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Verfahrensrüge I: Auslegung Verfahrensrüge ==> Sachrüge, oder: Immer schön sagen, was man will

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Heute ist „Fronleichnam“. Das ist in NRW und in einigen anderen Bundesländern gesetzlicher Feiertag, wird also nicht gearbeitet. Ich bringe aber trotzdem – zumindest für die „Anderen“, die arbeiten müssen – hier drei Entscheidungen. Alle drei haben die ausreichende Begründung der Rechtsbeschwerde (und ggf. der Revision) zum Gegenstand.

Ich beginne mit dem OLG Hamm, Beschl. v. 15.02.2018 – 4 RBs 24/18. Der zeigt noch einmal sehr schön, dass man als Verteidiger bei der Begründung von Rechtsbeschwerde oder auch Revision sehr sorgfältig arbeiten sollte. Sonst kann es schief gehen mit der Verfahrens- aber auch der Sachrüge.

Im Beschluss hat das OLG eine „Verfahrensrüge“ ausgelegt. Der Betroffene hatte allein das Vorliegen eines Verfahrenshindernisses, weil der dem Verfahren zu Grunde liegende Bußgeldbescheid seiner Umgrenzungsfunktion nicht gerecht werde. Deswegen sei das Verfahren einzustellen gewesen.

Das OLG hat das Rechtsmittel als (noch) zulässig angesehen:

„Der Betroffene hat die Sachrüge, wie die Generalstaatsanwaltschaft zutreffend ausführt, (auch in allgemeiner Form) in ausdrücklicher Form nicht erhoben. Auch kann sie seiner Rechtsmittelbegründung nicht durch Auslegung entnommen werden. Die Rechtsmittelbegründung hebt allein auf das o.g. angebliche Verfahrenshindernis ab und bemängelt die fehlende Einstellung des Verfahrens. Dem kann das Begehren nach einer Überprüfung des angefochtenen Urteils in allgemein materiell-rechtlicher Hinsicht nicht entnommen werden. Seine „Verfahrensrüge“ kann aber dahin ausgelegt werden (§§ 46 OWiG, 300 StPO), dass er eine Überprüfung des Urteils allein im Hinblick auf das geltend gemachte Verfahrenshindernis begehrt. Dies kann man als auf die Frage von Verfahrenshindernissen beschränkte Sachrüge auslegen, denn sobald eine Sachrüge erhoben ist, überprüft das Rechtsbeschwerdegericht das Vorliegen der Verfahrensvoraussetzungen von Amts wegen (vgl. OLG Jena, Beschluss vom 07.03.2016 – 1 OLG 171 SsBs 65/15 (173)), so dass es auch der näheren Wiedergabe des Bußgeldbescheids nicht bedurfte. Gegen eine dahingehende Rechtsmittelbeschränkung bestehen keine Bedenken.2

Also: schön sorgfältig formulieren, was man eigentlich will.

Gebracht hat die Auslegung des OLG im Ergebnis dann aber nichts, denn:

„Die Rechtsbeschwerde ist jedoch unbegründet, da die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Rechtsbeschwerderechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Betroffenen ergeben hat (§ 79 Abs. 3 OWiG, § 349 Abs. 2 StPO).

Der Bußgeldbescheid erfüllt – auch wenn der Tatort nur durch Ort, Ortsteil und Straßenbezeichnung umschrieben wird und nicht auch durch nähere Angaben wie etwa eine Kilometrierung der Straße oder einer Hausnummernangabe sowie der Fahrtrichtung etc. – die Umgrenzungsfunktion hinreichend. Angesichts der vorhandenen Ortsangaben, der Angabe des Tatfahrzeugs, der gefahrenen Geschwindigkeit, der Angabe „außerhalb geschlossener Ortschaften“ und der minutengenauen Tatzeit ist die Tat unverwechselbar umschrieben. Es mag sein, dass – wie der Betroffene selbst vorträgt – er auf der im Bußgeldbescheid umschriebenen Strecke weitere Geschwindigkeitsverstöße begangen hat. Dass er aber dort innerhalb derselben Tatminute eine solche weitere Geschwindigkeitsüberschreitung im Rahmen einer gesonderten prozessualen Tat begangen haben könnte, erscheint völlig lebensfern.“

„Völlig lebensfremd“ ist nicht unbedingt ein starkes Argument.

Urteil ohne Unterschrift, oder: Der Selbstläufer führt zur Aufhebung

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Und zum Schluss des Tages das viel gescholtene OLG Bamberg mit dem OLG Bamberg, Beschl. v. 30.04.2018 – 3 Ss OWi 602/18. Das hatte über ein amtsgerichtliches Urteil zu befinden, das nicht unterschrieben war. Ergebnis: Auf die Sachrüge hin Aufhebung:

„Gegenstand der Überprüfung eines Urteils durch das Rechtsbeschwerdegericht in sachlich-rechtlicher Hinsicht sind allein die schriftlichen Entscheidungsgründe, wie sie sich aus der gemäß § 275 StPO mit der Unterschrift des Richters zu den Akten gebrachten Urteilsurkunde ergeben (vgl. OLG Hamm, Beschl. v. 25.04.2017 – 1 RVs 35/17 [bei juris]; OLG Köln, Beschl. v. 19.07.2011 – 1 RVs 166/11 = NStZ-RR 2011, 348; KK/Gericke StPO 7. Aufl. § 337 Rn. 27; Meyer-Goßner/Schmitt StPO 60. Aufl. § 337 Rn. 22). Das Fehlen jedweder richterlichen Unterschrift ist hierbei dem völligen Fehlen der Urteilsgründe gleichzustellen (vgl. BGH, Beschl. v. 21.11.2000 – 4 StR 354/00 = BGHSt 46, 204 = BGH NJW 2001, 838 = NStZ 2001, 219 = StV 2001, 155; OLG Frankfurt, Urt. v. 18.12.2015 – 1 Ss 318/14 = NStZ-RR 2016, 287; OLG Hamm, Urt. v. 29.04.2008 – 4 Ss 90/08 = NStZ-RR 2009, 24) und führt bereits auf die Sachrüge zur Aufhebung des Urteils (vgl. OLG Hamm und OLG Köln, jew. a.a.O.; KK/Greger a.a.O § 275 Rn. 68; Meyer-Goßner/Schmitt a.a.O. § 275 Rn. 29).

So liegt der Fall hier. Das angefochtene Urteil weist keine handschriftliche Unterzeichnung mit dem Namenszug eines Richters auf. Dieser Mangel wird auch nicht durch den maschinenschriftlich abgedruckten Namen der Richterin und durch die zu Unrecht erfolgte Bestätigung des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle ausgeglichen, wonach das unterschriebene Urteil am 07.02.2018 zur Geschäftsstelle gelangt sei. Diese Zusätze vermögen die vom Gesetz geforderte Unterzeichnung (§ 275 II 1 StPO) nicht zu ersetzen.

Eine Entscheidung, die nicht überrascht. Da musste sogar das OLG Bamberg aufheben.

Anfängerfehler des Verteidigers bei der Revision, oder: Immer Verfahrensrüge und Sachrüge

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Die zweite Entscheidung kommt auch vom BGH. Jetzt ist es aber nicht ein Anfängerfehler des Gerichts, sondern des Verteidigers, der – mit Verlaub – vom Revisionsrecht m.E. nicht viel Ahnung zu haben scheint. Denn der BGH hat im BGH, Beschl. v. 10.01.2018 – 4 StR 586/17 – die Revision des Angeklagten als unzulässig verworfen:

„Die vom Angeklagten eingelegte Revision ist gemäß § 349 Abs. 1 StPO unzulässig, da die einzig erhobene Aufklärungsrüge aus den Gründen der Zuschrift des Generalbundesanwalts vom 21. November 2017 den Formerfordernissen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO nicht genügt.“

Er – der BGH –  verkneift sich dann den Hinweis, dass Sachrüge nicht erhoben ist.

M.E. ein Anfängerfehler des Verteidigers bzw. ein Fehler, der wenig Kenntnisse des Verteidigers im Revisionsrecht beweist. Ich behaupte: Kein erfahrener Revisionsanwalt wird nur die Verfahrensrüge erheben und nicht auch die Sachrüge. Denn ist die Verfahrensrüge unzulässig, ist die Revision insgesamt unzulässig und wird – siehe oben – ohne großen Aufwand verworfen.

Urteil ohne Gründe, oder: Ohne viel Worte

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Am Pfingstmontag neigt sich das lange Wochenende dem Ende zu. Morgen geht es dann normal weiter. Ich mache dann heute schon „Normalbetrieb“, und zwar mit zwei kleinen Entscheidungen – bevor es dann noch die Rätsellösung gibt.

Zunächst der OLG Hamm, Beschl. v. 25.04.2017 – 4 RBs 143/17 zu einem ganz einfachen Sachverhalt: Ein amtsgerichtliches Urteil hatte keine Gründe. Und das war es dann:

„Die gemäß § 79 Abs. 1 Nr. 2 OWiG statthafte und rechtzeitig eingelegte sowie mit der Sachrüge frist- und formwahrend begründete Rechtsbeschwerde ist zulässig und hat in der Sache einen – zumindest vorläufigen – Erfolg.

Das angefochtene Urteil enthält entgegen §§ 46 Abs. 1, 71 Abs. 1 OWiG, 267 StPO keine für das Rechtsbeschwerdegericht beachtlichen Gründe. Aus diesem Grunde ist die Rechtsbeschwerde bereits mit der Sachrüge begründet, weil das Rechtsbe­schwerdegericht ein Urteil ohne Gründe keiner materiell-rechtlichen Prüfung unter­ziehen kann (zu vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 20.01.2014 – 111-1 RBs 8/14 -, zitiert nach juris).“

Also Aufhebung ohne viel Worte – dem angegriffenen Urteil angemessen. Tja, man fragt sich: Was hat sich der Amtsrichter dabei gedacht?

Eindeutig muss/sollte die Begründung sein, sonst: Steilvorlage

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Der OLG Hamm, Beschl. v. 28.06.2016 – 4 RBs 135/16 – zeigt mal wieder deutlich, wie wichtig es ist, bei der Begründung der Rechtsbeschwerde/Revision klar und deutlich/eindeutig zu formulieren. Sonst gibt man dem OLG – ggf. dem BGH – eine Steilvorlage für die Verwerfung des Rechtsmittels als unzulässig. So ist es in/mit dem Beschluss gekommen. Das OLG gewährt zwar Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, aber:

„Jedoch hat der Betroffene weder die Sachrüge erhoben, noch eine Verfahrensrüge den Begründungsanforderungen der §§ 79 Abs. 3 OWiG, 344 Abs. 2 StPO entsprechend ausgeführt.

Der Verteidiger des Betroffenen hatte zwar mit Einlegung der Rechtsbeschwerde am 23.11.2015 bereits erste Ausführungen zur Begründung derselben gemacht. In diesen Ausführungen ist jedoch nicht die Erhebung der allgemeinen Sachrüge enthalten. Denn aus dem Beschwerdevorbringen ergibt sich nicht eindeutig, dass die Nachprüfung des angefochtenen Urteils in sachlich-rechtlicher Hinsicht begehrt wird. Der Verteidiger hat das angefochtene Urteil mit dem Adjektiv „rechtsfehlerhaft“ beschrieben. Damit könnte er sowohl das Fehlen von Verfahrensvoraussetzungen gerügt haben, als auch Verfahrensfehler oder Fehler in der materiell-rechtlichen Gesetzesanwendung. Die übrige, im Telefax vom 23.11.2015 enthaltene Begründung, in der insbesondere die fehlerhafte Behandlung von Beweisanträgen gerügt wird, lässt ebenfalls nicht den eindeutigen Schluss auf eine begehrte materiell-rechtliche Nachprüfung zu, sondern spricht eher für ein Begehren nach Überprüfung in verfahrensrechtlicher Hinsicht. Im Schriftsatz vom 25.01.2016 ist eine Sachrüge ebenfalls nicht enthalten. Dieser enthält zunächst nur Ausführungen zur Wiedereinsetzung und zur angeblich rechtsfehlerhaften Ablehnung eines Beweisantrages. Soweit weiter gerügt wird, das Gericht habe sich nicht hinreichend mit dem Vortrag des Betroffenen hinsichtlich eines Absehens vom Fahrverbot auseinandergesetzt, enthält dieser Vortrag lediglich von den Urteilsfeststellungen abweichenden eigenen Vortrag, der ergibt, dass der Betroffene in Wahrheit nicht die Rechtsanwendung beanstandet, sondern die Richtigkeit der Urteilsfeststellungen angreifen will (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt a.a.O., § 344 Rdn. 19).

Zur formgerechten (Verfahrens-)Rüge der fehlerhaften Ablehnung eines Beweisantrags muss der Beschwerdeführer den Antrag, den Inhalts des ablehnenden Gerichtsbeschlusses sowie die den Mangel begründenden Tatsachen so vollständig angeben, dass das Beschwerdegericht allein anhand der Begründungsschrift prüfen kann, ob ein Verfahrensfehler vorliegt, sollten die behaupteten Tatsachen zutreffen (vgl. KK/Senge, OWiG, 4. Auflage 2014, § 77 Rn. 51 f. m.w.N.). Diese Voraus-setzungen sind vorliegend nicht erfüllt. In der Rechtsbeschwerdebegründung hat der Verteidiger nur die Beweismittel, nicht jedoch die Beweistatsachen angegeben, insbesondere nicht, was Gegenstand der zeugenschaftlichen Wahrnehmung ge-wesen sein soll bzw. wozu der Sachverständige gehört werden sollte. Zudem fehlt die Wiedergabe des Inhalts des Ablehnungsbeschlusses (§ 77 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3 OWiG). Ein schlichtes Anführen von Bedenken der Verteidigung bezüglich der Richtigkeit, weil sich irgendwo im Bereich der Messbereichs Straßenschilder be-funden hätten, reicht weder für eine vollständige Angabe der den Mangel begründenden Tatsachen noch für das erforderliche bestimmte Behaupten dieser Tatsachen. Das Beschwerdegericht kann auch nicht etwa aufgrund einer form- und fristgerecht erhobenen Sachrüge bzgl. der Verfahrensrüge ergänzend die Ausführungen in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils heranziehen, denn eine Sachrüge hat der Betroffene nicht erhoben.“

Hinsichtlich der Verfahrensrüge folge ich dem OLG, die ist in der Tat nicht ausreichend begründet. Hinsichtlich der Sachrüge liegt das OLG in meinen Augen aber falsch. Was sagt denn der Begriff „rechtsfehlerhaft“ in der Kombination mit den vorgetragenen Bedenken des Verteidiger anderes, als dass das Urteil (auch) als materiell-rechtlich falsch angesehen wird. Die Begründung ist nicht „klassisch schön“ für eine Sachrüge, ich hätte sie aber als „noch ausreichend“ angesehen.

Fazit für den Verteidiger: Eindeutig formulieren, dann vermeidet man solche Entscheidungen. Und – vor allem zur Begründung der Verfahrensrüge – vielleicht dann doch mal in ein „Anleitungsbuch“ schauen, wenn man nicht weiß, wie es geht.