Das AG hat den Angeklagten wegen versuchten unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln verurteilt. Dagegen die Revision des Angeklagten, die dann mit der Sachrüge Erfolg hatte:
„Das Amtsgericht hat festgestellt, dass der Angeklagte zu einem nicht mehr näher feststellbaren Zeitpunkt, jedenfalls kurz vor dem pp. mutmaßlich über das Darknet, bei einem unbekannten Verkäufer Marihuana, welches am von einem unbekannten Absender als Briefsendung, adressiert an „Empfanger ……………….“ zusammen mit einer Vielzahl weiterer gleichgestalteter Briefsendungen in einen Postbriefkasten angeworfen und in der Folge beschlagnahmt wurde, bestellt haben soll. Die an den Angeklagten adressierte Briefsendung habe 102,13 Gramm Marihuana (netto) mit einem Wirkstoffgehalt von 6,94 Gramm THC enthalten.
Das Amtsgericht stützt die Verurteilung des Angeklagten auf den Umstand, dass die Briefsendung an das von ihm tatsächlich unterhaltene Postfach übersandt wurde. Dass es sich bei dem Postfach um seines handelt, habe der Angeklagte bei der Polizei nach erfolgter Belehrung eingeräumt, im Übrigen aber von seinem Schweigerecht Gebrauch gemacht. Angesichts der versandten Menge an Betäubungsmittel schließt das Amtsgericht eine unverlangte Zusendung aus; Anhaltspunkte für einen anderen Besteller als dem Angeklagten hätten sich weder bei den Ermittlungen noch in der Hauptverhandlung ergeben.
2. Unabhängig davon, dass die getroffenen Feststellungen hinreichende Ausführungen zur subjektiven Tatseite des Angeklagten und damit, nachdem seitens des Amtsgerichts ein versuchter unerlaubter Erwerb von Betäubungsmitteln angenommen wurde, zur Frage des Versuchsbeginns vermissen lassen, begegnet die Beweiswürdigung des Amtsgerichts durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Zwar ist die Beweiswürdigung Sache des Tatrichters, dem es alleine obliegt, das Ergebnis der Hauptverhandlung festzustellen und zu würdigen. Seine Schlussfolgerungen brauchen nicht zwingend zu sein; es genügt, wenn sie möglich sind und der Tatrichter von ihrer Richtigkeit überzeugt ist. Die zur richterlichen Überzeugung erforderliche persönliche Gewissheit des Richters setzt allerdings, um willkürliche Entscheidungen zu verhindern, eine objektive Grundlage voraus, welche aus rationalen Gründen den Schluss zulässt, dass das festgestellte Geschehen mit hoher Wahrscheinlichkeit mit der Wirklichkeit übereinstimmt. Die Urteilsgrunde müssen daher erkennen lassen, dass die Beweisführung auf einer tragfähigen, verstandesmäßig einsehbaren Tatsachengrundlage beruht und sich nicht nur als bloße Vermutung erweist. Ein auf die Sachrüge zu beachtender Rechtsfehler liegt vor, wenn eine an sich mögliche Schlussfolgerung nicht ausreichend mit Tatsachen abgesichert ist und daher über einen bloßen Verdacht m Sinn einer Vermutung nicht hinauskommt. Rechtsfehler liegen insbesondere im Falle einer Verurteilung vor, wenn das Gericht die tatsächlichen Beweisergebnisse, welche die möglichen Schlussfolgerungen tragen könnten, nicht mitteilt (BGH, Beschluss vom 27. April 2017 — 2 StR 592/16, NStZ 2017, 486 m. w. N.; BGH, Beschluss vom 5. Dezember 2017 – 4 StR 513/17, BeckRS 2017, 136369; BayObLG, Beschluss vom 4. August 1993 – 5 StR 81/93, BeckRS 2014, 22037; MüK0-Miebach, StPO, 1. Auflage 2016, § 261 Rn. 61 ff; KK-Ott, StPO, 8. Auflage 2019, § 261 Rn 5ff, 62, jeweils m. w. N.).
3. Diesen Anforderungen wird das angefochtene Urteil nicht hinreichend gerecht. Die seitens des Amtsgerichts mitgeteilten objektiven Umstände rechtfertigen zwar einen entsprechenden Verdacht, dass sich der Angeklagte wie festgestellt strafbar gemacht haben könnte, vermögen aber die getroffene Schlussfolgerung nicht zu tragen. Auch unter Berücksichtigung des eingeschränkten revisionsrechtlichen Prüfungsmaßstabes hält das Urteil einer sachlich-rechtlichen Prüfung nicht stand. Die Feststellungen des Amtsgerichts entbehren einer tragfähigen Beweisgrundlage; für die getroffenen Feststellungen fehlt in den Beweiserwägungen eine nachvollziehbare und ausreichende Begründung.
a) Rechtsfehlerfrei stellt das Amtsgericht allerdings zunächst fest, dass angesichts der großen Menge an sichergestelltem Marihuana eine unverlangte Versendung an den Angeklagten ausgeschlossen werden kann, dem Geschehen damit eine Bestellung vorangegangen sein muss. Dies besagt aber nichts darüber, wer die Bestellung konkret veranlasst hat.
b) Das Amtsgericht stützt die Bestellung der Betäubungsmittel durch den Angeklagten und damit dessen Verurteilung wegen versuchten unerlaubten (täterschaftlichen) Erwerbs daher im Wesentlichen allein auf den Umstand, dass die Betäubungsmittel an das ihm zuzuordnende Postfach versandt wurden. Anders als in den seitens der Verteidigung zitierten amtsgerichtlichen Entscheidungen liegt hier in dem Umstand, dass das Betäubungsmittel an eine dem Angeklagten mittels seines Namens zuzuordnende Postfach-Adresse versandt wurde, zunächst ein starkes Indiz dafür vor, dass dies mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht ohne seine Kenntnis und Billigung erfolgt ist. Dem Besteller der Betäubungsmittel muss zwingend bekannt gewesen sein, dass auf den Namen des Angeklagten ein Postfach mit einer bestimmten Nummer registriert ist; dies kann ihm mit hoher Wahrscheinlichkeit nur vom Angeklagten mitgeteilt worden sein. Betäubungsmittel auf einen fremden Namen zu bestellen und diese dann vor Auslieferung „abzufangen“ ist bei einem Versand an ein Postfach weitgehend ausgeschlossen, weshalb aufgrund der Feststellungen des Amtsgerichts diese Option fernliegt. Den möglichen Schluss, dass damit der Angeklagte der Besteller bzw. Erwerber der Betäubungsmittel war, belegt dieses Beweisergebnis aber noch nicht hinreichend.
c) Der versuchte unerlaubte Erwerb von Betäubungsmitteln setzt gemäß §§ 29 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 BtMG voraus, dass der Erwerber die eigene tatsächliche und freie Verfügungsgewalt über die Betäubungsmittel auf abgeleitetem Wege, d.h. im einverständlichen Zusammenwirken mit dem Vorbesitzer, erlangen will (vgl. Weber, BtMG, 5. Auflage 2017, § 29 Rn 1194, 1202). Hieran fehlt es, wenn der Täter das Rauschgift nur zur (kurzfristigen) Verwahrung erhalten soll; dies gilt auch dann, wenn er ggf. nach Abschluss der Verwahrung einen Teil des Rauschgiftes als Entlohnung bekommt. Erwerb setzt voraus, dass der Täter die tatsächliche Verfügungsgewalt mit der Möglichkeit und dem Willen erlangt, über die Sache als eigene zu verfügen (BGH, Urteil vom 13. August 2009 – 3 Str 224/09, BeckRS 2009, 25653; Weber, BtMG, 5. Auflage 2017, § 29 Rn. 1200, 1202).
Hierzu hat das Amtsgericht weder Feststellungen getroffen noch seine Überlegungen in der Beweiswürdigung hinreichend dargelegt. Für die Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme gelten auch im Betäubungsmittelstrafrecht die Grundsätze des allgemeinen Strafrechts (BGH, Urteil vom 28. Februar 2007 – 2 StR 516/06, NJW 2007, 1220). Tatsächliche Beweisergebnisse, welche den grundsätzlich möglichen Schluss, dass der Angeklagte als Täter die Betäubungsmittel erwerben wollte, tragen könnten, teilen die Urteilsgründe nicht mit. Allein der Umstand, dass der Versand der Betäubungsmittel an die auf den Angeklagten registrierte Postfachadresse erfolgte, reicht hierfür nicht aus.
Daran ändert auch der Umstand, dass die Urteilsgründe mitteilen, dass die Ermittlungen keinen Hinweis auf einen anderen Besteller ergeben haben, nichts. Das in den Urteilsgründen mitgeteilte Ergebnis der Ermittlungen und der Hauptverhandlung erschöpft sich darin, dass der Zeuge PHK pp. gegenüber der Kammer angegeben hat, der Angeklagte habe nach Belehrung eingeräumt, das Postfach sei auf ihn registriert, im Übrigen habe er von seinem Schweigerecht Gebrauch gemacht. Selbst wenn im Aussageverhalten des Angeklagten ein der Würdigung zugängliches teilweises Schweigen gesehen werden könnte, dürften zu seinem Nachteil Schlüsse hieraus nur dann gezogen werden, wenn nach den Umständen Angaben zu diesem Punkt zu erwarten gewesen wären und andere mögliche Ursachen des Schweigens ausgeschlossen werden können (vgl. BGH, Beschluss vom 16. Dezember 2010 – 4 StR 508/10, NStZ-RR 2011, 118), was vorliegend nicht der Fall ist. Zudem waren die gemachten Angaben ersichtlich nur fragmentarischer Natur.
Die in den Urteilsgründen mitgeteilte Erwägung, die Ermittlungen und die Hauptverhandlung hätten keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass eine dritte Person der Besteller gewesen sei, genügen daher den Anforderungen an eine erschöpfende und lückenlose Beweiswürdigung vorliegend nicht. Um die gezogene Schlussfolgerung, der Angeklagte selbst habe die Betäubungsmittel zur eigenen Verfügung erwerben wollen, mit Tatsachen zu belegen, hätte das Gericht vorliegend das Ergebnis der in den Urteilsgründen benannten Ermittlungen näher benennen müssen. Tatsächliche Beweisergebnisse, welche die vom Gericht gezogene (mögliche) Schlussfolgerung tragen könnten, wurden aber gerade nicht mitgeteilt (vgl. KK-Ott, StPO, 8. Auflage 2019, § 261 Rn. 6ff, 62).
4. Ein Freispruch durch den Senat kommt nicht in Betracht; § 354 Abs. 1 StPO. Dies wäre nur möglich, wenn die rechtsfehlerfrei und erkennbar vollständig getroffenen Feststellungen zweifelsfrei ergeben würden, dass sich der Angeklagte unter keinem denkbaren Gesichtspunkt strafbar gemacht hat, wobei weitere Feststellungen, die zu einer Verurteilung führen könnten, nicht zu erwarten sein dürften. Weder hat das Amtsgericht die Feststellungen fehlerfrei getroffen noch ist ausgeschlossen, dass sich der Angeklagte nicht strafbar gemacht hat.
Für den „Besteller“ von Betäubungsmitteln über den Postversand liegt der Versuch einer strafbaren Handlung, hier des versuchten unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln gemäß §§ 3, 29 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 BtMG, §§ 22, 23 StGB, vor, wenn er nach seiner Vorstellung von der Tat zur Verwirklichung des Tatbestandes unmittelbar ansetzt. Dies hängt davon ab, ob seine Handlung nach seinem Tatplan unmittelbar in die Tatbestandsverwirklichung einmünden soll. Erwerb im Sinn der §§ 3, 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG ist die Erlangung tatsächlicher Verfügungsgewalt auf abgeleitetem Weg. Eine unmittelbare Gefährdung des geschützten Rechtsgutes setzt ein, wenn der Drogenverkäufer vereinbarungsgemäß, wie hier, die Ware bei der Post aufgibt. In diesem Augenblick ist nach der Vorstellung der Vertragspartner alles geschehen, um die unmittelbare Tatbestandsverwirklichung herbeizuführen. Die Aufgabe bei der Post mündet unmittelbar in die Tatbestandsverwirklichung ein. Der Einwurf beim „Besteller“ in dessen „Briefkasten“ stellt keinen wesentlichen Zwischenschritt mehr dar, da bei ungestörtem Fortgang der Eingang der Sendung beim „Besteller“ regelmäßige Folge der Aufgabe bei der Post ist (vgl. BayObLG, Beschluss vom 25. April 1994 — 4 StR RR 48/94, BayObLGSt 1994, 82; Weber, BtMG, 5. Auflage 2017, § 29 Rn. 983, 1217).
Auch wenn das Amtsgericht ggf. keine weiteren Feststellungen mehr treffen kann, wird es zu prüfen haben, ob die bestehende Erkenntnisbasis nicht, unter Berücksichtigung des Grundsatzes in dubio pro reo, zumindest für eine Verurteilung des Angeklagten wegen Beihilfe zum versuchten unerlaubten Erwerb von Betäubungsmitteln ausreichend sein könnte. Dies unter Berücksichtigung der Auffassung des Senats, dass ein Versand der Betäubungsmittel an das durch den Angeklagten unterhaltene Postfach ohne dessen Kenntnis schwer vorstellbar und wenig sinnvoll ist. Insoweit bestehen auch aktuell weitere Ermittlungsansätze. Ein Indiz, ggf. auch für eine täterschaftliche Begehungsweise durch den Angeklagten, könnte sich insoweit aus dem Eröffnungszeitpunkt des Postfaches durch den Verurteilten ergeben. Umso näher dieser Zeitpunkt an der verfahrensgegenständlichen „Bestellung“ liegt, umso eher spräche dieses Indiz gegen den Angeklagten. Auch die Bewegungen auf Konten des Angeklagten um den Tatzeitpunkt könnten weiteren Aufschluss darüber geben, ob er Geldmittel ggf. zum Erwerb von „Bitcoins“ oder ähnlichen virtuellen Währungen aufgewendet hat, was ein weiteres gegen ihn sprechendes Indiz sein könnte. Aus Kontobewegungen könnten sich zudem Hinweise auf ggf. dritte Personen ergeben, welchen der Angeklagte sein Postfach zum Erwerb der Betäubungsmittel zur Verfügung gestellt haben könnte.“
Der Beschluss bietet dem Verteidiger Argumentationshilfe in den sog. Darknet-Fällen bzw. zeitg, was das AG ggf. feststellen muss. Und: Er zeigt auch, worauf es dann im weiteren Verlauf des Verfahrens im sog. zweiten Durchgang ankommt.