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„…da die vom Tatrichter getroffenen Feststellungen nicht den Mindestanforderungen entsprechen..“

Das OLG Düsseldorf hat jetzt eine Verurteilung wegen unerlaubten Besitzes von BtM aufgehoben, „da die vom Tatrichter getroffenen Feststellungen nicht den Mindestanforderungen entsprechen, die gemäß § 267 Abs. 1 Satz 1 StPO an die Urteilsgründe zu stellen sind.“ (vgl. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 30.08.2012 – III 2 RVs 124/12).

Die amtsgerichtlichen Feststellungen sind schon deshalb nicht geeignet, den Schuldspruch wegen unerlaubten Besitzes von. Betäubungsmitteln im genannten Sinne zu tragen, weil bereits nicht dargestellt wird, dass bei der Durchsuchung des Angeklagten im Polizeipräsidium Duisburg überhaupt Rauschgift gefunden worden ist. Vielmehr beschränken sich die Urteilsgründe auf die bloße Feststellung, dass ein „Pack mit 0,49 Gramm netto“ vorgefunden worden sei. Zwar ist sowohl dem Tenor der angefochtenen Entscheidung als auch den darin enthaltenen Ausführungen zur rechtlichen Würdigung der abgeurteilten Tat zu entnehmen, dass das Amtsgericht offenbar davon überzeugt war, dass bei der Durchsuchung des Angeklagten Betäubungsmittel gefunden worden sind. Es kann jedoch bei der Darstellung des aufgrund des Inbegriffs der Hauptverhandlung (§ 261 StPO) festgestellten Sachverhalts nicht dem Revisionsgericht überlassen bleiben, anhand eines Abgleichs der Urteilsgründe mit dem Schuldspruch die tatrichterliche Bewertung im Einzelfall zu ermitteln (BGH NStZ – RR 2008, 83, 84).

Selbst wenn jedoch mit dem Amtsgericht auch ohne nähere Feststellungen davon ausgegangen werden könnte, dass sich der Angeklagte bei seiner polizeilichen Durchsuchung am 14. Oktober 2011 im Besitz von Betäubungsmitteln befunden hat, wäre die amtsrichterliche Sachverhaltsdarstellung nicht frei von Rechtsfehlern, da es auch in diesem Fall noch an der Feststellung fehlt, welches Betäubungsmittel der Angeklagte mit sich geführt hat. Zwar hat das Amtsgericht zur Person, des Angeklagten festgestellt, dass er seit etwa zehn Jahren Heroin konsumiert; zu Recht hat die Generalstaatsanwaltschaft in ihrer Stellungnahme vom 21. August 2012 jedoch darauf hingewiesen, dass dies keineswegs zwingend den Schluss zulässt, „dass es sich bei dem inkriminierten Rauschgift ebenfalls um Heroin und nicht etwa Kokain oder gar — die weiche Droge — Marihuana handelte“. Die mithin fehlenden Feststellungen zur Art des beim Angeklagten vorgefundenen Rauschgifts sind aber schon deshalb nicht entbehrlich, weil die einzelnen Betäubungsmittel wegen ihrer unterschiedlichen Wirkungen auf die jeweiligen Konsumenten auch unabhängig von ihrer Menge und ihrem Wirkstoffgehalt in ihrer Gefährlichkeit teilweise erheblich voneinander abweichen. Diese unterschiedliche Gefährlichkeit ist ein wesentliches Element von Unrecht und Schuld eines Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz und hat daher nicht nur im Rahmen der Strafzumessung eine eigenständige Bedeutung (vgl. BGHR BtMG § 29 Strafzumessung 6, 8, 12 und 19; BGH NJW 1994, 1885, 1886; BGH NStZ 1991, 591, jeweils m. w. N.), sondern ist auch für den ,Schuldspruch als solchen relevant, dem daher beim Fehlen entsprechender Feststellungen der Boden entzogen werden kann (vgl. Weber, Betäubungsmittelgesetz, 3. Auflage, Rn. 783 f. vor §§ 29 ff. BtMG).

Von der Art wird es viel Urteile geben. Eine Einladung zur Sprungrevision.

Berechnung der BAK – welche Angaben müssen ins Urteil?

Die (richtige) Berechnung der Blutalkoholkonzentrationist im Hinblick auf die mit der Schuldfähigkeit(§§ 20, 21 StGB) zusammenhängenden Fragen von erheblicher Bedeutung. Deshalb der Hinweis auf den KG, Beschl. v. 12.03.2012 – (4) 121 Ss 57/12 (86/12) -, der sehr schön aufzeigt, welche tatsächlichen Feststellungen und Angaben im Urteil des Tatrichters enthalten sein müssen, wenn es um die (richtige) Berechnung der BAK geht. Fehlen sie, kann das Revisionsgericht die Berechnung nicht nachvollziehen. Dann wird das Urteil als lückenhaft angesehen und auf die Sachrüge hin aufgehoben (§§ 267, 344 StPO).

Das KG kommt in seiner Entscheidung zu folgenden Leitsätzen:

1. Die Berechnung der Blutalkoholkonzentration ist regelmäßig nur dann nachvollziehbar, wenn die angewandte Methode dargelegt worden ist, wobei auch die Anknüpfungstatsachen wie Körpergewicht, Trinkbeginn und -ende, Mengenangaben und Alkoholgehalt sowie die der Berechnung zugrunde liegenden (Rück-)Rechnungswerte wie Resorptionsdefizit, Reduktionsfaktor und Abbaugeschwindigkeit mitzuteilen sind.

2. Macht der Angeklagte Angaben zu Art und Menge des vor der Tat konsumierten Alkohols, so ist der Tatrichter nicht gezwungen, diese Trinkmengenangaben schlechthin hinzunehmen.

Und/aber: Führen Angaben, für deren Richtigkeit es keine Beweise gibt, rechnerisch zu medizinisch unrealistischen Werten oder sind sie mit dem erwiesenen Verhalten nicht vereinbar, so darf der Tatrichter sie allerdings auch nicht ohne Weiteres als insgesamt unbrauchbar verwerfen, sondern hat eine Kontrollberechnung mit dem höchstmöglichen Abbauwert vorzunehmen und zusätzlich vom höchstmöglichen Resorptionsdefizit von 30 % auszugehen.

Was gehört in ein „BtM-Urteil“?

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Für die Wirksamkeit einer Beschränkung der Berufung ist erforderlich, dass ausreichende Schuldfeststellungen getroffen worden sind. Ist das nicht der Fall, ist die Berufungsbeschränkung unwirksam. Damit haben die Gerichte häufig bei BtM-Verurteilungen zu kämpfen. Dazu der KG, Beschl. v. 21. 02.2012  –  (4) 121 Ss 32/12 (45/12)  – mit dem Leitsatz:

Nicht jede Lücke in den Schuldfeststellungen führt zur Unwirksamkeit der Beschränkung auf den Rechtsfolgenausspruch. Fehlen Angaben zum Wirkstoffgehalt des Betäubungsmittels, kann der Schuldspruch je nach Lage des Einzelfalles – wenn tatbestandliche Voraussetzungen, wie zum Beispiel das Vorliegen einer nicht geringen Menge im Sinne des § 29 a Abs. 1 Nr. 2 BtMG, nicht in Frage stehen – revisionsrechtlicher Prüfung standhalten. Demgegenüber bilden die Feststellungen keine ausreichende Grundlage für den Schuld- und Strafausspruch, wenn keine Angaben zum Wirkstoffgehalt und zum gehandelten Gewicht der Betäubungsmittel vorhanden sind, das ggf. im Wege der Schätzung, z.B. anknüpfend an den Preis, zu ermitteln ist.

 

 

 

Da kommt Freude auf – zum zweiten Mal aufgehoben. Wirklich?

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Das kann doch nicht so schwer, habe ich gedacht, als ich auf den BGH, Beschl. v. 29.05.2012 – 3 StR 156/12 – gestoßen bin. Ist/war es aber offenbar doch.

Der Angeklagte war durch Urteil des LG Düsseldorf vom 22.02.2011 wegen Betruges in drei Fällen, Untreue in 33 Fällen und Bankrotts zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt worden. Außerdem hatte das LG festgestellt, dass von der verhängten Freiheitsstrafe neun Monate als vollstreckt gelten. Auf die Revision des Angeklagten hatte der BGH den Schuldspruch dahin abgeändert, dass der Angeklagte (neben zwei durch Verwerfung der Revision im Übrigen in Rechtskraft erwachsenen weiteren Fällen) im Tatkomplex II. 3. der Urteilsgründe des Betruges in 18 Fällen sowie des versuchten Betru-ges in zwei Fällen schuldig sei. Außerdem hatte er das Urteil mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit der Angeklagte wegen Untreue in 33 Fällen und Bankrotts verurteilt worden war, im Ausspruch über die Einzelstrafe im Fall II. 3. der Urteilsgründe und im Ausspruch über die Gesamtstrafe.

Das LaG hat nach Einstellung der im ersten Durchgang als Untreue und Bankrott bewerteten Taten nach § 154 Abs. 2 StPO den Angeklagten „wegen Betruges in 22 Fällen, davon in zwei Fällen im Versuch, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt“ und wiederholt, dass von der „verhängten Freiheitsstrafe … neun Monate als vollstreckt“ gelten. Dagegen die Revision des Angeklagten, die nun nochmals zur Aufhebung durch den BGH geführt hat. Begründung:

„Das Landgericht hat, soweit ihm eine Festsetzung der Einzelstrafen noch oblag, die versuchten und vollendeten Betrugstaten als besonders schwere Fälle (§ 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 Alt. 1 StGB) beurteilt. Es hat dazu das Urteil vom 22. Februar 2011 im Anschluss an die Eingangsbemerkung, der „Verurteilung“ lägen „damit folgende Feststellungen zu Grunde“, wörtlich dahin zitiert, der Angeklagte habe jeweils in der Absicht gehandelt, „sich durch die fortgesetzte Begehung von Betrugstaten … eine nicht nur vorübergehende Einnahmequelle von einigem Umfang zu verschaffen“. Eigene, mit einer eigenständigen Beweiswürdigung belegte Feststellungen (vgl. BGH, Urteil vom 28. März 2012 – 2 StR 592/11) zur gewerbsmäßigen Handlungsweise des Angeklagten hat es nicht getroffen.

Damit hat das Landgericht seine Beurteilung auf Feststellungen des Urteils vom 22. Februar 2011 gestützt, die – weil die Strafzumessung betreffend (vgl. BGH, Beschluss vom 22. April 2008 – 3 StR 52/08, juris Rn. 5) – durch den Beschluss des Senats im ersten Revisionsverfahren mit aufgehoben waren. Dies führt zur Aufhebung der Einzelstrafen sowie des Gesamtstrafausspruchs; denn das Fehlen eigener entscheidungserheblicher Feststellungen des Tatrichters ist ein sachlich-rechtlicher Mangel, der auf die allgemeine Sachrüge hin zu beachten ist (vgl. BGH, Beschluss vom 28. März 2007 – 2 StR 62/07, BGHR StPO § 353 Abs. 2 Tenorierung 1).“

Scheint doch schwieriger zu sein. Wohl aus Vorsicht führt der BGH daher aus:

III. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat darauf hin, dass der neue Tatrichter eigene – und nicht nur ergänzende – Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen des Angeklagten zu treffen haben wird (BGH, Beschluss vom 25. Juni 1999 – 3 StR 239/99, NStZ-RR 2000, 39 mwN; Meyer-Goßner, StPO, 54. Aufl., § 353 Rn. 19).“

Ob es den Angeklagten letztlich wirklich freut. Zweimal die Kosten/Auslagen der Revision? 🙁

Durcheinander beim AG – Rechtsschein eines Urteils

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Das OLG Celle hatte im OLG Celle, Beschl. v. 12.4. 2012 – 311 SsBs 26/12 – über folgenden – in meinen Augen kuriosen – Sachverhalt zu entscheiden:

Der Betroffene hatte gegen einen Bußgeldbescheid Einspruch eingelegt. Udn – kürzer geht es leider nicht :-):

Unter dem 14. Oktober 2011 bestimmte das Amtsgericht Hannover Termin zur Hauptverhandlung auf den 27. Oktober 2011 und lud den Betroffenen hierzu. In der Sitzung erschien der Betroffene nicht. In dem Protokoll der Hauptverhandlung heißt es:
„Die ordnungsgemäße Ladung d. Betroffenen konnte noch nicht festgestellt werden. Entschuldigung lag nicht vor. Es soll ? vorbehaltlich einer ordnungsgemäßen Ladung ? verworfen werden.“
Sodann enthält das Protokoll einen Fertigstellungsvermerk vom 27. Oktober 2011 und die Unterschriften des Amtsrichters sowie der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle. Handschriftlich hat der Richter auf dem Protokoll zudem vermerkt, dass ihm der Vorgang nach Eingang der Zustellurkunde, spätestens nach drei Wochen wieder vorgelegt werden solle.
Dem Protokoll nachgeheftet befinden sich in dem Vorgang diverse Urkunden und Schriftstücke, die offenbar von der Vertreterin der Verwaltungsbehörde im Hauptverhandlungstermin am 27. Oktober 2011 überreicht worden waren. Lediglich die erste Seite dieser Unterlagen trägt das Kürzel der Urkundsbeamtin, die weiteren Seiten sind ohne entsprechenden Vermerk. Dem folgt im Vorgang ein Schreiben der Landeshauptstadt H. vom 21. Oktober 2011, das den Eingangsstempel des Amtsgerichts Hannover vom 26. Oktober 2011 trägt. Der im Anschluss daran in den Vorgang gehefteten Zustellungsurkunde über die Ladung des Betroffenen zum Termin am 27. Oktober 2011 ist zu entnehmen, dass diese dem Betroffenen erst am 24. Oktober 2011 zugestellt worden ist. Zwei weitere Seiten später findet sich ein vom Richter und der Urkundsbeamtin unterschriebener Formulartext, der üblicherweise im Fall des Ausbleibens des Betroffenen im Hauptverhandlungstermin trotz Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen verwendet wird. Hierin heißt es, dass gegen den Betroffenen ein Urteil durch Verlesen der Urteilsformel unter mündlicher Mitteilung der wesentlichen Urteilsgründe verkündet worden sei. Der Einspruch des Betroffenen gegen den Bußgeldbescheid werde verworfen. Zur Begründung wird ausgeführt, dass der Betroffene zwar rechtzeitig Einspruch gegen den Bußgeldbescheid erhoben habe, nach der bei den Akten befindlichen Zustellungsurkunde ihm die Ladung am 24. Oktober 2011 zugestellt worden und er dennoch der Hauptverhandlung ohne genügende Entschuldigung ausgeblieben sei. Das Schriftstück trägt einen von der Justizangestellten M. gezeichneten Stempel, wonach das Urteil zur Geschäftsstelle am 16. November 2011 gelangt sei. Auf der Rückseite der vor diesem Text im Vorgang abgehefteten Seite findet sich die Verfügung des Amtsrichters, wonach das Verwerfungsurteil an den Betroffenen gegen ZU zuzustellen sei. Diese Verfügung trägt ebenfalls das Datum 16. November. Im Anschluss daran findet sich in dem Vorgang eine Leseabschrift eines Urteils des Amtsgerichts Hannover vom „27. Oktober 2011“, das unter Ergänzung des Rubrums im Übrigen dem Text des Urteils, das am 16. November 2011 zur Geschäftsstelle gelangt ist, entspricht. Eine entsprechende Ausfertigung ist dem Betroffenen am 26. November 2011 zugestellt worden.“

Das OLG hat „aufgrund der aufgezeigten Unstimmigkeiten im Hauptverhandlungsprotokoll“ – sehr feinsinnig ausgedrückt –  über die Sitzung vom 27. Oktober 2011 und die Verfügungen des Amtsrichters und der Urkundsbeamtin vom 16. November 2011 t dienstliche Stellungnahmen des Amtsrichters und der Urkundsbeamtin zum Inhalt der Hauptverhandlung, zur zeitlichen Fertigung des Protokolls und zu weiteren Umständen eingeholt. Der Amtsrichter hat daraufhin erklärt, wegen der Vielzahl der seither bearbeiteten und verhandelten Verfahren nicht mehr in Erinnerung zu haben, ob ihm die Zustellungsurkunde noch im Hauptverhandlungstermin vorgelegt worden sei. Die Urkundsbeamtin hat sich in ihrer dienstlichen Stellungnahme derjenigen des Amtsrichters angeschlossen.

Das OLG hat dann das „Urteil aufgehoben:

Da auch die dienstlichen Stellungnahmen des Richters und der Urkundsbeamtin keine weiteren Erkenntnisse ergeben haben, ist davon auszugehen, dass das dem Betroffenen zugestellte „Urteil“ entgegen dessen Rubrum in der Ausfertigung nicht am 27. Oktober 2011, sondern zu einem späteren Zeitpunkt, vermutlich um den 16. November 2011 herum erlassen worden ist. Mit der Übersendung einer Ausfertigung eines gar nicht existenten Urteils hat das Amtsgericht einen Rechtsschein gesetzt, der auf die zulässig erhobene Rechtsbeschwerde des Betroffenen zu beseitigen war. Insoweit handelt es sich auch nicht um eine nur versehentlich falsch datierte Ausfertigung der tatsächlich erlassenen Entscheidung, bei der der Mangel im Rubrum keine Auswirkungen auf die Wirksamkeit oder den Rechtsmittelerfolg entfalten würde (vgl. BGH NStZ 1995, 221). ….