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„fraglos gegebene querulatorische Tendenzen“, oder: Rüffel für die StA

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Manche Entscheidungen, die ich auf der Homepage des BGH finde, sind in mehrfacher Hinsicht berichtenswert, so z.B. auch der BGH, Beschl. v. 21.01.2014 – 5 AR (VS) 29/13. Der ist doppelt interessant. Denn zunächst: Wann findet man schon mal einen im Rechtsbeschwerdeverfahren im §§ 23-er-ff. EGGVG Verfahren ergangenen BGH-Beschluss? Aber das wird getoppt durch den – in meinen Augen – der StA erteilten Rüffel im Beschluss, in dem es dann heißt:

„Das Oberlandesgericht hat den Antrag des Beschwerdeführers vom 7. Januar 2013, die Staatsanwaltschaft Stuttgart zu verpflichten, seine an diese gerichtete Strafanzeige vom 1. September 2011 zu bescheiden, als unbegründet verworfen, weil der Beschwerdeführer sein Antragsrecht missbraucht habe und damit eine Bescheidungspflicht der Staatsanwaltschaft nach § 171 Satz 1 StPO entfalle. Die hiergegen gerichtete, vom Oberlandesgericht zugelassene und damit statthafte Rechtsbeschwerde ist nicht begründet.

1. Der Antrag des Beschwerdeführers auf gerichtliche Entscheidung nach § 23 EGGVG war bereits unzulässig, so dass eine Sachentscheidung des Oberlandesgerichts nicht hätte ergehen dürfen. Gegenstand des Verfahrens nach § 23 EGGVG ist eine unmittelbare Verletzung eines subjektiven Rechts des Antragstellers durch eine staatliche Maßnahme oder ihre Ablehnung bzw. ihre Unterlassung (§ 24 Abs. 1 EGGVG). An der Unmittelbarkeit fehlt es bei einer unterbliebenen Mitteilung nach § 171 Satz 1 StPO. Denn der Beschwerdeführer ist – wovon auch der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift zutreffend ausgeht – dadurch nicht gehindert, sich ungeachtet einer Nichtbescheidung gegen die Behandlung seiner Strafanzeige zu beschweren, anschließend gegebenenfalls ein Klageerzwingungsverfahren durchzuführen (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 56. Aufl., § 172 Rn. 6; OLG Frankfurt, Beschluss vom 21. April 2010 – 2 Ws 147/08; zur Frist Graalmann-Scheerer in LR, 26. Aufl., § 172 Rn. 109).

2. Der Senat merkt allerdings an, dass ungeachtet fraglos gegebener querulatorischer Tendenzen des Beschwerdeführers einem verantwortungsvol-len Umgang mit Justizressourcen besser als durch den Versuch der Herbeiführung einer Grundsatzentscheidung dadurch Rechnung getragen werden dürfte, dass die Staatsanwaltschaft die offensichtlich haltlose, aber gegenüber früheren Anzeigen partiell einen neuen Sachverhalt betreffende Strafanzeige angemessen knapp bescheiden würde.“

Ich meine, man merkt dem BGH an: Er ist nicht nur „not amused“, sondern genervt :-).

Handyverbot: Vorsatz oder Fahrlässigkeit?

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Im Bußgeldverfahren gibt es den Grundsatz, dass bei im Bußgeldbescheid nicht angegebener Schuldform von fahrlässigem Handeln auszugehen ist und eine Verurteilung wegen Vorsatzes nur nach einem Hinweis gemäß § 265 StPO erfolgen kann. Das gibt an der ein oder anderen Stelle, wenn ein solcher Hinweis nicht erfolgt ist, die Möglichkeit der Verfahrensrüge wegen eines Verstoßes gegen § 265 StPO. Zu der Frage hat im Sommer das OLG Karlsruhe im OLG Karlsruhe, Beschl. v. 13.08.2013 – 2 (6) Ss 377/13 AK 98/13 – in Zusammenhang wegen einer Verurteilung nach § 23 Abs. 1a StVO Stellung genommen. Danach gilt dieser Grundsatz bei Verstößen gegen § 23 Abs. 1 a StVO – Aufnehmen oder Halten eines Mobiltelefons während der Fahrt – nicht, weil ein solcher Verstoß, zumindest in aller Regel, nur vorsätzlich verwirklicht werden kann (dazu KG NJW 2006, 3080; OLG Hamm NZV 2008, 583):

Die Rüge der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör greift nicht durch. Mit ihr macht der Betroffene geltend, das Amtsgericht habe seine Hinweispflicht aus § 265 StPO verletzt. Es habe den Betroffenen wegen vorsätzlicher Tatbegehung verurteilt. Hierauf hätte es hinweisen müssen, denn dem Bußgeldbescheid habe nur ein Fahrlässigkeitsvorwurf zugrunde gelegen, da in ihm keine Schuldform angegeben gewesen sei.

Die Rüge bleibt erfolglos, weil für das Amtsgericht keine Veranlassung zur Erteilung des von dem Betroffenen vermissten Hinweises gemäß § 265 StPO bestand, dass ein vorsätzlicher Verstoß gegen § 23 Abs. 1a StVO in Betracht komme. Ein solcher Verstoß kann ohnehin, zumindest in aller Regel, nur vorsätzlich verwirklicht werden (KG NJW 2006, 3080; OLG Hamm NZV 2008, 583  m.w.N.). Der sonst geltende Grundsatz, dass bei im Bußgeldbescheid nicht angegebener Schuldform von fahrlässigem Handeln auszugehen ist und eine Verurteilung wegen Vorsatzes nur nach einem Hinweis gemäß § 265 StPO erfolgen kann, gilt bei Verstößen gegen § 23 Abs. 1a StVO deshalb nicht. Im vorliegenden Fall kommt hinzu, dass in dem vorliegenden Bußgeldbescheid die Schuldform zwar nicht ausdrücklich benannt ist, dem Sachverhalt aber eindeutig ein von Vorsatz getragenes Verhalten des Betroffenen – „Handy mit der linken Hand ans rechte Ohr gehalten“ – zu entnehmen ist.“

Nun ja: Wenn das OLG schreibt: „Ein solcher Verstoß kann ohnehin, zumindest in aller Regel, nur vorsätzlich verwirklicht werden….“, dann sieht es offenbar die Möglichkeit, dass ich gegen § 23 Abs. 1a StVO auch fahrlässig verstoßen kann. Dann fragt sich aber, ob dann nicht doch ein Hinweis hätte erfolgen müssen. Allerdings: Man wird dann vom Betroffenen entsprechenden Vortrag erwarten müssen, dass der Verstoß im abgeurteilten Fall nur fahrlässig erfolgt ist. Frage: Geht das? Letztlich ist der Beschluss wohl im Ergebnis richtig. Obwohl: Ein gewisses Unbehagen bleibt.

 

Verweigerte Antragsstellung beim AG – oder: Ein Appell zu „mehr Respekt“

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Schon seit längerem hängt in meinem Blog-Ordner“ der OLG Bamberg, Beschl. v. 19.03.2013 – 2 Ss OWi 199/13. Immer wieder habe ich dazu bloggen wollen, aber nie so richtig die Zeit gefunden, weil der Beschluss m.E. nicht ganz einfach ist. Jetzt aber dann doch, vor allem weil er veröffentlicht ist/wird, und der Kollege RiAG Dr. Krenberger dazu in der zfs (vgl.zfs 2013, 470) eine Anmerkung geschrieben hat (dazu unten mehr).

Warum, nicht einfach? Denn auf den ersten Blick und wenn man den Leitsatz liest, an sich keine Probleme, oder?

„Wird mit der Verfahrensrüge beanstandet, das Gericht habe in der Hauptverhandlung eine von der Verteidigung beabsichtigte Beweisantragstellung durch „Nichtzulassung“ vereitelt und die Protokollierung des Antrags entgegen § 273 Abs. 1 Satz 1 StPO verweigert, setzt eine hierauf gestützte Rüge der Verletzung des Beweisantragsrechts bzw. der unzulässigen Beschränkung der Verteidigung, sofern das Protokoll über das behauptete Verfahrensgeschehen keine Auskunft gibt, nach § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO für ihre Zulässigkeit Darlegungen zum Wegfall der Beweiskraft des Protokolls voraus, aus denen sich entweder die offenkundige Fehlerhaftigkeit des Protokolls oder aber der Nachweis einer bewussten gerichtlichen Falschprotokollierung ergibt.“

Da bin ich – wie es heute häufig so schön heißt – ganz beim OLG. Diesem Leitsatz/der Entscheidung lag eine (behauptete) „verweigerte Antragstellung“ des Amtsrichters zu Grunde, die das OLG wie folgt beschreibt:

1. Soweit der Betroffene in der Rechtsbeschwerdebegründungsschrift vorträgt, er habe „versucht“, in der Hauptverhandlung einen Beweisantrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Ordnungsgemäßheit der verfahrensgegenständlichen Geschwindigkeitsmessung zu stellen, das AG habe diesen Beweisantrag jedoch „kategorisch abgelehnt und noch nicht einmal zugelassen“, und hierzu in der Gegenerklärung der Verteidigung vom 11.03.2013 ergänzend mitgeteilt wird, dass sich das Gericht geweigert habe, den Beweisantrag zu protokollieren, „da der Vorsitzende Richter gar nicht darauf eingegangen ist und den Antrag für nicht zulässig befunden hatte“, entspricht die erhobene Verfahrensrüge der fehlerhaften Behandlung eines Beweisantrages bzw. der unzulässigen Beschränkung der Verteidigung nicht den Anforderungen von § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO i.V.m. § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG an eine zulässige Verfahrensrüge…“

Das OLG argumentiert dann weiter: Die Stellung eines Beweisantrages sowie der Beschluss über die Ablehnung eines Beweisantrages gehören auch im Ordnungswidrigkeitenverfahren gemäß § 273 Abs. 1 Satz 1 StPO i.V.m. § 71 Abs. 1 OWiG zu den wesentlichen Förmlichkeiten einer Hauptverhandlung und können grundsätzlich nur durch das Protokoll bewiesen werden. Hier sind sie nicht im Protokoll und damit „gilt als nicht geschehen, was im Protokoll nicht beurkundet ist„. Ein Grund ins Freibeweisverfahren sieht das OLG nicht, da das Protokoll selbst erkennbare Fehler, wie offensichtliche Lücken, Unklarheiten oder Widersprüche, nicht aufweist .

Alles richtig, alles gut und ich bin beim OLG – obwohl mal an der Stelle die Frage erlaubt sein muss, wie eigentlich bei einem nicht empfangs-/verhandlungsbereiten Tatrichter der Nachweis der Lücke geführt werden kann/soll: Protokollberichtigungsantrag, na ja? Aber auch das kann man, wenn auch mit viel Theater – aber was soll es, da eh „Leben in der Hauptverhandlung“ ist – hinbekommen.

Schwierigkeiten habe ich dann mit der Passage:

„b) Vorliegend ist das Protokoll jedenfalls nicht offenkundig fehlerhaft. Es kann aber auch dahingestellt bleiben, ob die Verteidigung tatsächlich in den Raum stellen will, der erkennende Richter habe es bewusst wahrheitswidrig und damit in strafbarer Weise (§ 348 StGB) unterlassen, die Stellung sowie die Ablehnung des von der Verteidigung behaupteten Beweisantrages in die Verhandlungsniederschrift aufzunehmen. Die Behauptung, der Tatrichter habe die Protokollierung des Beweisantrages verweigert, wurde nämlich erst – nach entsprechendem Hinweis der GenStA auf die negative Beweiskraft des Protokolls in ihrer vorgenannten Antragsschrift – in der Gegenerklärung der Verteidigung vom 11.03.2013 erhoben. Dieses Vorbringen ist jedoch nicht innerhalb der Frist des § 345 Abs. 1 Satz 1 StPO i.V.m. § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG angebracht worden, so dass es ohne inhaltliche Prüfung zurückzuweisen ist (vgl. KK-Kuckein StPO 6. Aufl. § 345 Rn. 24; BGH StV 1999, 407). Da in der Rechtsbeschwerdebegründungsschrift selbst schlüssige Darlegungen zu einem Sachverhalt fehlen, der zum Wegfall der Beweiskraft des Sitzungsprotokolls führen würde, bestand für den Senat damit keine Veranlassung, im Freibeweisverfahren – etwa durch Einholung einer dienstlichen Stellungnahme des erkennenden Richters – über den Ablauf der Hauptverhandlung Beweis zu erheben (vgl. hierzu auch OLG Hamm Beschluss vom 24.06.2008 – Beck RS 2008, 23889).

Schwierigkeiten nicht aus Rechtsbeschwerdegerichtspunkten, denn auch insoweit bin ich beim OLG. Und sicherlich wird man auch den Umstand nicht übersehen können/dürfen, dass der Vortrag zur „Antragsverweigerung“ erst so spät gekommen ist (dazu nur an den Kollegen: Wenn ich das Fass schon aufmache, dann muss es aber auch passen, und zwar von Anfang an, denn das OLG weist zu Recht auf den darin liegenden Vorwurf hin).

Was mich stört? Für mich klingt die Passage ein wenig danach, als ob sich das OLG einen „nicht empfangsbereiten Tatrichter“, der eine Antragstellung verweigert, nicht vorstellen kann. Habe ich früher auch nicht gekonnt, aber: Nachdem ich nun seit fast 10 Jahren in FA-Kursen und Fortbildungen referiere und referiert habe, kann ich sagen: Er ist wohl doch kein Phantom, sondern es scheint ihn zu geben, und zwar bundesweit. Anders kann ich nämlich nicht erklären, dass in fast jedem FA-Kurs die entsprechenden Fragen kommen, wie man sich verhält, wenn der Amtsrichter einen Antrag nicht entgegen nehmen will, also ein Szenario beschrieben wird, wie es hier im Verfahren beim OLG Bamberg vorgetragen/behauptet worden ist. Das spricht für mich dafür, dass  es an dieser Stelle Probleme in der Praxis zu geben scheint. Und ich räume ein: Ich habe mir das früher zunächst gar nicht vorstellen können und immer mit dem Satz „gekontert“: „Das kann nicht sein, der Richter muss den Antrag entgegennehmen, ihn zu Protokoll nehmen und auch bescheiden“. Das sage ich heute nach vielen FA-Kursen zwar auch noch, aber nicht mehr so fassungslos. Die Diskussion dreht sich dann jetzt mehr um „Gegenmaßnahmen“.

Ich hatte ja bereits auf die Anmerkung des Kollegen Dr. Krenberger hingewiesen. Ich bin auch bei ihm, wenn er aufzählt, was der Verteidiger alles hätte können und müssen, nämlich u.a.:

  • ordnungsgemäße schriftliche Abfassung des Beweisantrages, um ihn als Anhang im Protokoll zu haben,
  • ggf. Befangenheitsantrag, wenn die Antragstellung verweigert wird,
  • später Protollberichtigungsantrag,
  • immer § 238 Abs. 2 StPO beachten,
  • ausreichende Begründung der Rechtsbeschwerde.

Und ich bin auch bei ihm, wenn er schreibt: „Das OLG Bamberg betont zu Recht, dass die hier aufgestellte Behauptung dem Vorsitzenden quasi einen Straftatbestand unterstellt. Sollte der Sachverhalt in der Hauptverhandlung also doch nicht so stattgefunden haben, läge es für den Dienstherrn nicht fern, die Einleitung eines eigenen Strafverfahrens gegen den Verteidiger zu prüfen und eine Mitteilung an die Kammer zu machen„. Bei ihm allerdings nur fast, denn: Warum eigentlich nur die „Keule Strafverfahren“ gegen den Verteidiger? Warum wäre/ist nicht auch die Einleitung eines Verfahrens gegen den Amtsrichter zu prüfen?. Denn immerhin: Anfangsverdacht, den könnte man, wenn man berücksichtigt, wie schnell man damit sonst oft bei der Hand ist, bejahen, oder? Und Zeugen, die zum Geschehen in der Hauptverhandlung etwas sagen könnten, gibt es auch. Da gibt es zumindest den Betroffenen und ggf. auch weitere Zuhörer.

Auch den dann folgenden Appell des Kollegen Dr. Krenberger unterschreibe ich, wenn er meint: „Abseits der Förmlichkeiten der StPO und des Beschwerde- bzw. Revisionsrechts macht diese Entscheidung deshalb auch deutlich, dass zu einem „ordnungsgemäßen“ Verfahren mehr gehört als die schlichte Beachtung des Rechts, nämlich: der gegenseitige Respekt. Die dezenten Hinweise des OLG Bamberg sollten deshalb Mahnung zur Selbstreflexion für alle Prozessbeteiligten sein, sich stets dem Berufsstand entsprechend und der Sache nach angemessen zu verhalten.

Wenn der Kollege damit nicht nur den/die Verteidiger/Rechtsanwälte meint, sondern auch auch die Richter, dann bin ich bei ihm. Wenn er hingegen nur die meint, dann nicht, denn „Gleichen Respekt für alle“. Aber der Kollege meint wohl beide. Denn: Nur der gegenseitige Respekt  schafft  eine sachliche Verhandlungsatmosphäre, in der sich, was auch viele (Amts-)Richter so sehen, in aller Regel die besten = sachgerechten Ergebnisse erzielen lassen.

Akteneinsicht a la OLG Celle: Da mutet man dem Betroffenen aber ein wenig viel zu…

© Avanti/Ralf Poller

Die Problematik: Bedienungsanleitung des Messgerätes, ist m.E. ein schönes Beispiel, wie – teilweise die Obergerichte – zumindest in meinen Augen – mal wieder versuchen, das „Problem“ über die Begründungsanforderungen bei der Verfahrensrüge und dem scharfen Schwert des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO zu lösen. Ein Beispiel dafür ist für mich der OLG Celle, Beschl. v. 10.06.2013 – 311 SsRs 98/13. Da verlangt das OLG nämlich vom Betroffenen/Verteidiger, dass er sich nach verweigerter Akteneinsicht innerhalb der Rechtbeschwerdebegründungsfrist nicht nur an die Verwaltungsbehörde wendet, sondern auch noch an den Hersteller, um ggf. doch noch Akteneinsicht zu erlangen.

M.E. geht das OLG über das dem Betroffenen „Zumutbare“ hinaus, wenn es von ihm das (auch noch) verlangt. Denn: Was soll das bringen außer Erkenntnisse, die auch dem OLG bereits bekannt sein dürften. Die Verwaltungsbehörde hat bereits im Verfahren die Akteneinsicht verweigert, darum geht ja gerade der Streit. Es ist kaum damit zu rechnen, dass sie nun, nachdem der Betroffene verurteilt worden ist, die Bedienungsanleitung herausgibt. Und was soll die Anfrage beim Hersteller? Auch insoweit ist inzwischen allgemein bekannt, dass die sich auf Betriebs-/Geschäftsgeheimnisse berufen und mit der Begründung die Bedienungsanleitungen auch nicht herausgeben. Und um Weiterungen gleich vorzubeugen: Die PTB rückt – eben wegen der Betriebs-/Geschäftsgeheimnisse die Bedienungsanleitungen ebenfalls nicht heraus (vgl. dazu u.a. den AG Kempten, Beschl. v.07.05.2013 – 22 OWi 145 Js 70/11 und dazu Gibst du mir die Bedienungsanleitung nicht, dann spreche ich eben frei…). Da fragt man sich dann doch: Mutet das OLG dem Betroffenen nicht ein wenig viel zu, wenn es ein solches Vorgehen verlangt? In dem Zusammenhang darf ein Hinweis auf BVerfG NJW 2005, 1999 nicht fehlen: Das BVerfG hat in der Entscheidung im Hinblick auf den erforderlichen Vortrag zu sog. Negativtatsachen ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Anforderungen an die Revisionsbegründung nicht überspannt und vom Rechtsmittelführer nichts an Vortrag verlangt werden darf, mit dem er nicht rechnen konnte. Ich denke, der Stelle nähern wir uns allmählich, wenn die Grenze nicht schon überschritten ist.

Aber: Auf solche Ansinnen muss man als Verteidiger vorbereitet sein und entsprechend handeln und vortragen.

 

 

Schlanke Justiz – nur nicht zu schlank

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Wie gestern schon angesprochen – ich habe Einblick u.a. in die NWZ. In der bin ich auf einen Beitrag „OLG Präsident für schlanke Justiz“ gestoßen, in dem sich der Präsident des OLG Oldenburg zur Modernisierung der Justiz und zu besserer Vergütung für Richter äußert.

So weit, so gut. Nur, zu schlank sollte es dann doch nicht werden und kann/darf es m.E. auch nicht. Das wäre es aber, wenn man den folgenden Vorschlag aufgreifen würde:

„Kircher schlägt vor, die Struktur der Bußgeldverfahren zu verändern. Derzeit beschäftige sich ein mit drei Richtern besetzter Bußgeldsenat beim OLG mit den Rechtsbeschwerden gegen Entscheidungen der Amtsgerichte. „Ausreichend wäre es, die Verwaltungsbehörde wie bisher über Einsprüche gegen Bußgeldbescheide befinden zu lassen und dem Bürger die Möglichkeit zu eröffnen, hiergegen beim Amtsgericht vorzugehen, das dann ohne weitere Rechtsmittelmöglichkeit abschließend entscheidet.“

Nun, damit habe ich Probleme: Abgesehen davon, dass die Bußgeldsenate beim OLG kaum noch in Dreier-Besetzung entscheiden, will der OLG-Präsident wirklich in Bußgeldsachen nur eine gerichtliche Instanz eröffnen? Einsprüche bei den Verwaltungsbehörden sind i.d.R. erfolglos – die Instanz kann man also kaum zählen. Und dann nur noch das AG und über dem der blaue Himmel? Ich habe – angesichts der Qualität mancher amtsgerichtlicher Urteile – ganz erhebliche Zweifel, ob das der richtige Weg ist. Auch sprechen die teils schweren und die Betroffenen auch schwer treffenden Folgen m.E. eher dafür, die Rechtsbeschwerde weiterhin zuzulassen/beizubehalten. Der OLG-Präsident sollte vielleicht dann doch noch mal ein wenig nachdenken, ob er den Vorschlag aufrecht erhalten will.