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Gerichtliches Basiswissen: Wann ist eine Schreckschusspistole eine Waffe?

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Es gibt ein paar materiell-rechtliche Fragen im Strafrecht, die gehören m.E. zum gerichtlichen Basiswissen. Dazu zählt die Frage, wann eine Schreckschusspistole eine Waffe i.S. des § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB darstellt.

Na? Richtig, das ist dann der Fall, wenn beim Abfeuern der Munition der Explosionsdruck nach vorne durch den Lauf austritt. Ok, und das muss ich dann aber bitte auch aus den tatsächlichen Feststellungen ergeben, wenn der Qaulifikationstatbestand des § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB angenommen wird. So der BGH, Beschl. v. 18.07.2012 – 5 StR 327/12:

„Die vom Landgericht getroffenen Feststellungen zu der vom Angeklagten als Drohmittel verwendeten geladenen und funktionsfähigen Schreckschusspistole (UA S. 9) tragen nicht die Annahme des Qualifikationstatbestandes des § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB. Denn sie belegen nicht, dass nach der Bauart der Schreckschusspistole beim Abfeuern der Munition der Explosi-onsdruck nach vorne durch den Lauf austritt und es sich deshalb um eine Waffe im Sinne des § 250 Abs. 1 Nr. 1 lit. a, Abs. 2 Nr. 1 StGB handelt (vgl. BGH, Beschlüsse vom 4. Februar 2003 – GSSt 2/02, BGHSt 48, 197, 201; vom 6. Juni 2012 – 5 StR 233/12).

Dem Senat ist eine Durchentscheidung verwehrt, da nicht ausgeschlossen werden kann, dass weitere Feststellungen zu der Bauart der Schreckschusspistole (vgl. MünchKommStGB/Heinrich, 2007, § 1 WaffG Rn. 83) getroffen werden können. Die übrigen Feststellungen sind rechtsfehlerfrei getroffen und können bestehen bleiben.

Etwas mehr Sorgfalt bitte.., oder: § 267 Abs. 1 Satz 1 StPO lässt grüßen

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Etwas mehr Sorgfalt bei Abfassung der Urteilsgründe wünscht man sich schon manchmal schon. Da wird der Angeklagte vom Landgericht wegen besonders schweren Raubes, räuberischer Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und versuchter besonders schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit  gefährlicher Körperverletzung zu einer Jugendstrafe von zwei Jahren und drei Monaten verurteilt. Seine Revision hat zuimndest teilweise Erfolg, denn der BGH, Beschl. v. 02.05.2012 – 3 StR 37/12 – hebt das landgerichtliche Urteil teilweise auf. Begründung:

„1. Im Fall II. 1. der Urteilsgründe wird die Verurteilung wegen räuberischer Erpressung durch die Feststellungen nicht belegt. Danach „trafen die Angeklagten“ – neben dem Beschwerdeführer die Nichtrevidenten A. und R. G. – „auf den Geschädigten“. Dieser merkte, dass er verfolgt wurde und lief davon. Er wurde zu Boden gestoßen und A. G. versetzte ihm mehrere Faustschläge und Fußtritte. Sodann forderte R. G. von ihm Geld, worauf er diesem etwa 70 bis 100 Euro herausgab. „Die Angeklagten wussten jedoch, dass sie keinen Anspruch auf dieses Geld hatten.“ Sie kauften sodann von dem Geld Bier und Zigaretten, die sie gemeinsam konsumierten.

Damit sind lediglich die Anwesenheit des Angeklagten am Tatort und seine Mitwirkung am Beuteverzehr festgestellt. Ob er sich an der räuberischen Erpressung als Täter oder Gehilfe (zur Abgrenzung vgl. zuletzt BGH, Beschluss vom 27. März 2012 – 5 StR 114/12 mwN) beteiligt hat, ist dem Urteil auch im Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe nicht zu entnehmen.

2. Gleiches gilt für die Verurteilung wegen besonders schweren Raubes im Fall II. 3 der Urteilsgründe. Danach war der Angeklagte mit drei gesondert verfolgten Männern nachts in einem Auto unterwegs. Sie besprachen, dass sich in der Wohnung des E. Z. „mitnehmenswerte Gegenstände befin-den könnten, die entwendet werden sollten“. Als der Geschädigte später dem Angeklagten und den gesondert Verfolgten Zugang zu seiner Wohnung ermöglicht hatte, „entwendeten“ diese „aus der Wohnung … absprachegemäß steh-lenswerte Gegenstände“. Damit ist lediglich die Begehung eines Diebstahls festgestellt. Zwar hatte der gesondert verfolgte M. zuvor den Geschädigten auf der Straße mit einem Baseballschläger bedroht und ein Getränk von ihm verlangt. Ob diese Drohung durch M. schon dazu diente, den Tätern später den Zutritt zur Wohnung zu ermöglichen sowie den Widerstand des Geschädig-ten gegen die Wegnahme von Gegenständen zu unterbinden, ist dem Urteil nicht zu entnehmen. Erst recht fehlt es an der Feststellung, dass der Angeklagte die Bedrohung als final für einen Raub erkannte und als Willensbeugungselement im Hinblick auf die Wegnahme von Gegenständen aus der Wohnung billigte. Dass der Geschädigte während der Wegnahme der Gegenstände in der Küche seiner Wohnung eingesperrt und somit einvernehmlich Gewalt zur Ermöglichung der Tat gegen ihn angewendet worden war, konnte die Strafkammer gerade nicht feststellen.

Wenn man das so liest und sich überlegt, dass ein Referendar das als Urteilsentwurf abgegeben hätte. Na, der hätte was zu hören bekommen. § 267 Abs. 1 Satz 1 StPO lässt grüßen…

Und noch mal § 315c StGB – es klappt einfach nicht mit der „konkreten Gefahr“

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Ich hatte ja schon mehrfach über die Rechtsprechung des BGH zu § 315c StGB und damit auch zu § 315b StGB berichtet. In beiden Fällen ist zur Erfüllung des Tatbestandes das Vorliegen einer „konkreten Gefahr“ Voraussetzung. Und damit bzw. mit den vom BGH dazu geforderten tatsächlichen Feststellungen hapert es in der Praxis immer wieder. Folge: Der für die Verkehrsstrafsachen zuständige 4. Strafsenat des BGH hebt die Urteile der LG immer wieder auf. Ein Beispiel ist der BGH, Beschl. v. 16.04.2012 – 4 StR 45/12. Aus dem Beschluss:

Nach den in der Rechtsprechung des Senats entwickelten Maßstäben genügt die hierauf bezogene knappe Bemerkung des Landgerichts („Dadurch gefährdete er H. .“) nicht den Anforderungen zur Darlegung einer konkreten Gefahr. Einen Vorgang, bei dem es beinahe zu einer Verletzung der Mitfahrerin gekommen wäre – also ein Geschehen, bei dem ein unbeteiligter Beobachter zu der Einschätzung gelangt, „das sei noch einmal gut gegangen“ (Senat, Urteil vom 30. März 1995 und Beschluss vom 4. September 1995 – jew. aaO; Beschluss vom 26. Juli 2011 – 4 StR 340/11, StV 2012, 217) – hat die Strafkammer auch nach dem Gesamtzusammenhang ihrer auf das Unfallgeschehen bezogenen Feststellungen nicht hinreichend mit Tatsachen belegt.“

Und der BGH bemängelt weiter noch:

b) Nach den bisherigen Feststellungen bleibt zudem offen, ob die Beifahrerin des Angeklagten vom Schutzbereich des § 315c StGB überhaupt erfasst ist. Nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist dies für an einer solchen Straftat beteiligte Insassen des Fahrzeugs zu verneinen (BGH, Urteile vom 23. Februar 1954 – 1 StR 671/53, BGHSt 6, 100, 102, vom 28. Oktober 1976 – 4 StR 465/76, BGHSt 27, 40, 43, und vom 20. November 2008 – 4 StR 328/08, NJW 2009, 1155, 1157; vgl. SSW-Ernemann, StGB, § 315c Rn. 24 m.w.N.). Die Mitfahrerin könnte sich mit der an den Angeklagten gerichteten Aufforderung, „auch einmal zu fahren“ (UA 7), der Anstiftung gemäß § 26 StGB schuldig gemacht haben. Zwar ist der Angeklagte wegen fahrlässiger Gefährdung des Straßenverkehrs nach § 315c Abs. 1 Nr. 1a, Abs. 3 Nr. 2 StGB verurteilt worden, so dass es an der in § 26 StGB vorausgesetzten vorsätzlichen Haupttat fehlen könnte. Diese rechtliche Würdigung beschwert den Angeklagten, soweit der Schuldspruch in Rede steht, nicht. Jedoch war ihm nach den Feststellungen „bewusst, dass er Alkohol getrunken hatte und möglicherweise nicht mehr fahrtauglich war. (Das) nahm er zumindest billigend in Kauf, als er sich an das Steuer setzte.“ (UA 7). Danach liegen die Voraussetzungen der Vorsatz-Fahrlässigkeits-Kombination in § 315c Abs. 3 Nr. 1 StGB vor, zu der strafbar angestiftet werden kann (§ 11 Abs. 2 StGB). Abschließend kann der Senat die Frage einer strafbaren Teilnahme der Beifahrerin nicht beurteilen, weil das angefochtene Urteil keine Feststellungen zur Frage eines „doppelten“ Anstiftervorsatzes enthält.“

Und ist schon manchmal erstaunlich, was die LG so machen 🙂

In der Kürze liegt die Würze….. von wegen sagt das OLG Hamm: Zu dürftig

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Der Amtsrichter verurteilt wegen Besitzes von BtM und Beförderungserschleichung. Er trifft (nur) folgende tatsächliche Feststellungen:

„1. Am 19.10.2010 hielt sich der Angeklagte im Bereich der I-Straße in C auf. Dabei war er im Besitz von 1,67 Gramm Heroin.

2. Am 07.09.2010 benutzte er ein Verkehrsmittel der Linie 3 des Verkehrsunternehmens N GmbH ohne im Besitze eines gültigen Fahrausweises zu sein.“

Der Strafkammer reicht das. Sie geht von einer wirksamen Berufungsbeschränkung aus. Der OLG Hamm, Beschl. v. 02.02.2012 – III-3 RVs 4/12 sagt: Zu dürftig und nicht ausreichend um als Grundlage für eine Verurteilung dienen zu können. Stimmt. Das ist wirklich (ein wenig) zu knapp. Es fehlen jegliche Tatumstände usw. Mehr als die Mitteilung des gesetzlichen Tatbestandes ist das nicht.

Lob für die StA, Kritik für die Strafkammer, oder: Thema verfehlt…

klingt im BGH-Beschl. v. 13.07.2011 – 1 StR 154/11 an, wenn der 1. Strafsenat dort zu den von der Strafkammer im Hinblick auf die für eine Steuerhinterziehung getroffenen tatsächlichen Feststellungen ausführt:

Dies lässt das angefochtene Urteil – im Gegensatz zur sorgfältig verfassten Anklageschrift – vermissen. Die Feststellungen zum Schuldspruch wegen Umsatzsteuerhinterziehung lassen nicht tragfähig erkennen, aufgrund welcher Lieferungen und sonstigen Leistungen (§ 3 UStG) der Angeklagte steuerbare Umsätze bewirkt hat; das Urteil bezieht sich insoweit unklar auf „Einnahmen“ (UA S. 7). Hinsichtlich der Gewerbesteuer- und der Einkommensteuer teilt das Urteil zwar einen „Gewinn“ mit und „bei der Einkommenssteuerermittlung“ (UA S. 8) diesem Gewinn hinzuzurechnende Beträge. Es verzichtet im Übrigen aber auf eine Berechnungsdarstellung zu den hinterzogenen Steuern; weitergehende Feststellungen zu den Besteuerungsgrundlagen werden nicht getroffen. Dadurch ermöglicht es das Urteil dem Senat nicht, die Berechnung der vom Angeklagten hinterzogenen Steuern auch nur annähernd nachzuvollziehen.“

Liest man als Strafkammer nicht so gern. „nicht […] auch nur annähernd nachvollziehen. Im Deutschunterricht hätte das früher geheißen: Thema verfehlt.