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Sicherungshaft – sie unterliegt strengen Anforderungen

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Der Haftgrund der Wiederholungsgefahr (§ 112a StPO) ist nicht unumstritten. Teilweise wird seine Verfassungsmäßigkeit angezweifelt. So weit gehen die OLG in ihrer Rechtsprechung allerdings nicht. Sie stellen aber doch verhältnismäßig strenge Anforderungen an die Bejahung dieses Haftgrundes. Die fasst der Leitsatz des KG, Beschl. v. 28. 02..2012 – 4 Ws 18/12 – noch einmal zusammen:

Der Haftgrund der Wiederholungsgefahr (§ 112 a Abs. 1 StPO) dient nicht der Verfahrenssicherung, sondern soll die Rechtsgemeinschaft vorbeugend vor weiteren Straftaten schützen, so dass an diese präventive Sicherungshaft aus verfassungsrechtlichen Gründen strenge Anforderungen zu stellen sind. Danach muss der Angeklagte zunächst dringend verdächtig sein, wiederholt Straftaten nach dem enumerativen Katalog des § 112 a Abs. 1 StPO begangen und dadurch die Rechtsordnung unter besonderer Berücksichtigung der Opferperspektive schwerwiegend beeinträchtigt zu haben. Zudem muss eine Freiheitsentziehung von mehr als einem Jahr zu erwarten sein. Zu berücksichtigen sind auch die früheren Taten des Angeklagten.

In der Sache hat das KG dann aber die Voraussetzungen des § 112a StPO bejaht. Interessant zudem in dem Zusammenhang: § 112 a StPO ist auch im Jugendstrafrecht anwendbar . 

 

 

 

Pflichtverteidiger auch bei Sicherungshaft… entsprechende Anwendung des (neuen) § 140 I Nr. 4 StPO

Eine Entscheidung habe ich dann noch zum neuen § 140 Abs. 1 Nr. 4 StPO: Das AG Aschersleben hat in seinem Beschluss v. 14.04.2010 – 6 VR Js 23/10 die neue Vorschrift entsprechend angewendet, wenn gegen gegen den Verurteilten Sicherungshaft vollstreckt wird. In dem leider nur sehr knapp begründeten Beschluss heißt es nur:

„Zwar wird gegen den Verurteilten Sicherungshaft gem. § 453 c StPO vollstreckt, jedoch ist entsprechend § 140 Abs. 1 Nr. 4 StPO ein Verteidiger zu bestellen, weil vorliegend die Haftgründe des § 112 StPO Anwendung finden.“

Lässt sich sicherlich hören und sollte und wird Verteidiger freuen.

Sicherungshaft: Bestimmte Tatsachen müssen die Gefährlichkeit belegen

Der Haftgrund der Wiederholungsgefahr (§ 112a StPO) macht in der praktischen Anwendung häufig Schwierigkeiten. Nachdem die Vorschrift durch das 2. OpferRRG geändert worden ist, hat jetzt das OLG Karlsruhe in seinem Beschl. v. 10.02.2010 – 2 Ws 35/10 darauf hingewiesen, dass die Bejahung von „Wiederholungsgefahr“ i.S. § 112a StPO auf bestimmte Tatsachen gegründet werden muss, die eine so starke Neigung des Beschuldigten zu einschlägigen Straftaten erkennen lassen, dass die Gefahr besteht, er werde bis zur rechtskräftigen Verurteilung in der den Gegenstand des Ermittlungsverfahrens bildenden Sache gleichartige Taten wie die Anlasstaten begehen. Die allgemeine Befürchtung, es könne möglicherweise in einem unbestimmten Zeitraum zu gleichartigen Taten kommen, genügt nicht. Es handelt sich zwar um „Sicherungshaft“, aber: Es müssen eben doch konkrete Tatsachen vorliegen und benannt werden, die die Gefährlichkeistprognose stützen. Da machen es sich die Instanzgerichte manchmal zu einfach.

Erst mal verhaften (lassen), dann terminieren….

Das hat das AG Koblenz aber richtig hingelangt: Angeklagter erscheint nicht zur Hauptverhandlung am 13.08.2009, es ergeht Haftbefehl nach § 230 StPO, der Angeklagte wird am 27.12.2009 festgenommen und bleibt über den Jahreswechsel in Haft. Auf die Haftbeschwerde hebt das LG Koblenz am 6.1.2010 (2 Qs 1/10) auf und verweist auf die Rechtsprechung des BVerfG (NJW 2007, 2318). Das LG weist das AG nachdrücklich darauf hin, dass ein Sicherungshaftbefehl nur dann erlassen werden darf, wenn das weniger einschneidende Mittel des Vorführungsbe­fehls nicht ausreicht. Zudem habe der Angeklagte über einen festen Wohnsitz ver­fügt, weshalb kein Grund ersichtlich sei, warum ein Vorführungsbefehl nicht ausreichend sein sollte, um die Durchführung der Hauptverhandlung sicher­zustellen. Und: In das Kriterium der Verhältnismäßigkeitserwägung sei auch die schwere Tatvorwurfs (hier nicht erheblich) und die Strafer­wartung einzubeziehen. Besonders pikant: Das AG hatte noch nicht einmal terminiert. Warum man dann schon den Angeklagter verhaften muss, leuchtet nun wirklich nicht ein. Art 2 GG läßt grüßen.