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StrEG I: Entschädigung für Untersuchungshaft?, oder: Fluchtversuch vor der Feststellung der Personalien

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Der Tag heute ist dann der Entschädigung nach dem StrEG gewidmet. Zu der Problematik haben sich in der letzten Zeit einige Entscheidungen angesammelt.

Hier zunächst der KG, Beschl. v. 07.05.2021 – 2 Ws 25/21 – zur Anwendung und den Voraussetzungen des § 5 Abs. 2 StrEG. Die Angeklagte ist frei gesprochen worden. Entschädigung für Untersuchungshaft hat das LG aber nicht gewährt, weil die ehemalige Angeklagte diese selbst „verursacht“ habe. Das KG schließt sich dem an:

§ 5 Abs. 2 Satz 1 StrEG enthält einen Ausnahmetatbestand. Bei der Beurteilung der Frage, ob der Beschuldigte Anlass zu der Strafverfolgungsmaßnahme gegeben hat, ist deshalb ein strenger Maßstab anzulegen (vgl. BGH StraFo 2010, 87; KG StraFo 2009, 129; KG, Beschlüsse vom 18. April 2007 – 4 Ws 47/04 – und 20. Juni 2006 – 4 Ws 41/05 –). Es reicht daher nicht aus, dass sich der Freigesprochene irgendwie verdächtig gemacht hat und die gesamte – allein oder überwiegend aufgrund anderer Beweismittel bestehende – Verdachtslage die ergriffene Strafverfolgungsmaßnahme rechtfertigt (vgl. BGH StraFo 2010, 87; Senat, Beschluss vom 11. Januar 2012 – 2 Ws 351/11 –, juris). Erforderlich ist vielmehr, dass er die Maßnahme durch die Tat selbst oder sein früheres oder nachfolgendes Verhalten ganz oder überwiegend verursacht hat (vgl. BGH bei Holtz MDR 1983, 450; KG StraFo 2009, 129; KG, Beschlüsse vom 20. Juni 2006 – 4 Ws 41/05 – und vom 9. März 1999 – 4 Ws 24/99 –, juris; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO 63. Aufl., § 5 StrEG Rn. 7). Das Verhalten des Freigesprochenen ist nicht oder nicht mehr ursächlich, wenn die Maßnahme auch unabhängig von seinem Verhalten, welches sicher festzustellen ist (vgl. OLG Köln StraFo 2001, 146), angeordnet oder aufrechterhalten worden wäre (vgl. OLG Karlsruhe NStZ-RR 2005, 255; OLG Oldenburg StraFo 2005, 384; KG StraFo 2009, 129) oder wenn sie allein oder im Wesentlichen auf anderen Beweisen beruht (vgl. Senat aaO mwN). Im Zweifelsfall ist zu seinen Gunsten zu entscheiden (vgl. KG StraFo 2009, 129; KG, Beschlüsse vom 18. April 2007 – 4 Ws 47/04 – und 20. Juni 2006 – 4 Ws 41/05 –).

Ob eine schuldhafte Verursachung vorliegt, ist ausschließlich nach zivilrechtlichen Zurechnungsgrundsätzen (§§ 254, 276, 277, 278 BGB) zu beurteilen (vgl. BGH bei Holtz MDR 1983, 450, 451; KG StraFo 2009, 129; Senat aaO mwN). Dabei steht eine Verletzung der dem Geschädigten obliegenden Schadensminderungspflicht einer Mitverursachung gleich (vgl. KG StraFo 2009, 129). Der Freigesprochene hat die Ermittlungsmaßnahme dann zumindest grob fahrlässig verursacht, wenn er nach objektiven, abstrakten Maßstäben in ungewöhnlichem Maße die Sorgfalt außer Acht lässt, die ein verständiger Mensch in gleicher Lage aufwenden würde, um sich vor Schaden durch Strafverfolgungsmaßnahmen zu schützen (vgl. BGH StraFo 2010, 87; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO 63. Aufl., § 5 StrEG Rn. 9), indem er schon einfachste, naheliegende Überlegungen anzustellen versäumt oder dasjenige nicht bedenkt, was im gegebenen Fall jedem einleuchten müsste, und so die Maßnahme „geradezu herausfordert“ (vgl. KG StraFo 2009, 129; Senat aaO mwN).

2. Ausgehend von diesen Grundsätzen hat das Landgericht der Freigesprochenen eine Entschädigung für die vorläufige Festnahme und die erlittene Untersuchungshaft zu Recht versagt. Diese hat ihre vorläufige Festnahme sowie die Anordnung und den Vollzug der Untersuchungshaft grob fahrlässig verursacht.

Die Strafkammer hat im Urteil festgestellt (UA S.17), dass die Freigesprochene, ihren – deshalb verurteilten – Begleiter und Mitangeklagten V. am Abend des 11. Juli 2020, in der Nähe des U-Bahnhofs Gleisdreieck in Berlin aus geringer Entfernung dabei beobachtete, wie dieser dem Zeugen M. eine täuschend echt aussehende Spielzeugpistole an den Kopf hielt, um ihm zur Duldung der Wegnahme eines 50-Euro-Scheines zu veranlassen, den er ihm zugleich aus der Hosentasche zog. Danach sah sie zu, wie der Mitangeklagte diesen Geldschein an eine unbekannt gebliebene männliche Person weitergab. Kurze Zeit später war sie dabei, als der Mitangeklagte einen weiteren Mann kurz vor dem U-Bahnhof schlug und ihm einen unbekannt gebliebenen Gegenstand entwendete. Als eine Gruppe von Passanten darauf aufmerksam wurde und einzelne aus der Gruppe versuchten, den Mitangeklagten V. festzuhalten, stießen und zogen die Freigesprochene sowie der weitere Mitangeklagte M. diese von dem Mitangeklagten V. fort. Die Freigesprochene schlug zudem mit ihrer Tasche nach ihnen und schrie sie an.

Im Zuge der anschließenden vorläufigen Festnahme der Mitangeklagten auf dem        U-Bahnhof versuchte die Beschwerdeführerin, gegenüber den eingetroffenen Polizeibeamten den Tatverdacht gegen diese zu entkräften, indem sie wider besseres Wissen behauptete, insbesondere der Angeklagte V. hätte keine strafbaren Handlungen begangen. Zudem versuchte sie, – bevor ihre Personalien aufgenommen werden konnten – den Bahnhof zu verlassen, und konnte nur durch das Eingreifen eines Polizeibeamten im letzten Moment daran gehindert werden, mit einer gerade eingefahrenen U-Bahn zu entkommen. Erst daraufhin wurde auch sie vorläufig festgenommen.

a) Das Verhalten der Freigesprochenen war kausal für die Strafverfolgungsmaßnahmen. Die Beschwerdeführerin hat die freiheitsentziehenden Maßnahmen dadurch verursacht, dass sie durch ihr den Mitangeklagten V. abschirmendes Verhalten nicht nur den dringenden Verdacht einer Beteiligung an dessen Taten erzeugt, sondern durch ihren Fluchtversuch auch den Haftgrund der Fluchtgefahr (§ 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO) geschaffen hat.

b) Ein Beschuldigter kann die Anordnung von Untersuchungshaft nicht nur dadurch verursachen, dass er durch sein Verhalten maßgeblich zur Entstehung des dringenden Tatverdachts beiträgt, sondern auch dadurch, dass er in zurechenbarer Weise (vgl. KG, StraFo 2009, 129) einen wesentlichen Ursachenbeitrag zur Begründung eines Haftgrundes – auch eines weiteren Haftgrundes (vgl. OLG Frankfurt am Main NStZ-RR 1998, 341; KG Rpfleger 1999, 350; Senat, Beschluss vom 11. Januar 2012 – 2 Ws 351/11 –, juris) – leistet (vgl. OLG Karlsruhe NStZ-RR 2005, 255, 256; OLG Brandenburg, Beschluss vom 5. Dezember 2007 – 1 Ws 273/07 – juris; Senat aaO mwN; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO 63. Aufl., § 5 StrEG Rn. 11).

c) Die Annahme von Fluchtgefahr war aufgrund der Gesamtumstände zum Zeitpunkt der vorläufigen Festnahme und des Haftbefehlserlasses naheliegend. Die Beschwerdeführerin wurde letztlich nur freigesprochen, weil die Strafkammer im Ergebnis der mehrtätigen Beweisaufnahme zu ihren Gunsten davon ausgehen musste, dass ihre den Haupttäter unterstützenden und abschirmenden Handlungen spontan und erst nach Beendigung der Haupttat sowie der bereits anderweitig erfolgten Beutesicherung einsetzten. Der aus der Straferwartung resultierende hohe Grad der Fluchtgefahr gebot auch den Vollzug der Untersuchungshaft.

d) Das für die freiheitsentziehenden Strafverfolgungsmaßnahmen ursächliche Verhalten der Beschwerdeführerin ist nach den eingangs dargelegten Maßstäben auch zweifellos als grob fahrlässig zu werten.“

U-Haft-Beschränkungen, oder: Briefkontrolle, Dauerbesuchserlaubnis und Telefonerlaubnis

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Die zweite Entscheidung kommt vom OLG Celle. Das hat im OLG Celle, Beschl. v. 11.05.2020 – 3 Ws 94/20 (UVollz), 3 Ws 110/20 (UVollz) u. 3 Ws 112/20 (UVollz) in einem Verfahren mit dem Vorwurf des Betruges zu der der Angeklagaten im Rahmen der U-Haft auferlegte Beschränkungen Stellung genommen.

Das LG hatte einen an den Zeugen gerichteten Brief der Angeklagten angehalten und beschlagnahmt, weil davon auszugehen sei, dass der Brief von der Angeklagten unter Umgehung der „Postkontrolle“ verschickt worden sei. Dies sei erst aufgefallen, nachdem der Brief wegen Unzustellbarkeit als Retoure zurück in die Justizvollzugsanstalt gelangt sei. Dabei sei festgestellt worden, dass zwar der Brief selbst, nicht aber die Beschriftung des Umschlages von der Angeklagten verfasst worden sei. Dagegen hatte die Angeklagte geltend gemacht, dass sie den Brief nicht unter Umgehung der Postkontrolle verschickt habe. Die Beschriftung des Umschlages habe sie nur deshalb von einer Mitgefangenen vornehmen lassen, weil sie selbst sich am Tag der Versendung in den Finger geschnitten habe. Den Brief habe sie bereits mehrere Tage vor der Verletzung verfasst.

Außerdem sind vom LG ein Antrag auf Erteilung einer Dauerbesuchserlaubnis für die Angeklagte sowie der Antrag der Angeklagten auf Erteilung einer Erlaubnis zum Führen von Telefonaten mit mehreren Personen abgelehnt. Zur Begründung ist ausgeführt, dass die Ablehnungen zur Vermeidung einer Verdunkelungsgefahr erforderlich seien. Es lägen konkrete Anhaltspunkte dafür vor, dass die Angeklagte in der Vergangenheit die „Haftkontrolle aktiv umgangen“ habe. Der Kontakt könne ausreichend mittels Briefverkehr aufrechterhalten werden. Eine Überwachung der Telefongespräche könne der bestehenden Gefahr nicht ausreichend entgegenwirken. Eine umfassende Überwachung sei nicht möglich. Eine Gewähr für die Identität der jeweiligen Gesprächspartner bestehe nicht. Dagegen hat die Angeklagte geltend gemacht, dass der Verweis auf bloßen Briefverkehr nach neun Monaten Untersuchungshaft unverhältnismäßig sei, nachdem die Beweisaufnahme „so gut wie abgeschlossen“ und „alle Zeugen vernommen“ worden seien.

Das OLG hat die Beschränkungen aufgehoben. Begründung u.a.:

„1. Das Landgericht hat das Anhalten und die Beschlagnahme des Briefes auf eine Umgehung der „Postkontrolle“ gestützt, obwohl eine Anordnung nach § 119 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 StPO, dass der Schriftverkehr der Angeklagten zu überwachen ist, zuvor nicht getroffen worden war. Ebenso hat das Landgericht die Erteilung von Erlaubnissen für den Empfang von Besuchen und das Führen von Telefongesprächen abgelehnt, ohne dass eine Anordnung nach § 119 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 StPO ergangen war, dass der Empfang von Besuchen und die Telekommunikation der Angeklagten der Erlaubnis bedürfen. Sollen aber einer oder einem inhaftierten Beschuldigten Beschränkungen zur Abwehr einer Flucht-, Verdunkelungs- oder Wiederholungsgefahr (§§ 112, 112a StPO) auferlegt werden, ist eine den Anforderungen nach § 119 StPO genügende, einzelfallbezogene Anordnung (sog. Haftstatut) notwendig, die der oder dem Beschuldigten zur Kenntnis zu geben ist (vgl. Senatsbeschluss vom 10. Januar 2020 – 3 Ws 372/19 [(UVollz], juris). Eine solche Anordnung ist hier unterblieben. Sie ist insbesondere nicht in dem Aufnahmeersuchen des Amtsgerichts Hannover vom 15. Juli 2019 und dem diesem beigefügten Formblatt „Anordnungen für den Vollzug“, in dem hinter verschiedenen Textzeilen Felder mit „Ja“ oder „Nein“ angekreuzt worden sind, zu erkennen. Denn weder enthielt diese Anordnung eine Begründung noch ist die bei Beschränkungen nach § 119 Abs. 1 Satz 6 StPO erforderliche Benachrichtigung der Beschuldigten hierüber erfolgt (vgl. Senat aaO).

2. Die angefochtenen Entscheidungen finden auch keine Rechtfertigung in §§ 133 ff. NJVollzG.

Zwar enthält das NJVollzG Regelungen zum Vollzug der Untersuchungshaft. Insbesondere bedürfen auch ohne ein „Haftstatut“ nach § 119 Abs. 1 StPO Besuche in der Untersuchungshaft der Erlaubnis des Gerichts (§§ 143, 144 NJVollzG). Der Schriftverkehr von Untersuchungsgefangenen unterliegt der Überwachung (§ 146 NJVollzG). Telefongespräche von Untersuchungsgefangenen bedürfen der Erlaubnis der Vollzugsbehörde, die nur mit Zustimmung des Gerichts erteilt werden darf (§ 148 Abs. 1 NJVollzG).

Allerdings greifen diese Beschränkungen nur, soweit sie zur Aufrechterhaltung der Sicherheit oder Ordnung der Vollzugsanstalt erforderlich sind (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Februar 2012 – 3 BGs 82/12, BGHR StPO § 119 Abs. 1 Beschränkung 1 mwN). Denn nachdem das Bundesverfassungsgericht durch Beschluss vom 30. Oktober 2014 – 2 BvR 1513/14 – (NStZ-RR 2015, 79) entschieden hat, dass auch nach der Übertragung der Gesetzgebungskompetenz für den Untersuchungshaftvollzug auf die Länder die bundesgesetzliche Regelung des § 119 StPO weiterhin die alleinige Rechtsgrundlage für Beschränkungen darstellt, die dem Zweck der Untersuchungshaft zu dienen bestimmt sind, kann der Auffassung, dass § 119 StPO in Niedersachsen für den Bereich der Untersuchungshaft keine Anwendung findet, nicht mehr gefolgt werden (so schon Senatsbeschluss vom 22. Februar 2019 – 3 Ws 67/19 (UVollz), Nds. Rpfl. 2019, 327). Dementsprechend dürfen einem Untersuchungsgefangenen Beschränkungen, die zur Abwehr einer Flucht-, Verdunkelungs- oder Wiederholungsgefahr erforderlich sind, ausschließlich nach § 119 Abs. 1 StPO auferlegt werden, während ohne ein solches „Haftstatut“ nur Gründe der Sicherheit oder Ordnung der Anstalt zum Tragen kommen können.

Da im vorliegenden Fall das Landgericht allein auf Erwägungen einer möglichen Verdunkelungsgefahr abgestellt hat, sind die Beschränkungen allein an § 119 Abs. 1 StPO zu messen, dessen Voraussetzungen mangels Haftstatuts – wie bereits ausgeführt – nicht erfüllt sind.

3. Abgesehen davon tragen auch die sachlichen Erwägungen die angefochtenen Beschränkungen nicht……“

Rest dann bitte selbst im Volltext lesen :-).

Durchsuchung III: Körperliche Durchsuchung mit Entkleidung, oder: Grundsätzlich unzulässig

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Und die dritte Entscheidung zur Durchsuchung stammt aus dem Bereich des Untersuchungshaftvollzug. Gegenstand der Entscheidung ist Zulässigkeit einer körperlichen Durchsuchung mit Entkleidung. Das OLG Hamburg hat diese im OLG Hamburg, Beschl. v.  19.05.2020 – 3 St 1/20 – als unzulässig angesehen. Wegen der Einzelheiten verweise ich auf den nachfolgenden Beschluss:

„Die Antragstellerin befindet sich aufgrund des Haftbefehls des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofes vom 02. September 2019 seit dem 09. September 2019 als Untersuchungsgefangene in der JVA Billwerder – Teilanstalt für Frauen.

Für den Transport zum Ort der Hauptverhandlung hat die Leiterin der Teilanstalt für Frauen folgende Anordnung getroffen:

„Transporte, die im Zusammenhang mit der Hauptverhandlung vor dem Hanseatischen Oberlandesgericht durchgeführt werden, sind im Wege des Transportes durch den Gefangenentransportwagen in die Untersuchungshaftanstalt Hamburg durchzuführen. Für den Transport in die Untersuchungshaftanstalt wird Frau pp. in dem dafür vorgesehenen Haftraum in der Teilanstalt für Frauen (TAF) umgekleidet. Diese Durchsuchung und Umkleidung obliegt der Revision und wird grundsätzlich 2-phasig vorgenommen. In der Regel wird eine Bedienstete der Teilanstalt für Frauen unterstützend anwesend sein.

Auf dem Rücktransport wird Frau pp. als letzte den Gefangenentransportwagen verlassen und mit identischem Ablauf in die TAF zurückgeführt. Dies erfolgt durch mind. eine Bedienstete der Revision. Im Hafthaus wird eine Durchsuchung ohne Umkleidung durchgeführt. Frau pp. wird sich im Anschluss im Haftraum umziehen und die getragene Kleidung auf direktem Wege zum Waschen in die TAF-Kammer geben. Die saubere Bekleidung wird durch die Revision durchsucht und in den Kleidersäcken verplombt.“

Die Praxis der Umsetzung dieser Anordnung ist zwischen den Parteien streitig,

Die Antragstellerin trägt vor, dass sie sich vollständig vor den Justizbeamtinnen entkleiden müsse. Sie müsse sich dann wahlweise hinhocken oder stehend vorn überbeugen. Im letzteren Fall würden die Körperhöhlen im Intimbereich zudem optisch untersucht.

Die Antragstellerin ist der Auffassung, dass diese Praxis eine Durchsuchung im Sinne von § 50 Abs. 2 HmbUVollzG darstelle, dessen Voraussetzungen offenbar nicht gegeben seien.

Die Antragstellerin beantragt sinngemäß,

die Rechtswidrigkeit der mit einer Entkleidung vor den Bediensteten verbundene Durchsuchung ihrer Person festzustellen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag auf gerichtliche Entscheidung zurückzuweisen.

Eine Inspektion der Körperhöhlen im Intimbereich finde nicht statt. Es werde sichergestellt, dass bei der Umkleidung immer eine Körperhälfte bekleidet sei, indem zunächst der Wechsel der Bekleidung des Oberkörpers und dann der Bekleidung des Unterkörpers durchgeführt werde. Gelegentlich werde die Antragstellerin hierbei aufgefordert, kurz in die Hocke zu gehen und ihren Oberkörper vorzubeugen. Diese Bewegungen dienten ausschließlich dem Zweck, verbotene Gegenstände – wie beispielsweise Rasierklingen o.ä. – aufzufinden, welche sich in den Körperfalten befinden und während dieser Bewegungen zu Boden fallen würden.

Die Antragsgegnerin ist der Auffassung, dass die von ihr geschilderte Praxis eine Durchsuchung im Sinne von § 50 Abs. 1 HmbUVollzG darstelle, die – anders als § 50 Abs. 2 HmbUVollzG – keine konkrete Verdachtslage voraussetze.

II.

Der zulässige Antrag gemäß § 119a StPO ist begründet.

Auch bei Zugrundelegung der von der Antragsgegnerin geschilderten Durchsuchungspraxis handelt es sich um eine mit einer Entkleidung verbundene Durchsuchung der Antragstellerin im Sinne von § 50 Abs. 2 HmbUVollzG.

Die Durchsuchung eines Gefangenen, die mit einer Entkleidung verbunden ist, greift schwerwiegend in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Gefangenen ein. Mit Rücksicht auf den vom Gesetzgeber bezweckten Schutz der Intimsphäre des Gefangenen liegt eine „körperliche Durchsuchung“ i.S.d. § 50 Abs. 2 HmbUVollzG jedenfalls bei einer explizit visuellen Kontrolle des Körpers des Gefangenen vor. Zudem ist § 50 Abs. 2 HmbVollzG hinsichtlich des Entkleidungsgrades mindestens dann einschlägig, wenn die Genitalien des Gefangenen entblößt werden müssen (vgl. zur identischen Rechtsfrage bei § 84 StVollzG BVerfG, 2 BvR 746/13, juris Rndr. 34 m.w.N.).

Dies entspricht auch der ständigen Rechtsprechung des Senats in Strafvollzugssachen. Danach ist zwar die Anordnung eines Kleiderwechsels vor dem Verlassen der Anstalt für sich genommen nicht zu beanstanden. Bei einem Kleiderwechsel vor den Augen eines Bediensteten handelt es sich der Sache nach aber um eine mit einer Entkleidung verbundenen Durchsuchung (Beschluss des Senats vom 26. August 2013 — 3 VollzWs 17113 zu den insoweit identischen §§ 65 HmbSVVollzG, 70 HmbStVolIzG m.w.N.). Die in jener Entscheidung betroffene JVA Fuhlsbüttel hatte im Hinblick auf die zitierte Entscheidung die einschlägige Anstaltsverfügung (Nr. 14/2013 vom 11.10.2013) daraufhin der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des hiesigen Senats angepasst (vgl. Entscheidung des Senats vom 25. April 2014 — 3 Ws 17/14 (Vollz).

Nach allem ist danach die mit einer Entkleidung verbundene Praxis der Durchsuchung an den erhöhten Voraussetzungen des § 50 Abs. 2 HmbUVollzG zu messen, die offensichtlich nicht vorliegen. Es sind keine konkreten Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die Sicherheit und Ordnung der JVA eine mit Entkleidung verbundene Durchsuchung erfordern. Sie werden von der Antragsgegnerin auch nicht geltend gemacht, die lediglich fälschlich der Auffassung ist, dass es sich uni eine einfache Durchsuchung nach § 50 Abs. 1 HmbVollzG handelt, die an keine besonderen Voraussetzungen geknüpft ist.

Nach allem ist die gegenwärtige mit einer Entkleidung verbundene Durchsuchung der Antragstellern rechtswidrig und zukünftig zu unterlassen, es sei denn, dass die Voraussetzungen des § 50 Abs. 2 oder Abs. 3 HmbUVollzG vorliegen.“

U-Haft II: Wenn das OLG verhandelt, oder: Durchschnittliche Dauer der Hauptverhandlungstage

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Und die zweite Entscheidung der Woche betrifft ebenfalls eine Entscheidung, in der es um die Dauer der U-Haft geht. Es ist der BGH, Beschl. v. 05.10.2018 – StB 45/18. Ergangen in einem Haftbeschwerdeverfahren in einem beim OLG Stuttgart Verfahren. Gegenstand dieses Verfahrens und des Haftbefehls ist der Vorwurf, der heranwachsende Angeklagte habe sich in dem Zeitraum von Herbst 2012 bis zum Anfang des Jahres 2014 in Syrien in drei Fällen als Mitglied an der Organisation „Jabhat al-Nusra“ beteiligt, deren Zwecke und deren Tätigkeiten darauf gerichtet seien, Mord (§ 211 StGB), Totschlag (§ 212 StGB), Kriegsverbrechen (§§ 8, 9, 10, 11 und 12 VStGB) sowie Straftaten gegen die persönliche Freiheit in den Fällen der §§ 239a, 239b StGB zu begehen, und habe in zwei dieser Fälle tateinheitlich die tatsächliche Gewalt über Kriegswaffen ausgeübt, strafbar gemäß § 129a Abs. 1 Nr. 1 und 2, § 129b Abs. 1 Sätze 1 und 2, §§ 52, 53 StGB, § 22a Abs. 1 Nr. 6 KWKG, §§ 1, 105 JGG.

Das OLG verhandelt in der Sache seit dem 25.09.2017 begonnen. Mit Schriftsatz seiner Verteidiger vom 22.08.2018 hat der Angeklagte Beschwerde gegen den Haftbefehl des Oberlandesgerichts vom 12.06.2017 eingelegt und beantragt, den Haftbefehl aufzuheben, hilfsweise außer Vollzug zu setzen. Er beanstandet im Wesentlichen, dass die Hauptverhandlung nicht mit der erforderlichen Beschleunigung geführt worden sei. Während der insgesamt 49 Kalenderwochen bis zum 21.08. 2018 sei lediglich an 53 Tagen verhandelt worden, mithin nur an 1,08 Sitzungstagen pro Woche. Außerdem sei die Dauer der Hauptverhandlung an einzelnen Sitzungstagen zu kurz gewesen; die Verhandlungszeit pro Sitzungstag habe durchschnittlich etwa 350 Minuten betragen, wovon noch Unterbrechungszeiten aufgrund von Sitzungspausen abzuziehen seien. Überdies sei versäumt worden, eine etwa zweimonatige Unterbrechung der Hauptverhandlung infolge der Erkrankung einer erkennenden Richterin durch eine gestraffte Verhandlungsführung, insbesondere durch Anberaumung zusätzlicher Sitzungstage auszugleichen. Im Übrigen macht der Beschwerdeführer geltend, dass inzwischen keine Fluchtgefahr mehr bestehe, weil auf ihn im Zweifel Jugendstrafrecht anzuwenden sei und im Falle seiner Verurteilung bereits jetzt eine zu vollstreckende Strafe von allenfalls noch wenigen Monaten verbliebe.

Der BGH hat das anders gesehen und die Haftbeschwerde verworfen:

„…. Das damit angesprochene Beschleunigungsgebot in Haftsachen erfordert, dass die Strafverfolgungsbehörden und Strafgerichte alle möglichen und zumutbaren Maßnahmen ergreifen, um die notwendigen Ermittlungen mit der gebotenen Schnelligkeit abzuschließen und eine gerichtliche Entscheidung über die dem Beschuldigten vorgeworfenen Taten herbeizuführen. Zur Durchführung eines geordneten Strafverfahrens und einer Sicherstellung der etwaigen späteren Strafvollstreckung kann die Untersuchungshaft deshalb nicht mehr als notwendig anerkannt werden, wenn deren Fortdauer auf vermeidbaren Verfahrensverzögerungen beruht. Bei absehbar umfangreichen Verfahren ist – was auch der Beschwerdeführer im Ausgangspunkt zutreffend anführt – daher stets eine vorausschauende, auch größere Zeiträume umgreifende Hauptverhandlung mit im Grundsatz durchschnittlich mehr als einem Hauptverhandlungstag pro Woche notwendig. Insgesamt ist eine auf den Einzelfall bezogene Prüfung des Verfahrensablaufs notwendig. Zu würdigen sind auch die voraussichtliche Gesamtdauer des Verfahrens und die für den Fall einer Verurteilung konkret im Raum stehende Straferwartung (st. Rspr.; vgl. etwa BVerfG, Beschluss vom 17. Januar 2013 – 2 BvR 2098/12 mwN, juris Rn 39 ff.; BGH, aaO).

b) An diesen Anforderungen gemessen ist das Verfahren und insbesondere die Hauptverhandlung mit der in Haftsachen gebotenen besonderen Beschleunigung geführt worden. Das gilt zunächst im Hinblick auf die Anzahl der wöchentlichen Sitzungstage. Wie sich aus dem Nichtabhilfebeschluss des Oberlandesgerichts ergibt, hat der Senatsvorsitzende bei der Terminierung von Anfang an eine straffe und effiziente Verhandlungsführung angestrebt, so dass das Gericht regelmäßig an zwei Tagen pro Woche (Montag und Mittwoch) verhandelt. Den Ausführungen des Oberlandesgerichts lässt sich entnehmen, dass eine Terminierung auf mehr als zwei Tage pro Woche aufgrund der Besonderheiten, die sich aus dem Auslandsbezug des Verfahrens ergeben, nicht umsetzbar war. Im Hinblick auf die Berechnung der durchschnittlichen wöchentlichen Verhandlungstage haben das Oberlandesgericht und der Generalbundesanwalt zutreffend ausgeführt, dass der Zeitraum der Erkrankung einer erkennenden Richterin insoweit nicht berücksichtigt werden darf. Da zunächst nicht absehbar war, ob die Hauptverhandlung, die bereits an mindestens zehn Tagen stattgefunden hatte (§ 229 Abs. 3 Satz 1 StPO), unter Mitwirkung der erkrankten Richterin fortgeführt werden konnte, war es mit Rücksicht auf den verfassungsrechtlich verankerten Grundsatz des gesetzlichen Richters geboten, die Hauptverhandlung bis zum Ablauf der in § 229 Abs. 1 und 2 StPO genannten Fristen zu unterbrechen, bevor der Verhinderungsfall festgestellt und der Ergänzungsrichter eintreten konnte (BGH, Beschluss vom 8. März 2016 – 3 StR 544/15, BGHSt 61, 160, 163 ff.). Überdies hat – worauf der Generalbundesanwalt zu Recht hingewiesen hat – die etwa einmonatige Unterbrechung der Hauptverhandlung während der Sommerferienzeit bei der Berechnung der durchschnittlichen wöchentlichen Verhandlungstage außer Betracht zu bleiben (vgl. dazu BVerfG, Beschluss vom 23. Januar 2008 – 2 BvR 2652/07, juris Rn. 53), so dass sich bei zutreffender Berechnung ergibt, dass die Hauptverhandlung bislang durchschnittlich an deutlich mehr als einem Tag pro Woche durchgeführt worden ist.

Den eingehenden Ausführungen des Oberlandesgerichts lässt sich entnehmen, dass ein Ausgleich der etwa zweimonatigen Unterbrechung der Hauptverhandlung infolge der Erkrankung einer erkennenden Richterin durch Anberaumung von mehr als zwei Sitzungstagen pro Woche ungeachtet der sich aus dem Auslandsbezug des Verfahrens ergebenden Besonderheiten letztlich auch wegen Verhinderung der Verteidiger nicht möglich war.

Auch die durchschnittliche Dauer der Verhandlungstage gibt im Hinblick auf den Beschleunigungsgrundsatz keinen Anlass zu Beanstandungen. So lässt bereits die vom Beschwerdeführer berechnete durchschnittliche Verhandlungszeit pro Sitzungstag von etwa 350 Minuten nicht erkennen, dass das Oberlandesgericht die anberaumten Verhandlungstage nicht hinreichend ausgeschöpft habe. Überdies hat das Oberlandesgericht im Einzelnen dargelegt, dass sich die Unterbrechungen der Hauptverhandlung an den einzelnen Sitzungstagen im Rahmen des Üblichen hielten und insbesondere geboten waren, um den extrem belasteten Dolmetschern eine Erholungspause zu gewähren bzw. den Angeklagten einen Toilettengang zu ermöglichen. Letztlich resultierte die verhältnismäßig kurze Verhandlungsdauer an einzelnen Sitzungstagen den eingehenden Ausführungen des Oberlandesgerichts zufolge im Wesentlichen daraus, dass Zeugen früher als erwartet entlassen werden konnten. Auch dies ist, insbesondere bei schwierigen Umfangsverfahren, nicht ungewöhnlich und stößt unter dem Gesichtspunkt des Beschleunigungsgebots in Haftsachen auf keine durchgreifenden Bedenken.

Schließlich kam, wie das Oberlandesgericht und der Generalbundesanwalt im Einzelnen dargelegt haben, eine Abtrennung des Verfahrens gegen den Beschwerdeführer zum Zwecke der Beschleunigung bislang nicht in Betracht.“

U-Haft I: Wenn das OLG dauerhaft warnt, oder: Wer nicht hören will, muss fühlen

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Ich eröffne die Woche mit zwei Entscheidungen des OLG Stuttgart, und zwar mit dem OLG Stuttgart, Beschl. v. 12.10.2018 – H 1 Ws 105/18 und dem OLG Stutgart, Beschl. v. 19.10.2018 – H 4 Ws 242/18. Beide sind in Haftsachen ergangen und zwar beide im sog. Haftprüfungsverfahren nach § 121 StPO – also Prüfung der Frage, ob die Untersuchungshaft länger als sechs Monate dauern darf. Und in beiden Beschlüssen hat das OLG die Frage verneint und die Haftbefehle aufgehoben und Freilassung der beiden Angeklagten, denen jeweils versuchter Totschlag vorgeworfen worden ist, angeordnet. Und in beiden Beschlüssen mit Formulierungen, die man im Präsidium des LG Stuttgart wahrscheinlich nicht so gerne lesen wird und wahrscheinlich auch nicht im Baden-Württembergischen Justizministerium.

Ich stelle dann hier die Ausführungen des OLG im OLG Stuttgart, Beschl. v. 12.10.2018 – H 1 Ws 105/18 – ein. Die in dem Beschluss vom 19.10.2018 sind ähnlich. Die im Beschluss vom 12.10.2018 machen m.E. aber noch deutlicher, dass es so nicht geht und dass die zuständige Strafkammer des LG schon seit längerem an der Grenze ihrer Belastbarkeit angekommen war, das aber offenabr niemand so richtig zur Kenntnis genommen hat bzw. nehmen wollte. Das OLG schildert minutiös, wann und wie es gewarnt hat und dass dann im Grunde nichts passiert ist – außer die Zuweisung einer halben Richterstelle:

„bb) Eine Fortdauer der Untersuchungshaft wegen eines anderen wichtigen Grundes nach § 121 Abs. 1 Var. 3 StPO kommt ebenso wenig in Betracht, da die bereits eingetretene sowie die gegenwärtig abzusehende weitere Verzögerung bis zum Beginn der Hauptverhandlung auf einer vorhersehbaren und vermeidbaren Überlastung des Gerichts beruht.

Ein wichtiger Grund im Sinne des § 121 Abs. 1 Var. 3 StPO, der die Fortdauer der Untersuchungshaft rechtfertigen könnte, läge nur dann vor, wenn das Verfahren durch Umstände verzögert würde, denen die Strafverfolgungsbehörden durch geeignete Maßnahmen nicht hätten entgegenwirken können (Schmitt, a.a.O. § 121 Rn. 21 m.w.N.). Die Überlastung des Gerichts käme dabei als wichtiger Grund nur in Betracht, wenn sie kurzfristig und weder voraussehbar noch vermeidbar wäre (OLG Stuttgart, Beschluss vom 21. April 2011 – Aktenzeichen: 2 HEs 37/11; 2 HEs 38/11; 2 HEs 39/11, jurion Rn. 18; Schultheis, a.a.O., § 121 Rn. 18).

Dies ist nicht der Fall:

(1) Das Verfahren und damit die Dauer der Untersuchungshaft des Angeklagten wurden durch die Überlastung des Gerichts verzögert:

Die Kammer hat zur ihrer Termins- und Belastungssituation mitgeteilt, dass sie sich „aufgrund einer außergewöhnlichen Ballung von Faktoren“ nicht imstande sehe, das Verfahren innerhalb des Zeitraumes nach § 121 StPO zu verhandeln. Die mit einer Vielzahl von teilweise umfangreichen Schwurgerichtsverfahren befasste Kammer habe bereits vor Eingang des gegenständlichen Verfahrens zahlreiche Hauptverhandlungstermine in insgesamt sieben Haftsachen an-beraumt bzw. verbindlich abgesprochen und die Terminbelastung teilweise nur dadurch bewerkstelligen können, dass halbe Verhandlungstage die Durchführung von zwei gesonderten Verhandlungen an einem Tag ermöglicht haben. Überdies haben Kammermitglieder in der zweiten Jahreshälfte Urlaubstage zurückgeben müssen, um Verhandlungen fortsetzen zu können.

Ihre konkrete Terminbelastung teilte die Kammer wie folgt mit:

Kalender-     Montag         Dienstag       Mittwoch       Donnerstag   Freitag

woche 2018

36                Verf. 1          Verf. 1                    Verf. 3

                    Verf. 2                    Verf. 2                   

37                Verf. 4                                        Verf. 3                                        Verf. 4

38                Verf. 3                                        Verf. 3                   

39                Verf. 4                                        Verf. 4                    Verf. 2         

40                Verf. 5                    Verf. 2                                        Verf. 5         

41                Verf. 5                                        Verf. 5                    Verf. 5         

42                Verf. 5                                                            Verf. 5         

43                Verf. 6                                                            Verf. 6         

44                Verf. 7                                      

45                Verf. 7                                        Verf. 7                                        Verf. 7

46                Verf. 8                    Verf. 6                                        Verf. 6         

47                Verf. 8                    Verf. 6                                        Verf. 6         

48                Verf. 6                    Verf. 8                    Verf. 6                    Verf. 7       

49                Verf. 6                                        Verf. 6                                        Verf. 8

50                Verf. 7                                        vorliegendes Verf.             vorliegendes Verf.

51                Verf. 8                                        vorliegendes Verf.             vorliegendes Verf.

Es liegt für den Senat auf der Hand, dass vor allem die Befassung der Kammermitglieder mit anderen Dienstgeschäften wie dem Vorbe-reiten von Verfahrensakten und Hauptverhandlungen sowie der Ab-setzung von Urteilen eine höhere Verhandlungsdichte bei den ohne-hin bereits mehrfach parallel geführten Hauptverhandlungen nicht zulässt. Die terminliche Auslastung der 9. Strafkammer macht deutlich, dass der Zeitverzug zwischen der Eröffnungsreife des Verfahrens am 7. August 2018 (Kalenderwoche 32) und dem voraussichtlichen Be-ginn der Hauptverhandlung am 11. Dezember 2018 (Kalenderwoche 50), mithin einem Zeitraum von mehr als 18 Wochen (bzw. mehr als vier Monaten), ausschließlich auf die Belastung der Kammer mit an-deren Haftsachen zurückzuführen ist.

Angesichts des ohnehin nicht früher durchführbaren Hauptverhandlungstermins kommt es deshalb nicht mehr darauf an, dass die Eröffnungsentscheidung erst sieben Wochen nach der Eröffnungsreife erfolgte, ohne dass das Verfahren in der Zwischenzeit – entgegen dem auch im Zwischenverfahren geltenden Beschleunigungsgrund-satz (BVerfG, Beschluss vom 4. Mai 2011 – Aktenzeichen: 2 BvR 2781/10, juris, Rn. 15; Beschluss vom 11 Juni 2018 – Aktenzeichen: 2 BvR 819/18, juris, Rn. 37; Beschluss vom 1. August 2018 – Akten-zeichen 2 BvR 1258/18, juris Rn. 25) – nennenswert gefördert worden wäre.

(2) Diese nicht nur vorübergehende Überlastung der 9. Strafkammer war für die Verwaltung des Landgerichts Stuttgart vorhersehbar.

Die Gerichtsverwaltung wurde durch insgesamt vier Haftprüfungsentscheidungen des Oberlandesgerichts seit April 2018 immer wieder auf die hohe Belastung der 9. Strafkammer hingewiesen. So hat der Senat bereits in dem 6-Monats-Haftprüfungsverfahren H 1 Ws 33/18 (9 Ks 111 Js 103326/17 Landgericht Stuttgart) im Beschluss vom 24. April 2018 festgestellt, dass die Kammer austerminiert war, den Verfahrensgang aber als „noch“ (!) dem Beschleunigungsgrundsatz genügend angesehen. Schon damals hat der Senat darauf hin-gewiesen, dass Engpässe in der Geschäftslage eine Haftfortdauer in der Regel nur dann rechtfertigen können, wenn sie kurzfristig sind und nicht oder kaum vorhersehbar sowie unvermeidbar.

In dem 6-Monats-Haftprüfungsverfahren H 4 Ws 125/18 (9 Ks 111 Js 108940/17 LG Stuttgart) hat der Vorsitzende der 9. Strafkammer die Terminslage und Belastung als derart kritisch beschrieben, dass sich das Oberlandesgericht Stuttgart dazu veranlasst sah, im Beschluss vom 13. Juni 2018 bei der Kammer eine Überprüfung anzuregen, ob es sich noch um eine momentane starke Belastung handle oder schon von einer dauerhaften Überlastung auszugehen sei, die dann eine Überlastungsanzeige bedinge.

Weiter hat das Oberlandesgericht in dem 6-Monats-Haftprüfungsverfahren H 4 Ws 162/18 (9 Ks 116 Js 4057/18 Landgericht Stuttgart) im Beschluss vom 12. Juli 2018 erneut darauf hingewiesen, dass die 9. Strafkammer im Blick zu behalten habe, ob sich ihre Belastung angesichts der weiteren Verfahren und der derzeit allgemeinen Belastungssituation zu einer dauerhaften Überlastung auswachse.

Seinen Hinweis, dass personelle und organisatorische Schwierigkeiten sich nicht zu Lasten des Angeklagten auswirken dürfen, hat der Senat schließlich in dem 6-Monats-Haftprüfungsverfahren H 1 Ws 68/18 (9 Ks 115 Js 5724/18 LG Stuttgart) im Beschluss vom 18. Juli 2018 im Hinblick auf die Belastung der 9. Strafkammer wiederholt. Überdies hat der Senat durch die erneute Formulierung, wonach die Haftfortdauer „noch“ gerechtfertigt sei, deutlich betont, dass sich das Landgericht Stuttgart in einem Grenzbereich bewegt hat.

Die besondere Belastungssituation der 9. Strafkammer, die seit April 2018 zu nunmehr vier Haftprüfungen gemäß § 121 Abs. 2 StPO geführt hat, ist dem Landgericht Stuttgart damit seit fast einem halben Jahr bekannt, sodass bereits aus diesem Grund weder von einem kurzfristigen noch von einem nicht voraussehbaren Engpass ausgegangen werden kann.

Die sich bereits seit April 2018 abzeichnende Überlastung sowie die damit einhergehende Entlastungspflicht wurden dem Präsidium des Landgerichts zudem durch die Überlastungsanzeige des Vorsitzenden der 9. Strafkammer vom 19. Juli 2018 – unmittelbar nach Eingang der verfahrensgegenständlichen Anklageschrift – ein weiteres Mal deutlich gemacht.

Schließlich wurde die Belastung für die Gerichtsverwaltung auch dadurch offenkundig, dass Mitglieder der 9. Strafkammer aus dienstlichen Gründen Urlaubstage zurückgeben mussten.

Es war deshalb seit längerer Zeit absehbar, dass das Landgericht angesichts seiner Belastung mit Haftsachen nicht in der Lage sein wird, entsprechend den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts dem Beschleunigungsgedanken folgend mit der Hauptverhandlung innerhalb von drei Monaten ab Eintritt der Eröffnungsreife zu begin-nen (BVerfG, Beschluss vom 15. Februar 2007 – Aktenzeichen: 2 BvR 2563/06, juris Rn. 26). Vielmehr würde sich der Angeklagte bei einem Beginn der Hauptverhandlung am 11. Dezember 2018 bereits rund acht Monate in Untersuchungshaft befinden, davon mehr als vier Monate – länger als die Dauer des gesamten Vorverfahrens – nach Eintritt der Eröffnungsreife.

(3) Die Überlastung war für das Landgericht Stuttgart auch vermeidbar.

Die Kammer hat anlässlich der Vorlage an den Senat darauf hingewiesen, dass ihr auf die Überlastungsanzeige hin vom Präsidium zum 1. Oktober 2018 eine weitere Richterin mit einem Arbeitskraftanteil von 0,5 zugeteilt worden sei, was der Kammer eine Nachverdichtung der Verhandlungstermine mit dem oben genannten Verfahren 8 ermöglicht habe. Allerdings wies die Kammer ebenso darauf hin, dass der Vorsitzende Mitte September erkrankt sei und nicht vor Ende Oktober 2018 in den Dienst zurückkehren würde, was eine Umverteilung der Geschäfte notwendig gemacht und damit einen weiteren Aufwand nach sich gezogen habe. Das Potential für Straffungen in der Terminierung und für kurzfristig mögliche personelle Verstärkungen sei deshalb ausgeschöpft.

Im Ergebnis ist die Kammer durch den krankheitsbedingten Ausfall des Vorsitzenden seit Mitte September 2018 damit ungeachtet der Hinweise des Oberlandesgerichts und der Überlastungsanzeige aktuell noch schlechter besetzt und dem zu bewältigenden Arbeitsanfall damit noch weniger gewachsen, als vor der zum 1. Oktober 2018 erfolgten Personalzuweisung.

Diese mangelhafte Personalausstattung beziehungsweise Überlastung und die dadurch bedingten Verzögerungen bei der Behandlung der Strafverfahren und damit einhergehend verlängerter Haftzeiten werden der besonderen Bedeutung des Freiheitsgrundrechts aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG, das bei der Entscheidung über die Haftfortdauer gegen die unabweisbaren Bedürfnisse einer wirksamen Strafverfolgung abzuwägen ist (BVerfG, Beschluss vom 11. Juni 2018 – Akten-zeichen: 2 BvR 819/18, jurion Rn. 27), nicht mehr gerecht. Denn wegen der im Grundgesetz und der EMRK verankerten Unschuldsvermutung ist der Freiheitsentzug bei einem Angeklagten nur ausnahmsweise zulässig. Dabei muss den vom Standpunkt der Strafverfolgung aus erforderlich und zweckmäßig erscheinenden Freiheits-beschränkungen der Freiheitsanspruch des noch nicht rechtskräftig verurteilten Angeklagten als Korrektiv gegenübergestellt werden, wobei dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit eine maßgebliche Bedeutung zukommt (BVerfG, Beschluss vom 11. Juni 2018, a.a.O., Rn. 27).

Erforderlich ist die Freiheitsbeschränkung allerdings deshalb nicht, weil die Untersuchungshaft dann nicht mehr als notwendig anerkannt werden kann, wenn ihre Fortdauer durch Verfahrensverzögerungen verursacht ist, die ihre Ursache nicht in dem konkreten Strafverfahren haben und daher von dem Angeklagten nicht zu vertreten, sondern vermeidbar und sachlich nicht gerechtfertigt sind (BVerfG, Be-schluss vom 11. Juni 2018, a.a.O. Rn. 29).

Die nicht nur kurzfristige Überlastung eines Gerichts kann deshalb niemals Grund für die Anordnung der Haftfortdauer sein. Vielmehr kann die nicht nur kurzfristige Überlastung eines Gerichts selbst dann die Fortdauer der Untersuchungshaft nicht rechtfertigen, wenn sie auf einem Geschäftsanfall beruht, der sich trotz Ausschöpfung aller gerichtsorganisatorischen Mittel und Möglichkeiten nicht mehr innerhalb angemessener Fristen bewältigen lässt. Die Überlastung eines Gerichts fällt – anders als unvorhersehbare Zufälle und schicksalhafte Ereignisse – in den Verantwortungsbereich der staatlich verfassten Gemeinschaft (BVerfG, Beschluss vom 11. Juni 2018, a.a.O. Rn. 30 m.w.N.).

Aus diesen Gründen kann die sich seit April 2018 abzeichnende Überlastung der 9. Strafkammer des Landgerichts Stuttgart im Ergebnis die Fortdauer der Untersuchungshaft nicht als anderer wichtiger Grund nach § 121 Abs. 1 Var. 3 StPO rechtfertigen.

(4) Der Senat verkennt dabei weder, dass die Anforderungen an die Zügigkeit der Arbeit in einer Haftsache (erst) mit der Dauer der Unter-suchungshaft zunehmen, noch, dass es vorliegend um die erste Haftprüfung durch das Oberlandesgericht nach sechs Monaten geht. Der Beschleunigungsgrundsatz gebietet in Haftsachen allerdings auch schon vor Ablauf der Sechs-Monats-Frist des § 121 Abs. 1 StPO die Aufhebung eines Haftbefehls, wenn es aufgrund vermeid-barer Fehler der Justizorgane zu einer erheblichen Verzögerung gekommen ist (BVerfG, Beschluss vom 15. Februar 2007 – Aktenzeichen 2 BvR 2563/06, juris Rn. 25). Ein Haftbefehl ist deshalb auch dann unverzüglich aufzuheben, wenn – wie vorliegend mit einem Hauptverhandlungsbeginn von mehr als vier Monaten nach Eröffnungsreife – hinreichend deutlich absehbar ist, dass erhebliche Ver-fahrensverzögerungen bevorstehen (OLG Stuttgart, Beschluss vom 21. April 2011 – Aktenzeichen: 2 HEs 37/11; 2 HEs 38/11; 2 HEs 39/11, jurion Rn. 15), die vor dem Sechsmonatstermin nicht mehr zu beseitigen sind.

Die Zuweisung einer Richterin mit einem Arbeitskraftanteil von nur 50 Prozent zum 1. Oktober 2018 war angesichts der sich seit Monaten abzeichnenden Überlastung der Kammer und des seit Mitte September bekannten längeren Ausfalls des Vorsitzenden einerseits und der in Schwurgerichtsverfahren nach § 76 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 GVG nicht möglichen Besetzungsreduktion, die mit einem über die normalen Verhältnisse gesteigerten zusätzlichen Personalbedarf verbunden ist, andererseits, schlicht nicht ausreichend, um der bei der 9. Straf-kammer eingetretenen Überlastung wirksam zu begegnen und dadurch den in Form des Beschleunigungsgebots konkretisierten Rechten des inhaftierten Angeklagten aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG gerecht zu werden.

Die Hauptlast ruht in erster Linie auf dem derzeit erkrankten Vorsitzenden, der die anstehenden Hauptverhandlungen vorzubereiten, zu leiten, die Hauptverhandlungsprotokolle zu prüfen und an der Absetzung der Urteile mitzuwirken hat. Der Senat merkt in diesem Zusammenhang an, dass es der Strafrechtspflege nicht förderlich sein kann, wenn Kammern unter Leitung ein und desselben Vorsitzenden zum Teil drei und mehr Hauptverhandlungstage in der Woche absolvieren. Eine solchermaßen überobligationsmäßige Verhandlungs-dichte mag zum Abbau von Belastungsspitzen vorübergehend hinnehmbar sein, die Regel kann sie aber nicht sein, da eine sorgfältige Sitzungsvorbereitung und ein ebensolches Absetzen von angefochtenen Urteilen ansonsten in die Abend- und Nachtstunden oder auf das Wochenende gelegt oder schlicht vernachlässigt werden müssen.

Das zeitlich begrenzte Abfangen von Überlastungsspitzen mag von Strafrichtern ausnahmsweise verlangt werden können, es kann aber nicht – wie hier – zur Regel werden, da sonst die Qualität der Rechtsprechung nicht dauerhaft zu gewährleisten ist.

Die Überlastung der 9. Strafkammer hätte deshalb nur durch essentielle Maßnahmen des Präsidiums behoben werden können. Dieses Versäumnis fällt in den Verantwortungsbereich der staatlich verfassten Gemeinschaft. Dem Angeklagten darf nicht zugemutet werden, eine längere als die verfahrensangemessene Aufrechterhaltung des Haftbefehls nur deshalb in Kauf zu nehmen, weil der Staat es versäumt, seiner Pflicht zur verfassungsgemäßen Ausstattung der Ge-richte zu genügen (BVerfG, Beschluss vom 11. Juni 2018, a.a.O. Rn. 30; BVerfG, Beschluss vom 29. November 2005 – Aktenzeichen: 2 BvR 1737/05, beck-online). Es ist deshalb die Aufgabe des Staates, im Rahmen des Zumutbaren alle Maßnahmen zu treffen, die geeignet und nötig sind, einer Überlastung der Gerichte vorzubeugen und ihr dort, wo sie eintritt, rechtzeitig abzuhelfen (BVerfG, Beschluss vom 29. November 2005, a.a.O.).

Lassen sich Strafverfahren, in denen ein Haftbefehl außer Vollzug gesetzt ist, nicht in angemessener Zeit durchführen, weil der Staat diese Pflicht zur verfassungsgemäßen Ausstattung der Gerichte – aus welchen Gründen auch immer – nicht nachkommt, so hat das unabweisbar die Aufhebung von Haftentscheidungen zur Folge (BVerfG, Beschluss vom 29. November 2005 – Aktenzeichen: 2 BvR 1737/05, Rn. 46, juris). Da selbst die Schwere der Tat und die sich daraus ergebende Straferwartung bei erheblichen, vermeidbaren und dem Staat zuzurechnenden Verfahrensverzögerungen nicht zur Rechtfertigung einer ohnehin schon lang andauernden Untersuchungshaft dienen kann (BVerfG, Beschluss vom 11. Juni 2018, a.a.O., Rn. 29), darf die Haftfortdauer nicht mehr angeordnet werden.

Hilft der Staat der Überlastung der Gerichte nicht ab, so muss er es hinnehmen und gegebenenfalls auch seinen Bürgerinnen und Bürgern erklären, dass mutmaßliche Straftäter auf freien Fuß kommen, sich der Strafverfolgung und Aburteilung entziehen oder erneut Straftaten von erheblichem Gewicht begehen (BVerfG, Beschluss vom 29. November 2005, a.a.O.).“

Die beiden für mich unfassbaren Beschlüsse gehören in die Kategorie, wie man es nicht macht, oder: Wer nicht hören will, muss fühlen.

War eine Menge zu lesen. Ist aber auch eine wichtige Frage, denn immerhin geht es um das Freiheitsgrundrecht des Art. 2 Abs. 2 GG.