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Gebührenanspruch des Terminsvertreters des Pflichti, oder: Volle Vergütung nach Teil 4 Abschnitt 1 VV RVG

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Und dann am Freitag wie immer/meist etwas zum Gebührenrecht. Und da haben wird dann heute noch einmal zwei Entscheidungen zum Gebührensanspruch des Terminsvertreters des Pflichtverteidigers. Das ist sicherlich mit eins der Themen, die die Rechtsprechung im RVG betreffend das Strafverfahren derzeit mit am häufigsten beschäftigt. Da wäre es m.E. mal an der Zeit, dass das BMJ tätig wird und die Frage regelt. Aber: Was bekommt das BMJ schon geregelt?

Ich beginne mit LG Kiel, Beschl. v. 13.05.2024 – 2 KLs 590 Js 56426/20 jug. Da war der Rechtsanwalt dem Beschuldigten für einen von vier Hauptverhandlungstagen als Terminsvertreter des (verhinderten) Pflichtverteidigers beigeordnet worden. Das LG hat auch die Grundgebühr Nr. 4100 VV RVG für den Terminsvertreter festgesetzt.

„Der Erinnerungsführer hat einen Anspruch auf die mit dem Festsetzungsantrag vom 20.07.2023 begehrte Grundgebühr nach Nr. 4100 VV RVG in Höhe von 176,00 € zuzüglich Mehrwertsteuer. Eine solche Gebühr entsteht für die erstmalige Einarbeitung in den Rechtsfall mit der Übernahme des Mandats und deckt alle damit zusammenhängenden Tätigkeiten ab. Nach Auffassung der Kammer ist diese Gebühr bei Rechtsanwalt pp. mit der Wahrnehmung des Hauptverhandlungstermins am 14.07.2023 anstelle von Rechtsanwalt H. mit entsprechender Beiordnung angefallen.

Die Frage der Vergütung eines Pflichtverteidigers, der anstelle des an einzelnen Hauptverhandlungstagen verhinderten Pflichtverteidigers wie hier beigeordnet wird, ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten. Teilweise wird angenommen, dass dieser sog. „Terminsvertreter“ nur die Terminsgebühr erhalte, weil er lediglich als Vertreter des die Verteidigung insgesamt führenden Pflichtverteidigers beigeordnet worden sei und der Vertreter für die Wahrnehmung des Hauptverhandlungstermins keine höhere Vergütung beanspruchen könne als es der vertretene Pflichtverteidiger hierfür könne (so etwa KG Berlin, Beschluss v. 18.02.2011 – 1 Ws 38/09, Rn. 4 f.; OLG Brandenburg, Beschluss v. 25.08.2009 – 2 Ws 111/09; OLG Celle, Beschluss v. 25.08.2006 – 1 Ws 423/06; OLG Dresden, Beschluss v. 05.09.2007 – 1 Ws 155/07; Kroiß, in: Mayer/Kroiß, Rechtsanwaltsvergütungsgesetz, RVG VV 4100, Rn. 20). Nach anderer Ansicht stehe dem weiteren Pflichtverteidiger für die „Terminsvertretung“ hingegen eine volle Vergütung nach Abschnitt 1 des Teiles 4 des Vergütungsverzeichnisses in Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG zu, die auch die Grundgebühr für die (notwendige) Einarbeitung in den Fall umfasse (so etwa: OLG Düsseldorf, Beschluss v. 29.10.2008, III – 1 Ws 318/08; OLG Hamm, Beschluss v. 23.03.2006 – 3 Ws 586/05; OLG Jena, Beschluss v. 14.04.2021 – (S) AR 62/20, Rn. 18, OLG Karlsruhe, Beschluss v. 16.07.2008 – 3 Ws 281/08, NJW 2008, 2935; OLG Köln, Beschluss v. 26.03.2010 – 2 Ws 129/10; OLG München, Beschluss v. 23.10.2008 – 4 Ws 140/08, Beschluss v. 27.02.2014 ¬4c Ws 2/14; OLG Nürnberg, Beschluss v. 13.11.2014 – 2 Ws 553/14; Burhoff, in: Burhoff/Volpert, RVG Straf- und Bußgeldsachen, Nr. 4100 VV Grundgebühr, Rn. 10; Felix, in: Toussaint, Kostenrecht, 54. Auflage 2024, Vorbemerkung 4.1, Rn. 15; Knaudt, in: BeckOK RVG, 63. Edition, Stand: 01.03.2024, RVG VV Vorbemerkung 4, Rn. 19 ff.). Dieser letztgenannten Ansicht schließt sich die Kammer an.

Der Erinnerungsführer war für den Hauptverhandlungstag vom 14.07.2023 uneingeschränkt als Pflichtverteidiger beigeordnet mit allen daraus folgenden Rechten und Pflichten. Bei der Tätigkeit von Rechtsanwalt pp. als Pflichtverteidiger für den 14.07.2023 handelte es sich trotz der zeitlichen Beschränkung auf einen Verhandlungstag nicht um eine Einzeltätigkeit im Sinne der Nr. 4301 VV RVG, die eine geringere Vergütung als bei einer „Vollverteidigung“ rechtfertigen würde. Rechtsanwalt pp. ist dem Angeklagten zwar nicht insgesamt in dem Verfahren als Pflichtverteidiger bestellt worden, sondern nur für den einzelnen Termin am 14.07.2023, während im Übrigen weiterhin Rechtsanwalt H. als Verteidiger beigeordnet war. Gleichwohl stellt diese „Terminsvertretung“ keine Einzelaufgabe aus dem Arbeitsbereich des Verteidigers dar. Die Strafprozessordnung kennt keine Beiordnung eines Verteidigers lediglich als Vertreter des bereits bestellten Pflichtverteidigers. Auch die Bestellung für nur einen Verhandlungstag begründet ein eigenständiges öffentlich-rechtliches Beiordnungsverhältnis, Kraft dessen der bestellte Verteidiger für die Dauer der Bestellung die Verteidigung des Angeklagten umfassend eigenverantwortlich und inhaltlich unbeschränkt zu übernehmen hat. Anlass zu einer gebührenbezogenen Herabstufung neben dem im Übrigen bestellten Verteidiger gibt es daher nicht. Aus der Eigenständigkeit des jeweiligen Beiordnungsverhältnisses folgt vielmehr, dass die anwaltlichen Tätigkeiten der jeweiligen Pflichtverteidiger separat zu bewerten und vergüten sind. Zur interessengerechten Verteidigung, wenn auch nur in einem Hauptverhandlungstermin, war auch für Rechtsanwalt pp. eine Einarbeitung mit der Übernahme des Mandats notwendig, so dass die Voraussetzungen für das Entstehen der Grundgebühr vorlagen

Nach dem Vorstehenden steht Rechtsanwalt pp. zur Abgeltung der gesamten Tätigkeit neben der Terminsgebühr auch eine Grundgebühr nach Nr. 4100 VV RVG zu, deren Höhe die Kammer mit 176,00 € zzgl. Mehrwertsteuer für angemessen erachtet.“

Eine der vielen Entscheidungen aus der letzten Zeit, die die Streitfrage zutreffend löst. Ich verwiese nur auf den OLG Brandenburg, Beschl. v. 27.02.2024 – 1 Ws 13/24 (S) und auf den OLG Karlsruhe, Beschl. v. 9.2.2023 – 2 Ws 13/23, beide Entscheidungen hatte ich hier vorgestellt.

Die einzige Frage, die sich für moch hier stellt, ist: Geht das LG davon aus, dass nur Grundgebühr und Terminsgebühr entstehen, oder ist auch die Verfahrensgebühr festgesetzt worden? Das lässt sich aus der Entscheidung nicht eindeutig entnehmen, die vom LG zitierte Rechtsprechung und die Formulierung „volle Vergütung nach Abschnitt 1 des Teiles 4 VV RVG“ sprechen allerdings für diese richtige Lösung, die man m.E. inzwischen als herrschende Auffassung bezeichnen kann.

Terminsvertreter des Pflichtverteidigers für einen Tag, oder: OLG Hamm ändert LG Essen unrichtig ab

daumen

Und dann noch nochmal etwas zu den Gebühren des Terminsvertreters des Pflichtverteidiger. Folgender Sachverhalt in Kürze: Die Kollegin ist durch Beschluss der Vorsitzenden einer großen Strafkammer des LG Essen vom 03.03.2022 in einem dort anhängigen Strafverfahren gegen u.a. den Angeklagten als Terminsvertreterin für den Pflichtverteidiger dieses Angeklagten, Rechtsanwalt R. für den ersten Hauptverhandlungstag beigeordnet worden. Der erste Hauptverhandlungstermin fand am 07.03.2022 statt und dauerte dreißig Minuten, es wurde im Wesentlichen die Anklageschrift verlesen. Eine Einlassung des Angeklagten erfolgte zunächst nicht.

Die Kollegin hat dann beantragt, ihre Gebühren festzusetzen. Sie hat Festsetzung der Grundgebühr Nr. 4101, VV RVG, der Verfahrensgebühr Nr. 4113 VV RVG, der Terminsgebühr Nr. 4115 VV RVG, der Auslagenpauschale Nr. 7002 VV RVG sowie von Fahrtkosten, Tage- und Abwesenheitsgelder sowie USt beantragt.

Das LG hat die dann auch festgesetzt im LG Essen, Beschl. v. 06.07.2023 – 27 KLs 43/21, der folgenden Leitsatz hat:

    1. Der nur für einen Termin als Terminsvertreter beigeordnete Rechtsanwalt rechnet nach Teil Abschnitt 1 VV RVG ab.
    2. Der Vergütungsanspruch des Verteidigers, der anstelle des verhinderten Pflichtverteidigers für einen Hauptverhandlungstermin, einen Haftprüfungstermin oder den Termin zur Haftbefehlseröffnung als Verteidiger des Beschuldigten/Angeklagten bestellt worden ist, beschränkt sich nicht auf die Terminsgebühr, sondern umfasst alle durch die anwaltliche Tätigkeit im Einzelfall verwirklichten Gebührentatbestände.

Es kommt dann natürlich das, was zu erwarten war, nämlich das Rechtsmittel des Bezirksrevisors. Und dann kommt das OLG Hamm in seiner überbordenden Weisheit und hebt im OLG Hamm, Beschl. v. 30.10.2024 – III-5 Ws 273/23 – die Entscheidung des LG auf und sagt:

Für den „Terminsvertreter“ des Pflichtverteidigers entsteht nur die Terminsgebühr. Grund-, Verfahrensgebühr und Auslagenpauschale entstehen nicht.

Ich fasse die Begründung des Beschlusses des Einzelrichters (!) mal zusammen. Sie lautet. Vertretung ist bei der Pflichtverteidigung zulässig und der Vertreter verdient dann nur die Terminsgebühr. Wer mehr von der falschen Begründung lesen will, der mag das im verlinkten Volltext tun.

Anzumerken ist dazu Folgendes:

Der Entscheidung ist zu widersprechen.

1. Zu widersprechen ist schon der Auffassung des Einzelrichters, dass wegen der ständigen Rechtsprechung des OLG Hamm eine Übertragung auf den und durch den Senat nicht erforderlich sei. Es ist ja schön, wenn das OLG die Frage offenbar schon häufiger entschieden hat. Nur: Die Beschlüsse sind alle unveröffentlicht, hängen also irgendwo beim OLG Hamm im „stillen Kämmerlein“. Man fragt sich., warum man diese Entscheidungen in einer Frage, die ja nun die Rechtsprechung schon seit langem immer wieder beschäftigt nicht, nicht nach außen kund tut. Vielleicht waren die Beschlüsse ja überzeugend, jedenfalls hätten sie zur Diskussion beitragen könne?

Zu einer Übertragung auf den Senat hätte m.E. auf vor allem deshalb Anlass bestanden, weil die Frage, ob der Terminsvertreter des Pflichtverteidigers nur die Terminsgebühr verdient oder auch die Grund- und Verfahrensgebühr ja inzwischen von zahlreichen Gerichten anders gesehen wird als vom OLG Hamm (vgl. nur OLG Bamberg, NStZ-RR 2011, 223 [Ls.]; OLG Brandenburg, Beschl. v. 27.2.2024 – 1 Ws 13/24 (S), AGS 2024, 171; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 29.10.2008 – 1 Ws 318/08; OLG Jena, JurBüro 2011, 478; Beschl. v. 14.4.2021 – (S) AR 62/20, AGS 2021, 394 = JurBüro 2021, 576; OLG Karlsruhe, StraFo 2008, 349 = NJW 2008, 2935 = RVGreport 2009, 19 = StRR 2009, 119; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 9.2.2023 – 2 Ws 13/23, AGS 2023, 164 = NStZ-RR 2023, 159; OLG Köln, RVGreport 2010, 462 = AGS 2011, 286; OLG München, NStZ-RR 2009, 32 = StRR 2009, 120 = RVGreport 2009, 227; OLG München, RVGreport 2016, 145 = AGS 2014, 174 = Rpfleger 2014, 445; OLG Nürnberg, RVGreport 2016, 105 = StraFo 2015, 39 = AGS 2015, 29; OLG Schleswig SchlHA 2010, 269 [Dö/Dr]). Insbesondere die gut begründete Entscheidung des OLG Karlsruhe vom 9.2.203 (a.a.O.) hätte dem OLG Hamm Anlass sein sollen, sich noch einmal näher mit der streitigen Frage auseinander zu setzen. Aber die wird noch nicht einmal erwähnt. Das lässt – zumindest bei mir – den Eindruck entstehen, es hier mit einer Entscheidung zu tun zu haben, die in die Rubrik: „Das haben wir immer schon so gemacht.“ einzuordnen ist.

2. In der Sache ist dem OLG ebenfalls zu widersprechen. Die Entscheidung steht und fällt mit der Frage, ob die Ansicht des OLG, eine „Vertretung“ i.e.S. des Pflichtverteidigers sei zulässig. Das ist m.E. nicht der Fall. Denn die Beiordnung des Pflichtverteidigers ist auf seine Person beschränkt; sie ist höchst persönlich (so auch Meyer-Goßner/Schmidt, StPO, 67. Aufl. 2024, § 142 Rn 15; Hillenbrand in: Burhoff (Hrsg.), Handbuch für das strafrechtliche Ermittlungsverfahren, 9. Aufl., 2022, Rn 3636 f., jeweils m.w.N.; BGHSt 59, 284 = NJW 2014, 3320 m. Anm. Barton StRR 2015, 62; BGH NStZ 2012, 276; OLG Saarbrücken, RVGreport 2015, 64 = StRR 2015, 117). Soweit einige Gerichte (OLG Celle RVGreport 2009, 226; OLG Koblenz JurBüro 2013, 84 = RVGreport 2013, 17; LG Potsdam JurBüro 2011, 417 = AGS 2012, 65; LG Saarbrücken, Beschl. v. 30.6.2014 – 2 KLs 2/13) anderer Ansicht sind, ist das m.E. seit BGHSt 59, 284 nicht mehr haltbar.

3. Im Übrigen: Zu der Frage, dass nicht nur die Terminsgebühr, sondern auch Grundgebühr und Verfahrensgebühr anfallen, ist schon viel geschrieben worden. Das muss man hier nicht wiederholen. Ich verweise dazu auf den o.a. Beschluss des OLG Karlsruhe und auf Burhoff/Volpert/Burhoff, RVG, Straf- und Bußgeldsachen, 6. Aufl. 2021, Teil A Rn 2101 ff.). In dem Zusammenhang liegt der Hinweis des OLG auf die (geringe) Dauer des Hauptverhandlungstermins an dieser Stelle neben der Sache.

Zu der Frage, warum die Auslagenpauschale Nr. 7002 VV RVG nicht entstanden ist, enthält der Beschluss des OLG kein Wort der Begründung. Die dürfte hier aber entstanden sein, da sich aus dem Beschluss ergibt, dass die Pflichtverteidigerin auch telefoniert hat. Das reicht aber für das Entstehen der Nr. 7002 VV RVG aus (Burhoff/Volpert/Burhoff, RVG, Nr. 7002 VV Rn 1 m.w.N.).

4. Für den Verteidiger lässt sich aus der Entscheidung ableiten, dass er in diesen Fällen sehr sorgfältig prüfen sollte/muss, welche Entscheidungen ergehen. Ggf. muss gegen einen Beschluss, der einen Antrag nicht voll ausschöpft, so wie hier, da Bestellung als „weiterer Pflichtverteidiger„ beantragt war, sofortige Beschwerde (§ 142 Abs. 7 StPO) eingelegt oder auf Klarstellung gedrängt werden, dass man nicht von einer Vertretung i.e.S. (vgl. auch § 5 RVG) ausgeht.“

Gebühren des Terminsvertreters des „Pflichti“, oder: Der Terminsvertreter verdient alle Gebühren

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Und dann noch einmal etwas zum Terminsvertreter des Pflichtverteidigers, und zwar den LG Neuruppin, Beschl. v. 25.03.2024 – 11 Qs 76/23.

Folgender – bekannter 🙂 – Sachverhalt:

Dem Verurteilten ist mit Beschluss des AG Rechtsanwalt R1 als Pflichtverteidiger bestellt worden. In der Folgezeit wurde die Hauptverhandlung im ersten Rechtszug vor dem Strafrichter an drei Verhandlungstagen durchgeführt, wobei Rechtsanwalt R1 an den ersten beiden Verhandlungstagen als Verteidiger mitwirkte. Nachdem am Morgen des dritten Verhandlungstages eine Mitteilung beim AG eingegangen war, dass Rechtsanwalt R1 erkrankt und daher an einer Terminsteilnehme verhindert sei, zog der Strafrichter den – in unmittelbarer Nähe des AG kanzleiansässigen – Rechtsanwalt R2 hinzu und beschloss zu Verhandlungsbeginn – nach Anhörung des Vertreters der Staatsanwaltschaft, des Angeklagten und des Rechtsanwalts selbst – wie folgt: „Dem Angeklagten wird für den heutigen Hauptverhandlungstag Rechtsanwalt pp. aus pp. als notwendiger Verteidiger beigeordnet.“

Unmittelbar anschließend erfolgte sodann – die Beweisaufnahme war bereits am vorigen Hauptverhandlungstag geschlossen worden, auch waren anschließend bereits sämtliche Schlussanträge gehalten worden und dem Angeklagten das letzte Wort erteilt worden – die Urteilsverkündung.

Rechtsanwalt R 2 hat die Festsetzung seiner Vergütung beantragt und die Grundgebühr Nr. 4100 VV RVG, die Verfahrensgebühr Nr. 4106 W RVG und die Termingebühr Nr. 4108 VV RVG nebst Auslagenpauschale Nr. 7002 VV RVG) und Umsatzsteuer beantragt. Die Rechtspflegerin des AG hat lediglich die Terminsgebühr nebst Umsatzsteuer festgesetzt. Gegen diese Festsetzung hat Rechtsanwalt R 2 Erinnerung eingelegt, die der Strafrichter als unbegründet verworfen hat. Die dagegen eingelegte Beschwerde des Rechtsanwalts R 2 hatte, nachdem der Einzelrichter die Entscheidung auf die Kammer übertragen hat, beim LG Erfolg. Nach Auffassung des LG waren die Gebühren so wie von Rechtsanwalt R 2 beantragt, festzusetzen.

Und da wir die Problemati schon zog-mal hatte, hier nur der Leitsatz, der lautet:

Aus der im Bestellungsbeschluss betreffend die Pflichtverteidigerbestellung vorgenommenen Beschränkung der Bestellung „für den heutigen Hauptverhandlungstag“ ergibt sich nicht, dass dem als Pflichtverteidiger bestellten Rechtsanwalt für seine Tätigkeit lediglich die für den Hauptverhandlungstag angefallene Terminsgebühr zustünde.

Rest bitte selbst nachlesen. Mit der Begründung kann man übrigens etwas anfangen, denn Beschluss ist zutreffend.

Terminsvertreter II: Gebühren des Terminsvertreters, oder: Teilweise ok, aber drei Beanstandungen

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Die zweite Entscheidung zum Terminsvertreter ist ganz frisch „rein gekommen“. Sie stammt vom LG Ulm. Das hatte im LG Ulm, Beschl. v. 12.03.2024 – 1 Qs 7/24 – über folgenden Sachverhalt zu entscheiden:

Vor dem AG fanden am 12.06.2023 und 14.06.2023 Hauptverhandlungstermine gegen den Angeklagten statt, dem u.a. schwerer sexueller Missbrauch von Kindern vorgeworfen wurde. Der Vorsitzende hatte dem Angeklagten Rechtsanwalt R 1 als Verteidiger beigeordnet. Wegen dessen Verhinderung am 14.06.2023 bestellte er im Termin am 14.06.2023 Rechtsanwalt R 2 zum Verteidiger. Die Verfügung lautet wie folgt: „Herr Rechtsanwalt R 2 wird für die heutige Sitzung dem Angeklagten pp. als notwendiger Verteidiger wegen der Verhinderung des Rechtsanwalts R 1. zum heutigen Termin beigeordnet.“

Rechtsanwalt R 2 hat dann beantragt, ihm eine Grundgebühr nach Nr. 4100 VV RVG, eine Verfahrensgebühr nach Nr. 4106 VV RVG, eine Terminsgebühr nach Nr. 4108 VV RVG, sowie Auslagen und USt festzusetzen. Nach Auffassung der Kostenbeamtin waren weder Grund- noch Verfahrensgebühr noch eine Kostenpauschale angefallen. Das hält das AG. Dagegen die Beschwerde, die beim LG Erfolg hatte:

„Die Beschwerde ist zulässig und hat in der Sache Erfolg. Dem Beschwerdeführer stehen neben der Terminsgebühr eine Grundgebühr sowie eine Verfahrensgebühr und darüber hinaus auch die Kostenpauschale zu.

1. Ob eine zeitlich befristete Bestellung zu einem weiteren Verteidiger oder eine auf einen Sitzungstag beschränkte Bestellung zum Vertreter vorliegt, hängt in erster Linie von der Formulierung der Verfügung des Vorsitzenden ab. Jedoch kann auch von Bedeutung sein, ob der zusätzlich bestellte Verteidiger gehalten ist, sich umfassend in den Verfahrensstoff einzuarbeiten und/oder eine zeitaufwendige den Termin vorbereitende Tätigkeit zu entfalten. In diesen besonderen Fällen liegt keine bloße Vertretung mehr vor. Dann können über die Terminsgebühr hinaus weitere Gebühren (Grundgebühr, Verfahrensgebühr) anfallen. Ob dies der Fall ist, ist gegebenenfalls im Verfahren über die Festsetzung der dem Verteidiger zustehenden Gebühr zu ermitteln. Sofern dies angezeigt ist, sind Stellungnahmen der beteiligten Rechtsanwälte und des Vorsitzenden einzuholen. Auf diese Weise können auch etwaige Veränderungen, die sich wider Erwarten nach der Bestellung des weiteren Verteidigers ergeben haben, berücksichtigt werden. Lediglich eine Vertretung des Pflichtverteidigers liegt beispielhaft in folgenden Fällen vor: Der zunächst bestellte Verteidiger ist in der letzten Stunde eines Termins verhindert und die Beweiserhebung betrifft weitgehend einen Mitangeklagten. Der Verteidiger ist an einem sogenannten „Schiebetermin“ verhindert, an dem lediglich Registerauszüge oder Urteile aus früheren Verfahren verlesen werden. In einem Verfahren gegen mehrere Angeklagten betrifft die Beweisaufnahme ganz überwiegend einen Mitangeklagten, nicht aber den vom bestellten Verteidiger vertretenen Angeklagten (OLG Stuttgart, Beschluss vom 03. Februar 2011 – 4 Ws 195/10, BeckRS 2011, 3142).

2. Ausgehend von diesen Grundsätzen ist im vorliegenden Verfahren der Beschwerdeführer nicht als Vertreter des ursprünglich bestellten Verteidigers, sondern als zweiter Pflichtverteidiger anzusehen. Zwar spricht der Wortlaut der Verfügung lediglich für eine Beiordnung als Vertreter, jedoch besteht hier die Besonderheit, dass im Termin am 14. Juni 2023 die aussagepsychologische Sachverständige Dr. pp ihr Gutachten erstattete, eine weitere Zeugin vernommen wurde und die Plädoyers gehalten wurden. Angesichts dieses Umfangs der Hauptverhandlung kann nicht von einem bloßen Terminsvertreter ausgegangen werden.

Dies hat zur Folge, dass Rechtsanwalt Pp2. über die Terminsgebühr hinaus eine Grundgebühr nach Nr. 4100 VV RVG und eine Verfahrensgebühr nach Nr. 4106 VV RVG sowie die Kostenpauschale nach Nr. 7002 VV RVG zustehen.

3. Die Kammer weist darauf hin, dass die Entscheidung des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 23. Januar 2023 (Az. 4 Ws 13/23) für den vorliegenden Fall nicht einschlägig ist. Bereits aus dem amtlichen Leitsatz dieser Entscheidung ergibt sich, dass diese sich allein zu den Gebühren verhält, die dem ausschließlich für die Vorführung und Vernehmung vor den zuständigen Richter (§ 115 Abs. 1 und Abs. 2 StPO) beigeordneten Verteidiger zustehen. Dass diesbezüglich die Oberlandesgerichte Stuttgart und Karlsruhe unterschiedliche Auffassungen vertreten, ist hinzunehmen. Maßgeblich für die im Oberlandesgerichtsbezirk Stuttgart ansässigen Gerichte ist dabei die Rechts-auffassung des Oberlandesgerichts Stuttgart.

Eine Übertragung des Verfahrens auf die Kammer gemäß § 56 Abs. 2 Satz 1, § 33 Abs. 8 Satz 2 RVG ist nicht veranlasst. Die mit der Entscheidung verbundenen Rechtsfragen sind durch das Oberlandesgericht Stuttgart für seinen Zuständigkeitsbereich geklärt. Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art liegen nicht vor.“

Anzumerken ist: Die Entscheidung ist im Ergebnis zutreffend, die Begründung ist hingegen nicht zutreffend. Auch im Übrigen muss man dem LG widersprechen.

M.E. ist es nicht zutreffend, wenn das LG hinsichtlich der dem Pflichtverteidiger zustehenden Gebühren auf die Umstände des Einzelfalls abstellt (so allerdings auch OLG Hamm, RVGreport 2009, 309 = StRR 2009, 438). Das hatte hier für den (zusätzlichen) Pflichtverteidiger zwar keine Nachteile, da der Umfang der von ihm erbrachten Tätigkeiten auf jeden Fall dazu führen musste, dass ihm nicht nur die Terminsgebühr Nr. 4108 VV RVG, sondern auch Grundgebühr Nr. 4100 VV RVG und Verfahrensgebühr Nr. 4106 VV RVG zu gewähren waren. In anderen Fällen, in denen der Umfang der erbrachten Tätigkeiten geringer ist, kann dieser Ansatz jedoch für den Pflichtverteidiger nachteilig sein. Dieser Ansatz ist zudem auch falsch, denn der „zusätzliche“ Pflichtverteidiger rechnet nach inzwischen wohl überwiegenden Meinung nach Teil 4 Abschnitt 1 VV RVG ab und ihm stehen Grundgebühr Nr. 4100 VV RVG, die jeweilige gerichtliche Verfahrensgebühr und die jeweilige gerichtliche Terminsgebühr zu  (zu allem eingehend Burhoff/Volpert/Burhoff, RVG Straf- und Bußgeldsachen, 6. Aufl., 2021, Teil A 2102 ff. mit zahlreichen weiteren Nachweisen aus der Rechtsprechung; jüngst auch OLG Brandenburg, Beschl. v. 27.02.2024 – 1 Ws 13/24 [S]). Die mit den Gebühren des Terminsvertreters zusammenhängenden Fragen werden in Rechtsprechung und Literatur immer wieder diskutiert. Von daher wäre es vielleicht angebracht gewesen, wenn der Einzelrichter der Strafkammer vielleicht dann doch mal einen Kommentar zu Rate gezogen hätte.

Hätte der Einzelrichter einen Kommentar zu Rate gezogen, würden sich ggf. auch die weiteren „Beanstandungen“ erübrigen.

Zu widersprechen ist der Aussage im „Hinweis des Gerichts“: „Maßgeblich für die im OLG Stuttgart ansässigen Gerichte ist dabei die Rechtsauffassung des OLG Stuttgart“. Das sehe ich nicht so, zumindest nicht so absolut – „ist“ – wie das LG. Zwar ist es sicherlich zutreffend, wenn sich die Instanzgerichte im Bezirk – schon wegen der Einheitlichkeit – der Rechtsprechung „ihres“ OLG anschließen. Aber eine (gesetzliche) Bindungswirkung, wovon offenbar das LG ausgeht, besteht nicht. Das wäre auch mehr als misslich, denn eine solche Bindungswirkung hätte zur Folge, dass sich die Rechtsprechung in einem OLG-Bezirk praktisch nie ändern würde/könnte, weil die Instanzgerichte ja immer so entscheiden, wie das OLG mal entschieden hat. Das OLG wäre nie in der Lage, seine Rechtsprechung/Auffassung an die eines Instanzgerichts, dass ggf. von seiner Rechtsprechung abgewichen ist, anzupassen. Dass das nicht sein soll, zeigt m.E. gerade das Rechtsmittelsystem des RVG, das ja eine weitere Beschwerde (§§ 56 Abs. 1, 33 Abs. 6 RVG) vorsieht.

Mit dem Vorstehenden korrespondiert ein weiteres Manko. Der Einzelrichter der Strafkammer meinte, selbst entscheiden zu können/müssen und die weitere Beschwerde nicht zulassen zu müssen. M.E. war das falsch. Vielmehr hätte die Sache auf die Kammer übertragen und die weitere Beschwerde zugelassen werden müssen. Denn die zugrunde gelegte Entscheidung des OLG Stuttgart stammt aus dem Jahr 2011. Seitdem hat es eine Flut von Entscheidungen anderen OLG gegeben, die die Frage, welche Gebühren dem „Vertreter“ des Pflichtverteidigers anders entschieden haben, als das OLG Stuttgart. Die Frage hat also nach wie vor „grundsätzliche Bedeutung“ (vgl. dazu § 33 Abs. 6 S. 1 RVG). So ist die Chance vertan, dass das OLG Stuttgart ggf. seine unzutreffende Rechtsauffassung im OLG Stuttgart, Beschl. v. 03.02.2011 – 4 Ws 195/10  aufgegeben und sich der zutreffenden herrschenden Auffassung in der Rechtsprechung angeschlossen hätte. Auch OLG sollen ja nicht gegen bessere Erkenntnis gefeit sein.

Terminsvertreter I: Gebühren aus Teil 4 Abschnitt 1 VV, oder: Aber keine Verfahrensgebühr?

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Am Gebührenfreitag stelle ich heute zwei Entscheidungen zu den Gebühren des Terminsvertreters vor. Beide Entscheidungen sind m.E. nur teilweise zutreffend.

Ich beginne mit dem OLG Brandenburg, Beschl. v. 26.02.2024 – 1 Ws 13/24 (S). Ergangen ist der Beschluss in deinem vor einer Strafkammer geführten Strafverfahren gegen sechs Angeklagte wegen Verbrechen nach dem BtmG, In dem hat der Kammervorsitzende mit Einverständnis des Angeklagten B. Rechtsanwalt R für den Hauptverhandlungstag am 26.09.2022 als Pflichtverteidiger beigeordnet, nachdem der für das Verfahren beigeordnete Pflichtverteidiger für diesen Tag seine Verhinderung angezeigt hatte. In der Hauptverhandlung am 26.09.2022 wurde das Hauptverfahren gegen einen Mitangeklagten wegen dessen Verhandlungsunfähigkeit „auf unbestimmte Zeit“ abgetrennt,

Rechtsanwalt R hat beantragt seine Gebühren festzusetzen. Geltend gemacht worden sind eine Grundgebühr Nr. 4100 Verteidiger, eine Verfahrensgebühr Nr. 4112 VV RVG und eine Terminsgebühr Nr. 4114 VV RVG sowie Auslagen und Umsatzsteuer. Die Kostenbeamtin hat bei der Kostenfestsetzung die Grundgebühr und die Verfahrensgebühr, jeweils nebst Umsatzsteuer, in Abzug gebracht . Auf die gegen diese Kostenfestsetzung erhobene Erinnerung des Rechtsanwalts R hat das LG  die Kostenfestsetzungsentscheidung dahingehend geändert, dass auch die beantragten Grund- und Verfahrensgebühr festzusetzen seien. Gegen diese Entscheidung hat dann der Bezirksrevisor, Beschwerde eingelegt, denn es darf ja nicht sein, was nicht sein kann. Und: Die Beschwerde hatte beim OLG teilweise Erfolg.

Ich lasse mal die Ausführungen des OLG zu den beiden zu den Gebühren des Terminsvertreters vertretenen Auffassungen weg. Das OLG schließt sich der (zutreffenden) h.M. an und führt aus:

„Dem anstelle des verhinderten Pflichtverteidigers für einen gerichtlichen Termin beigeordneten Verteidiger ist für den in der Beiordnung bezeichneten Verfahrensabschnitt die Verteidigung ohne jede inhaltliche Beschränkung mit sämtlichen Verteidigerrechten und -pflichten übertragen. Eine Beiordnung eines Verteidigers lediglich als „Vertreter“ des bereits bestellten Verteidigers sieht die Strafprozessordnung nicht vor. Dies folgt bereits daraus, dass der bestellte Verteidiger eine Untervollmacht für die Verteidigung des Angeklagten einem anderen Rechtsanwalt nicht erteilen kann, auch nicht mit Zustimmung des Gerichts, weil die Bestellung zum Verteidiger auf seine Person beschränkt ist (vgl. BGH StV 1981, 393; BGH StV 2011, 650, BGH, Beschluss vom 15, Januar 2014, 4 StR 346/13, zit. nach juris; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 9. Februar 2023, 2 Ws 13/23, zit. n. juris). Eine solche Vertretung in der Verteidigung ist nur dem entweder amtlich (§ 53 Abs. 2 Satz 3 BRAO) oder vom Verteidiger selbst (§ 53 Abs. 2 Satz 1 oder 2 BRAO) bestellten allgemeinen Vertreter des Pflichtverteidigers möglich (BGH, Beschluss vom 15. Januar 2014, a.a.O.). Durch die Beiordnung eines Verteidigers für die Wahrnehmung eines Termins anstelle des verhinderten Pflichtverteidigers wird vielmehr ein eigenständiges, öffentlich-rechtliches Beiordnungsverhältnis begründet, aufgrund dessen der bestellte Verteidiger während der Dauer seiner Bestellung die Verteidigung des Angeklagten umfassend und eigenverantwortlich wahrzunehmen hat. Eine solche umfassende, eigenverantwortliche Verteidigung setzt auch eine Einarbeitung in den Fall voraus, ohne die eine sachgerechte Verteidigung nicht möglich ist. Gerade für diese erstmalige Einarbeitung in den Rechtsfall entsteht die Grundgebühr. Eine Unterscheidung danach, welchen Aufwand diese Einarbeitung im Einzelfall erfordert (vgl. dazu OLG Stuttgart, Beschluss vom 3. Februar 2011, 4 Ws 195/10, NJOZ 2012, 213) verbietet sich schon deshalb, weil es sich bei den Gebühren des Pflichtverteidigers nach Anlage 1 Teil 4 Abschnitt 1 zu § 2 Abs. 2 RVG um Festgebühren handelt, die grundsätzlich unabhängig von dem im Einzelfall erforderlichen Aufwand anfallen (ausf. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 9. Februar 2023, 2 Ws 13/23, zit. n. juris). Der Anspruch des wegen Verhinderung des zuvor bestellten Verteidigers zeitlich beschränkt bestellten weiteren Verteidigers scheitert auch nicht daran, dass die Gebühr aus VV Nr. 4100/4101 pro Rechtsfall nur einmal entsteht und auf Seiten des ursprünglich bestellten Pflichtverteidigers bereits entstanden ist; denn die Einmaligkeit der Gebühr pro Rechtsfall ist ausschließlich personen- und nicht verfahrensbezogen zu verstehen (vgl. OLG Karlsruhe a.a.O.; Knaudt in BeckOK RVG, a.a.O. RVG VV Vorbemerkung, Rn. 20). Auch im Falle eines Pflichtverteidigerwechsels nach § 143a StPO steht die Grundgebühr sowohl dem zunächst bestellten Pflichtverteidiger als auch dem an seiner Stelle bestellten neuen Pflichtverteidiger zu.

c) Unter Berücksichtigung der vorgenannten Grundsätze steht dem Beschwerdegegner für seine am 26. September 2022 erbrachte Pflichtverteidigertätigkeit die Grundgebühr nach Nr. 4100 VV RVG in Höhe von 176,00 Euro, die Termingebühr nach Nr. 4114 VV RVG in Höhe von 282,00 Euro, die Pauschale für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen nach Nr. 7002 VV RVG in Höhe von 20,00 Euro, die Fahrtkosten nach Nr. 7003 VV RVG in Höhe von 33,60 E, das Tage- und Abwesenheitsgeld nach Nr. 7005 VV RVG, jeweils nebst gesetzlicher Umsatzsteuer, zu.

Hingegen ist die Verfahrensgebühr nach Nr. 4112 VV RVG für das Betreiben der Geschäfte einschließlich der Information im vorliegenden Fall nicht angefallen. Eine in den Geltungsbereich der Verfahrensgebühr fallende Tätigkeit hat der Pflichtverteidiger nicht entfaltet. Zwar wird mit der Verfahrensgebühr die Tätigkeit des Pflichtverteidigers im Strafverfahren des ersten Rechtszuges nach Abschluss des vorbereitenden Verfahrens abgegolten. Ausgenommen sind davon aber Tätigkeiten, für die besondere Gebühren vorgesehen sind, wie z.B. die Grundgebühr Nr. 4100 VV RVG und die Termingebühr für die Hauptverhandlung Nr. 4114 VV RVG (vgl. OLG München, Beschluss vom 27. Februar 2014, 4c Ws 2/14, zit. n. juris m.w.N.). Aus dem Protokoll der Hauptverhandlung vom 12. Verhandlungstag am 26. September 2022 ergibt sich, dass an diesem Tage keine Beweisaufnahme durchgeführt worden ist, für die eine Einarbeitung in das bisherige Beweisergebnis oder das Entwerfen einer Verteidigungsstrategie erforderlich gewesen wäre. Dem Protokoll über die 20 Minuten dauernde Hauptverhandlung ist lediglich die Beiordnung von vier Pflichtverteidigern für den Verhandlungstag sowie die Abtrennung des Verfahrens gegen den Mitangeklagten pp wegen Verhandlungsunfähigkeit „auf unabsehbare Zeit“ zu entnehmen…..“

Der Entscheidung ist – wie gesagt – teilweise zuzustimmen, teilweise aber auch zu widersprechen.

Zuzustimmen ist der grundsätzlichen Aussage des OLG zu den für den Terminsvertreter entstehenden Gebühren. Es ist zutreffend, wenn sich das OLG der insoweit herrschenden Meinung in Rechtsprechung und Literatur anschließt (vgl. dazu auch Burhoff/Volpert/Burhoff, RVG, Straf- und Bußgeldsachen, 6. Aufl., 2021, Vorbem. 4.1 VV Rn 5 mit weiteren Nachweisen aus Rechtsprechung und Literatur).

2. Aber: Das war es dann aber auch schon. Denn nicht folgen kann man m.E. dem OLG hinsichtlich seiner Begründung, warum eine Verfahrensgebühr Nr. 4112 VV RVG nicht entstanden sein soll. Zwar beschränkt das OLG seine Ausführungen auf den vorliegenden Fall, wenn es mit „im vorliegenden Fall“ formuliert. Aber unabhängig davon sind die Ausführungen nicht zutreffend. Denn die Verfahrensgebühr Nr. 4112 VV RVG ist auf jeden Fall entstanden. Das OLG übersieht nämlich, dass nach den Änderungen durch das 2. KostRMoG Grundgebühr Nr. 4100 VV RVG und jeweilige Verfahrensgebühr immer nebeneinander entstehen (vgl. zur Grundgebühr Burhoff AGS 2022, 433 m.w.N.). Dabei kommt es auf den Umfang der jeweiligen Tätigkeit beim Pflichtverteidiger, mit dem wir es hier zu tun haben, nicht an. Denn er erhält unabhängig vom Umfang der von ihm erbrachten Tätigkeiten Festgebühren, die mit Erbringung der ersten Tätigkeit für den Mandanten entstehen. Und das OLG irrt bzw. wählt den falschen Ansatz, wenn es für die Frage des Entstehens der Verfahrensgebühr Nr. 4112 VV RVG allein darauf abstellt, was in dem Termin am 26.09.2022 geschehen ist. Das ist unerheblich, da diese Tätigkeiten durch die Terminsgebühr Nr. 4112 VV RVG abgegolten werden. Alle übrigen Tätigkeiten werden aber durch Grundgebühr- bzw. Verfahrensgebühr abgegolten. Und das ist eben nicht nur, wie das OLG offenbar meint, die Vorbereitung auf eine Beweisaufnahme, sondern jede zusätzliche Tätigkeit die vom Rechtsanwalt  erbracht wurde. Ausreichend sind eine Gespräch mit dem eigentlichen Pflichtverteidiger über die Übernahme der Vertretung im Termin, ein Gespräch mit dem Mandanten, das im Zweifel vor der dem Hauptverhandlungstermin geführt worden ist, usw. Dass es sich dabei um nur geringe Tätigkeiten handelt, ist wegen der Festgebührencharakter der Pflichtverteidigergebühren ohne Bedeutung. Daher hätte hier die Verfahrensgebühr Nr. 4112 VV RVG auch festgesetzt werden müssen. Die Entscheidung des LG war zutreffend. Dort hatte man offenbar mal in einen Kommentar geschaut. 🙂