Schlagwort-Archive: Prozessverschleppung

BGH – 1. Strafsenat rudert bei den Beweisanträgen zurück –

Die Tendenz in der Rechtsprechung des BGH hinsichtlich der Ablehnung der Beweisanträge wegen Prozessverschleppung/Verspätung war in der Verganagenheit m.E. eindeutig auf Verschärfung angelegt. Besonders der 1. Strafsenat hatte sich da hervorgetan. Nachdem nun aber schon der 5. Strafsenat vor einiger Zeit zur Mäßigung aufgerufen hatte, kommen jetzt auch vom 1. Strafsenat mildere Töne. In seinem Beschl. v. 10.11.2009 – 1 StR 162/09 führt er aus, dass der Vorsitzende zwar nach Abschluss der vom Gericht nach Maßstab der Aufklärungspflicht für geboten gehaltenen Beweiserhebungen die übrigen Verfahrensbeteiligten unter Fristsetzung auffordern kann, etwaige Beweisanträge zu stellen. Das Verstreichen dieser Frist führe aber nicht dazu, dass hiernach gestellte Beweisanträge vom Gericht als verspätet abgelehnt werden können oder überhaupt nicht mehr zu bescheiden sind. Die Frist stelle keine Ausschlussfrist dar; sie lässt die Pflicht des Gerichts zur Ermittlung des wahren Sachverhalts unberührt. Es sei deshalb ausgeschlossen, einen Beweisantrag allein aufgrund eines zeitlich verzögerten Vorbringens abzulehnen.

Hauptsache die Instanzgerichte hören diese Schalmeienklänge auch.

NRW-Justizministerin Roswitha Müller-Piepenkötter plant Bundesratsinitiative gegen Prozess-Sabotage durch Beweisantrags-Flut

Justizministerin Roswitha Müller-Piepenkötter will mit einer Bundesratsinitiative verhindern, dass Strafprozesse durch eine Flut von Beweis­anträgen völlig unangemessen in die Länge gezogen werden.

Kernpunkt des Gesetzentwurfs ist eine Neuregelung in der Strafprozessordnung. Danach soll das Gericht in länger dauernden Strafprozessen zum Ende der Beweisaufnahme eine Frist zur Stellung von Beweisanträgen setzen können. Nach deren Ablauf soll es Anträge – anders als nach der geltenden Rechtslage – schon deshalb ablehnen können, weil sie zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich sind. Dies teilte die Ministerin am 17.06.2009 in Düsseldorf mit.

Zuvor hatte sich der Strafrechtsausschuss der Justizministerkonferenz in Leipzig mit der Frage der Prozessverschleppung durch rechtsmiss­bräuchliche Inanspruchnahme des Beweisantragsrechts durch Ange­klagte bzw. deren Verteidiger befasst. Hintergrund sind Fälle, in denen durch sachwidrige Anträge versucht wird, das Verfahren zu verzögern oder sogar ein Urteil gänzlich zu ver­hindern.

Der Vorschlag decke sich im Kern mit einer bereits seit Jahren vom Bundesgerichtshof erhobenen Forderung, den Missbrauch von Verfah­rensrechten einzudämmen, betonte die Ministerin. Es geht dabei keinesfalls darum, Angeklagten oder ihren Verteidigern legitime prozessuale Rechte streitig zu machen. Vielmehr sollen diejenigen Pro­zessbeteiligten, denen es erkennbar allein darum geht, den Prozess zu sabotieren, zu einer zügigen Antragsstellung angehalten werden.

Die Ministerin kündigte an, ihr Ziel sei, den Gesetzentwurf im Herbst 2009 über den Bundesrat in den Bundestag einzubringen.

Quelle: JM Nordrhein-Westfalen, Pressemitteilung vom 17.06.2009