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Der Revisionsführer, der versuchte, das Rechtmittelsystem „außer Kraft zu setzen“ —-

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Und dann haben wir einen Revisionsführer, der versuchte, das Rechtmittelsystem „außer Kraft zu setzen“. So formuliert es jedenfalls der BGH in seinem auf eine Anhörungsrüge (§ 356a StPO) ergangenen BGH, Beschl. v. 21.10.2015 – 4 StR 241/15. Der BGH hatte die Revision gegen ein landgerichtliches Urteil, durch das der Revisionsführer wegen versuchten Totschlags verurteilt worden war, verworfen. Dagegen die Anhörungsrüge, die der BGH zurückweist und dazu ausführt:

„Der Senat hat die weiteren Ausführungen zur Sachrüge zur Kenntnis genommen und bei seiner Beratung umfassend gewürdigt, im Ergebnis aber für offensichtlich unbegründet gehalten. Näher begründen musste er dies nicht. Das System der Revisionsentscheidung im Beschlussverfahren nach § 349 Abs. 2 StPO baut darauf auf, dass der Beschwerdeführer die Gründe für die Anfechtung eines Urteils bereits in der Revisionsbegründung anführt (§ 344 Abs. 1 StPO). Hierzu nimmt die Revisionsstaatsanwaltschaft in ihrer Antragsschrift Stellung und legt – so sie die Beanstandungen nicht für durchgreifend erachtet – die hierfür maßgebenden Gründe in ihrem Antrag auf Verwerfung des Rechtsmittels näher dar. Folgt das Revisionsgericht einstimmig der Auffassung der Staatsanwaltschaft, so kann es die Revision durch Beschluss ohne nähere Begründung verwerfen. Dieses System kann der Beschwerdeführer nicht dadurch außer Kraft setzen, dass er Einzelbeanstandungen zur Sachrüge erst nachschiebt, wenn die Staatsanwaltschaft ihre Antragsschrift beim Revisionsgericht eingereicht hat und dieser damit die Möglichkeit zu einer spezifizierten Stellungnahme nimmt. In diesem Fall hat der Beschwerdeführer gemäß Art. 103 Abs. 1 GG zwar Anspruch darauf, dass das Revisionsgericht seine nachgeschobenen Ausführungen zur Kenntnis nimmt und prüft, was, wie dargelegt, im vorliegenden Fall geschehen ist (vgl. LR-StPO/Franke, 26. Aufl., § 349 Rn. 21 aE). Er kann indes nicht verlangen, dass ihm die Gründe, aus denen seine Beanstandungen nicht für durchgreifend erachtet wurden, im Verwerfungsbeschluss mitgeteilt werden (vgl. BGH, Beschluss vom 21. August 2008 – 3 StR 229/08, NStZ-RR 2008, 385; Beschluss vom 17. Januar 2007 – 2 StR 277/06).“

In der Sache nichts Neues, in der Formulierung schon – jedenfalls für mich 🙂 .

Ordnungsruf, oder: Die „Mitbestimmung“ bei der Pflichtverteidigerbestellung

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Manchmal ist man erstaunt, wie die Instanzgerichte einmal getroffene Entscheidungen über Pflichtverteidigerbestellungen „mit Zähnen und Klauen“ verteidigen,und zwar auch dann, wenn m.E. offensichtliche Fehler im Beiordnungsverfahren vorliegen. So auch das AG Magdeburg, das dafür dann aber vom LG Magdeburg im LG Magdeburg, Beschl. v. 16.07.2014 – 22 Qs 366 Js 38796/13 (45114) – zur Ordnung gerufen worden ist.

Da hatte die Staatsanwaltschaft am 19.12.2013 Anklage erhoben. Das AG forderte die Angeschuldigte am 24. 01. 2014 auf, ggf. Stellung zu der übersandten Anklage zu nehmen. Ein Hinweis darauf, dass beabsichtigt sei, einen Pflichtverteidiger zu bestellen, erfolgte nicht. Nachdem die Angeschuldigte eine Weile nicht erreichbar war, konnte ihr letztlich die Aufforderung vorn 24. 01. 2014 am 29. 04. 2014 zugestellt werden. Die Jugendrichterin des AG Magdeburg legte dann die Sache mit der Bitte um Übernahme dem Jugendschöffengericht vor. Das Jugendschöffengericht übernahm das Verfahren am 26. 04. 2014 und bestellte am 24. 06. 2014 der Angeschuldigten Rechtsanwältin R als Pflichtverteidigerin, ohne dass zuvor noch eine Anhörung stattgefunden hätte. Dieser Beschluss wurde von der Kanzlei bearbeitet am 25. 06. 2014. Bereits am 24. 06. 2014 ging der Antrag der Angeschuldigten beim AG Magdeburg ein, ihr Rechtsanwalt F. als Pflichtverteidiger beizuordnen. Am 03. 07. 2014 ging die Beschwerde der Angeschuldigten gegen den Beiordnungsbeschluss vom 24. 06. 2014 beim AG ein.  Dieses half der Beschwerde nicht ab, da die unterbliebene Anhörung der Angeschuldigten durch den Beiordnungsbeschluss und die Erklärung des Verteidigers nachgeholt worden sei. Im Übrigen sei bereits Termin mit Rechtsanwältin R für den 08.09.2014 sowie den 22.09.2014 abgestimmt worden. Diese habe die Angeschuldigte auch bereits zuvor vertreten. Gründe für die Umbestellung von Rechtsanwalt F. in einer bereits terminierten Sache seien nicht ersichtlich.

 Dazu dann der „Ordnungsruf“ des LG im Beschl. v. 16.07.2014

„… Allerdings hat das Amtsgericht entgegen § 142 StPO die Angeschuldigte vor der Bestellung der Pflichtverteidigerin nicht angehört, um ihr Gelegenheit zu geben, einen Pflichtverteidiger zu benennen. Dieser Verstoß wird nicht dadurch geheilt, dass das Amtsgericht der Angeschuldigten die Pflichtverteidigerbestellung zugestellt hat und diese bereits vor der Zustellung des Beschlusses sich über Rechtsanwalt Funck als Verteidiger gemeldet hat. Die Anhörung soll dazu dienen, dass die Angeschuldigte eine Mitbestimmung bei der Bestellung eines Pflichtverteidigers hat und ausüben kann, nicht das bereits getroffene Entscheidungen lediglich förmlich zur Kenntnis gegeben werden, ohne dass eine tatsächliche Einflussmöglichkeit besteht. Hier hat die Angeschuldigte bereits am 24. Juni 2014 (Eingang beim Gericht) gewünscht, dass ihr Rechtsanwalt Funck als Pflichtverteidiger beigeordnet wird. Zu diesem Zeitpunkt hat ersichtlich der Beschluss vom 24. Juni 2014 noch nicht das Amtsgericht verlassen.

Nun hat die Angeschuldigte auf der anderen Seite keinen Anspruch darauf, dass ihr der von ihr gewünschte Pflichtverteidiger tatsächlich beigeordnet wird, wenn dieser Beiordnung gewichtige Gründe entgegenstehen (vgl. dazu Meyer-Goßner, StPO, § 142, Rz. 9). Solche gewichtigen Gründe können zum Beispiel sein, dass der gewünschte Pflichtverteidiger auf absehbare Zeit nicht in der Lage ist, an einer Verhandlung teilzunehmen. Dies gilt insbesondere in Haftsachen. Ein weiterer Grund könnte sein, wenn der gewünschte Pflichtverteidiger nicht hinreichend qualifiziert wäre.

Solche Gründe sind aber nicht ersichtlich. Es ist davon auszugehen, dass sowohl Rechtsanwältin R als auch Rechtsanwalt Funck hinreichend qualifiziert sind, um die Pflichtverteidigung auszuüben. Sie sind auch dem Beschwerdegericht aus einer Reihe von Verfahren bekannt.

Im Übrigen hat das Amtsgericht nicht dargelegt, dass Rechtsanwalt Funck etwa auf absehbare Zeit verhindert wäre, an einer Verhandlung über die Anklage zu Lasten der Angeschuldigten teilzunehmen. ….“

OLG redet Tacheles – Grundkurs beim Verwerfungsurteil, oder: So nicht…

Gleich im ersten OWi-Beschluss des Jahres – 1 ssRs 1/12 – hat sich die Vorsitzende des 1. Strafsenats – Senat für Bußgeldsachen – des OLG Koblenz einen Amtsrichter zur Brust genommen. Offenbar kein Einzelfall seine dem OLG-Beschluss zugrunde liegenden Entscheidung, anders lassen sich die deutlichen Worte des OLG nicht erklären. Es geht im Grunde um eine „ausgeschriebene“, ganz einfache Frage, nämlich die nach den Voraussetzungen für ein Verwerfungsurteil nach § 74 Abs. 2 OWiG. Aber beim AG Linz hatte das OLG wohl dennoch Anlass zu einem kleinen Grundkurs zu den anstehenden Fragen, wenn es im OLG Koblenz, Beschl. v. 16.01.2012 – 1 SsRs 1/12 „ergänzend bemerkt“:

Ergänzend bemerkt der Senat, dass dem Bußgeldrichter des erkennenden Amtsgerichts offensichtlich die Bedeutung der §§ 73, 74 Abs. 2 OWiG nicht bewusst ist. Nach der Formulierung „Das persönliche Erscheinen war angeordnet“ in den Urteilsgründen ist zweifelhaft, ob dem Richter der Sinn der Neufassung des § 73 OWiG durch das OWiGÄndG vom 26. Januar 1998, gültig ab 1. März 1998 bekannt ist. Weiter scheint dem Richter nicht klar zu sein, dass die Entbindung des Betroffenen von der Anwesenheitspflicht nicht in seinem Ermessen liegt (vgl. auch Senatsentscheidung vom 17.11.2011, 1 SsRs 137/11), sondern anzuordnen ist, wenn die Voraussetzungen des § 73 Abs. 2 OWiG vorliegen (Göhler, a.a.O. § 73 Rdnr. 5). Offensichtlich meint der Richter auch — insoweit fehlerhaft (vgl. Senatsbeschluss vom 02.10.2003, 1 Ss 279/03, ZfSch 2004, 90) — eine Entscheidung nach § 74 Abs. 2 OWiG könne immer dann getroffen werden, wenn weder der entschuldigte oder unentschuldigte Betroffene noch der Verteidiger in der Hauptverhandlung erschienen sei. Nach § 74 Abs. 1 OWiG ist aber gegen den nicht erschienen Betroffenen, der von der Verpflichtung zum Erscheinen entbunden war, in seiner Abwesenheit zu verhandeln, auch wenn kein Verteidiger erschienen ist (Göhler, a.a.O., § 74 Rdnr. 9).

Vielleicht hilft es ja…

„Preis“Frage: Wie viele Gebühren sind entstanden?

Ein Kollege hatte mich neulich wegen folgender gebührenrechtlicher Frage kontaktiert. Die gebe ich hier mal weiter: Ich bin gespannt auf Lösungen

Ich vertrete einen Betroffenen in 10 verschiedenen VerkehrsOwi-Sachen mit jeweiligem Rechtschutz. Nach Einspruch gegen die BG-Bescheide hat das AG vor der Hauptverhandlung alle Verfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden. In der Hauptverhandlung habe ich dann im führenden Verfahren den Einspruch zurückgenommen. Anschließend hat das Gericht die 9 verbundenen Verfahren abgetrennt und in der Hauptverhandlung jeweils nach § 47II OWiG eingestellt mit Kosten und notwendigen Auslagen auf die Staatskasse.

Ist nur eine Termingebühr entstanden oder durch die Abtrennung in laufender Hauptverhandlung eine Vielzahl?

Wenn nur eine Termingebühr entstanden ist, wie wird sie verteilt zwischen Rechtschutzversicherung und Staatskasse? Sie müsste ja auch über § 14 RVG (10 Verfahren mit jeweils einem Punkt) erhöht werden.“

Problem lässt sich m.E. ohne Schwierigkeiten lösen mit Burhoff (Hrsg.) RVG Straf- und Bußgeldsachen, 3. Aufl., 2012, auf den ich hier noch einmal hinweise. Vorsicht: Das war jetzt Werbung 🙂 🙂

Lesetipp: Beitrag zum Pflichtverteidiger für den Inhaftierten, StRR 2011, 4

In StRR 2011, 4 haben wir einen Beitrag zu § 140 Abs. 1 Nr. 4 StPO, und zwar zur Frage, ob die Vorschrift nur verfahrensbezogen ist oder auch die Inhaftierung in anderen Verfahren erfasst, wie das OLG Frankfurt und das LG Itzehoe – über beide Entscheidungen habe ich hier schon berichtet – meinen.

Die Autoren – ein RiAG und (s)ein Referendar sind anderer Auffassung. Die Argumente muss man mal gelesen haben, um im Verfahren vortragen zu können. Daher hier der Link.