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Erst mal über die Klippe „Verfahrensrüge“ springen…

entnommen wikimedia.org Urheber Harald Bischoff

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Urheber Harald Bischoff

In Rechtsprechung und Literatur ist ja seit einiger Zeit ein „Kampf entbrannt“, ob und wie § 329 Abs. 1 StPO mit dem EGMR konventionskonform auszulegen und deshalb ggf. ein  Verwerfungsurteil nch § 329 Abs. 1 StPO bei unentschuldigtem Ausbleiben des Angeklagten und Anwesenheit eines verteidigungsbereiten Verteidigers zulässig ist. Wir haben darüber ja auch schon ein paar Mal berichtet (vgl.z.B. Auch du mein Sohn Brutus/OLG Bremen: Was schert uns der EGMR – oder kein Abgesang auf die Berufungsverwerfung oder: OLG München: Was schert mich der EGMR – oder kein Abgesang auf die Berufungsverwerfung).

Nun hat sich das KG mit dem KG, Beschl. v. 07.02.2014 – (4) 161 Ss 5/14 (14/14) in der Diskussion auch noch einmal zu Wort gemeldet. Allerdings auf einem Nebenkriegsschauplatz, nämlich bei der Frage nach den Anforderungen an die Verfahrensrüge in diesen Fällen. Dazu führt das KG aus:

a) Die Verfahrensrügen sind schon nicht zulässig erhoben. Die von der Revision verlangte Abwesenheitsverhandlung erforderte – wollte man eine entsprechende konventionskonforme Auslegung des § 329 Abs. 1 StPO im Sinne der Rechtsprechung des EGMR überhaupt in Betracht ziehen – jedenfalls, dass der verteidigungs- und vertretungsbereite Verteidiger nicht nur erscheint, sondern auch mit einer schriftlichen Vertretungsvollmacht des Angeklagten ausgestattet ist und diese vorweist (vgl. OLG München, Beschluss vom 17. Januar 2013 – 4 StRR (A) 18/12 – [juris-Rn.13], insoweit in NStZ 2013, 358 nicht abgedruckt; OLG Düsseldorf StV 2013, 299, 301; OLG Hamm, Beschluss vom 14. Juni 2012 – III-1 RVs 41/12 – [juris-Rn.12]; OLG Celle NStZ 2013, 615, 616; Mosbacher NStZ 2013, 312, 314). Da (nur) in einem solchen Fall eine zulässige Vertretung im Sinne des § 329 Abs. 1 Satz 1 StPO anzunehmen ist, hielte sich die von den Revisionen verlangte Gesetzesinterpretation noch „im Rahmen einer methodisch vertretbaren Auslegung“ im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Dementsprechend sieht auch der Referentenentwurf des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz über ein „Gesetz zur Stärkung des Rechts auf Vertretung durch einen Verteidiger in der Berufungshauptverhandlung“ (Bearbeitungsstand 19. Dezember 2013) vor, dass eine Verwerfung der Berufung des Angeklagten nicht mehr erfolgen darf, wenn statt des Angeklagten ein „vertretungsbereiter Verteidiger mit schriftlicher Vertretungsvollmacht“ in dem Termin zur Berufungshauptverhandlung erschienen ist.

Deshalb gehört zu einer den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO genügenden Verfahrensbeschwerde der Vortrag, dass sich der verteidigungs- und vertretungsbereite Verteidiger auf eine solche, ihm in schriftlicher Form erteilte besondere Vollmacht des abwesenden Angeklagten berufen und diese dem Gericht nachgewiesen hat (vgl. OLG Celle aaO; s. auch OLG Hamburg, Beschluss vom 3. Dezember 2013 – 1 Ss 68/13 – [juris-Rn. 26]; KG, Beschluss vom 3. Januar 2012 – [2] 1 Ss 421/11 [58/11] –). Daran fehlt es hier. Aus dem angefochtenen Urteil ergibt sich vielmehr, dass die erschienenen Verteidiger gerade keine entsprechende Vollmacht vorgelegt oder eine Bevollmächtigung auch nur behauptet hätten. …“

Also: Die Klippe muss man schon überspringen, wenn die Verteidigung an der Stelle Erfolg haben soll..

Nur kurz: Verfahrensrüge – Mitteilungspflicht verletzt? Gibt es überhaupt etwas mitzuteilen?

© Dan Race - Fotolia.com

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Bringen wir heute am Jahrestag der Verständigungsentscheidung des BVerfG vom 19.03.2013 nach Verständigung/Mitteilungspflicht: Wie war das Wetter an dem Tag? noch einen Beitrag zur Mitteilungspflicht, und zwar zur Frage: Begründung der Verfahrensrüge (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO). Dazu heißt es im BGH, Beschl. v. 29.01.2014 – 1 StR 523/13 – kurz und zackig:

„Der Angeklagte macht geltend, der Kammervorsitzende habe in der Hauptverhandlung entgegen § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO nicht bekanntgegeben,  ob vor der Hauptverhandlung mündliche oder schriftliche Erörterungen nach §§ 202a, 212 StPO stattgefunden haben, deren Gegenstand die Möglichkeit einer Verständigung gewesen ist.

2. Es bestehen bereits Bedenken gegen die Zulässigkeit dieser Rüge, denn der Beschwerdeführer hat nicht vorgetragen, ob Erörterungen im Sinne des § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO stattgefunden haben (vgl. BGH, Urteil vom 10. Juli 2013 – 2 StR 47/13, zur Veröffentlichung vorgesehen in BGHSt 58, 315).“

Tja, da muss man dem BGH folgen. Denn, ob die Mitteilungspflicht verletzt ist, kann ich nur feststellen, wenn ich weiß, ob überhaupt mitzuteilende Erörterungen stattgefunden haben. Das war aber nicht der Fall. Es ist zwar wohl viel geredet worden, aber es haben nicht alle zusammen geredet, wenn man die „Feststellungen“ des BGH richtig versteht:

Der Senat hat im Freibeweisverfahren von den beteiligten Berufsrichtern und dem Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft dienstliche Äußerungen so-wie von der Verteidigerin eine Erklärung dazu eingeholt, ob ihnen Erörterungen i.S.v. § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO bekannt geworden sind. Auch dem Angeklagten wurde Gelegenheit zur Äußerung gegeben. Von den Berufsrichtern wurden derartige Erörterungen unter ihrer Beteiligung verneint. Der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft erklärte, dass er vor Beginn der Hauptverhandlung mit der Verteidigerin die jeweiligen Strafvorstellungen ausgetauscht habe, dass es aber zu keinem Gespräch mit der Strafkammer gekommen sei. Der Senat versteht die dienstlichen Äußerungen der Berufsrichter dahingehend, dass diese von dem Gespräch zwischen Staatsanwaltschaft und Verteidigung keine Kenntnis erlangt hatten. Auch die Verteidigerin behauptet nicht, dass unter ihrer Beteiligung Gespräche mit der Strafkammer stattgefunden haben. Es entziehe sich jedoch ihrer Kenntnis, ob gegebenenfalls Gespräche zwischen Strafkammer und Staatsanwaltschaft stattgefunden hätten. Dass dies nicht der Fall war, ergibt sich gleichfalls aus den dienstlichen Äußerungen der Berufsrichter und des Sitzungsvertreters der Staatsanwaltschaft.“

Zweimal Beschleunigung – das geht nicht so schnell

© a_korn - Fotolia.com

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Man kennt den Satz „Denn bei der Post, gehts nicht so schnell ...„; stammt, wenn ich das richtig in Erinnerung habe, aus der Operette „Der Vogelhändler“ von Carl Zeller. Abgewandelt dann: Bei Gericht geht es häufig auch nicht so schnell. Nun, um die dadurch vor allem auch im Strafverfahren für die Beschuldigten entstehenden Erschwernisse aufzufangen, hat der BGH seine Vollstreckungslösung mit einer im Ergebnis durchzuführenden Kompensationsentscheidung in dem Sinn: Das Verfahren dauerte zu lange, deshalb gilt ein Teil X der verhängten Strafe bereits als verbüßt, eingeführt (vgl. zur Vollstreckungslösung Strafzumessung: Verfahrensverzögerungen – ein paar Anhaltspunkte).

Allerdings: Eine Klippe hat diese Vollstreckungslösung, nämlich die Frage, wie man damit in der Revision umgeht. Zunächst waren sich dazu die Strafsenate des BGH nicht einig, ob eine Verfahrensverzögerung mit der Sachrüge oder erst auf eine ausreichend (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO !!!!!!!!) begründete Verfahrensrüge zu berücksichtigen ist. Der 5. Strafsenat wollte die Sachrüge ausreichend sein lassen, ist dann aber wieder auf die Linie der übrigen Strafsenate eingeschwenkt. Daher kann man als heute h.M. festhalten, dass in der Regel die Verfahrensrüge zu erheben ist.

Damit befassen sich auch (noch einmal) zwei OLG-Beschlüsse, die man sich als Verteidiger dann doch einmal durchlesen sollte. Und zwar:

1. KG, Urt. v. 24.09.2013 – (4) 121 Ss 136/13 (170/13) – mit dem Leitsatz zu der Problematik:

„Drängt sich nach den Urteilsgründen eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung nicht auf, sind in der Revisionsbegründung die Tatsachen, die den behaupteten Verfahrensverstoß belegen, so detailliert darzulegen, dass dem Revisionsgericht eine entsprechende Nachprüfung allein anhand der Revisionsrechtfertigung möglich ist.

Eine gewisse Untätigkeit während eines bestimmten Verfahrensabschnittes führt nicht ohne weiteres zu einem Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK.

2. OLG Hamm, Urt v. 10.10.2013 – 1 RVs 40/13 – mit dem Leitsatz:

„Auch wenn die Anforderungen an die Darlegung der den Mangel enthaltenden Tatsachen bei der Beanstandung einer konventionswidrigen Verzögerung während eines mehrere Jahre dauernden Verfahrens nicht überspannt werden dürfen, ist vom Beschwerdeführer zu erwarten, dass er einen realistischen Überblick über den tatsächlichen Ablauf des Strafverfahrens gibt.“

Wenn man beim OLG Hamm liest: Der Revisionsführer muss daher in seiner Revisionsbegründung sämtliche Tatsachen (z.B. Schwere und Art des Tatvorwurfs, Umfang und Schwierigkeit des Verfahrens, Art und Weise der Ermittlungen, Zeiten der Untätigkeit der Strafverfolgungsorgane) darlegen, die den behaupteten Verfahrensverstoß belegen (Brandenburgisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 24. März 2010 — (1) 53 Ss 42/10 (24/10) juris). Hierzu ist ein zumindest in den wesentlichen Verfahrensabläufen vollständiges Vorbringen erforderlich, welches zudem wahrheitsgemäß zu erfolgen hat.“, dann weiß man. Da steht einiges an Arbeit an, wenn die Revision ausreichend begründet sein soll. Das geht nicht so schnell….

„Eine Erklärung abgeben“ ist nicht „widersprechen“…

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In dem dem BGH, Beschl. v. 16.09.2013 – 1 StR 264/13 – zugrunde liegenden Verfahren wegen Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion – mal was anderes – ging es um die Verwertbarkeit zweier Mitschnitte eines Gesprächs, das die beiden Angeklagten Z und T geführt hatten und das mit Wissen und unter Mithilfe des Angeklagten T von den Ermittlungsbehörden abgehört und aufgezeichnet worden war. Die Angeklagte Z hat die Unverwertbarkeit des Gesprächs geltend gemacht (der BGH formuliert ein wenig missverständlich: „die Unverwertbarkeit …. beanstandet :-)). Die dazu erhobene Verfahrensrüge ist an § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO gescheitert:

„Mit ihrem Vortrag, der Verteidiger habe zum Abspielen des zunächst am 11. Hauptverhandlungstag eingeführten ersten Mitschnitts („Kurzversion“) eine „Erklärung“ abgegeben, genügt die Revision bereits nicht den Darlegungsanforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO. Sie teilt nicht mit, ob die Angeklagte durch diese „Erklärung“ ihres Verteidigers der Verwertung der Aufzeichnung rechtzeitig widersprochen oder ihr zugestimmt hat. Dies wäre jedoch erforderlich gewesen, weil ein etwa bestehendes Verwertungsverbot für sie disponibel war (vgl. BGH, Beschluss vom 7. März 2006 – 1 StR 316/05, BGHSt 51, 1). Die von der Revision für ihre abweichende Auffassung in Bezug genommene Entscheidung des Senats vom 22. August 1995 (1 StR 458/95) ist auf Fälle wie den vorliegenden nicht anwendbar.

Der Beschluss zeigt mal wieder, wie schmal der Grat ist, auf dem man als Verteidiger mit der Verfahrensrüge wandelt. Allerdings hatte die Unzulässigkeit der Verfahrensrüge hier keine Auswirkungen, da das landgerichtliche Urteil auf die Sachrüge hin aufgehoben worden ist.

Das „vorgegebene“ Geständnis in der Revision

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In einem Verfahren wegen schweren Menschenhandels zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung u.a., in dem es offenbar zu einer Verständigung (§ 257c StPO) gekommen ist, rügt die Angeklagte später, „ihr sei durch die Strafkammer ein Geständnis „vorgegeben“ worden“. Der BGH hat im BGH, Beschl. v. 08.08.2013 – 5 StR 312/13 – diese Rüge als unzulässig im Sinne des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO angesehen, und zwar

„Denn es wird schon nicht vorgetragen, dass ausweislich der dienstlichen Stellungnahme des Vorsitzenden, der die Beschwerdeführerin nicht entgegengetreten ist, bereits am 22. Verhandlungstag Gespräche über eine Verständigung geführt worden waren, in deren Rahmen die Verteidigung an einer Bekanntgabe einer Auflistung zu den Standpunkten der Strafkammer nach dem bisherigen Beweisergebnis interessiert gewesen war; diese hat die Strafkammer der Verteidigung dann zur Verfügung gestellt. Ferner hätte die Beschwerdeführerin zum Inhalt ihrer am 23. Verhandlungstag nach den Vorschlägen des Gerichts abgegebenen Erklärung vortragen müssen. Denn insoweit handelte es sich ausweislich der Urteilsgründe (UA S. 34) nicht lediglich um ein sogenanntes „Formalgeständnis“; vielmehr hat die Angeklagte darin unter anderem Reue bekundet und die Gründe für ihr deliktisches Verhalten zum Nachteil der Nebenklägerin zu erklären versucht.“