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Rotlicht III: Urteilsfeststellungen zur „Wartepflicht am Bahnübergang“, oder: Unverständlich

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By Feuermond16 – Own work

Und der dritte Beschluss des heutigen Tages kommt dann vom OLG Celle. Es ist der OLG Celle, Beschl. v. 31.01.2019 – 3 Ss (OWi) 14/19, der – wenn auch nicht im klassischen Sinn – ebenfalls mit Rotlicht zu tun hat. Es geht nämlich um einen Verstoß gegen die Wartepflicht an einem Bahnübergang bei gelben oder roten Lichtzeichen(§ 19 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 StVO ) und die Frage: Welche Urteilsfeststellungen sind bei solchen Verurteilungen zu treffen.

Nach den Feststellungen des AG hatte der Betroffene am 17.05.2018 gegen 18:41 Uhr mit einem Pkw die W.straße in E. befahren und war nach links in die Wa.straße eingebogen. Dabei bemerkte er, dass die Lichtzeichenanlage am Bahnübergang gelbes Blinklicht zeigte, und fuhr dennoch, nachdem die Lichtzeichenanlage nunmehr auf Rot geschaltet hatte, über den Bahnübergang. Das AG hat den Betroffenen wegen Verstoßes gegen die Wartepflicht an einem Bahnübergang bei einem gelben oder roten Lichtzeichen zu einer Geldbuße von 240,- € verurteilt und ein Fahrverbot von einem Monat angeordnet. Dazu das OLG:

„.. Das angefochtene Urteil hält bereits sachlich rechtlicher Überprüfung nicht stand, so dass es eines Eingehens auf die Verfahrensrüge nicht bedarf.

1. Es kann deshalb dahingestellt bleiben, ob die Verfahrensrüge hier bereits deshalb unzulässig ist, weil die ihr zugrunde liegenden Tatsachen in unleserlicher Form durch Einfügen der Kopie eines handgeschriebenen Beweisantrags mitgeteilt worden sind (vgl. dazu BGHSt 33, 44).

2. Die vom Amtsgericht getroffenen Feststellungen reichen nicht aus, um den Schuldspruch zu tragen. Es fehlt sowohl an Feststellungen zu den objektiven Tatumständen als auch zur inneren Tatseite.

Gemäß § 19 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 StVO haben Fahrzeuge an Bahnübergängen vor dem Andreaskreuz zu warten, wenn rotes Blinklicht oder gelbe oder rote Lichtzeichen gegeben werden. Für Wechsellichtzeichen gemäß § 37 Abs. 2 StVO ist in Rechtsprechung und Schrifttum anerkannt, dass der Kraftfahrer beim Umschalten des Wechsellichtzeichens von grün auf gelb nur dann anhalten muss, wenn er mit einer mittleren Bremsung noch vor der Haltelinie zum Stehen kommen kann. Zum starken Bremsen oder einer Gewalt- oder Notbremsung ist der Kraftfahrer dagegen nicht verpflichtet (vgl. BGH NZV 1992, 157; OLG Hamm NZV 2003, 574; KG NZV 1992, 251; König, in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht 45. Aufl. StVO § 37 Rn. 24 mwN). Diese Grundsätze hat die Rechtsprechung auf das Fahrverhalten bei Lichtzeichen an Bahnübergängen übertragen. Ein Verstoß gegen das Gebot zum Anhalten liegt daher nur vor, wenn der Fahrer bei mittelstarker Bremsung (Bremsverzögerung 4 m/s²) noch vor dem Andreaskreuz gefahrlos anhalten kann (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 12. Februar 2008 – 311 SsBs 12/08; ebenso OLG Jena VRS 120, 34; BayObLG DAR 1981, 153; NJW 1985, 1568; OLG Karlsruhe VRS 62, 219; OLG Schleswig DAR 1985, 291; König aaO § 19 Rn. 24; Weinland in: Freymann/Wellner, jurisPK-Straßenverkehrsrecht, 1. Aufl. 2016, § 19 StVO, Rn. 35). Hat danach der Betroffene bei Beginn des gelben Lichtzeichens bereits den kritischen Punkt überschritten, nach dessen Durchfahren sein Anhalteweg über das Andreaskreuz hinausreicht, so darf er seine Fahrt über den Bahnübergang hinweg fortsetzen, wobei er diesen zügig zu überqueren hat (OLG Celle aaO). Daraus folgt, dass das Amtsgericht, um eine Zuwiderhandlung gegen § 19 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 StVO annehmen zu können, Feststellungen über die Entfernung des Betroffenen von der Haltelinie bzw. dem Andreaskreuz zu Beginn der Gelbphase und zu der vom Betroffenen gefahrenen Geschwindigkeit treffen muss (vgl. OLG Celle aaO; KG VRS 67, 63, 64). Das ist vorliegend nicht erfolgt.

Allerdings können Feststellungen zur tatsächlich gefahrenen Geschwindigkeit sich erübrigen, wenn zumindest die zulässige Höchstgeschwindigkeit festgestellt worden ist und aufgrund der Entfernung von der Haltelinie zu Beginn der Gelbphase feststeht, dass der Betroffene bei Nichtüberschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit noch mit einer mittleren Bremsung vor der Haltelinie bzw. dem Andreaskreuz hätte anhalten können (vgl. OLG Bremen VRS 79, 38, 41; OLG Hamm VRS 85, 464, 465). Überschreitet nämlich der Betroffene die zulässige Höchstgeschwindigkeit und kann deswegen nicht mehr rechtzeitig anhalten, so begründet bereits die Überschreitung der Höchstgeschwindigkeit die Vorwerfbarkeit des Rot- bzw. Gelblichtverstoßes (vgl. OLG Köln VM 1984, 83). Auch die Feststellung des Abstands zur Haltelinie bei Beginn der Gelbphase kann entbehrlich sein, wenn zumindest feststeht, dass der Betroffene die Haltelinie erst bei Beginn der Rotphase erreichte und damit die gesamte Gelbphase, deren Dauer dann aber ebenfalls festgestellt sein muss, zum Anhalten zur Verfügung hatte (OLG Celle aaO; OLG Bremen aaO; OLG Hamm aaO). Indes müsste dann entweder die tatsächlich gefahrene oder zumindest die zulässige Höchstgeschwindigkeit und der Abstand zwischen Haltelinie und Gleisen festgestellt sein. Denn nur dann kann errechnet werden, welchen Weg der Betroffene innerhalb der Dauer der Gelbphase zurückgelegt hat bzw. bei Beachtung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit zurückgelegt haben kann und wie lang sein Anhalteweg unter Berücksichtigung der Reaktions- und Bremsansprechzeit von 0,8 Sekunden (vgl. OLG Köln VRS 96, 344; OLG Bremen aaO; König aaO § 1 StVO Rn. 30a) und der mittleren Bremsverzögerung von 4 m/sec² gewesen wäre. Da diese Feststellungen nicht getroffen worden sind, war das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zu neuer Entscheidung an das Amtsgericht zurückzuverweisen.“

Unverständlich. Nicht der Beschluss, sondern das Verhalten des Betroffenen.

„….es war ärztlich verordnetes Cannabis..“, oder: Welche Feststellungen bei der „Medikamentenklausel“?

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Und als dritte Entscheidung kommt dann hier der OLG Bamberg, Beschl. v. 02.01.2019 – 2 Ss OWi 1607/18 – zur Bedeutung und Erheblichkeit der sog. Medikamentenklausel nach § 24a Abs. 2 Satz 3 StVG. Er behandelt die Verurteilung eines Betroffenen wegen einer Drogenfahrt nach § 24a Abs. 2 StVG, die am OLG keinen Bestand hat:

„1. Nach den Feststellungen des AG im Rahmen der Beweiswürdigung hat sich der Betr. „letztlich mit einem Geständnis eingelassen“, jedoch geltend gemacht, es habe sich um medizinisch verordnetes Cannabis gehandelt, weshalb er glaube, dass er insoweit berechtigt Auto gefahren sei. Ausweislich der Angaben der polizeilichen Kontrollbeamtin hatte der Betr. nach Belehrung und auf Anfrage angegeben, er habe das Cannabis wegen körperlicher Beschwerden eingenommen, da er eine Beinprothese am rechten Bein trage. Nach den Ausführungen der gerichtlich beauftragten Sachverständigen, denen das AG folgte, mache es „für die Drogenintoxikation aufgrund Cannabis mit entsprechenden Ausfallerscheinungen keinen Unterschied […], ob es sich um illegal erworbenes Marihuana oder zu medizinischen Zwecken verordnetes handle, da es sich um den gleichen Wirkstoff handle“. Der Betr. habe den „Grenzwert im Anhang zu § 24a StVG“ […] um mehr als das 10-fache des zulässigen Wertes überschritten. Auf der Grundlage dieser Beweisergebnisse hat es das AG „für vollkommen unbedeutend“ gehalten, „ob der Betr. Marihuana sich auf dem Schwarzmarkt besorgt hat oder ob er medizinisch verordnetes Marihuana konsumiert“ hat.

2. Diese Erwägungen sind lückenhaft und tragen eine Verurteilung des Betr. wegen eines fahrlässig begangenen Verstoßes gegen § 24a II i.V.m. III StVG nicht.

a) Zwar ist es allein Aufgabe des Tatrichters, den Sachverhalt festzustellen und die Ergebnisse der Beweisaufnahme zu würdigen. Er hat insoweit ohne Bindung an gesetzliche Beweisregeln und nur seinem Gewissen verantwortlich zu überprüfen, ob er an sich mögliche Zweifel überwinden und sich von einem bestimmten Tathergang überzeugen kann oder nicht (vgl. BGH NJW 1979, 2318). Allein in seinen Verantwortungsbereich fällt, mögliche, wenn auch nicht zwingende Folgerungen aus bestimmten Tatsachen zu ziehen und zu bestimmen, unter welchen Voraussetzungen er zu einer bestimmten Überzeugung kommt. Die Überprüfung der tatrichterlichen Beweiswürdigung im Rahmen der Rechtsbeschwerde ist demnach auf die Frage beschränkt, ob dem Tatrichter dabei Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn die Beweiswürdigung in sich widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist, gegen Denkgesetze oder gegen gesicherte Erfahrungssätze verstößt.

b) Soweit der Tatrichter gemeint hat, sich mit dem Vorbringen des Betr., wonach es sich bei dem von ihm eingenommenen Cannabis um „medizinisch verordnetes“ gehandelt habe, nicht weiter befassen zu müssen, weil es nicht von Bedeutung sei, ob der Betr. „auf dem Schwarzmarkt“ besorgtes oder „medizinisch verordnetes Marihuana“ konsumiert habe, da er in keinem Fall ein Kfz habe führen dürfen, wenn in seinem Blut eine Wirkstoffkonzentration von THC „über dem gesetzlich zulässigen Grenzwert“ erreicht sei, offenbart dies ein rechtsfehlerhaftes Verständnis der sog. Medikamentenklausel nach § 24a II 3 StVG. Die Vorschrift des § 24a II 1 StVG gilt nach § 24a II 3 StVG nämlich dann nicht, wenn die Substanz aus der bestimmungsgemäßen Einnahme eines für einen konkreten Krankheitsfall verschriebenen Arzneimittels herrührt, wobei die Einnahme des Arzneimittels auf einer ärztlichen Verordnung beruhen muss und das Arzneimittel nicht missbräuchlich oder überdosiert verwendet worden sein darf (jurisPK/Niehaus Straßenverkehrsrecht § 24a StVG Rn. 29; König, in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 45. Aufl., § 24a StVG Rn. 22; Hühnermann , in: Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke, Straßenverkehrsrecht, 25. Aufl. § 24a StVG Rn. 5d; vgl. auch KG, Beschl. v. 30.07.2015 – 162 Ss 64/15 = BA 53 [2016], 188 = VRS 129 [2015], 220 und Maatz, BA 36 [1999], 146, 148). Wenn somit bei dem Betr. die gesetzlichen Voraussetzungen des § 24a II 3 StVG vorgelegen hätten, d.h. die in seinem Blut nachgewiesene Substanz (hier THC) aus der bestimmungsgemäßen Einnahme eines für einen konkreten Krankheitsfall verschriebenen Arzneimittels herrührte, so wäre das Verhalten des Betr. nicht ordnungswidrig nach § 24a II 1 StVG. Aus dem Erfordernis der bestimmungsgemäßen Einnahme folgt allerdings zugleich, dass es bei der Ahndung als Ordnungswidrigkeit bleibt, wenn der Einfluss der nachgewiesenen Substanz auf einem nicht der Verordnung bzw. der darin vorgegebenen Dosierungsanleitung entsprechenden Konsum oder auf sonstigem Missbrauch der Substanz beruht (Königa.O. m.w.N.). Nachdem der Betr. sich ausdrücklich darauf berufen hatte, ärztlich verordnetes Cannabis konsumiert zu haben, und der Tatrichter diese Einlassung ersichtlich auch nicht als Schutzbehauptung bewertet hat, hätte sich das amtsgerichtliche Urteil mit der behaupteten Einnahme von Cannabis als Medikament jedenfalls näher befassen müssen.

c) Ob die sog. Medikamentenklausel nach § 24a II 3 StVG vorliegend eingreift oder nicht, vermag der Senat auf der Grundlage der im Urteil getroffenen Feststellungen nicht zu überprüfen. So schweigt das Urteil schon zur Form des verfahrensgegenständlich konsumierten Cannabis/Marihuana. Cannabis kann aber auch in Form von Medizinal-Cannabisblüten zu Therapiezwecken anwendbar sein und unter bestimmten Umständen auch ärztlich verordnet werden (vgl. zum Ganzen Graw/Mußhoff, BA 2016, 289 ff.). Darüber hinaus lässt das angefochtene Urteil jegliche Feststellungen dazu vermissen, ob die eingenommene Substanz durch einen Arzt verordnet, zur Behandlung einer konkreten Krankheit eingenommen und die Dosierungsanweisung beachtet worden ist (KG a.a.O. unter Hinweis auf Maatza.O.). Beachtet der Betr. sie nicht und nimmt er am Straßenverkehr teil, kann er sich nach § 24a II 1 StVG ordnungswidrig verhalten (KG a.a.O.). “

Fahren ohne ausländische Fahrerlaubnis, oder: Erforderliche Urteilsfeststellungen

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Bei der zweiten Entscheidung des Tages handelt es sich um den KG, Beschl. v. 10.09.2018 – (3) 121 Ss 145/18 (21/18). Auch er hat Fahren ohne Fahrerlaubnis (§ 21 StGV)  zum Gegenstand. Es geht nämlich um eine ausländische – polnische – Fahrerlaubnis. Die Problematik der Entscheidung liegt aber nicht bei dem Dauerbrenner „Erwerb einer ausländischen Fahrerlaubnis“ und deren Nutzung hier in der Bundesrepublik. Sondern es geht um ein „normales“ Fahren ohne die (ausländische) Fahrerlaubnis und die insoweit erforderlichen Feststellungen,

Das AG hat den Angeklagten wegen fahrlässigen Fahrens ohne Fahrerlaubnis und vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in drei Fällen verurteilt. Nach den vom AG getroffenen Feststellungen führte der polnische Angeklagte, der in Polen lebt, dort als selbständiger Maler arbeitet und über eine polnische Fahrerlaubnis der Klasse B verfügt, am 12.11.2016, 08.12.2016 und 10.08.2017 in insgesamt vier Fällen jeweils ein Kraftfahrzeug in Berlin, obwohl er durch seit dem 08.05.2015 rechtskräftigen Strafbefehl des AG Tiergarten vom 01.04.2015 wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr zu einer Geldstrafe verurteilt, ihm das Recht, von seiner polnischen Fahrerlaubnis im Inland Gebrauch zu machen, entzogen und eine Sperrfrist (Ergänzung durch den Senat verhängt worden war. Die Revision des Angeklagten hatte Erfolg:

„Sie hat in der Sache (vorläufigen) Erfolg, weil der Schuldspruch sachlich-rechtlicher Überprüfung nicht standhält.

1. Zwar ist das Amtsgericht zutreffend davon ausgegangen, dass der Angeklagte keine Berechtigung besaß, von seiner polnischen Fahrerlaubnis im Inland Gebrauch zu machen. Denn nach § 29 Abs. 1. FeV ist der Inhaber einer ausländischen Fahrerlaubnis, der keinen Ordentlichen Wohnsitz im Inland besitzt, nur dann befugt, von seiner ausländischen Fahrerlaubnis im Inland Gebrauch zu machen, wenn keiner der in § 29 Abs. 3 Satz 1 FeV erfassten Ausschlussgründe vorliegt. Auf der Grundlage der vorn Amtsgericht getroffenen Feststellungen ist ein Ausschlussgrund nach § 29 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 FeV gegeben , weil es sich bei der durch Strafbefehl des Amtsgerichts Tiergarten vom 1. April 2015 angeordneten Sperrfrist nach § 69a StGB um eine gerichtliche Entscheidung im Sinne von § 29 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 StGB handelt (vgl. Senat, Beschluss vom 25. August 2014 – (3) 121 Ss 71/14 (84/14) – juris; OLG Hamm, Urteil vom 8. Dezember 2012 – 3 Ss 382/09 — juris Rdn. 10; OLG Köln WW 2010, 2817).

Rechtlich zutreffend ist weiter, dass der Angeklagte auch nach. Ablauf der Sperrfrist gemäß § 69a StGB aus seiner polnischen Fahrerlaubnis keine Erlaubnis zum Führen eines fahrerlaubnispflichtigen Kraftfahrzeugs im ‚Inland ableiten konnte, weil diese Berechtigung vorausgesetzt hätte, dass dem Angeklagten gemäß § 29 Abs. 4 FeV auf seinen Antrag durch die zuständige Fahrerlaubnisbehörde eine entsprechende Erlaubnis erteilt worden wäre. Dass dies geschehen ist, ist den getroffenen Feststellungen nicht zu entnehmen.

2. Die Wirkung des § 29 Abs. .3 Satz 1 Nr. 4 FeV setzt gemäß § 29 Abs. 3 Satz 3 FeV voraus, dass die rechtskräftige gerichtliche Entscheidung, der zufolge keine Fahrerlaubnis erteilt werden darf, im Fahreignungsregister eingetragen und nicht nach § 29 StVG getilgt ist (vgl. Senat NStZ-RR 2015, 25; OLG Oldenburg NZV 2011, 207; OLG Bamberg DAR 2013, 277; alle zum insoweit identischen § 28 Abs. 4 Satz 2 FeV). Feststellungen dazu enthält das angefochtene Urteil nicht; es erweist sich daher als lückenhaft. Die vom Amtsgericht getroffenen Feststellungen zu den Eintragungen im Bundeszentralregister vermögen diese Darstellungslücke nicht zu schließen. Denn dass die Sperrfrist im Bundeszentralregister eingetragen ist, lässt noch keine zwingenden Schlüsse darauf zu, dass die Sperrfrist zu den Tatzeiten auch im Fahreignungsregister des Kraftfahrtbundesamtes tatsächlich eingetragen war (vgl. dazu im Einzelnen Senat a.a.O.).

3. Soweit das Amtsgericht die Tat vorn 12. November 2016 als fahrlässig und die nachfolgenden Taten als vorsätzlich begangen eingeordnet hat, ist das Urteil eben-falls durchgreifenden rechtlichen Bedenken ausgesetzt. Die Urteilsgründe sind insoweit lückenhaft, denn das Amtsgericht teilt nicht mit, auf welchen festgestellten Tat-sachen die rechtliche Einordnung der Taten hinsichtlich der erfüllten Schuldformen beruht. Zwar handelt es sich dann um keinen durchgreifenden Darstellungsmangel, wenn sich die verwirklichte Schuldform aufgrund der mitgeteilten Gesamtumstände der Tat zwanglos erschließt (vgl. BGH NJW 2015, 3178, 3179). So liegt der Fall hier aber nicht, denn zur inneren Tatseite teilt das Amtsgericht lediglich die Einlassung des Angeklagten mit, wonach dieser bei den vier angeklagten Fahrten davon ausgegangen sei, nach Ablauf der verhängten Sperrfrist wieder berechtigt zu sein, in Deutschland ein Kfz zu führen. Zwanglose Rückschlüsse darauf, dass der Angeklagte die erste der Taten fahrlässig und die übrigen Taten vorsätzlich beging, lassen sich daraus nicht ziehen.“

Vorenthalten von Arbeitsentgelt, oder: Die Zahlung von Schwarzlöhnen im Urteil

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Ich eröffne den Tag mit einer Entscheidung des BGH zum Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt (§ 266a StGB), einer Vorschrift, die in der Rechtsprechung des BGH immer wieder von Bedeutung ist. Der BGH, Beschl.  v. 08.02.2017 –  2 StR 375/16 – nimmt zu den Anforderungen an die tatsächlichen Feststellungen Stellung. Verurteilt worden ist der Angeklagte wegen Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt in 82 Fällen. Nach den Feststellungen des LG Frankfurt am Main führte der Angeklagte seit September 2000 einen Taxibetrieb als Einzelbetrieb mit drei Taxikonzessionen und ab Dezember 2002 ein weiteres Taxiunternehmen als GbR mit zwei Taxikonzessionen. 2011 gab der Angeklagte beide Taxibetriebe wegen drohender Zahlungsunfähigkeit auf. „In beiden Taxibetrieben beschäftigte der Angeklagte im Tatzeitraum zwischen April 2005 bis Juli 2010 mehrere Fahrer, „die täglich in zwei Schichten (Tag- bzw. Nachtschicht) sowie in einer Wochenendschicht fuhren und die Fahrzeuge damit nahezu vollständig ausnutzten.“ Den Einsatz der Fahrer koordinierte der Angeklagte mittels elektronisch geführter Schichtpläne. „Bei den Sozialversicherungsträgern und dem Finanzamt waren die Fahrer, wenn über-haupt, tatsächlich nur mit einem geringeren – fiktiven – monatlichen Pauschal-lohn gemeldet. Insofern führte der Angeklagte neben den Schichtplänen eine ‚offizielle‘ Buchhaltung, die auch nur die gemeldeten Löhne wiederspiegelte. Tatsächlich wurden die Fahrer deutlich höher als gegenüber dem Finanzamt und den Sozialversicherungsträgern angegeben entlohnt und erhielten wesent-liche Teile ihres Lohnes schwarz ausgezahlt.“ Das LG hatte tabellarisch auf etwa zehn Seiten des 22-seitigen Urteils – geordnet nach den verschiedenen Krankenkassen – monatlich das „Bruttoentgelt“ der jeweiligen Arbeitnehmer der beiden Taxiunternehmen des Angeklagten, das (geringere) gemeldete Entgelt, den nachberechneten Gesamtsozialversicherungsbeitrag und den davon abgeführten Arbeitgeber- und Arbeitnehmeranteil aufgeführt.

Das reicht dem BGH so nicht, sondern:

„Bei Straftaten des Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt nach § 266a Abs. 1 und 2 StGB müssen für jeden Fälligkeitszeitpunkt die Höhe der zu zahlenden Arbeitsentgelte und des Beitragssatzes der jeweils zuständigen Krankenkasse angegeben werden, weil sich die Höhe der geschuldeten Beiträge auf der Grundlage des Arbeitsentgelts nach den Beitragssätzen der jeweiligen Krankenkasse sowie den gesetzlich geregelten Beitragssätzen der Renten-, Arbeitslosen- und Pflegeversicherung errechnet (vgl. BGH, Urteil vom 11. August 2010 – 1 StR 199/10, NStZ-RR 2010, 376).

Es fehlt bereits an Feststellungen zu den Beitragssätzen der verschiedenen Krankenkassen. Zudem kann der Senat nicht überprüfen, ob die vom Landgericht angegebenen – fiktiven – Bruttoarbeitsentgelte den Anforderungen des § 14 Abs. 2 SGB IV entsprechend berechnet worden sind. Denn es fehlt schon an der Angabe der nach Überzeugung der Strafkammer ausgezahlten Nettoentgelte.

Schließlich fehlt es auch an Angaben dazu, welche Lohnsteuerklassen die Strafkammer bei der Berechnung des fiktiven Bruttoarbeitsentgelts jeweils zugrunde gelegt hat (vgl. Senat, Urteil vom 5. August 2015 – 2 StR 172/15, wistra 2016, 153, 154). Zu diesen Angaben hätte deshalb Anlass bestanden, weil nach den Feststellungen ein Teil der Arbeitnehmer mit einem geringeren als dem tatsächlich gezahlten Lohn gemeldet war und deshalb – anders als bei vollständig illegalen Beschäftigungsverhältnissen (vgl. BGH, Urteil vom 2. Dezember 2008 – 1 StR 416/08, BGHSt 53, 71, 79) – davon auszugehen ist, dass die Arbeitnehmer dem Angeklagten ihre Lohnsteuer-karte vorgelegt haben (vgl. Richtarsky in Wabnitz/Janovsky, Handbuch des Wirtschafts- und Steuerstrafrechts, 4. Aufl., 19. Kap. Rn. 72). …“

Das darf jetzt eine andere Wirtschaftsstrafkammer beim LG Frankfurt/Main „nachbessern“. „Nachbessern“ muss sie dann auch bei der Kompensationsentscheidung betreffend die „Entschädigung für die überlange Verfahrensdauer“ . Denn einerseits sind in dem laut Hauptverhandlungsprotokoll verkündeten Urteilstenor zwei Monate, andererseits im schriftlichen Urteil sowie in dessen Begründung vier Monate „abgezogen“ worden. Also ein wenig konfus.

Falsches Geständnis ist „grob fahrlässig“, oder: Keine Entschädigung im Bonner „Mord ohne Leiche“-Fall

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Ich erinnere: In Bonn hat es ein „Mordverfahren“ gegeben, das unter dem Begriff „Mord ohne Leiche“ bekannt geworden ist. Das LG Bonn hatte den ehemaligen Angeklagten zunächst wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von 11 Jahren verurteilt. Der BGH hat das Urteil dann im BGH, Beschl. v. 27.10.2015 – 2 StR 4/15 aufgehoben (vgl. dazu mein Posting Mord ohne Leiche, oder: Weiterer Sex nur bei Geständnis). Mit LG Bonn, Urt. v. 21.12.2016 – 21 Ks 2/16, 920 Js 887/12 – ist der Angeklagte dann frei gesprochen worden. Eine Entschädigung nach dem StrEG ür die vom 31.08.2013 bis zum 16.03.2016 erlittene Untersuchungshaft hat das LG wegen grob fahrlässiger Verursachung seiner Inhaftierung durch ein Eingeständnis der Tötung seiner Ehefrau gegenüber einer Zeugin abgelehnt. Das OLG Köln hat das im OLG Köln, Beschl. v. 03.05.2017 – 2 Ws 237/17 – gehalten. Seine Begründung stützt das OLG auf „eigenes Verschulden“/grob fahrlässiges Verhalten.

Und zwar: Der ehemalige Angeklagte habe selbst zumindest grob fahrlässig die Ursache für seine Inhaftierung gesetzt, indem er im Juli 2013 – wahrheitswidrig – der ihn insistierend zum Verschwinden seiner Ehefrau befragenden Zeugin erklärte, er habe seine Frau erwürgt und ihre Leiche zerstückelt und in der Folgezeit über mehrere Wochen hinweg auf hartnäckiges Befragen der Zeugin weitere Details zum Tatablauf schilderte. Dieses Verhalten sei war nicht ausschließlich, jedoch entscheidend für die Annahme des dringenden Tatverdachts durch die Ermittlungsbehörden gewesen.

Und: Der ehemalige Angeklagte habe auch grob fahrlässig gehandelt

„Entgegen der Ansicht des früheren Angeklagten handelte er auch grob fahrlässig. Der Freigesprochene hat die Untersuchungshaft dann zumindest grob fahrlässig verursacht, wenn er nach objektiven, abstrakten Maßstäben in ungewöhnlichem Maße die Sorgfalt außer Acht lässt, die ein verständiger Mensch in gleicher Lage aufwenden würde, um sich vor Schaden durch Strafverfolgungsmaßnahmen zu schützen, indem er schon einfachste naheliegende Überlegungen anzustellen versäumt oder dasjenige nicht bemerkt, was im gegebenen Fall jedem einleuchten musste, und so die Maßnahme „geradezu herausfordert“ (vgl. KG Berlin, Beschluss vom 11.01.2012, 2 Ws 351/11, NStZ-RR 2013, 192).

Das Verhalten des früheren Angeklagten erfüllt diese Voraussetzungen.

Aufgrund der gegen ihn bereits angeordneten Ermittlungsmaßnahmen, der Heimunterbringung seines Kindes und seines Umzuges zu den Eltern nach C war ihm bewusst, dass er aus Sicht der Ermittlungsbehörden jedenfalls im Sinne eines Anfangsverdachtes verdächtig war, seine Ehefrau getötet zu haben. Ihm musste daher bewusst gewesen sein, dass seine Angaben gegenüber der Zeugin B, mit denen er sich selbst der vorsätzlichen Tötung seiner Ehefrau bezichtigte und detaillierte Ausführungen zum Tatgeschehen und zur Beseitigung der Leiche machte, den gegen ihn bereits bestehenden Anfangsverdacht zu einem dringenden Tatverdacht verstärken und den Erlass eines Haftbefehls gegen ihn rechtfertigen würden.

Der frühere Angeklagte durfte auch nicht darauf vertrauen, dass seine Selbstbezichtigung gegenüber der Zeugin B den Strafverfolgungsbehörden nicht zur Kenntnis gelangen würde. Es kann dabei dahinstehen, ob das zwischen der Zeugin B und dem früheren Angeklagten aufgezeichnete Gespräch vom 30.08.2013 im Rahmen der vorliegenden Entschädigungsentscheidung berücksichtigt werden darf. Jedenfalls aus den weiteren, für den Senat bindenden Feststellungen des Urteils folgt, dass dem früheren Angeklagten hätte einleuchten müssen, dass die Schilderung von Einzelheiten eines Kapitaldelikts zum Nachteil seiner Ehefrau im Ergebnis bekannt werden und Strafverfolgungsmaßnahmen gegen ihn auslösen würde. Nach den getroffenen Feststellungen hat die Zeugin B mit ihm im Juni 2013, nur zwei Monate nach dem sich beide kennengelernt hatten, gemeinsam die Strafakten gelesen und ihm – auch unter Hinweis auf seine Tätigkeit beim Sicherheitsdienst – dauernd vorgehalten, dass er mit der Tötung seiner Ehefrau etwas zu tun habe. Deshalb habe es zwischen ihnen auch „Stress“ gegeben. Die „ganze Fragerei“ und die Sache mit „Allmysterie“ – eine von der Zeugin B häufig besuchte Internetplattform, die sich mit ungeklärten Kriminalfällen befasst, auch dem Verschwinden von T E – seien ihm schon komisch vorgekommen. Es hätte sich dem früheren Angeklagten vor diesem Hintergrund und der von der Kammer geschilderten Persönlichkeit der Zeugin B, deren Leben das Zusammensein mit dem früheren Angeklagten eine besondere Bedeutung verlieh (Seite 33, 2. Absatz UA), aufdrängen müssen, dass die Zeugin B seine Selbstbezichtigung nicht für sich behalten würde. Entgegen den Ausführungen in der Beschwerdeschrift kommt es dabei auch nicht darauf an, ob der frühere Angeklagte nicht davon ausgegangen ist, dass die Zeugin B sich persönlich an die Polizei wenden würde. Ihm hätte sich jedenfalls aufdrängen müssen, dass sich die Zeugin B in einem der von ihr besuchten Internetforen oder auch, wie vorliegend geschehen, gegenüber einer Freundin, der Zeugin T2, offenbart, die sich ihrerseits an die Ermittlungsbehörden – wie geschehen – wendet.“

Zum Hintergrund: Im Verfahren nach dem StrEG ist das Beschwerdegericht gem. § 8 Abs. 3 Satz 2 StrEG i. V. m. § 464 Abs. 3 Satz 2 StPO an die Urteilsfeststellungen gebunden.