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Revision III: Beschränkte Anfechtung im JGG-Verfahren, oder: Umgehung des § 55 JGG?

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Und die dritte Entscheidung zu Revisionsfragen betrifft dann den § 55 JGG. Der sieht ja in seinem Abs. 1 Satz 1 eine Beschränkung der Beschränkung der Rechtsmittelmöglichkeit bei einem jugendrichterlicher Urteil, das allein Erziehungsmaßregeln oder Zuchtmittel enthält, vor.

Damit befasst sich der OLG Hamm, Beschl. v. 20.09.2022 – 5 RVs 81/22. Im zugrunde liegenden Verfahren ist der Angeklagte vom Jugendrichter des Diebstahls schuldig gesprochen und gegen ihn einen „Freizeitarrest von einer Freizeit“ verhängt worden. Dagegen wendet sich der Angeklagte mit der Sprungrevision und beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an eine andere Jugendabteilung des AG zurückzuverweisen; als Begründung wird angeführt:

„Es wird die Verletzung sachlichen Rechts gerügt. Das angefochtene Urteil wird ausdrücklich sowohl im Schuldspruch als auch im Rechtsfolgenausspruch zur vollständigen Überprüfung durch den Senat gestellt.

Im Folgenden ist dann die Sachrüge näher ausgeführt worden und es wird beanstandet, dass die auferlegte Sanktion unverhältnismäßig sei. Es werde verkannt, dass dem Gericht in Jugendstrafsachen ein ganzer Kanon von Sanktionsmöglichkeiten zur Verfügung stehe; eine freiheitsentziehende Maßnahme könne dabei immer nur die Ultima Ratio sein. Es sei bei der Wahl der Sanktion zu Unrecht missachtet worden, dass für den Angeklagten bzgl. berücksichtigter eingestellter früherer Verfahren die Unschuldsvermutung streite.

Die GStA hat beantragt, die Revision als offensichtlich unbegründet zu verwerfen, also § 349 Abs. 2 StPO. Das OLG hat nach § 349 Abs. 1 StPO als unzulässig verworfen:

„Die Revision ist gemäß § 349 Abs. 1 StPO als unzulässig zu verwerfen, da der Angeklagte es entgegen § 344 Abs. 1 StPO versäumt hat, ein unter Berücksichtigung von § 55 Abs. 1 S. 1 JGG zulässiges Angriffsziel eindeutig zu formulieren.

1. In der Revisionsbegründung muss das Ziel der Anfechtung so eindeutig mitgeteilt werden, dass die Verfolgung eines unzulässigen Ziels ausgeschlossen werden kann (vgl. Senatsbeschluss vom 07.02.2017, Az. 5 RVs 6/17 = BeckRS 2017, 107728). Besteht die Möglichkeit – wie vorliegend -, dass der Revisionsführer sich lediglich gegen die Auswahl und den Umfang von Erziehungsmaßregeln oder Zuchtmitteln wendet, führt dies zur Unzulässigkeit, wobei Zweifel zulasten des Revisionsführers gehen (vgl. BGH, Beschluss vom 10.07.2013, Az. 1 StR 278/13 = NStZ 2013, 659; OLG Hamm, Beschluss vom 02.12.2021, Az. 4 RVs 124/21, juris). Die erforderliche eindeutige Angabe des Angriffsziels soll eine Umgehung der Vorschrift des § 55 Abs. 1 S. 1 JGG verhindern und damit dem Willen des Gesetzgebers – der Beschleunigung des Jugendstrafverfahrens im Hinblick auf die erzieherische Wirkung von Entscheidungen – ausreichend Rechnung tragen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 06.07.2007, Az. 2 BvR 1824/06).

2. Den vorgenannten Anforderungen an eine Revisionsbegründung bei einem gegen ein in den Anwendungsbereich von § 55 Abs. 1 S. 1 JGG fallendes Rechtsmittel genügt der Schriftsatz vom 24.06.2022 trotz des umfassenden Aufhebungsantrages sowie der ausdrücklichen Rüge des Schuldspruchs nicht, da er lediglich auf eine Umgehung der Vorschrift ausgerichtet ist; im Einzelnen:

a) Allein ein umfassend gestellter Aufhebungsantrag gibt keinen ausreichenden Aufschluss in Bezug auf das Anfechtungsziel (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 10.10.2000, Az. 33 Ss 92/00 = NStZ-RR 2001, 121). § 55 Abs. 1 S. 1 JGG kann nicht dadurch umgangen werden, dass ein Urteil zwar vordergründig zur vollen Überprüfung durch das Rechtsmittelgericht gestellt wird, allerdings tatsächlich nur Angriffe gegen die Strafzumessung ausgeführt werden (vgl. OLG Nürnberg, Beschluss vom 30.03.2016, Az. 1 OLG 8 Ss 49/16 = BeckRS 2016, 9474). So verhält es sich hier; die ausgeführte Revisionsbegründung richtet sich ausschließlich gegen die verhängte Sanktion bzw. die Voraussetzungen der §§ 5 Abs. 2 JGG und 13 Abs. 1 JGG.

b) Infolge der erhöhten Anforderungen an die Konkretisierung des Angriffsziels reicht es auch nicht aus, schlicht den Schuldspruch – allgemein – anzufechten (vgl. MüKo/Kaspar, 1. Auflage 2018, § 55, Rn. 69). Dies gilt jedenfalls dann, wenn – wie vorliegend – die den Schuldspruch tragenden Feststellungen auf der geständigen Einlassung des revidierenden Angeklagten beruhen, was der Senat – obwohl außerhalb der Revisionsbegründung liegend – zur Klärung der Eindeutigkeit des Ziels des Rechtsmittels berücksichtigen durfte (vgl. BGH, Beschluss vom 10.07.2013, Az. 1 StR 278/13 = NStZ 2013, 659) ; bei einer derartigen Sachlage bedarf es einer Klarstellung, inwieweit der Schuldspruch angefochten wird (vgl. BGH, a.a.O.; OLG Celle, Beschluss vom 10.10.2000, Az. 33 Ss 92/00 = NStZ-RR 2001, 121).

c) Selbst wenn man aber davon ausginge, dass bereits die ausdrückliche Rüge des Schuldspruchs seitens des Angeklagten den Anforderungen an § 344 Abs. 1 StPO i.V.m. § 55 Abs. 1 JGG genügte, würden die Einzelausführungen in der Revisionsbegründungsschrift vom 24.06.2022 die Revision insgesamt unzulässig machen, da sich daraus unzweifelhaft ergibt, dass der Angeklagte lediglich den Rechtsfolgenausspruch angreifen will.

Für den Fall, dass der Revisionsführer in Wahrheit nicht die Rechtsanwendung sondern die Beweiswürdigung beanstanden will und sich dieser Schluss aus den Einzelausführungen der Revisionsbegründung ziehen lässt, ist allgemein anerkannt, dass Einzelausführungen zur Sachrüge die Revision insgesamt unzulässig machen können (vgl. Meyer/Goßner, 65. Auflage, § 344, Rn. 19 m.w.N. zur höchstrichterlichen und obergerichtlichen Rechtsprechung). Diese Rechtsprechung lässt sich – wegen der Vergleichbarkeit des Sachverhalts – auch auf die vorliegende Konstellation übertragen, bei der sich anhand der Einzelausführungen ergibt, dass die Rüge des Schuldspruchs lediglich vordergründig und unter Umgehung von § 55 Abs. 1 S. 1 JGG erhoben wird, während das Angriffsziel der Revision tatsächlich auf die – unzulässige – Beanstandung der Sanktion gerichtet ist.

3. Eine Konstellation, in der eine Umgehung der Vorschrift des § 55 Abs. 1 S. 1 JGG nicht angenommen werden kann, etwa weil aufgrund weiterer Ausführungen erkennbar wird, dass tatsächlich konkrete Rechtsfehler des Schuldspruchs beanstandet werden (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 16.04.2020, Az. 4 RVs 45/20), liegt nicht vor.“

Revision I: Revisionsverwerfung ohne HV zulässig?, oder: BVerfG hat (bei B.Zschäpe) keine Bedenken

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Ich stelle heute drei Entscheidungen zur Revision im Strafverfahren vor, also StPO-Entscheidungen.

Ich beginne die Berichterstattung mit dem BVerfG, Beschl. v. 30.09.2022 – 2 BvR 2222/21. Das ist die Entscheidung des BVerfG von B. Zschäpe zur Vewerfung ihrer Revision gegen ihre Verurteilung  durch das OLG München. Der BGH hatte nach § 349 Abs. 2 StPO verworfen. Dagegen hatte B. Zschäpe die Verletzung ihres Rechts auf Gewährung rechtlichen Gehörs, eine willkürliche Anwendung des § 349 Abs. 2 StPO und eine Verletzung ihres Rechts auf die Entscheidung durch den gesetzlichen Richter gerügt. Das BVerfG hat die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen. Das hat es m.E. recht ausführlich begründet, was es sonst bei Nichtannahmebeschlüssen ja nicht immer tut. Es führt zu § 349 Abs. 2 StPO, der ja in der Praxis des BGH eine große Rolle spielt, aus:

„1. Eine Verletzung ihres Prozessgrundrechts auf die Gewährung rechtlichen Gehörs aus Art. 103 Abs. 1 GG zeigt die Beschwerdeführerin nicht auf.

a) aa) Rechtliches Gehör ist das prozessuale Urrecht des Menschen sowie ein objektiv-rechtliches Verfahrensprinzip, das für ein gerichtliches Verfahren im Sinne des Grundgesetzes konstitutiv und grundsätzlich unabdingbar ist (vgl. BVerfGE 55, 1 <6>; 107, 395 <408>). Der Einzelne soll nicht nur Objekt der richterlichen Entscheidung sein, sondern vor einer Entscheidung, die seine Rechte betrifft, zu Wort kommen, um als Subjekt Einfluss auf das Verfahren und sein Ergebnis nehmen zu können (vgl. BVerfGE 9, 89 <95>; 107, 395 <409>). Art. 103 1 GG garantiert den Beteiligten an einem gerichtlichen Verfahren, dass sie Gelegenheit erhalten, sich zu dem einer gerichtlichen Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhalt vor Erlass der Entscheidung zu äußern (vgl. BVerfGE 1, 418 <429>). An einer solchen Gelegenheit fehlt es, wenn ein Beteiligter nicht zu Wort gekommen ist oder wenn das Gericht seiner Entscheidung Tatsachen zugrunde legt, zu denen die Beteiligten nicht Stellung nehmen konnten (vgl. BVerfGE 10, 177 <182 f.>; 19, 32 <36>; 84, 188 <190>). Die Garantie rechtlichen Gehörs verpflichtet die Gerichte, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen (vgl. BVerfGE 11, 218 <220>; 21, 191 <194>; 96, 205 <216>; BVerfGK 10, 41 <45>). Die Gewährleistung des Art. 103 Abs. 1 GG beschränkt sich dabei nicht darauf, sich zu dem der Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhalt zu äußern, sondern verbürgt dem Verfahrensbeteiligten auch das Recht, sich zur Rechtslage zu äußern (vgl. BVerfGE 60, 175 <210>; 64, 135 <143>; 86, 133 <144>; BVerfGK 15, 116 <118 f.>).

Art. 103 Abs. 1 GG gewährleistet aber nicht, dass das Gericht der Argumentation des Rechtsschutzsuchenden inhaltlich folgt (vgl. BVerfGE 64, 1 <12>; 80, 269 <286>; 87, 1 <33>; 115, 166 <180>). Des Weiteren ist das Gericht nicht gehalten, jedes Vorbringen ausdrücklich zu bescheiden; ein Gehörsverstoß ist daher nur feststellbar, wenn er sich aus den besonderen Umständen des einzelnen Falles deutlich ergibt (vgl. BVerfGE 22, 267 <274>; 88, 366 <375 f.>; 96, 205 <217>; 134, 106 <117 f. Rn. 32>). Grundsätzlich besteht keine verfassungsrechtliche Begründungspflicht für mit ordentlichen Rechtsbehelfen nicht mehr angreifbare Entscheidungen (vgl. BVerfGE 50, 287 <289 f.>; 65, 293 <295>; 81, 97 <106>; 86, 133 <146>; 94, 166 <210>; 118, 212 <238>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 30. Juni 2014 – 2 BvR 792/11 -, Rn. 14; vgl. auch EGMR, John v. Germany, Entscheidung vom 13. Februar 2007, Nr. 15073/03, juris, § 50; Arribas Antón v. Spain, Urteil vom 20. Januar 2015, Nr. 16563/11, § 47, NVwZ 2016, S. 519 <520 f.>; Harisch v. Germany, Urteil vom 11. April 2019, Nr. 50053/16, § 35, NJW 2020, S. 1943 <1944>).

bb) An der Gelegenheit, sich zu dem einer gerichtlichen Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhalt vor Erlass der Entscheidung zu äußern, fehlt es nicht erst dann, wenn ein Beteiligter nicht zu Wort gekommen ist oder wenn das Gericht seiner Entscheidung Tatsachen zugrunde legt, zu denen die Beteiligten nicht Stellung nehmen konnten (vgl. BVerfGE 10, 177 <182 f.>; 19, 32 <36>; 84, 188 <190>). Eine dem verfassungsrechtlichen Anspruch genügende Gewährung rechtlichen Gehörs setzt überdies voraus, dass der Verfahrensbeteiligte bei Anwendung der von ihm zu verlangenden Sorgfalt zu erkennen vermag, auf welchen Tatsachenvortrag es für die Entscheidung ankommen kann. Es kommt im Ergebnis der Verhinderung eines Vortrages gleich, wenn das Gericht ohne vorherigen Hinweis auf einen rechtlichen Gesichtspunkt abstellt, mit dem auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter selbst unter Berücksichtigung der Vielfalt vertretbarer Rechtsauffassungen nicht zu rechnen brauchte (vgl. BVerfGE 84, 188 <190>; 86, 133 <144 f.>; 96, 189 <204>; 98, 218 <263>; 108, 341 <345 f.>).

Art. 103 Abs. 1 GG verpflichtet ein Gericht allerdings grundsätzlich nicht zu einem Rechtsgespräch (vgl. BVerfGE 31, 364 <370>) oder zu einem Hinweis auf seine Rechtsauffassung (vgl. BVerfGE 54, 100 <117>; 66, 116 <147>; 67, 90 <96>; 74, 1 <5>; 84, 188 <190>; 86, 133 <145>). Ihm ist zudem keine allgemeine Frage- und Aufklärungspflicht des Richters zu entnehmen (vgl. BVerfGE 66, 116 <147>; 84, 188 <190>). Ein Verfahrensbeteiligter ist gehalten, auch wenn die Rechtslage umstritten oder problematisch ist, grundsätzlich alle vertretbaren rechtlichen Gesichtspunkte von sich aus in Betracht zu ziehen und seinen Vortrag darauf einzustellen.

cc) Weiter garantiert das Prozessgrundrecht des Art. 103 1 GG einen angemessenen Ablauf des Verfahrens (vgl. BVerfGE 107, 395 <409>; 119, 292 <296>). Aus Art. 103 Abs. 1 GG folgt jedoch nicht unmittelbar ein Anspruch auf eine mündliche Verhandlung (vgl. BVerfGE 5, 9 <11>; 6, 19 <20>; 15, 249 <256>; 15, 303 <307>; 21, 73 <77>; 25, 352 <357>; 36, 85 <87>; 60, 175 <210 f.>; 89, 381 <391>; 112, 185 <206>). Es ist Sache des Gesetzgebers, zu entscheiden, in welcher Weise rechtliches Gehör gewährt werden soll (vgl. BVerfGE 5, 9 <11>; 60, 175 <210 f.>; 89, 381 <391>; 119, 292 <296>).

Daher begegnet die Möglichkeit, im strafrechtlichen Revisionsverfahren eine Revision nach § 349 Abs. 2 StPO durch Beschluss – also ohne vorherige Durchführung einer mündlichen Verhandlung – zu verwerfen, keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Im Verfahren der strafrechtlichen Revision hat der Gesetzgeber vorgesehen, dass der Revisionsführer in seiner Revisionsbegründung (§ 344 StPO) und in der Gegenerklärung zum Antrag des Generalbundesanwalts (§ 349 Abs. 3 Satz 2 StPO) Gelegenheit bekommt, sich umfassend zu äußern, wodurch seinem Anspruch auf die Gewährung rechtlichen Gehörs ausreichend Rechnung getragen wird (vgl. BVerfGE 112, 185 <206>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 30. Juni 2014 – 2 BvR 792/11 -, Rn. 8).

dd) Diese Maßstäbe stehen im Einklang mit der Europäischen Menschenrechtskonvention, die als Auslegungshilfe für die Bestimmung von Inhalt und Reichweite der Grundrechte heranzuziehen ist (vgl. BVerfGE 111, 307 <317 f.>; 128, 326 <366 ff.>; 148, 296 <351 Rn. 128>; 149, 293 <328 Rn. 86>; 158, 1 <36 Rn. 70>). Eine schematische Parallelisierung der Aussagen des Grundgesetzes mit denen der Europäischen Menschenrechtskonvention ist allerdings nicht verlangt (vgl. BVerfGE 128, 326 <366, 392 f.>; 156, 354 <397 Rn. 122>). Bei der Heranziehung der Europäischen Menschenrechtskonvention sind  die Leitentscheidungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu berücksichtigen, auch wenn sie nicht denselben Streitgegenstand betreffen, denn der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte kommt eine faktische Orientierungs- und Leitfunktion für die Auslegung der Europäischen Menschenrechtskonvention über den konkret entschiedenen Einzelfall hinaus zu (vgl. BVerfGE 111, 307 <320>; 128, 326 <368>; 148, 296 <351 f. Rn. 129>). Die Heranziehung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte als Auslegungshilfe gemäß Art. 1 2 GG über den Einzelfall hinaus dient dazu, den Garantien der Europäischen Menschenrechtskonvention in der Bundesrepublik Deutschland möglichst umfassend Geltung zu verschaffen, und kann darüber hinaus helfen, Verurteilungen der Bundesrepublik Deutschland durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zu vermeiden (vgl. BVerfGE 128, 326 <369>; 148, 296 <352 f. Rn. 130>).

Die Möglichkeit, eine Revision im Beschlussverfahren nach § 349 Abs. 2 StPO zu verwerfen, begegnet keinen konventionsrechtlichen Bedenken (vgl. schon BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 30. Juni 2014 – 2 BvR 792/11 -, Rn. 20 ff.). Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte verlangt Art. 6 Abs. 1 EMRK zwar grundsätzlich die Durchführung einer mündlichen Verhandlung (vgl. EGMR, Hoppe v. Germany, Urteil vom 5. Dezember 2002, Nr. 28422/95, juris, § 62). In Rechtsmittelverfahren gilt dieser Grundsatz aber nicht uneingeschränkt. Hat in der ersten Instanz eine öffentliche Verhandlung stattgefunden, kann es aufgrund der Besonderheit des betreffenden Verfahrens gerechtfertigt sein, dass in der zweiten oder dritten Instanz von einer mündlichen Verhandlung abgesehen wird (vgl. EGMR, Hoppe v. Germany, Urteil vom 5. Dezember 2002, Nr. 28422/95, juris, § 63; Rippe v. Germany, Entscheidung vom 2. Februar 2006, Nr. 5398/03, juris, § 54; Stober v. Germany, Entscheidung vom 11. Dezember 2006, Nr. 39485/03, juris, § 37). Betrifft das Rechtsmittelverfahren nur Rechtsfragen, kann – je nach Ausgestaltung des Verfahrensrechts – von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden (vgl. EGMR, Rippe v. Germany, Entscheidung vom 2. Februar 2006, Nr. 5398/03, juris, § 50). Berücksichtigung finden können weiter die offensichtliche Aussichtslosigkeit des Rechtsmittels sowie die Notwendigkeit, den Geschäftsanfall zu bewältigen und innerhalb angemessener Zeit zu entscheiden (vgl. EGMR, Hoppe v. Germany, Urteil vom 5. Dezember 2002, Nr. 28422/95, juris, § 63; Rippe v. Germany, Entscheidung vom 2. Februar 2006, Nr. 5398/03, juris, § 49). Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte respektiert insoweit die unterschiedliche Ausgestaltung der Rechtsmittelzüge in den Vertragsstaaten, die entweder eine vorgelagerte Annahmeentscheidung voraussetzen, für die der Öffentlichkeitsgrundsatz ohnehin nicht gilt, oder eine andere, vergleichbare Möglichkeit zur vereinfachten Erledigung aussichtsloser Rechtsmittel vorsehen (vgl. EGMR, Rippe v. Germany, Entscheidung vom 2. Februar 2006, Nr. 5398/03, juris, § 52). Auch bei einer Kompetenz des Rechtsmittelgerichts zur Befassung mit Sachverhaltsfragen muss nach Auffassung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte nicht zwingend eine öffentliche mündliche Hauptverhandlung durchgeführt werden (vgl. EGMR, Hoppe v. Germany, Urteil vom 5. Dezember 2002, Nr. 28422/95, juris, § 63; Rippe v. Germany, Entscheidung vom 2. Februar 2006, Nr. 5398/03, juris, §§ 49 f.). Es kommt maßgeblich darauf an, ob sich die aufgeworfenen Fragen allein auf der Grundlage der Verfahrensakten angemessen entscheiden lassen (vgl. EGMR, Hoppe v. Germany, Urteil vom 5. Dezember 2002, Nr. 28422/95, juris, § 64; Rippe v. Germany, Entscheidung vom 2. Februar 2006, Nr. 5398/03, juris, § 50).

Nach diesen Kriterien ist die den Revisionsgerichten eingeräumte Möglichkeit, im Verfahren nach § 349 Abs. 2 StPO auf eine mündliche Verhandlung zu verzichten, mit dem Fairnessgebot des Art. 6 Abs. 1 EMRK vereinbar (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 30. Juni 2014 – 2 BvR 792/11 -, Rn. 24). Ohne Revisionshauptverhandlung ist es dem Bundesgerichtshof im Revisionsverfahren nur möglich, das erstinstanzliche Urteil, das auf einer öffentlichen mündlichen Verhandlung beruht, nach § 349 Abs. 4 StPO aufzuheben und zugunsten des Beschwerdeführers zu entscheiden oder aber das Urteil durch eine Revisionsverwerfung nach § 349 Abs. 2 StPO rechtskräftig werden zu lassen (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 23. August 2005 – 2 BvR 1066/05 -, juris, Rn. 4; Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 26. Januar 2006 – 2 BvR 1401/05 -, Rn. 4). Andernfalls hat das Revisionsgericht nach § 349 Abs. 5 StPO durch Urteil, das heißt nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung, zu entscheiden. Ein Beschluss nach § 349 Abs. 2 StPO kann nur bei offensichtlicher Aussichtslosigkeit der Revision ergehen und setzt Einstimmigkeit voraus (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 30. Juni 2014 – 2 BvR 792/11 -, Rn. 24). Des Weiteren ist die Revision auf die Prüfung von Rechtsfragen beschränkt, die sich regelmäßig nach Aktenlage entscheiden lassen; eine Beweisaufnahme über Tatfragen ist nicht statthaft, das Revisionsgericht ist an die Feststellungen des Tatgerichts gebunden (vgl. BVerfGE 54, 100 <116>). Überdies dient § 349 Abs. 2 StPO der Schonung der Ressourcen der Justiz, damit sich diese zügig aussichtsreichen Rechtsmitteln zuwenden kann, und folglich der Verwirklichung des durch Art. 6 Abs. 1 EMRK gewährleisteten Beschleunigungsgrundsatzes.

b) Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe ist eine Gehörsverletzung weder dargetan noch aus sich heraus ersichtlich……“

Rest dann bitte im verlinkten Volltext selbst lesen. M.E. bringt der Beschluss des BVerfG nichts wesetnlich Neues, aber er fasst die Rechtsprechung zum rechtlichen Gehör und zu § 349 Abs. 2 StPO noch einmal schön zusammen.

beA I: Nochmals: Revision per Fax geht nicht mehr, oder: Warum beantragt man nicht Wiedereinsetzung?

Smiley

Und heute dann (noch einmal) beA, und zwar beA im Strafverfahren. Ich stelle drei Entscheidungen zu der seit dem 01.01.2022 geltenden Neuregelung des § 32a ff. StPO vor.

Ich beginne mit dem BGH, Beschl. v. 19.07.2022 – 4 StR 68/22. Er ist nach dem BGH, Beschl. v. 24.05.2022 – 2 StR 110/22 – ein weiterer, der sich mit den Fragen befasst, und zwra mit § 32d StPO.

An sich sagt der Beschluss nicht viel Neues. Das LG hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten verurteilt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision. Der BGH hat das Rechtsmittel als unzulässig verworfen:

„1. Die Revision ist nicht wirksam eingelegt, weil der Schriftsatz des Verteidigers nicht den Formerfordernissen des § 32d StPO genügt.

a) Nach dem seit dem 1. Januar 2022 geltenden § 32d Satz 2 StPO müssen Verteidiger und Rechtsanwälte u.a. die Revision und ihre Begründung als elektronisches Dokument übermitteln. Insoweit handelt es sich um eine Form- und Wirksamkeitsvoraussetzung der jeweiligen Prozesshandlung. Ihre Nichteinhaltung bewirkt die Unwirksamkeit der Erklärung (vgl. BGH, Beschluss vom 24. Mai 2022 – 2 StR 110/22, Rn. 3; BT-Drucks. 18/9416 S. 51; Köhler in Meyer-Goßner, 65. Aufl., § 32d Rn. 2; KK-StPO/Graf, 8. Aufl., § 32d Rn. 5; SSW-StPO/Claus, 4. Aufl., § 32d Rn. 4; Radke in: Ory/Weth, jurisPK, 2. Aufl., § 32d Rn. 10; BeckOK-StPO/Valerius, 44. Ed., § 32d Rn. 4; HK-GS/Bosbach, 5. Aufl., § 32d Rn. 2).

b) Diesen Anforderungen genügt die Revisionseinlegung vorliegend nicht. Denn der Angeklagte hat seine Revision am 6. Januar 2022 lediglich mit einem per Fax übermittelten Schriftsatz seines Verteidigers eingelegt. Anhaltspunkte dafür, dass eine elektronische Übermittlung aus technischen Gründen vorübergehend nicht möglich war (§ 32d Satz 3 StPO), sind nicht dargetan.“

Ratlos lassen mich dann die Ausführungen des BGH zur nicht gewährten Wiedereinsetzung zurück. Dazu führt der BGH nämlich aus:

„2. Für eine Wiedereinsetzung ist kein Raum.

a)) Weder ist ein Antrag auf Wiedereinsetzung in die Frist zur Revisionseinlegung gestellt noch die Revisionseinlegung nachgeholt worden (§ 45 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 2 StPO), obwohl der Verteidiger und der Angeklagte durch Schreiben des Generalbundesanwalts vom 1. März 2022 auf die Unwirksamkeit der bisherigen Erklärung und die Möglichkeit, einen Wiedereinsetzungsantrag zu stellen, hingewiesen worden sind.

b) Für eine gemäß § 45 Abs. 2 Satz 3 StPO von Amts wegen zu gewährende Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in die versäumte Wiedereinsetzungsfrist besteht schon deshalb kein Anlass, weil insoweit ein Mitverschulden des Angeklagten mit Blick auf die ihm durch den Hinweis des Generalbundesanwalts bereits vermittelte Kenntnis von der formunwirksamen Revisionseinlegung durch seinen Verteidiger nicht ausgeschlossen erscheint (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 21. Dezember 1972 – 1 StR 267/72, BGHSt 25, 89, 90 ff.; Beschluss vom 30. November 2017 – 3 StR 539/17). „

Warum „ratlos“? Nun, nicht wegen der Ausführungen des BGH. Die sind klar und deutlich. Nein, ratlos wegen des Verhaltens des Verteidigers des Angeklagten. Der wird durch den GBA auf die Formunwirksamkeit hingewiesen und was tut er: Nichts! Ist für mich unfassbar. Ok, ich kann ggf. erheben, dass der Wiedereinsetzungsantrag ggf. keinen Erfolg hat, aber warum stelle ich dann nicht nicht doch den Antrag. Immerhin habe ich/der Angeklagte ja Revision eingelegt und damit zu erkennen gegeben, dass ich das LG-Urteil angreifen will. Warum man dann – wenn schon etwas schief gelaufen ist – nicht noch zu retten versucht, was ggf. zu retten, ist, das macht mich ratlos. Wenn ich die Revision – aus welchen Gründen auch immer – nicht mehr will, nehme ich sie zurück und hole mir nicht so einen Beschluss vom BGH ab.

Rechtsmittel I: Nochmals die Revision der Nebenklage, oder: Welches Ziel hat die Revision?

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Heute dann drei StPO-Entscheidungen, alle drei stammen aus dem „Rechtsmittelbereich“.

Zunächst stelle ich den BGH, Beschl. v. 28.06.2022 -3 StR 123/22 – vor. Es geht noch einmal – besser: mal wieder – um die Revision des Nebenklägers. Das LG hatte den Angeklagten wegen Mordes zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt. Hiergegen richten sich die Revisionen der Nebenkläger, die sie auf die Rügen der Verletzung materiellen Rechts gestützt haben. Der BGh hat die Revisionen als unzulässig verworfen.

„Die Rechtsmittel erweisen sich als unzulässig ( § 349 Abs. 1 StPO ). Gemäß § 400 Abs. 1 StPO kann ein Nebenkläger ein Urteil nicht mit dem Ziel anfechten, dass eine andere Rechtsfolge der Tat verhängt wird. Die Revision eines Nebenklägers bedarf daher eines Antrags oder einer Begründung, die deutlich macht, dass er eine Änderung des Schuldspruchs hinsichtlich eines Nebenklagedelikts und damit ein zulässiges Ziel verfolgt (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschlüsse vom 8. April 2020 – 3 StR 606/19 , juris Rn. 3; vom 1. Dezember 2016 – 3 StR 230/16 , juris Rn. 2; vom 20. Dezember 2012 – 3 StR 426/12, juris Rn. 2; vom 28. Mai 1990 – 4 StR 221/90 , BGHR StPO § 400 Abs. 1 Zulässigkeit 4 ).

Daran fehlt es hier. Ausweislich der Revisionsanträge und der Begründungen der näher ausgeführten Sachrügen sämtlicher Nebenkläger sollen mit den Rechtsmitteln sowohl die Annahme weiterer Mordmerkmale als auch die Feststellung der besonderen Schwere der Schuld erreicht werden. Da das Landgericht das Tötungsdelikt zum Nachteil der Mutter bzw. Schwester der Nebenkläger als Mord beurteilt hat, stellt die erstrebte Feststellung der besonderen Schwere der Schuld nach § 57a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB lediglich eine andere Rechtsfolge für die Tat dar, die kein zulässiges Anfechtungsziel der Revision eines Nebenklägers sein kann (vgl. BGH, Beschlüsse vom 1. Dezember 2016 – 3 StR 230/16 , juris Rn. 3; vom 3. Mai 2013 – 1 StR 637/12 , juris Rn. 3; vom 12. Juni 2001 – 5 StR 45/01 , BGHR StPO § 400 Abs. 1 Zulässigkeit 12 ). Dies gilt auch, soweit die Nebenkläger einen erweiterten Schuldumfang durch Annahme weiterer Mordmerkmale erstreben ( BGH, Beschlüsse vom 6. Dezember 2018 – 4 StR 387/18 , juris Rn. 2; vom 17. Dezember 2002 – 3 StR 412/02 , juris Rn. 3; vom 12. Juni 2001 – 5 StR 45/01 , BGHR StPO § 400 Abs. 1 Zulässigkeit 12 ).“

beA II: Das elektronische Dokument in der Revision, oder: Für einfache Signatur reicht der Namen

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Die zweite beA-Entscheidung kommt mit dem OLG Hamm, Beschl. v. 27.05.2022 – 5 RVs 53/22 – vom OLG Hamm. Das hat in der Entscheidung noch einmal zu den Anforderungen an eine „beA-Revision“ Stellung genommen. Das LG Essen hatte die Revision des Angeklagten als unzulässig verworfen, weil dieses in Ermangelung der Verwendung einer qualifizierten elektronischen Signatur nicht formgerecht eingelegt und begründet worden sei. Dagegen der Antrag auf gerichtliche Entscheidung, der Erfolg hatte:

„Die Voraussetzungen für eine Verwerfung der Revision nach § 346 Abs. 1 StPO durch das Tatgericht liegen nicht vor.

Die Revision ist fristgerecht eingelegt und begründet worden. Gegen das am 06.01.2022 in Anwesenheit des Angeklagten verkündete Berufungsurteil hat der Verteidiger per beA am 13.01.2022 Revision eingelegt. Das angefochtene Urteil ist dem Verteidiger des Angeklagten auf Anordnung der Vorsitzenden am 16.02.2022 zugestellt worden. Der Revisionseinlegungsschriftsatz ist per beA übersandt und am 13.01.2022 bei Gericht eingegangen.

Die Revisionseinlegung ist auch formgerecht. Zutreffend erkennt das Landgericht zwar, dass der Schriftsatz des Verteidigers – ausweislich des Prüfvermerks – keine qualifizierte elektronische Signatur aufweist. Dies führt jedoch nicht dazu, dass der Schriftsatz nicht die nach § 341 Abs. 1 StPO erforderliche Schriftform aufweisen würde. § 32a Abs. 3 StPO enthält für ein Dokument, das schriftlich abzufassen, zu unterschreiben oder zu unterzeichnen ist, zwei mögliche Wege der Übermittlung im elektronischen Rechtsverkehr bereit: Ein Weg – der hier nicht vorliegt – ist die Übermittlung mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person. Der andere Weg ist die (einfache Signatur der verantwortenden Person bei gleichzeitiger Einreichung auf einem sicheren Übermittlungsweg (vgl. BT-Drs. 18/9416 S. 45; OLG Zweibrücken, Beschl. v. 07.05.2020 – 1 OWi 2 SsBs 68/20 – juris; Köhler in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 54. Aufl., § 32a Rdn. 5). Der Verteidiger des Angeklagten hat hier den zweiten Weg gewählt und die Voraussetzungen hierfür eingehalten. Ein sicherer Übermittlungsweg ist nach § 32a Abs. 4 Nr. 2 StPO das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA). Der Revisionseinlegungsschriftsatz wurde ausweislich des Prüfvermerks über das bEA eingereicht. Er weist auch die erforderliche einfache Signatur auf. Hierfür reicht die Namenswiedergabe am Ende des Textes, sei es durch eine eingescannte Unterschrift, sei es durch maschinenschriftliche Wiedergabe des Namens (ThürOLG, Beschl. v. 23.09.2020 – 1 OLG 171 SsRs 195/19 – juris; vgl. auch BAG NJW 2020, 3476, 3477 zu § 130a ZPO). Der Wortlaut von § 32a Abs. 3 2. Alt. StPO („signiert“) macht in Abgrenzung zu Art. 3 Nr. 10 VO (EU) Nr. 910/2014 deutlich, dass es sich hierbei nicht um eine „elektronische“ Signatur handeln muss, wobei sogar letztlich die Zeichenfolge des Namens in dem elektronischen Dokument auch die Voraussetzungen einer elektronischen Signatur erfüllen dürfte.

Auch im Hinblick auf die Revisionsbegründung lagen die Voraussetzungen für eine Verwerfung nach § 346 Abs. 1 StPO durch das Tatgericht nicht vor. Der Schriftsatz ist innerhalb der Frist des § 345 Abs. 1 StPO bei Gericht eingegangen. Auch die Form des § 345 Abs. 2 StPO wurde gewahrt. Der Schriftsatz wurde zwar nicht als elektronisches Dokument mit qualifizierte elektronischer Signatur übersandt, wohl aber über das beA mit einer (einfachen) Signatur, dem maschinenschriftlichen Namenszug des Verteidigers (eines Rechtsanwalts), so dass die Voraussetzungen des § 32a Abs. 3 StPO erfüllt sind. Auf die obigen Ausführungen wird verwiesen.“

Der BGH, Beschl. v. 03.05.2022 – 3 StR 89/22 lässt grüßen (dazu beA I: Revisionsbegründung durch beA versandt, oder: Keine handschriftliche Unterzeichnung erforderlich.