach dem Sachverhalt hatte das LG hat den Angeklagten wegen Verstößen gegen das BtMG verurteilt. Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten hatte mit der Rüge der Verletzung des Rechts auf ein faires Verfahren bzw. einer Verletzung der § 257c Abs. 5 StPO entsprechenden Belehrungspflicht Erfolg.

Der BGh geht von folgendem Verfahrensgeschehen aus: Zur Vorbereitung der Hauptverhandlung fand am 20.06.2022 ein Erörterungstermin statt, an dem die verhandlungsleitende Richterin der Strafkammer, die Vertreterin der Staatsanwaltschaft und einer der beiden Verteidiger des Angeklagten teilnahmen. Nach Erörterung des Verfahrensgegenstandes und des Hinweises der Richterin, dass weder die Frage einer möglichen Unterbringung nach § 64 StGB noch diejenige der Einziehung Gegenstand einer Verständigung sein könnten, kündigte der anwesende Verteidiger an, dass nach Rücksprache mit dem Angeklagten und dem weiteren Verteidiger eine geständige Einlassung im Sinne der Anklage geplant sei. Nach weiterer Erörterung erklärte die Staatsanwältin, dass nach aktueller Aktenlage keine Anhaltspunkte für eine Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt ersichtlich seien und nur unter der Prämisse einer umfassenden geständigen Einlassung ein Strafrahmen zwischen sechs Jahren und neun Monaten und sieben Jahren und sechs Monaten denkbar sei. Die Richterin teilte mit, dies stelle aus ihrer Sicht den denkbar untersten Rand einer tat- und schuldangemessenen Strafe dar. Der Verteidiger erklärte, dass gleichwohl weiterhin eine geständige Einlassung geplant sei, und er sich zeitnah wegen der Fortführung der Verständigungsgespräche melden werde.

In der am 30.08.2022 erstmals begonnenen Hauptverhandlung wurde ein Vermerk über das Verständigungsgespräch vom 20.06.2022 verlesen, selbiges protokolliert und der Inhalt des Vermerks durch eine Bezugnahme auf die Fundstelle in den Akten im Hauptverhandlungsprotokoll dokumentiert. Anschließend kam es zu einer Verständigung, in deren Folge sich der Angeklagte vollumfänglich geständig zur Sache einließ. Diese Hauptverhandlung musste später ausgesetzt werden.

In der am 11.10.2022 neuerlich begonnenen Hauptverhandlung führte die Vorsitzende nach Verlesung der Anklageschrift und der Feststellung zur Zulassung derselben aus, dass am 20.06.2022 ein Erörterungstermin im Hinblick auf eine Verständigung stattgefunden habe. Das Erörterungsprotokoll vom 20.06.2022 wurde erneuet verlesen und selbiges im Hauptverhandlungsprotokoll unter Bezugnahme auf die Fundstelle in den Akten dokumentiert. Danach wies sie den Angeklagten darauf hin, dass es ihm freistehe, sich zur Anklage zu äußern oder nicht auszusagen. Die Beteiligten erhielten Gelegenheit zu dem verlesenen Erörterungsprotokoll Stellung zu nehmen, wovon sowohl die Vertreterin der Staatsanwaltschaft wie auch die Verteidigung Gebrauch machten. Nach Beratung unterbreitete die Strafkammer den Verfahrensbeteiligten anschließend einen Verständigungsvorschlag dahingehend, dass die Strafkammer für den Fall eines umfassenden Geständnisses im Sinne der Anklage der Verurteilung einen Strafrahmen von sechs Jahren und neun Monaten bis sieben Jahren und sechs Monaten Gesamtfreiheitsstrafe zugrunde legen werde. Nachdem der Angeklagte gemäß § 257c Abs. 5 StPO belehrt worden war, stimmten alle Verfahrensbeteiligten dem Verständigungsvorschlag zu. Im weiteren Verlauf der Hauptverhandlung ließ sich der Angeklagte geständig zur Sache ein.

Die Revision hatte mit der Verfahrensrüge Angriffsrichtung einer Verletzung des Rechts auf ein faires Verfahren bzw. einer Belehrungspflicht entsprechend § 257c Abs. 5 StPO Erfolg:

„a) Die Rüge ist zulässig erhoben. Sie genügt dem Vortragserfordernis des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO.

aa) Entgegen der Ansicht des Generalbundesanwalts bedurfte es hierfür nicht der Vorlage des Protokolls der ausgesetzten Hauptverhandlung. Insoweit reicht das ? im Übrigen unwidersprochene ? Vorbringen der Revision, dass sich der Angeklagte im Zuge der ausgesetzten Hauptverhandlung in Folge der Verständigung geständig eingelassen hat.

bb) Es ist hier auch unschädlich, dass die Revision nicht vorträgt, ob der Angeklagte in der ausgesetzten Hauptverhandlung vor der Verständigung ordnungsgemäß nach § 257c Abs. 5 StPO belehrt worden war, mithin nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs keine Pflicht zur Belehrung über die Unverwertbarkeit des Geständnisses bestand (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 17. Februar 2021 ? 5 StR 484/20, BGHSt 66, 37, 45 ff.). Denn die Revision stellt dar, dass der Angeklagte weder auf die entfallene Bindungswirkung noch auf die Unverwertbarkeit seines Geständnisses hingewiesen worden ist.

b) Die Verfahrensrüge ist auch begründet.

aa) In Folge der Aussetzung der Hauptverhandlung ist die Bindungswirkung der getroffenen Verständigung entfallen (vgl. BGH, Beschluss vom 17. Februar 2021 ? 5 StR 484/20, aaO, S. 41; KK-StPO/Moldenhauer/Wenzke, 9. Aufl., § 257c Rn. 42d bis 42e). Dies zieht die Unverwertbarkeit des im Vertrauen auf ihren Bestand abgegebenen Geständnisses des Angeklagten in der neuen Hauptverhandlung nach sich (vgl. BGH, Beschluss vom 17. Februar 2021 ? 5 StR 484/20, aaO, S. 42 ff.).

bb) Der Senat kann offenlassen, ob der Angeklagte qualifiziert über die Unverwertbarkeit seiner vormaligen verständigungsbasierten Einlassung zu informieren war (vgl. BGH, Beschluss vom 24. April 2019 ? 1 StR 153/19, NStZ 2019, 483; BeckOK StPO/Eschelbach, 48. Ed., § 257c Rn. 30a; Meyer-Goßner/Schmitt/Schmitt, StPO, 66. Aufl., § 257c Rn. 30b; SSW-StPO/Ignor/Wegner, 5. Aufl., § 257c Rn. 124; Kudlich, NJW 2021, 2445; Ventzke, NStZ 2021, 572, 574) oder ob es in diesem Fall ausreicht, wenn der Angeklagte lediglich über den Wegfall der Bindungswirkung der getroffenen Verständigung informiert wird, sofern er in der ausgesetzten Hauptverhandlung vor der dortigen Verständigung ordnungsgemäß nach § 257c Abs. 5 StPO belehrt worden war (vgl. BGH, Beschluss vom 17. Februar 2021 ? 5 StR 484/20, BGHSt 66, 37, 45 ff.; KK-StPO/Moldenhauer/Wenske, aaO), denn es fehlt bereits an dem Hinweis an den Angeklagten durch das Gericht, dass die Bindungswirkung an die getroffene Verständigung durch die erfolgte Aussetzung entfallen war.

c) Das Geständnis des Angeklagten und damit das Urteil beruhen auf dem Verstoß gegen die Belehrungspflicht (§ 337 Abs. 1 StPO). Der Senat kann die Ursächlichkeit des Belehrungsfehlers für das Geständnis nicht ausnahmsweise ausschließen.

aa) Der Angeklagte hat die ihm zur Last gelegten Taten auf der Grundlage der Verständigung eingeräumt. Hierauf hat die Strafkammer die Verurteilung gestützt.

bb) Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass dem Angeklagten die Voraussetzungen für den Wegfall der Bindungswirkung bei Abgabe des Geständnisses bekannt waren (vgl. BVerfG, Urteil vom 19. März 2013 ? 2 BvR 2628/10, BVerfGE 133, 168 ff. Rn. 99 und 127; Senat, Beschluss vom 30. März 2021 ? 2 StR 383/20, juris Rn. 6; BGH, Beschlüsse vom 15. Dezember 2021 ? 6 StR 528/21, juris Rn. 5; vom 21. März 2017 ? 5 StR 73/17, juris Rn. 6), sind nicht erkennbar. Dass der Angeklagte angesichts des wiederholt verlesenen Vermerks über das Erörterungsgespräch vom 20. Juni 2022 und der erneuten Verständigungsgespräche in der Hauptverhandlung vom 11. Oktober 2022 ? wie der Generalbundesanwalt meint ? hinreichend informiert war, dass die Verständigung in dem ausgesetzten Verfahren in der neu begonnenen Hauptverhandlung keine Bindungswirkung mehr entfaltete, kann der Senat nicht zweifelsfrei annehmen. Der Neubeginn der Hauptverhandlung brachte es mit sich, dass alle Verfahrensschritte wiederholt werden mussten, ohne dass dies aus Sicht des Angeklagten den Rückschluss erlaubte, dass damit deren materielle Wirksamkeit entfallen war. Allein die Wiederholung der Verständigung konnte daher seine autonome Entscheidung über eine Zustimmung zu einer neuerlichen Verständigung und sein anschließendes Geständnis nicht sichern.“

Die Ausführungen des BGH zur Zulässigkeit der Verfahrensrüge zeigen m.E. immer, auf was der Verteidiger bei deren Begründung ggf. alles achten muss und was man ggf. auch noch hätte vortragen sollen. Denn wird etwas vergessen – und der BGh sieht es als wichtig an, wobei man nie weiß, woran er das fest macht, ist das schnell ein Einfallstor für die Verwerfung der Revision oder zumindest für die Unzulässigkeit der Verfahrensrüge. Hier hat der Angeklagte noch einmal Glück gehabt. Der BGh wollte offenbar an die Entscheidung „ran“.

 

StPO I: Mitteilungspflicht zur Verständigung erfüllt?, oder: Was muss in der Revision vorgetragen werden?

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Heute dann ein wenig StPO. Und ich eröffne den Tag mit dem schon etwas älteren BGH, Beschl. v. 01.03.2023 – 2 StR 56/22. Es geht – mal wieder – um die ausreichende Begründung der Verfahrensrüge. Das LG hat die Angeklagte J, um deren Revision es geht, u.a. wegen schweren Bandendiebstahls in 31 Fällen verurteilt. Hiergegen richten sich Revision der Angeklagten, mit der u.a.  das Verfahren beanstandet wird. Mal wieder: Ohne Erfolg:

„Der von der Angeklagten J. erhobenen Verfahrensbeanstandung bleibt der Erfolg ebenso versagt (1.) wie ihrem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur weiteren Begründung dieser Rüge (2.).

1. Die Verfahrensrüge, mit der die Angeklagte eine Verletzung der Vorschriften zur Verständigung geltend macht, ist unzulässig.

a) Die Revision hat Folgendes vorgetragen:

aa) Am zweiten Tag der Hauptverhandlung wurde unter Ausschluss der Öffentlichkeit zwischen den Verfahrensbeteiligten ein Verständigungsgespräch geführt. Nach Fortsetzung der Hauptverhandlung wurde in das Protokoll der Satz aufgenommen, wonach der Vorsitzende den „wesentlichen Inhalt des Rechtsgesprächs“ mitgeteilt habe. Eine konkrete Dokumentation dieses wesentlichen Inhalts im Protokoll erfolgte zu diesem Zeitpunkt jedoch nicht. Am vierten Hauptverhandlungstag ließ sich die Angeklagte sodann geständig ein. Danach – am fünften Hauptverhandlungstag – verlas der Vorsitzende einen umfassenden – und von der Revision nicht beanstandeten – Vermerk zum wesentlichen Inhalt der zuvor geführten Verständigungsgespräche, der als Anlage zum Hauptverhandlungsprotokoll genommen wurde.

bb) Die Revision meint, es liege damit ein durchgreifender Verfahrensfehler vor. Im Zeitpunkt, in dem sich die Angeklagte geständig eingelassen habe, habe das Protokoll entgegen den Anforderungen des § 273 Abs. 1a StPO den wesentlichen Inhalt der geführten Gespräche nicht dokumentiert. „Diese Mitteilung kam erst einen Monat später mit einem Wochen nach dem eigentlichen Gespräch gefertigten Vermerk, und zwar nachdem – und das ist entscheidend – sich die Angeklagte umfassend zur Sache geständig eingelassen und damit eine Entscheidung über ihre Verteidigungsposition getroffen hatte.“ Bereits die im Zeitpunkt der Ablegung des Geständnisses unzureichende Protokollierung begründe einen eigenständigen Rechtsfehler. Das Risiko einer informellen Verständigung sei mit Händen zu greifen.

b) Der Revisionsvortrag genügt den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO nicht.

aa) Nach dieser Vorschrift sind die den Verfahrensmangel begründenden Tatsachen so vollständig und verständlich darzulegen, dass das Revisionsgericht allein aufgrund dieser Darlegung das Vorhandensein eines Verfahrensmangels feststellen kann, wenn die behaupteten Tatsachen bewiesen werden. Der Revisionsführer muss die vorgebrachten Tatsachen mit Bestimmtheit behaupten, das heißt keinen Zweifel daran lassen, dass sie sich tatsächlich ereignet haben. Für einen erschöpfenden Vortrag ist hierbei nicht nur erforderlich, dass der Beschwerdeführer die ihm nachteiligen Tatsachen nicht übergeht, sondern auch, dass er die Fakten vorträgt, die für das Vorliegen eines Ausnahmetatbestandes sprechen können, der seiner Rüge den Boden entzieht (st. Rspr.; vgl. nur Senat, Urteil vom 22. Juli 2015 – 2 StR 389/13 , juris Rn. 55; Beschluss vom 23. Juni 2022 – 2 StR 269/21 , NStZ-RR 2022, 355; BGH, Urteil vom 26. Mai 1981 – 1 StR 48/81 , BGHSt 30, 131, 135 ; Beschluss vom 11. September 2007 – 1 StR 273/07 , BGHSt 52, 38, 40 f. ; vgl. auch BVerfG, NJW 2005, 1999, 2001; KK-StPO/Gericke, 9. Aufl., § 344 Rn. 38 ff. mwN).

bb) Einen erschöpfenden und widerspruchsfreien Vortrag zum maßgeblichen Verfahrensgeschehen lässt die Revision vermissen.

(1) Insbesondere ergibt sich aus ihrer Begründung nicht eindeutig, ob der Vorsitzende bereits am zweiten Sitzungstag der Hauptverhandlung – mithin vor Ablegung des Geständnisses durch die Angeklagte – seiner mündlichen Mitteilungspflicht aus § 243 Abs. 4 Satz 2 StPO nachgekommen ist (vgl. zum Zeitpunkt BGH, Beschluss vom 3. August 2022 – 5 StR 62/22 , NStZ 2022, 761).

(a) Hierfür kann zwar der – indes mit Blick auf § 257b StPO nicht gänzlich eindeutige und auch deswegen von der Revision beanstandete – Protokollinhalt angeführt werden, wonach der Vorsitzende den „wesentlichen Inhalt des Rechtsgesprächs“ mitgeteilt habe. Auch der Vortrag der Revision, wonach es der Vorsitzende vor Ablegung des Geständnisses durch die Angeklagte versäumt habe, den wesentlichen Inhalt der Erörterungen zwischen den Verfahrensbeteiligten „zu Protokoll“ mitzuteilen, spricht dafür, dass zwar eine mündliche Mitteilung erfolgt ist, diese jedoch ihrem Inhalt nach nicht protokolliert wurde.

(b) Diese Erwägungen lassen sich aber nicht mit dem weiteren Vortrag der Revision vereinbaren, wonach das Vorliegen einer „informellen Verständigung“ zu besorgen sei. Gleiches gilt für die Ausführungen der Revision, dass „diese Mitteilung“ erst nach Ablegung des Geständnisses durch Verlesung eines Vermerks am fünften Sitzungstag erfolgt sei.

(2) Die Revision weist zwar zutreffend darauf hin, dass der Senat in einer früheren Entscheidung das Vorbringen eines Revisionsführers zu § 273 Abs. 1a StPO grundsätzlich bereits dann als den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO genügend erachtet hat, sofern sich daraus ergibt, dass Verständigungsgespräche außerhalb der Hauptverhandlung geführt wurden und eine (mündliche) Mitteilung des Vorsitzenden über deren wesentlichen Inhalt jedenfalls nicht entsprechend § 273 Abs. 1a StPO im Protokoll dokumentiert wurde (vgl. Senat, Urteil vom 10. Juli 2013 – 2 StR 195/12 , BGHSt 58, 310, 311 f. ).

(a) Indes hat der Gesetzgeber Verstöße gegen die verfahrensrechtlichen Sicherungen der Verständigung nicht als absolute Revisionsgründe eingestuft (vgl. BVerfGE 133, 168, 223). Die Bandbreite bei Verstößen gegen die Transparenz- und Dokumentationspflichten reicht von geringfügigen Unvollständigkeiten bis hin zu deren völliger Missachtung oder groben Falschdarstellungen (vgl. BVerfG, NStZ 2015, 170, 171 f. [BVerfG 15.01.2015 – 2 BvR 878/14] ). Die Revisionsgerichte sind daher nicht gehindert, aufgrund einer an den Umständen des Einzelfalls ausgerichteten Gesamtbetrachtung ausnahmsweise zu einer Unbeachtlichkeit des Verstoßes gegen die Vorschriften zur Verständigung zu gelangen (vgl. BVerfG, NJW 2020, 2461, 2464 [BVerfG 04.02.2020 – 2 BvR 900/19] ; BGH, Beschluss vom 23. Juni 2020 – 5 StR 115/20 , NStZ 2020, 751, 752).

Auch der Senat hat in seiner Entscheidung vom 10. Juli 2013 auf die Möglichkeit hingewiesen, dass ein Angeklagter „im Einzelfall auch bei fehlerhaftem Hauptverhandlungsprotokoll durch eine ebenso zuverlässige Dokumentation in anderer Weise so unterrichtet wird, dass das Beruhen des Urteils auf dem Protokollierungsfehler ausgeschlossen werden kann“ (Senat, Urteil vom 10. Juli 2013 – 2 StR 195/12 , BGHSt 58, 310, 314 ).

(b) Um dem Senat die Möglichkeit einer entsprechenden Gesamtbetrachtung des gerügten Verstoßes gegen § 273 Abs. 1a StPO zu eröffnen, hätte die Revisionsführerin aber darlegen müssen, ob der Vorsitzende vor Ablegung des Geständnisses den Anforderungen des § 243 Abs. 4 Satz 2 StPO entsprechend den wesentlichen Inhalt der geführten Verständigungsgespräche mündlich mitgeteilt hat (vgl. zur Authentizität solcher Mitteilungen BVerfG, NJW 2020, 2461, 2464 [BVerfG 04.02.2020 – 2 BvR 900/19] mwN). Aufschluss hierüber gibt im vorliegenden Fall – anders als im Verfahren 2 StR 195/12 – auch nicht der gänzlich abstrakt gehaltene Protokolleintrag vom zweiten Sitzungstag.

c) Der Senat muss daher nicht entscheiden, ob er – wozu er neigt – eingedenk einer neueren Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ( Beschluss vom 9. Dezember 2015 – 2 BvR 1043/15 ; vgl. auch MüKo-StPO/Knauer/Kudlich, § 344 Rn. 138 ff.) seine bisherige Rechtsprechung zur Revisibilität von Verstößen gegen § 273 Abs. 1a StPO aufgibt (diese bereits ablehnend BGH, Urteil vom 3. November 2022 – 3 StR 127/22 , NStZ 2023, 306, 307; Beschluss vom 12. Dezember 2013 – 3 StR 210/13 , BGHSt 59, 130, 136 ).

2. Der Antrag der Angeklagten J. auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung zur Frist zur weiteren Begründung der Verfahrensrüge ist – ungeachtet des Umstandes, dass sie ihn entgegen § 45 Abs. 1 StPO an die Staatsanwaltschaft Köln gerichtet hat – ebenfalls unzulässig.

a) Die Revision der Angeklagten ist nämlich infolge der rechtzeitig erhobenen Sachrüge frist- und formgerecht begründet worden. In solchen Fällen kommt eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur weiteren Begründung der Revision nur bei besonderen Verfahrenslagen in Betracht, in denen dies zur Wahrung des Anspruchs eines Angeklagten auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) unerlässlich ist (st. Rspr.; vgl. nur Senat, Beschluss vom 2. Dezember 2020 – 2 StR 267/20 , NStZ 2021, 753; BGH, Beschlüsse vom 21. Februar 1951 – 1 StR 5/51 , BGHSt 1, 44, 46 , und vom 23. August 2012 – 1 StR 346/12 ; vgl. auch KK-StPO/Gericke, 9. Aufl., § 345 Rn. 26 mwN).

b) Eine solche Ausnahmesituation liegt hier nicht vor. Der Antrag ist auf eine Ergänzung der Revisionsbegründung um den vollständigen Inhalt des durch den Vorsitzenden am fünften Sitzungstag verlesenen Vermerks gerichtet. Indes hat die Revision bereits innerhalb der Frist des § 345 Abs. 1 Satz 1 StPO vorgetragen, dass der Inhalt dieses Vermerks nicht zu beanstanden sei und daher von ihr nicht angegriffen werde. Der Anspruch der Angeklagten auf rechtliches Gehör gebietet damit keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.“