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Fehlgeschlagene/unzulässige Nachbesserung im Strafverfahren

Das LG hatte in dem dem OLG Nürnberg, Beschl. v. 22.02.2011 – 1 Ws 47/11 zugrunde liegenden Verfahren eine Anklage an die StA zur Nachbesserung zurückgegeben, was dazu führte, dass die StA die Anklage zurückgenommen und eine neue Anklage erhoben hat.

Das OLG sagt: Geht grds. nicht. Entspreche eine Anklageschrift den grundsätzlichen Vorgaben, komme ihre Rückgabe an die Staatsanwaltschaft nur noch dann in Betracht, wenn die zugrunde liegenden Ermittlungen so unzureichend seien, dass über eine Eröffnung des Hauptverfahrens nicht sachgerecht entschieden werden könne und die vorhandenen Defizite auch durch die Anordnung einzelner Beweiserhebungen im Zwischenverfahren nicht mehr ausgeglichen werden können. Komme das Gericht zu dem Schluss, dass der Sachverhalt zwar aufgeklärt sei, aber nach seiner Bewertung nur bei einigen der angeklagten Fällen ein hinreichender Tatverdacht bestehe, weil die von der Staatsanwaltschaft ermittelten Tatsachen eine Täterschaft der Angeschuldigten nicht in allen Fällen belegen, sei das Hauptverfahren nur insoweit zu eröffnen und die Eröffnung im Übrigen aus tatsächlichen Gründen abzulehnen.

Für einen Beschuldigten kann die Frage weitreichende Bedeutung haben, wenn er in U-Haft sitzt. Die Rückgabe kann nämlich zur Verfahrensverzögerung führen, die dann der Verlängerung der U-Haft über sechs Monate hinaus entgegenstehen kann.

Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren – Stand der Gesetzgebung

Wir hatten vor einiger Zeit bereits über den Entwurf eines Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren (BR-Drs. 540/10 bzw. BT-Drs. 17/3802) berichtet. Mit dem Gesetzentwurf soll der Anspruch auf gerichtlichen Rechtsschutz in angemessener Zeit gesichert werden. Vorgesehen ist u.a. auch Entschädigungsregelung, mit der eine Lücke im Rechtsschutz geschlossen werden und den Betroffenen ein wirksames Mittel an die Hand gegeben werden soll, sich gegen überlange Prozesse zu wehren.

Im Gesetzgebungsverfahren hat inzwischen eine Sachverständigen-Anhörung stattgefunden, über die der Rechtsauschuß des BT mit einer PM berichtet hat. In der heißt es:

Verfahrensverzögerung – zwar berücksichtigt, Urteil war aber trotzdem aufzuheben

Man stutzt, wenn man die Entscheidung des BGH v. 21.12.2010 – 2 StR 344/10 liest. Das LG hat zugunsten des Angeklagten eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung angenommen und kompensiert. Aber: Der BGH hebt das Urteil auf die Revision des Angeklagten hin dennoch auf und begründet das wie folgt:

„Als rechtsfehlerhaft erweist sich aber, dass das Landgericht in der zwischenzeitlichen Nichtverfolgung und dem dadurch eingetretenen Stillstand im Ermittlungsverfahren einen zu kompensierenden Verstoß gegen den aus Art. 6 Abs. 1 S. 1 MRK, Art. 20 GG resultierenden Anspruch auf zügige Verfahrensdurchführung (vgl. BGHSt 52, 124, 129) gesehen hat. Der Gesetzgeber hat in § 154 Abs. 1 StPO die Staatsanwaltschaft ermächtigt, in Durchbrechung des Legalitätsprinzips aus Opportunitätsgründen auf die weitere Verfolgung (vorläufig) zu verzichten (vgl. hierzu Rieß aaO; BT-Drs. 8/976 S. 40). Macht die Staatsanwaltschaft von dieser Möglichkeit aus verfahrensökonomischen Gründen Gebrauch und nimmt sie das Verfahren später in zulässiger Weise wieder auf, kann die hierdurch bewirkte Verzögerung jedenfalls nicht ohne weiteres den Vorwurf der Rechtsstaatswidrigkeit begründen.

c) Durch die ihm somit zu Unrecht gewährte Vollstreckungsanrechnung ist der Angeklagte zwar nicht beschwert, weshalb der Ausspruch über die Kompensation bestehen bleiben muss (vgl. BGHSt 54, 135, 138; BGHR StGB § 46 Abs. 2, Verfahrensverzögerung 20). Der Senat vermag aber nicht auszuschließen, dass sich der Fehler im Rahmen des Strafausspruchs zum Nachteil des Beschwerdeführers ausgewirkt hat…“

Also eine Art positive Doppelverwertung: Kompensation bleibt bestehen, aber Strafausspruch muss noch einmal überprüft werden.

Entschädigung für überlange Gerichtsverfahren – Bundesregierung legt entsprechenden Gesetzentwurf vor

Für überlange Gerichtsverfahren soll es eine Entschädigung geben. Das sieht ein Gesetzentwurf der Bundesregierung (BT-Drs. 17/3802) vor. Danach würden bei einer Verletzung des Rechts auf angemessene Verfahrensdauer dem oder der Betroffenen die darauf resultierenden Nachteile ersetzt.

Der Ersatz umfasst den Angaben zufolge die materiellen Nachteile und soweit nicht nach den Einzelfallumständen Wiedergutmachung auf andere Weise ausreichend sei auch die immateriellen Nachteile. Als mögliche Form der Wiedergutmachung auf andere Weise benennt der Entwurf die gerichtliche Feststellung der überlangen Verfahrensdauer verbunden mit Freistellungen des Klägers von den Kosten des Entschädigungsrechtsstreits sowie besonderer Wiedergutmachungsmöglichen im Strafverfahren. Zwingende Voraussetzungen für die Geltendmachung von Entschädigungsansprüchen wegen Überlänge von Gerichtsverfahren sei, so die Regierung, dass der oder die Betroffene dem Gericht gegenüber die Verfahrensdauer gerügt hat.

Den Gesetzentwurf der Bundesregierung finden Sie im Internetangebot des Deutschen Bundestages: BT-Drs. 17/3802 (PDF)

Weitere Beiträge zum Gesetzgebungsverfahren:

19.10.2010 Stellungnahme der Länder zum Rechtsschutz bei überlangen Prozessen
02.09.2010 Bundeskabinett beschließt mehr Rechtsschutz bei überlangen Prozessen
15.04.2010 Entschädigung bei zu langen Prozessen – Bundesländer nach Ansicht des DAV weiter gefordert
12.04.2010 Entschädigungsregelung bei unangemessen langen Gerichtsverfahren – Bundesjustizministerin stellt Referentenentwurf vor

War klar, dass die Bundesländer mauern würden, wenn es ums Geld geht

Gestern ist im Bundesrat das – verkürzt – Gesetz gegen überlange Verfahrensdauer beraten worden. Mich überrascht nicht, wei die Bundesländer damit umgehen: Sie mauern. Exemplarisch dazu die PM der Niedersachsen mit Auszügen aus der Rede des Kollegen (!!) Busemann. Da heißt es – Grudnlage ist die PM des Niedersächsischen JM:

Gesetzentwurf der Bundesregierung nicht überzeugend                                                    

 BERLIN. „Die Verzögerungsrüge wird nicht zu einer Verfahrensbeschleunigung führen.“ Darauf hat der Niedersächsische Justizminister Bernd Busemann in seiner Rede am Freitag (15.10.2010) vor dem Bundesrat in Berlin hingewiesen. „Was die Bundesregierung vorschlägt, überzeugt leider nicht. Der Entwurf muss in zahlreichen Punkten nachgebessert werden“, sagte Busemann bei der Beratung des Gesetzentwurfs über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren. Zahlreiche Ausschussempfehlungen lägen bereits vor.

Die Erwartung, ein „Warnschuss“ in Gestalt einer Verzögerungsrüge werde das Prozessgericht zu einer zügigen Fortsetzung des Verfahrens anhalten, teile er nicht, machte Busemann deutlich. Angesichts der äußerst angespannten Lage der Haushalte der Länder sei nicht mit nennenswerten Stellenvermehrungen im richterlichen und staatsanwaltschaftlichen Dienst zu rechnen. „Die im Gesetzentwurf des Bundesjustizministeriums vorgeschlagenen Regelungen könnten aber zu unberechtigten und missbräuchlichen Verzögerungsrügen verleiten“, befürchtet Busemann. Das würde auch die Bearbeitung durchschnittlicher, ordentlich geförderter Verfahren erschweren. Zu erwarten seien ferner zahlreiche mit hohem Aufwand zu bearbeitende Entschädigungsverfahren.

„Wenn das zu einer Massenerscheinung wird, käme es zu einer weiteren erheblichen Mehrbelastung der Justiz. Das betrifft die Justizverwaltung, an die sich Anspruchsteller vor Erhebung einer Entschädigungsklage regelmäßig wenden werden, als auch die mit Entschädigungsklagen befassten Gerichte und würde Arbeitskraft in erheblichem Umfang binden“, stellte Busemann fest. Die Verfahrensdauer werde sich so nicht verkürzen lassen. „Tendenziell wird sie sich eher noch verlängern“, sagte der Niedersächsische Justizminister.

Tatsächlich sei eine Regelung nur für eine verschwindend geringe Zahl gerichtlicher Verfahren notwendig. Die durchschnittliche Verfahrensdauer vor deutschen Gerichten sei erfreulich kurz und halte auch internationalen Vergleichen stand. „Gleichwohl sind Einzelfälle, in denen unglückliche Umstände zu einer grundgesetzwidrigen Verfahrensdauer führen, nie ganz auszuschließen. Wir müssen daher auch gegenüber den Erwartungen rechtsuchender Bürgerinnen und Bürgern klarstellen, dass der Gesetzentwurf kein allgemeines Verfahrensbeschleunigungsgesetz ist, sondern dass sein Anwendungsbereich sich auf so genannte Ausreißerfälle beschränkt“, betonte Busemann.  “

Wenn man es liest, weiß man worum es geht: Nur ums Geld (wenn man bei § 81a Abs. 2 StPO nur auch so ehrlich wäre, aber da rettet man ja den Rechtsstaat). Und der Herr JM mag sich mal die Rechtsprechung des BGh zur Verfahrtenverzögerung ansehen:  Alles „Einzelfälle, in denen unglückliche Umstände…..“? Wohl eher nicht, sondern teilweise erhebliche Schlamperei und nicht zu erklärenden Verzögerungen. Auch hier gilt: Mal sehen, was daraus wird. Ich ahne/behaupte: Nichts Gutes.

Ach so: Welcher Gesetzesentwurf ist denn überzeugend? Etwa der aus Niedersachsen zu § 81a Abs. 2 StPO. Wohl eher nicht, denn der bringt auch nur neue Probleme. Aber wir retten ja den Rechtsstaat.