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KCanG II: Besitz von Kleinmengen und § 51 BZRG?, oder: Amnestie auch für Besitz von Cannabis in einer JVA?

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Und im zweiten Posting dann zwei Entscheidungen aus der Instanz, nun ja fast 🙂 .

Die erste Entscheidung stammt vom BayObLG. Das hat sich im BayObLG, Beschl. v. 17.07.2024 – 204 StRR 215/24 – noch einmal mit verfahrensrechtlichen Fragen befasst und mit dem „richtigen“ Strafausspruch. Ich stelle hier, da die Begründung des BayObLG – wie immer – recht umfangreich ist, im Wesentlichen nur die Leitsätze ein, die lauten:

    1. Der Schuldspruch eines hinsichtlich Betäubungsmittelstraftaten rechtskräftigen Urteils muss im Revisionsverfahren an die Vorschriften des seit 1.4.2024 geltenden KCanG angepasst werden (§ 2 Abs. 3 StGB, § 354a StPO).
    2. Bei der Beurteilung, welches das mildere von zwei Gesetzen ist, ist zu prüfen, welches anhand des konkreten Falls nach einem Gesamtvergleich des früher und des derzeit geltenden Strafrechts das dem Angeklagten günstigere Ergebnis zulässt, wobei es in erster Linie auf die konkret in Frage kommenden Hauptstrafen ankommt.
    3. Beim Strafausspruch ist zu beachten, dass der Gesetzgeber durch die Schaffung eines eigenen, grundsätzlich milderen Strafrahmenregimes in Bezug auf den Umgang mit Cannabis im Vergleich zu den dem Betäubungsmittelgesetz unterstellten Suchtstoffen deutlich zum Ausdruck gebracht hat, dass Taten, wenn sich diese auf Cannabis beziehen, mit einem geringeren Unwerturteil einhergehen.
    4. Es kann daher nicht ausgeschlossen werden, dass der Tatrichter auch in einem Fall, in dem sich die Tat nur teilweise auf Cannabis bezieht, trotz des tateinheitlich hinzutretenden Schuldspruchs wegen eines Vergehens gegen das Konsumcannabisgesetz und der Anwendung desselben Strafrahmens zu einer milderen Strafe gelangt.
    5. Vorstrafen, die den Besitz und Erwerb von Kleinmengen von Cannabis betreffen, der zwischenzeitlich straffrei gestellt ist, unterliegen derzeit nicht dem Verwertungsverbot des § 51 Abs. 1 BZRG, da sie erst ab dem 1.1.2025 tilgungsfähig sein werden; ihnen kommt nach wie vor eine Warnfunktion zu.

Zwei Anmerkungen: Wer die Entscheidung liest, wird feststellen, dass das BayObLG auf die auch von ihm angesprochene Frage der „nicht geringen Menge“ kein Wort der eigenen Begründung mehr verwendet, sondern nur feststellt: Die liegt bei 7,5 G und dazu dann nur einige BGH-Entscheidungen anführt. Der „Zug ist als abgefahren“ bzw. davon wird kein Gericht mehr abweichen.

Und: Besonders hinweisen möchte ich auf die o.a. Nr. 5 der Leitsätze. Das muss man derzeit noch im Auge haben.

Und dann als zweite Entscheidung der LG Stralsund, Beschl. v. 29.05.2024 – 23 StVK 114/24 – zur Anwendung der sog. Amnestieregelung auf eine Verurteilung wegen Besitzes von Cannabis in einer JVA während des Vollzugs einer Freiheitsstrafe. Der Angeklagte war am 23.05.2023 durch das AG wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln zu einer Freiheitsstrafe von 3 Monaten verurteilt word. Hintergrund des Urteils war, dass sich am 15.12.2022, nachdem eine Haftraumkontrolle in der JVA. durchgeführt wurde, in der Kaffeedose des Angeklagten 21,7 g Cannabis in einer Plastikfolie aufgefunden wurden. Der Angeklagte hatte die Drogen in der Haftanstalt erworben. Die Vollstreckung der Strafen ist nach Verbüßung von 2/3 bzw. mehr als 2/3 ausgesetzt worden. Die Staatsanwaltschaft hat nun aufgrund der Amnestieregelung des Artikel 313 EGStGB zu Cannabisaltfällen den Antrag auf Einstellung der Vollstreckung gestellt.

Die StVK hat abgelehnt: Nach ihrer Auffassung der Kammer ist der Besitz von Cannabis in einer Justizvollzugsanstalt während des Vollzuges einer Freiheitsstrafe nicht von der Amnestieregelung umfasst, so dass ein Erlass dieser Strafe nicht geboten ist. Einzelheiten bitte im verlinkten Volltext nachlesen.

Revision I: Der Belehrungsfehler in der Revision, oder: Ausreichende Begründung der Verfahrensrüge?

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Und am heutigen sonnigen Dienstag gibt es dann etwas zu Revisionsrügen – also Verfahrensrügen.

Ich beginne mit zwei Entscheidungen zur Verfahrensrüge bei Belherungsfehlern.

Die Verfahrensrüge, mit der die Revision eine Verwertung der Angaben des Beschwerdeführers im Zuge seiner ersten polizeilichen Vernehmung beanstandet, weil der Angeklagte zuvor „nicht gesetzesgerecht“ gemäß „§ 163a Abs. 4 Satz 1“ in Verbindung mit § 136 Abs. 1 Satz 2 StPO belehrt worden sei, bleibt ohne Erfolg. Das Revisionsvorbringen genügt nicht den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO. Dabei kann dahinstehen, ob die Rüge – wie der Generalbundesanwalt meint – schon deshalb unzulässig ist, weil die in der Hauptverhandlung in Augenschein genommene Bild- und Tonaufzeichnung der Vernehmung mittels eines körpernah getragenen Aufnahmegeräts („Bodycam“) nicht vorgelegt worden ist (vgl. BGH, Beschlüsse vom 19. Dezember 2018 – 4 StR 58/18; vom 21. September 2022 – 6 StR 160/22, NStZ 2023, 758). Der Beschwerdeführer durfte sich jedenfalls nicht auf die auszugsweise Mitteilung der transkribierten Audiospur beschränken, zumal sich aus ihr Anhaltspunkte dafür ergeben, dass der Angeklagte nicht nur in der durch den Transkriptionsauszug belegten Art und Weise, sondern bereits zuvor belehrt worden war („Das habe ich dir vorhin schon mal gesagt.“). Dem Senat ist es daher verwehrt, die Rechtmäßigkeit der Beschuldigtenbelehrung umfassend zu beurteilen und gegebenenfalls weitergehend zu prüfen, ob aus dem Verfahrensfehler im konkreten Fall ein Beweisverwertungsverbot folgt.“

b) Zu der Beanstandung, eine ohne Belehrung nach § 163a Abs. 4 Satz 2 StPO i.V.m. § 136 Abs. 1 Satz 2 StPO gemachte Aussage sei verwertet worden, gehört die Mitteilung der Umstände, aus denen die Belehrungspflicht folgte, demgemäß also auch, dass gegen den Angeklagten im Zeitpunkt des Erscheinens der Polizeibeamten überhaupt ein Anfangsverdacht bestanden hatte (vgl. Bayerisches Oberstes Landesgericht, Beschluss vom 13. September 2021 – 202 StRR 105/21 –, juris Rn. 9). Die Pflicht zur Belehrung einer Person als Beschuldigten nach § 163a Abs. 4 Satz 2 StPO i.V.m. § 136 Abs. 1 Satz 2 StPO wird nämlich erst dann ausgelöst, wenn sich der Verdacht gegen sie so verdichtet hat, dass sie ernstlich als Täter einer Straftat in Betracht kommt (vgl. BGH, Beschluss vom 7. September 2017 – 1 StR 186/17 –, juris).

c) Für die Begründung der Rüge ist damit unerlässlich, den Inhalt der nach Auffassung des Beschwerdeführers zu Unrecht verwerteten Aussage vollständig und genau wiederzugeben (vgl. BGH, Beschluss vom 9. März 1995 – 4 StR 77/95 –, juris Rn. 8; Gericke a.a.O. Rn. 43).

d) Diesen Anforderungen genügt die Revisionsbegründung hier nicht. …..

StPO II: War (Revisionssenats)Vorsitzende befangen?, oder: Abgelehnte Verlängerung der Begründungfrist

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In dem zweiten Beschluss, den ich heute vorstelle, dem BGH, Beschl. v. 14.11.2023 – 4 StR 239/23, geht es um die Frage der Befangenheit im Revisionsverfahren.

Der Angeklagte ist om LG u.a. wegen Betruges in 64 Fällen zu zwei Gesamtfreiheitsstrafen verurteilt worden. Im Revisionsverfahren hat der GBA beantragt, das Rechtsmittel nach § 349 Abs. 2 StPO zu verwerfen. Der Antrag wurde einem der beiden Pflichtverteidiger ordnungsgemäß zugestellt; die so in Lauf gesetzte Frist zur Stellungnahme endete am 15.08.2023.

Nach der Zustellung des Antrags beantragte der Angeklagte, die Frist zur Abgabe der Gegenerklärung zu verlängern, woraufhin ihm der Vorsitzende mitteilte, dass der Senat nicht vor dem 02.09.2023 entscheiden werde. Mit Schriftsatz vom 23.08.2023 legitimierte sich ein weiterer Rechtsanwalt für den Angeklagten, ersuchte um Akteneinsicht und beantragte „zur Begründung der Revision“ eine Fristverlängerung bis mindestens zum 26.09.2023. Der Vorsitzende veranlasste daraufhin die Übersendung der Akten und teilte dem neu eingetretenen Verteidiger zugleich mit, dass die Revisionsbegründungsfrist des § 345 Abs. 1 StPO nicht verlängerbar sei.

Kurz darauf wandte sich der Angeklagte nochmals selbst an den BGH und beantragte erneut Fristverlängerung, nunmehr bis zum 28.09.2023 und „zur Stellungnahme auf den Antrag des Generalbundesanwalts“, woraufhin der Vorsitzende ihm mitteilte, dass eine Fristverlängerung nicht möglich sei.

Hierauf reagierte der Angeklagte mit insgesamt fünf jeweils gleichlautend begründeten Befangenheitsanträgen gegen den Senatsvorsitzenden, in denen er jeweils ausführte, dass durch die Vorgehensweise des Vorsitzenden sowohl seinem neuen Verteidiger als auch ihm selbst verwehrt werde, zum Verwerfungsantrag des GBA Stellung zu nehmen. Außerdem hätten seine „Pflichtanwälte“ keine umfassende Stellungnahme abgegeben. Hieraus resultiere ein „Rechtsanspruch auf neue Verteidiger“, von dem der Vorsitzende „keinen Gebrauch gemacht“ habe.

Der BGH hat den ersten Befangenheitsantrag als unbegründet und die weiteren Ablehnungsgesuche jeweils als unzulässig verworfen. Tags darauf verwarf der Senat die Revision größtenteils nach § 349 Abs. 2 StPO (vgl. hier: BGH, Beschl. v. 15.11.2023 – 4 StR 239/23).

Der BGH hat die Ablehnungsanträge zurückgewiesen:

„1. Sämtliche Ablehnungsgesuche des Angeklagten richten sich ausschließlich gegen den Vorsitzenden Richter am Bundesgerichtshof Dr. Quentin. Soweit der Befangenheitsantrag vom 8. Oktober 2023 mit „Befangenheitsantrag gegen erkennende Richter des 4. Strafsenats des BGH“ überschrieben ist, ergibt sich aufgrund seines ausschließlich auf prozessleitende Anordnungen des Vorsitzenden rekurrierenden Inhalts und der in der Begründung des Gesuchs mehrfach gebrauchten Singularform („des Richters“) eindeutig, dass auch dieser Ablehnungsantrag ausschließlich gegen den Vorsitzenden gerichtet ist. Weitere Mitglieder des Senats werden hingegen weder namentlich noch in sonst eindeutig bestimmbarer Weise bezeichnet.

2. Die Befangenheitsanträge gegen den Vorsitzenden Richter am Bundesgerichtshof Dr. Quentin vom 11. September, 18. September, 8. Oktober und 21. Oktober 2023 sind bereits unzulässig.

Denn diesen Ablehnungsgesuchen ist – auch eingedenk der gebotenen engen Auslegung des § 26a StPO (vgl. BVerfG, Beschluss vom 2. Juni 2005 – 2 BvR 625/01 und 2 BvR 638/01, NJW 2005, 3410; BGH, Beschluss vom 9. Juli 2015 – 1 StR 7/15, juris Rn. 16; Beschluss vom 10. Juli 2014 – 3 StR 262/14, juris Rn. 9) – kein tauglicher Grund zur Ablehnung im Sinne von § 26a Abs. 1 Nr. 2 StPO zu entnehmen. Bei dem Vorbringen handelt es sich ausschließlich um Wiederholungen der bereits im Gesuch vom 5. September 2023 ausgeführten eigenen Bewertung der Verfahrenslage durch den Angeklagten. Dies steht dem gänzlichen Fehlen einer Begründung dieser Ablehnungsgesuche gleich (vgl. BGH, Beschluss vom 25. August 2020 – 4 StR 654/19, juris Rn. 1; Beschluss vom 9. Juli 2015 – 1 StR 7/15, juris Rn. 12).

3. Der Senat kann offenlassen, ob das Ablehnungsgesuch vom 5. September 2023 zulässig ist und ihm die Behauptung eines konkreten Verhaltens des Vorsitzenden als Anknüpfungspunkt der Ablehnung sowie die Voraussetzungen der Rechtzeitigkeit des Vorbringens und deren Glaubhaftmachung (§§ 26 Abs. 2 Satz 1, 25 Abs. 2 StPO) noch hinreichend zu entnehmen sind. Der Ablehnungsantrag ist jedenfalls unbegründet.

a) Die Besorgnis der Befangenheit eines Richters ist nur gegeben, wenn der Ablehnende bei verständiger Würdigung des ihm bekannten Sachverhalts Grund zu der Annahme hat, der Richter nehme ihm gegenüber eine innere Haltung ein, die die gebotene Unparteilichkeit und Unvoreingenommenheit störend beeinflussen kann (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 2. September 2020 – 5 StR 630/19, juris Rn. 18; Beschluss vom 28. Februar 2018 – 2 StR 234/16, juris Rn. 21; Urteil vom 10. November 1967 – 4 StR 512/66, BGHSt 21, 334, 341). Maßstab für die Beurteilung dieser Voraussetzungen sind dabei der Standpunkt eines besonnenen Angeklagten und die Vorstellungen, die er sich bei der ihm zumutbaren ruhigen Prüfung der Sachlage machen kann (vgl. BGH, Beschluss vom 28. Februar 2018 – 2 StR 234/16, juris Rn. 24; Urteil vom 2. März 2004 – 1 StR 574/03, NStZ-RR 2004, 208, 209; Beschluss vom 8. März 1995 – 5 StR 434/94, BGHSt 41, 69, 71). Knüpft die Richterablehnung an eine den Verfahrensgegenstand betreffende Vorbefassung des abgelehnten Richters mit der Sache an, ist dieser Umstand regelmäßig nicht geeignet, die Besorgnis der Befangenheit zu begründen (vgl. BGH, Beschluss vom 31. Januar 2023 – 4 StR 67/22, juris Rn. 10; Beschluss vom 28. Februar 2018 – 2 StR 234/16, juris Rn. 22 mwN). Auch Rechtsfehler in Entscheidungen bei einer Vorbefassung mit dem Sachverhalt oder im zu Grunde liegenden Verfahren können eine Ablehnung im Allgemeinen nicht begründen (vgl. BGH, Beschluss vom 28. Februar 2018 – 2 StR 234/16, juris Rn. 22 mwN). Anders verhält es sich lediglich beim Hinzutreten besonderer Umstände, die über die Tatsache bloßer Vorbefassung als solcher und der damit notwendig verbundenen inhaltlichen Äußerung hinausgehen (vgl. BGH, Beschluss vom 18. Mai 2022 – 3 StR 181/21, NStZ-RR 2022, 345, 348 f. mwN).

b) Ausgehend von diesen Maßstäben begründet weder die Ablehnung einer Fristverlängerung durch den Vorsitzenden noch die unterlassene Bestellung eines weiteren Pflichtverteidigers die Besorgnis der Befangenheit.

Die in den Ablehnungsgesuchen thematisierten Mitteilungen des Vorsitzenden an den Angeklagten und an seinen Verteidiger Rechtsanwalt S., wonach eine Fristverlängerung nicht in Betracht komme, entsprechen – sowohl im Hinblick auf die Frist des § 345 Abs. 1 StPO als auch des § 349 Abs. 3 Satz 2 StPO – der Gesetzeslage (vgl. BGH, Beschluss vom 10. November 2021 – 2 StR 189/21, juris Rn. 4; Beschluss vom 24. Januar 2017 – 3 StR 447/16, NStZ-RR 2017, 148; Beschluss vom 13. Dezember 2007 – 1 StR 497/07, juris Rn. 4). Zudem entspricht es der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass Stellungnahmen zur Antragsschrift des Generalbundesanwalts nach Ablauf der Frist des § 349 Abs. 3 Satz 2 StPO selbst dann nicht abgewartet zu werden brauchen, wenn sie ausdrücklich in Aussicht gestellt worden sind (vgl. BGH, Beschluss vom 31. August 2021 – 2 StR 189/21, juris Rn. 3; Beschluss vom 30. Juli 2008 – 2 StR 234/08, NStZ-RR 2008, 352). Dies gilt selbst dann, wenn der Beschwerdeführer gleichzeitig um Überlassung der Akten bittet (vgl. BGH, Beschluss vom 3. Juli 1990 – 4 StR 263/90, juris Rn. 4; Löwe-Rosenberg/Franke, 26. Aufl., § 349 Rn. 20). Die Ablehnung eines weiteren Entscheidungsaufschubs durch den Vorsitzenden war – zumal nach anfänglichem Zuwarten mit einer Entscheidung auf eine entsprechende Eingabe des Angeklagten hin – in Ermangelung eines sachlichen Grundes hierfür unter Berücksichtigung des Beschleunigungsgrundsatzes sachgerecht.

Gleiches gilt für die von dem Angeklagten angeführten Erwägungen, der Vorsitzende habe ihm einen oder mehrere weitere Pflichtverteidiger beiordnen und für die Übermittlung des Antrags des Generalbundesanwalts an ihn persönlich Sorge tragen müssen. Der Angeklagte ist durch zwei Pflichtverteidiger vertreten. Anhaltspunkte dafür, dass durch diese eine ordnungsgemäße Verteidigung nicht gewährleistet ist, ergeben sich weder aus dem Vortrag des Angeklagten noch sind solche Umstände sonst ersichtlich. Ob ein Verteidiger von der Möglichkeit zur Stellungnahme zum Antrag des Generalbundesanwalts Gebrauch macht, obliegt allein seiner Verantwortung (vgl. KK-StPO/Gericke, 9. Aufl., § 349 Rn. 20 mwN). Eine Pflicht des Revisionsgerichts oder des Vorsitzenden, auf die Abgabe einer Stellungnahme nach § 349 Abs. 3 Satz 2 StPO hinzuwirken, existiert ebenso wenig wie eine solche zur zusätzlichen Übermittlung der Antragsschrift nach § 349 Abs. 3 Satz 1 StPO an den verteidigten Beschwerdeführer persönlich (vgl. BGH, Beschluss vom 22. Oktober 2001 – 5 StR 278/01, juris Rn. 1 mwN).

Angesichts dieser Sachlage besteht für den Angeklagten bei vernünftiger Würdigung kein Grund zu der Annahme, der Senatsvorsitzende habe ihm gegenüber eine innere Haltung eingenommen, die seine Unparteilichkeit oder Unvoreingenommenheit störend beeinflussen kann.“

Und wer gedacht hat, dass die Sache damit ihr Ende gefunden hat. Nein, es gibt noch Anhörungsrügen. Auf die komme ich noch zurück.

StPO I: Begründung der Revision des Nebenklägers, oder: Die allgemeine Sachrüge reicht nicht

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Heute ist dann der erste Arbeitstag des neuen Jahres. Allen noch einmal ein frohes Neues Jahr.

Das Jahr 2024 beginne ich mit dem BGH, Beschl. v. 05.12.2023 – 5 StR 546/23 -, der sich noch einmal 🙂 zu einer Frage äu0ert, die ich hier auch schon einige Male behandelt habe. Leider wird an der Stelle aber immer wieder ein Fehler gemacht. Es geht um die Begründung der Revision des Nebenklägers.

Der BGH hat die Revision des Nebenklägers als unzulässig verworfen. Denn:

„Gemäß § 400 Abs. 1 StPO kann ein Nebenkläger ein Urteil nicht mit dem Ziel anfechten, dass eine andere Rechtsfolge der Tat verhängt oder dass der Angeklagte wegen einer Gesetzesverletzung verurteilt wird, die nicht zum Anschluss als Nebenkläger berechtigt. Die Begründung seiner Revision muss daher erkennen lassen, dass er mit dem Rechtsmittel ein zulässiges Ziel verfolgt, also einen bisher unterbliebenen Schuldspruch des Angeklagten (auch) wegen einer Straftat, welche die Berechtigung zum Anschluss an das Verfahren begründet; wird eine derartige Präzisierung bis zum Ablauf der Revisionsbegründungsfrist nicht vorgenommen, ist das Rechtsmittel unzulässig (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 30. August 2022 – 5 StR 169/22 mwN).

So liegt es hier. Die Nebenklägerin hat lediglich die allgemeine Sachrüge erhoben und nähere Ausführungen vermissen lassen.“

Revision II: Gegenerklärungsfrist in der Revision, oder: Ablehnung der Revisionsrichter

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Und im zweiten Posting dann zwei BGH-Beschlüsse aus einem Verfahren, nämlich den BGH, Beschl. v. 14.11.2023 – 4 StR 239/23 – und den BGH, Beschl. v. 15.11.2023 – 4 StR 239/23. Folgender Sachverhalt:

Der Angeklagte ist vom LG u.a. wegen Betruges in 64 Fällen zu zwei Gesamtfreiheitsstrafen verurteilt worden. Im Revisionsverfahren hat der GBA beantragt, das Rechtsmittel nach § 349 Abs. 2 StPO zu verwerfen. Der Antrag wurde einem der beiden Pflichtverteidiger ordnungsgemäß zugestellt; die so in Lauf gesetzte Frist zur Stellungnahme endete am 15.08.2023.

Nach der Zustellung des Antrags beantragte der Angeklagte, die Frist zur Abgabe der Gegenerklärung zu verlängern, woraufhin ihm der Vorsitzende mitteilte, dass der Senat nicht vor dem 02.09.2023 entscheiden werde.

Mit Schriftsatz vom 23.08.2023 legitimierte sich dann ein weiterer Rechtsanwalt für den Angeklagten, ersuchte um Akteneinsicht und beantragte „zur Begründung der Revision“ eine Fristverlängerung bis mindestens zum 26.09.2023. Der Vorsitzende veranlasste daraufhin die Übersendung der Akten und teilte dem neu eingetretenen Verteidiger zugleich mit, dass die Revisionsbegründungsfrist des § 345 Abs. 1 StPO nicht verlängerbar sei.

Kurz darauf wandte sich der Angeklagte nochmals selbst an den Senat und beantragte erneut Fristverlängerung, nunmehr bis zum 28.09.2023 und „zur Stellungnahme auf den Antrag des Generalbundesanwalts“, woraufhin der Vorsitzende ihm mitteilte, dass eine Fristverlängerung nicht möglich sei.

Hierauf reagierte der Angeklagte mit insgesamt fünf jeweils gleichlautend begründeten Befangenheitsanträgen gegen den Senatsvorsitzenden, in denen er jeweils ausführte, dass durch die Vorgehensweise des Vorsitzenden sowohl seinem neuen Verteidiger als auch ihm selbst verwehrt werde, zum Verwerfungsantrag des GBA Stellung zu nehmen. Außerdem hätten seine „Pflichtanwälte“ keine umfassende Stellungnahme abgegeben. Hieraus resultiere ein „Rechtsanspruch auf neue Verteidiger“, von dem der Vorsitzende „keinen Gebrauch gemacht“ habe.

Der BGH hat mit dem Beschluss vom 14.11.2023 den ersten Befangenheitsantrag als unbegründet und die weiteren Ablehnungsgesuche jeweils als unzulässig verworfen. Mit dem Beschluss vom 15.11.2023 -hat er dann die Revision größtenteils nach § 349 Abs. 2 StPO verworfen.

Im BGH, Beschl. v. 14.11.2023 – 4 StR 239/23 – führt er aus:

„Die Ablehnungsgesuche bleiben ohne Erfolg.

1. Sämtliche Ablehnungsgesuche des Angeklagten richten sich ausschließlich gegen den Vorsitzenden Richter am Bundesgerichtshof Dr. Quentin. Soweit der Befangenheitsantrag vom 8. Oktober 2023 mit „Befangenheitsantrag gegen erkennende Richter des 4. Strafsenats des BGH“ überschrieben ist, ergibt sich aufgrund seines ausschließlich auf prozessleitende Anordnungen des Vorsitzenden rekurrierenden Inhalts und der in der Begründung des Gesuchs mehrfach gebrauchten Singularform („des Richters“) eindeutig, dass auch dieser Ablehnungsantrag ausschließlich gegen den Vorsitzenden gerichtet ist. Weitere Mitglieder des Senats werden hingegen weder namentlich noch in sonst eindeutig bestimmbarer Weise bezeichnet.

2. Die Befangenheitsanträge gegen den Vorsitzenden Richter am Bundesgerichtshof Dr. Quentin vom 11. September, 18. September, 8. Oktober und 21. Oktober 2023 sind bereits unzulässig.

Denn diesen Ablehnungsgesuchen ist – auch eingedenk der gebotenen engen Auslegung des § 26a StPO (vgl. BVerfG, Beschluss vom 2. Juni 2005 – 2 BvR 625/01 und 2 BvR 638/01, NJW 2005, 3410; BGH, Beschluss vom 9. Juli 2015 – 1 StR 7/15, juris Rn. 16; Beschluss vom 10. Juli 2014 – 3 StR 262/14, juris Rn. 9) – kein tauglicher Grund zur Ablehnung im Sinne von § 26a Abs. 1 Nr. 2 StPO zu entnehmen. Bei dem Vorbringen handelt es sich ausschließlich um Wiederholungen der bereits im Gesuch vom 5. September 2023 ausgeführten eigenen Bewertung der Verfahrenslage durch den Angeklagten. Dies steht dem gänzlichen Fehlen einer Begründung dieser Ablehnungsgesuche gleich (vgl. BGH, Beschluss vom 25. August 2020 – 4 StR 654/19, juris Rn. 1; Beschluss vom 9. Juli 2015 – 1 StR 7/15, juris Rn. 12).

3. Der Senat kann offenlassen, ob das Ablehnungsgesuch vom 5. September 2023 zulässig ist und ihm die Behauptung eines konkreten Verhaltens des Vorsitzenden als Anknüpfungspunkt der Ablehnung sowie die Voraussetzungen der Rechtzeitigkeit des Vorbringens und deren Glaubhaftmachung (§§ 26 Abs. 2 Satz 1, 25 Abs. 2 StPO) noch hinreichend zu entnehmen sind. Der Ablehnungsantrag ist jedenfalls unbegründet.

a) Die Besorgnis der Befangenheit eines Richters ist nur gegeben, wenn der Ablehnende bei verständiger Würdigung des ihm bekannten Sachverhalts Grund zu der Annahme hat, der Richter nehme ihm gegenüber eine innere Haltung ein, die die gebotene Unparteilichkeit und Unvoreingenommenheit störend beeinflussen kann (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 2. September 2020 – 5 StR 630/19, juris Rn. 18; Beschluss vom 28. Februar 2018 – 2 StR 234/16, juris Rn. 21; Urteil vom 10. November 1967 – 4 StR 512/66, BGHSt 21, 334, 341). Maßstab für die Beurteilung dieser Voraussetzungen sind dabei der Standpunkt eines besonnenen Angeklagten und die Vorstellungen, die er sich bei der ihm zumutbaren ruhigen Prüfung der Sachlage machen kann (vgl. BGH, Beschluss vom 28. Februar 2018 – 2 StR 234/16, juris Rn. 24; Urteil vom 2. März 2004 – 1 StR 574/03, NStZ-RR 2004, 208, 209; Beschluss vom 8. März 1995 – 5 StR 434/94, BGHSt 41, 69, 71). Knüpft die Richterablehnung an eine den Verfahrensgegenstand betreffende Vorbefassung des abgelehnten Richters mit der Sache an, ist dieser Umstand regelmäßig nicht geeignet, die Besorgnis der Befangenheit zu begründen (vgl. BGH, Beschluss vom 31. Januar 2023 – 4 StR 67/22, juris Rn. 10; Beschluss vom 28. Februar 2018 – 2 StR 234/16, juris Rn. 22 mwN). Auch Rechtsfehler in Entscheidungen bei einer Vorbefassung mit dem Sachverhalt oder im zu Grunde liegenden Verfahren können eine Ablehnung im Allgemeinen nicht begründen (vgl. BGH, Beschluss vom 28. Februar 2018 – 2 StR 234/16, juris Rn. 22 mwN). Anders verhält es sich lediglich beim Hinzutreten besonderer Umstände, die über die Tatsache bloßer Vorbefassung als solcher und der damit notwendig verbundenen inhaltlichen Äußerung hinausgehen (vgl. BGH, Beschluss vom 18. Mai 2022 – 3 StR 181/21, NStZ-RR 2022, 345, 348 f. mwN).

b) Ausgehend von diesen Maßstäben begründet weder die Ablehnung einer Fristverlängerung durch den Vorsitzenden noch die unterlassene Bestellung eines weiteren Pflichtverteidigers die Besorgnis der Befangenheit.

Die in den Ablehnungsgesuchen thematisierten Mitteilungen des Vorsitzenden an den Angeklagten und an seinen Verteidiger Rechtsanwalt S.     , wonach eine Fristverlängerung nicht in Betracht komme, entsprechen – sowohl im Hinblick auf die Frist des § 345 Abs. 1 StPO als auch des § 349 Abs. 3 Satz 2 StPO – der Gesetzeslage (vgl. BGH, Beschluss vom 10. November 2021 – 2 StR 189/21, juris Rn. 4; Beschluss vom 24. Januar 2017 – 3 StR 447/16, NStZ-RR 2017, 148; Beschluss vom 13. Dezember 2007 – 1 StR 497/07, juris Rn. 4). Zudem entspricht es der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass Stellungnahmen zur Antragsschrift des Generalbundesanwalts nach Ablauf der Frist des § 349 Abs. 3 Satz 2 StPO selbst dann nicht abgewartet zu werden brauchen, wenn sie ausdrücklich in Aussicht gestellt worden sind (vgl. BGH, Beschluss vom 31. August 2021 – 2 StR 189/21, juris Rn. 3; Beschluss vom 30. Juli 2008 – 2 StR 234/08, NStZ-RR 2008, 352). Dies gilt selbst dann, wenn der Beschwerdeführer gleichzeitig um Überlassung der Akten bittet (vgl. BGH, Beschluss vom 3. Juli 1990 – 4 StR 263/90, juris Rn. 4; Löwe-Rosenberg/Franke, 26. Aufl., § 349 Rn. 20). Die Ablehnung eines weiteren Entscheidungsaufschubs durch den Vorsitzenden war – zumal nach anfänglichem Zuwarten mit einer Entscheidung auf eine entsprechende Eingabe des Angeklagten hin – in Ermangelung eines sachlichen Grundes hierfür unter Berücksichtigung des Beschleunigungsgrundsatzes sachgerecht.

Gleiches gilt für die von dem Angeklagten angeführten Erwägungen, der Vorsitzende habe ihm einen oder mehrere weitere Pflichtverteidiger beiordnen und für die Übermittlung des Antrags des Generalbundesanwalts an ihn persönlich Sorge tragen müssen. Der Angeklagte ist durch zwei Pflichtverteidiger vertreten. Anhaltspunkte dafür, dass durch diese eine ordnungsgemäße Verteidigung nicht gewährleistet ist, ergeben sich weder aus dem Vortrag des Angeklagten noch sind solche Umstände sonst ersichtlich. Ob ein Verteidiger von der Möglichkeit zur Stellungnahme zum Antrag des Generalbundesanwalts Gebrauch macht, obliegt allein seiner Verantwortung (vgl. KK-StPO/Gericke, 9. Aufl., § 349 Rn. 20 mwN). Eine Pflicht des Revisionsgerichts oder des Vorsitzenden, auf die Abgabe einer Stellungnahme nach § 349 Abs. 3 Satz 2 StPO hinzuwirken, existiert ebenso wenig wie eine solche zur zusätzlichen Übermittlung der Antragsschrift nach § 349 Abs. 3 Satz 1 StPO an den verteidigten Beschwerdeführer persönlich (vgl. BGH, Beschluss vom 22. Oktober 2001 – 5 StR 278/01, juris Rn. 1 mwN).

Angesichts dieser Sachlage besteht für den Angeklagten bei vernünftiger Würdigung kein Grund zu der Annahme, der Senatsvorsitzende habe ihm gegenüber eine innere Haltung eingenommen, die seine Unparteilichkeit oder Unvoreingenommenheit störend beeinflussen kann.“

Zur „Fristverlängerung“ heißt es im BGH, Beschl. v. 15.11.2023 – 4 StR 239/23-

3. Im Übrigen hat die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.

Der Senat hat Äußerungen des Angeklagten und seiner Verteidiger, die nach Fristablauf der nicht verlängerbaren Frist des § 349 Abs. 3 Satz 2 StPO (vgl. BGH, Beschluss vom 31. August 2021 ? 2 StR 189/21, juris Rn. 3; Beschluss vom 6. Dezember 2006 ? 1 StR 532/06, wistra 2007, 158) eingegangen sind, berücksichtigt und hat nunmehr ? verfassungsrechtlich geboten ? baldmöglichst nach Ablauf der Frist entschieden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 5. Dezember 2005 ? 2 BvR 1964/05, juris Rn. 61; BGH, Beschluss vom 13. Dezember 2007 ? 1 StR 497/07, juris Rn. 4). Der Senat weist zudem darauf hin, dass nach Ablauf der Frist des § 349 Abs. 3 Satz 2 StPO Stellungnahmen zur Antragsschrift des Generalbundesanwalts selbst dann nicht abgewartet zu werden brauchen, wenn sie in Aussicht gestellt worden sind (vgl. BGH, Beschluss vom 31. August 2021 ? 2 StR 189/21, juris Rn. 3; Beschluss vom 30. Juli 2008 ? 2 StR 234/08, NStZ-RR 2008, 352).