Wenn ein Angeklagter/Betroffener in einer Rechtsmittelentscheidung liest: „Weitere gleichartige Eingaben des Verurteilten in dieser Sache wird der Senat nicht mehr bescheiden“ oder ähnliche Formulierungen auftauchen, dann weiß´er bzw. sollte er wissen: Dem Senat reicht es. Er wird weitere Eingaben, die nihcts Neues mehr bringen, nicht mehr bescheiden. So auch mal nachzulesen im BGH, Beschl. v. 08.07.2013 – 1 StR 557/12. Irgendwann ist eben Schluss.
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RP Kassel locuta, causa finita – gilt nicht
Ein Kollege hat im Forum bei Jurion-Strafrecht über einen Bescheid des Regierungspräsidiums Kassel in Sachen „Dauerbrenner Akteneinsicht im Bußgeldverfahren“ berichtet, der ihm vor einigen Tagen aus den Schreibtsich geflattert ist. Der Kollege meint, die Geschichte treibe immer „dollere Blüten“. Ganz Unrecht hat er m.e. nicht.
Zur Sache: Der Kollege beantragt Aktensicht in die Betriebsanleitung des bei einer Geschwindigkeitsmessung verwendeten Messgerätes Traffistar S330. . Er erhält vom Regierungspräsidium Kassel folgende Antwort/Nachricht:
„Sehr geehrte Damen und Herren,
Ihrem Antrag auf Einsicht in die Betriebsanleitung des verwendeten Messgerätes Treff Star 5330 gebe ich statt.
Sie können die Betriebsanleitung nach vorheriger Terminabsprache in den Räumlichkeiten des PP Nordhesswen, Dir. Verkehrssicherheit/Sonderdienste, Wachpolizei-Radarkommando., Grüner Weg 33 in 34117 Kassel einsehen_
Auch ist es möglich, die Betriebsanleitung vom Hersteller zu erhalten. Dazu wenden Sie sich bitte an den Hersteller unter der nachstehenden E-Mail-Anschrift oder rufen Sie seine Webseite auf:
Firma Jenoptik in Jena/Monheitra (Robot) Fax-Adresse: 0049 3641 424514
Webseite: www.jenoptik.com
Ein Anspruch auf Übersendung besteht dagegen nicht.
Bei der Regelung des § 48 OWiG iVm § 147 Absatz 3 StPO handelt es sich lediglich um eine Sollvorschrift (Meyer-Goßner, StPO, § 147 Rn. 28; Göhler, OWiG, § 60 Rn. 52). Die Mitgabe oder Übersendung liegt im Ermessen der Bußgeldbehörde und soll grundsätzlich gewährt werden, wenn keine wichtigen Gründe entgegenstehen, Zur Anfertigung von Kopien ist die Behörde nicht verpflichtet.
Der Übersendung der Betriebsanleitung stehen wichtige Gründe entgegen. Die Unterlagen werden im täglichen Dienstbetrieb benötigt und sind deshalb nicht entbehrlich. So ist gemäß § 6 Absatz 3 der Eichordnung die Betriebsanleitung so beim Gerät aufzubewahren, dass sie jederzeit verfügbar ist.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar (vgl. Göhler, OWiG, § 60 Rn. 54a).“
Jetzt lassen wir mal die Fragen zum Umfang und zur Art und Weise der Akteneinsicht außen vor. Lassen wir es auch auf sich beruhen, dass an der Stelle die Diskussion der letzten Monate am Regierungspräsidium wohl vorbei gegangen sein dürfte. Lassen wir auch außen vor, dass die m.E. wohl h.M. in Rechtsprechung und Literatur – zumindest nach dem Cierniak-Beitrag in zfs 2012, 664 – anderer Auffassung sein dürfte.
Aber, der letzte Satz: „Diese Entscheidung ist unanfechtbar (vgl. Göhler, OWiG, § 60 Rn. 54a)“. Der stößt dann doch sauer auf und/oder irritiert. Zunächst mal ist er ein Beweis dafür, dass offenbar das, was im Göhler steht, Gesetz ist bzw. als solches angesehen wird. Darüber komm man ja noch hinweg. Aber der Inhalt dieser Rechtsmittelbelehrung: M.E. falsch, denn so steht es selbst bei Göhler nicht. Vielmehr wird von der auch insoweit wohl h.M. der Antrag auf gerichtliche Entscheidung als zulässig angesehen.
Der Kollege hat das Schreiben kommentiert mit „Na wer sagts denn!“ Nun, die Verwaltungsbehörde selbst jedenfalls nicht. RP Kassel locuta, causa finita – gilt nicht.
Terminsverlegung a la LG Hannover
Häufig muss gerade im Bußgeldverfahren um eine Terminsverlegung (heftig) gekämpft werden. Wird sie dann vom AG ablehnt, ist die Frage streitig, ob der Betroffene/Angeklagte dagegen ein Rechtsmittel einlegen kann. Das wird z.T. in der Rechtsprechung vollständig verneint, z.T. wird die Beschwerde unter bestimmten Voraussetzungen zugelassen. Bislang ist das LG Hannover Verfechter der vollständigen Ablehnung gewesen. Aber es ist/war nicht gegen bessere Einsicht gefeit, sondern hat seine bsiherige Rechtsprechung aufgegeben. Nun geht es – ebenso wie die wohl überwiegenden Auffassung – davon aus, dass die Beschwerde gegen die Ablehnung, einen festgesetzten Hauptverhandlungstermin zu verlegen, ausnahmsweise zulässig, wenn die Ablehnung in rechtsfehlerhafter Ermessensausübung getroffen und die Rechtswidrigkeit der angefochtenen Entscheidung offensichtlich ist (vgl. LG Hannover, Beschl. v. 30.11.2012 – 48 Qs 162/12).
Und das LG setzt gleich noch einen drauf, wenn es dem Amtsrichter einen deutlichen Hinweis gibt, wie er mit der Ablehnung eines Terminsverlegungsantrages umgehen muss: Das AG muss sich in seiner Entscheidung über die Ablehnung eines Terminsverlegungsantrags mit den Belangen des Angeklagten/Betroffenen einerseits und dem eigenen Interesse an der Aufrechterhaltung des Hauptverhandlungstermins andererseits beschäftigen und dies in seiner Entscheidung zum Ausdruck bringen müssen.
Und, und auch insoweit zutreffend:
„Die ablehnende Entscheidung gemäß § 73 Ordnungswidrigkeitengesetz ist selbständig nicht anfechtbar (Göhler, Ordnungswidrigkeitengesetz, 16. Aufl., § 73 Rn. 16). Die Ablehnung des Antrags des Betroffenen, ihn von der Verpflichtung zum Erscheinen zu entbinden, ist im Rechtsbeschwerdeverfahren aufgrund der Verfahrensrüge überprüfbar, nicht aber im Rahmen eines der erstinstanzlichen Entscheidung vorausgehenden Beschwerdeverfahrens.“
Schnell noch ein Rechtsmittel – aber bitte nicht per Email. Finger weg!!!!
Wer (schnell noch) ein Rechtsmittel einlegen will, sollte bei ggf. aller gebotenen Eile die Finger von der „einfachen Email“ lassen. Denn das OLG Hamm hat gerade erst eine Erinnerung, die sich in einem Strafvollzugsverfahren gegen den Kostenansatz richtete und die per Email (ohne elektronische Signatur) eingelegt war, als unzulässig angesehen (vgl. OLG Hamm, Beschl. v. 06.11.2012 – III-1 VAs 41/12). Begründung:
Nach § 14 Abs. 6 S. 1 KostO sind Anträge und Erklärungen betreffend den Kostenansatz schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle einzulegen. Hierzu zählt auch ddie Einlegung einer Erinnerung (vgl. Korintenberg/u.a.-Lappe, KostO, 10. Aufl. § 14 Rdn. 54). Hier wurde die Erinnerung durch eine E-Mail ohne elektronische Signatur eingelegt.
Auch aus § 1a Abs. 1 KostO ergibt sich nichts anderes. Danach genügt die elektronische Form auch in Kostenverfahren, wenn für Anträge in der Angelegenheit, in der die Kosten angefallen sind (also im zugrundeliegenden Hauptsacheverfahren), ein elektronisches Dokument ausreicht. Vorliegend handelte es sich in der Hauptsache um ein Verfahren nach den §§ 23 ff. EGGVG. In diesem Verfahren ist eine Antragseinreichung in elektronischer Form nicht vorgesehen. In § 26 Abs. 1 EGGVG ist geregelt, dass der Antrag auf gerichtliche Entscheidung schriftlich oder zur Niederschrift der Geschäftsstelle gestellt werden muss. Selbst wenn man analog § 29 Abs. 3 EGGVG auf das Verfahren vor dem Senat die Vorschriften des FamFG oder – in Anlehnung an § 29 Abs. 2 2. Alt. EGGVG a.F. die Vorschriften der StPO ergänzend heranziehen wollte, ließe sich daraus keine Zulässigkeit der Erinnerung begründen. Bei Einreichung eines elektronischen Dokuments ist in beiden Fällen eine elektronische Signatur erforderlich (§ 14 Abs. 2 S. 2 FamFG i.V.m. § 130a Abs. 1 S. 2 ZPO bzw. § 41a StPO).
Gut, natürlich kann man sagen: Nur Erinnerung gegen den Kostenansatz, aber: Die Entscheidung lässt sich auf andere Rechtsmittel übertragen. Und: Sie entspricht der h.M. in der Rechtsprechung (vgl. BGH NJW-RR 2009, 357 = VRR 2009, 105 = StRR 2009, 99; OLG Oldenburg NJW 2009, 536 = StRR 2009, 465; NZV 2012, 303 [für Rechtsbeschwerde im Bußgeldverfahren]; OLG Schleswig SchlHA 2009, 244; LG Magdeburg, Beschl. v. 27.10.2008 – 24 Qs 87/08 für das Strafbefehlsverfahren; LG Zweibrücken VRS 119, 223). Also: Finger weg. Dazu auch noch Burhoff, Handbuch für die strafrechtliche Hauptverhandlung, 7. Aufl., 2013, Rn. 523 f.
Auslagen für den Pflichtverteidiger
Wenn der Pflichtverteidiger wissen will, ob Auslagen, die er während der Führung des Mandates tätig später auch aus der Staatskasse erstattet werden, dann hat er die Möglichkeit nach § 46 Abs. 2 Satz 1 RVG vorzugehen Er kann dann einen Antrag auf Feststellung der Erforderlichkeit der in Aussicht genommenen Auslage stellen. In § 46 Abs. 2 Satz 1 RVG ist zwar nur die Rede von „Reise“, in der Praxis geht man aber davon aus, dass die Vorschrift auch für andere Auslagen gilt.
Diese Möglichkeit hat für den Pflichtverteidiger den Vorteil, dass die gerichtliche Feststellung der Notwendigkeit für das Vergütungsfestsetzungsverfahren bindend ist. Der Pflichtverteidiger muss sich also später darüber nicht mit der Staatskasse streiten. Wird die Feststellung abgelehnt, hat das keine bindende Wirkung, sondern die Auslage kann dann später trotzdem noch zur Festsetzung mit angemeldet werden. Deshalb dürfte es den Pflichtverteidiger auch nicht stören, dass die Entscheidung über seinen Antrag eauf Feststellung der Erforderlichkeit unanfechtbar ist. So der OLG Celle, Beschl. v. 25.06.2012 – 2 Ws 169/12, der ausdrücklich ausführt:
Dadurch entsteht der Beschwerdeführerin kein Rechtsnachteil, sie kann ihren Anspruch auf Erstattung von Reisekosten im Kostenfestsetzungsverfahren geltend machen und ihn dort auch im Rechtsmittelwege verfolgen.