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StGB II: Polizeibeamter liefert „Knöllchengeld“ nicht ab, oder: Untreue oder Unterschlagung?

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Die zweite Entscheidung des Tages, das BayObLG, Urt. v. 28.09.2022 – 206 StRR 157/22 – hat auch einen „Untreuefall“ zum Gegenstand. Es handelt sich um einen sicherlich nicht alltäglichen Sachverhalt. Denn es geht um einen Polizeibeamten, der vereinnahmte Verwarnungsgelder nicht abgeliefert hat.

Nach den vom LG getroffenen Feststellungen war der Angeklagte im Tatzeitraum als Polizeibeamter bei einer Verkehrspolizeiinspektion tätig. Seine Aufgabe bestand in der Kontrolle, Verfolgung und Ahndung von Verkehrsverstößen. Als solcher war er zur Erteilung von gebührenpflichtigen Verwarnungen ermächtigt. Dazu wurden ihm von der Verkehrspolizeiinspektion sogenannte „Barverwarnungsblöcke“ ausgehändigt. Werden diese verwendet, zahlt der betroffene Verkehrsteilnehmer ein Verwarnungsgeld in Höhe von 5 bis 55 EUR in bar an den Polizeibeamten und erhält dafür eine handschriftliche Quittung, die aus dem Barverwarnungsblock herausgetrennt wird. Ein Block umfasst 25 Quittungen. Ein Abschnitt mit dem jeweils berechneten Verwarnungsgeld verbleibt im Barverwarnungsblock, zudem wird in einer Übersichtsliste das jeweilige Barverwarnungsgeld eingetragen. Nach Vereinnahmung von 250,00 EUR, jedenfalls aber einmal im Monat und spätestens mit der Ausgabe eines neuen Blocks war nach den dienstlichen Vorschriften der alte Block an den dafür zuständigen Kassenwart der Verkehrspolizeiinspektion zurückzugeben und musste das vereinnahmte Geld abgerechnet und abgeliefert werden. Jedenfalls die Einhaltung der beiden erstgenannten Abrechnungsverpflichtungen wurde auf der Dienststelle nicht kontrolliert. Ob die vorbezeichnete Verpflichtung, vor Ausgabe eines neuen Blocks jeweils über den verbrauchten Block abzurechnen, kontrolliert wurde, ist vom LG nicht ausdrücklich festgestellt.

In der Zeit vom 18.05.2015 bis 11.01.2018 vereinnahmte der Angeklagte unter Verwendung 26 verschiedener Barverwarnungsblöcke in 587 Einzelfällen Verwarnungsgelder in Höhe von insgesamt 13.065 EUR, die er nicht an den Kassenwart seiner Dienststelle weiterleitete, obwohl er von seiner diesbezüglichen Verpflichtung wusste, sondern behielt das Geld für sich.

Das AG hat den Angeklagten der Untreue in 26 Fällen schuldig gesprochen und gegen ihn deswegen eine Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr 10 Monaten verhängt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Ferner hat es die Einziehung von Wertersatz in Höhe von 13.175,00 EUR angeordnet. Auf die hiergegen gerichtete Berufung des Angeklagten hat das LG das Urteil des AG aufgehoben. Es hat den Angeklagten der veruntreuenden Unterschlagung (§ 246 StGB) in 26 Fällen schuldig gesprochen, ihn zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 11 Monaten verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat, sowie die Einziehung von Wertersatz für das Erlangte in Höhe von 13.065 EUR angeordnet. Die auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte Berufung der Staatsanwaltschaft hat das LG verworfen.

Hiergegen richtet sich die Revision der Staatsanwaltschaft mit der Rüge der Verletzung materiellen Rechts. Sie macht geltend, tatsächlich sei der Tatbestand der Untreue (§ 266 StGB) verwirklicht. Zudem dränge sich auf, dass nicht lediglich 26, sondern aufgrund eines jeweils gesonderten Tatentschlusses 587 Einzelfälle verwirklicht seien. Feststellungen dazu habe die Strafkammer nicht getroffen.

Nach Auffassung des BayObLG war der festgestellte Sachverhalt  „jedenfalls wegen weiterer besonderer Umstände des Einzelfalls rechtlich als Untreue gemäß § 266 Abs. 1 Alt. 2 StGB zu würdigen.“  An einer entsprechenden Änderung des Schuldspruchs hat sich das BayObLG jedoch wegen lückenhafter Feststellungen zur Anzahl der Untreuefälle gehindert gesehen. Es hat aufgehoben und zurückverwiesen.

Ich stelle auch hier nur die (amtlichen) Leitsätze zu der Entscheidung ein, den Rest bitte im verlinkten Volltext lesen:

    1. Ist ein Polizeivollzugsbeamter damit betraut, Verkehrsverstöße mittels Erteilung gebührenpflichtiger Verwarnungen zu ahnden, kann die Nichtablieferung und Verwendung eingenommener Verwarnungsgelder zu eigenen Zwecken den Tatbestand der Untreue nach § 266 Abs. 1 StGB erfüllen.
    2. Die Pflicht, über eingenommene Verwarnungsgelder abzurechnen und diese abzuliefern, begründet eine besonders qualifizierte Pflichtenstellung gegenüber dem Dienstherrn. Diese gehört zum Kernbereich der dem Beamten obliegenden Dienstpflichten.
    3. Die Verwirklichung des Treubruchstatbestandes des § 266 Abs. 1 Alt. 2 StGB erfordert darüber hinaus, dass dem Täter Raum für eigenverantwortliche Entscheidungen und eine gewisse Selbständigkeit verbleibt Das ist jedenfalls dann anzunehmen, wenn die Einhaltung bestehender dienstlicher Weisungen betreffend Aufbewahrung und Abführung der eingenommenen Verwarnungsgelder nicht kontrolliert wird, denn dies verschafft dem Polizeibeamten die faktische Möglichkeit, auf die ihm anvertrauten Fremdgelder zuzugreifen.

Interessant übrigens auch die Ausführungen des BayObLG zu den prozessualen Fragen, nämlich zu § 264 StPO und zum Verschlechterungsverbot des § 331 StPO.

OWi II: Wenn der „KHK“ während einer Dienstfahrt zu schnell fährt, oder: Gleiches Recht für alle

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Die zweite Entscheidung des Tages kommt vom AG Landstuhl. Das hat sich im AG Landstuhl, Urt. v. 11.05.2021 – 2 OWi 4211 Js 4647/21 – mit der Geschwindigkeitsüberschreitung eines KHK, also eine Polizeibeamten befasst. Dre war auf einer BAB statt der durch Verkehrszeichen angeordneten zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h mit einer Geschwindigkeit von 119 km/h gefahren. Eingelassen hatte sich der KHK wie folgt:

„Er habe sich mit einem zivilen Dienst-Kfz auf dem Weg zu einem Dienstgeschäft befunden und sei wegen eines Rückstaus in Zeitverzug gewesen. „Um das Dienstgeschäft, welches terminiert war, zeitgerecht erledigen zu können, fuhr ich 119 km/h auf der BAB6“ (Bl. 27 d.A.) Die Sicht auf die Verkehrszeichen sei durch neben ihm fahrende Kraftfahrzeuge (LKW) verwehrt gewesen und er habe die Beschilderung übersehen. Das Dienstgeschäft hat er als jährlichen Pflichtleistungsnachweis (Prüfung) mit der Dienstpistole konkretisiert und die Befürchtung mitgeteilt, zum Termin zu spät zu kommen (Bl. 40 d.A.). Ihm sei die Beschilderung nicht bekannt gewesen, er fahre die Strecke nach Enkenbach nicht regelmäßig. Die Beschilderung sei nicht wiederholt worden, sondern es handle sich um einen Verkehrstrichter. Zudem sei er durch ein „wichtiges dienstliches Telefonat“ (mit dem LKA Hamburg) ab 12:44 Uhr abgelenkt gewesen (Bl. 83 d.A.).“

Die Einlassung hat ihm nichts genutzt. Das AG hat ihn wegen einer vorsätzlichen Geschwindigkeitsüberschreitung verurteilt, ein Fahrverbot verhängt und die Geldbuße erhöht:

„…..

Ein Augenblicksversagen kann hier nicht angenommen werden. Der Betroffene hat telefoniert während des Verstoßes. Schon dieses Verhalten lässt sich mit den Anforderungen der obergerichtlichen Rechtsprechung an die Annahme eines Augenblicksversagens nicht in Übereinstimmung bringen.

V.

Der Betroffene hat sich deshalb wegen der vorsätzlichen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften zu verantworten, §§ 24 StVG, 41, 49 StVO.

Gegen den Betroffenen spricht die Vermutung der hohen Überschreitung der Geschwindigkeit, hier in Form einer Überschreitung von 39 km/h bzw. mehr als 40%, die einen Rückschluss auf das Wollenselement des wenigstens bedingten Vorsatzes erlaubt, sowie die beidseitig sichtbar aufgestellten Verkehrszeichen, die von einem Verkehrsteilnehmer gesehen werden müssen und so einen Rückschluss auf das Wissenselement des wenigstens bedingten Vorsatzes ermöglichen (Vgl. BeckOK/Krenberger, § 3 StVO, Rn. 221 m.w.N.).

Eine dies widerlegende Einlassung erfolgte nicht. Im Gegenteil hat der Betroffene anhand seiner eigenen Einlassungen gerade dargelegt, dass er hier mit wenigstens bedingtem Vorsatz die Geschwindigkeit überschritten hat. Er hat mitgeteilt, dass er unter Zeitdruck mit konkreter Geschwindigkeit gefahren sei und trotz des Zeitdrucks und der für ihn wenig bekannten Gegend während der Fahrt ein Telefonat angenommen und geführt habe. Dass er also in einer Situation, die von ihm gerade höhere Aufmerksamkeit erfordern würde (Eile, fremde Gegend) auch noch sein Aufmerksamkeitsniveau vorsätzlich absenkt – denn ein Telefonat kann man nicht fahrlässig führen -, zeigt, dass es ihm nicht nur gleichgültig war, ob er dadurch Verkehrsregeln verletzen würde, sondern dass er billigend in Kauf genommen hat die Verkehrszeichen zu übersehen, ohne seine Geschwindigkeit vorher aktiv anzupassen. Dies gilt erst recht, da er sich auf einer Dienstfahrt befindet und seine grundgesetzlich verankerten Pflichten insbesondere die penible Achtung der Verkehrsregeln erfordern.

Die Beschilderung vor Ort (Geschwindigkeitstrichter, sonstige Hinweise) ist auch gerade darauf angelegt, die Aufmerksamkeit des Fahrers auf sich zu ziehen. Ein Übersehen der Schilder wegen LKW-Verkehr auf der rechten Spur ist schon denklogisch bei beidseitig aufgestellten Schildern nicht möglich.

Dass der Betroffene sein Fehlverhalten im Nachhinein auch noch mit dem mehrfachen Verweis auf die Dienstlichkeit seines Handelns zu relativieren versucht, zeigt eine bedenkliche Einstellung des Betroffenen zu Verkehrsregeln und Rechtsanwendung auf.

VI.

Durch den genannten Verstoß hat der Betroffene zunächst eine Geldbuße zu tragen. Diese ergibt sich zunächst als Regelsatz in Höhe von 120 EUR gemäß Ziffer 11.3.6 des Anhangs zur BKatV, die für das Gericht in Regelfällen einen Orientierungsrahmen bildet (BeckOK StVR/Krenberger, § 1 BKatV, Rn. 1). Von diesem kann das Gericht bei Vorliegen von Besonderheiten nach oben oder unten abweichen. Vorliegend bestehen keine Umstände, die ein Abweichen vom Regelsatz nach unten bedingen würden. Insbesondere sind die dienstliche Veranlassung der Fahrt außerhalb des Anwendungsbereichs von § 35 StVO oder auch die Nutzung eines zivilen Dienstfahrzeugs keine Aspekte, die geeignet wären, eine Abweichung vom Regelfall zu begründen.

Angesichts der vorsätzlichen Begehensweise ist die Regelgeldbuße zu verdoppeln, § 3 Abs. 4a BKatV…..“

Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass das AG über die Einlassung und das Agieren des KHK „not amused“ war. Es ist zutreffend nach dem Grundsatz: „Gleiches Recht für alle“ verfahren. Dann auch bei einem „zivilen Betroffenen“ hätte man mit der Einlassung kein Augeblicksversagen begründen können.

Wer den „Reichsbürgern“ nahesteht, kann nicht Polizeibeamter sein, oder: Der Polizeipräsident als Bandenführer

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Und als zweite Entscheidung am heutigen Samstag dann das VG Trier , Urt. v. 14.08.2018 – 3 K 2486/18.TR. Darauf bin ich durch eine PM aufmerksam geworden. Nachdem das Urteil dann aber nicht veröffentlicht worden ist, habe ich mir den Volltext besorgt.

Das VG hatte über die Entfernung eines Polizeibeamten aus dem Polizeidienst wegen Identifikation mit dem „Reichsbürger-Spektrum“ zu entscheiden. Das VG hat die Entfernung bestätigt. Dazu die PM, die alles wesentliche aus der recht langen Entscheidung zusammenfasst:

„Die 3. Kammer des Verwaltungsgerichts Trier hat einen Polizeibeamten aus dem Dienst entfernt, weil sie es als erwiesen ansah, dass dieser sich subjektiv mit dem „Reichsbürger-Spektrum“ identifiziere.

Mit seinem Verhalten habe der beklagte Polizeibeamte sich eines schweren Dienstvergehens schuldig gemacht. Dieser habe in mehreren an den Dienstherrn gerichteten Schreiben zum Ausdruck gebracht, dass er die verfassungsrechtliche Ordnung der Bundesrepublik Deutschland nicht anerkenne und weder die Legitimation noch die Funktion seines Dienstvorgesetzten akzeptiere. Von ihm angekündigte Pflichtverletzungen, weil er sich insgesamt einer anderen Werteordnung verbunden fühle, habe er umgesetzt, indem er an ihn zugestellte behördliche Schriftstücke mit aufgebrachten Fantasieaufklebern an den Dienstherrn zurückgesandt habe. Auch die im behördlichen Disziplinarverfahren und im gerichtlichen Verfahren von ihm zur Akte gereichten Schriftstücke belegten seine Zuwendung zum reichsideologischen Gedankengut. So habe er u.a. die Klagefähigkeit seines Dienstvorgesetzten infrage gestellt und diesen als „Polizeivorstand und Bandenführer“ bezeichnet; das Verwaltungsgericht Trier habe er als „Schiedsgericht“ abgelehnt und die Abgabe des Vorgangs an ein „Obligationsgericht“ begehrt.

Aufgrund des Umstands, dass der Beamte seine innerliche Abkehr von der verfassungsmäßigen Ordnung über einen langen Zeitraum wiederholt und vehement nicht nur unmittelbar gegenüber seinem Dienstvorgesetzten, sondern auch gegenüber dem Gericht in eindeutiger Form manifestiert habe, bestünden keine Zweifel daran, dass dieser sich von den wesentlichen Wertentscheidungen des Grundgesetzes losgesagt habe. Ein derartiges Verhalten bringe einen jeden Beamten an den Rand seiner Tragbarkeit; erst recht gelte dies für einen Polizeibeamten, dessen Kernaufgabe darin bestehe, zu gewährleisten, dass die freiheitlich-demokratische Grundordnung vorbehaltlos und loyal gegenüber dem Staat und der Allgemeinheit geschützt werde. Diesen Kernauftrag könne nicht erfüllen, wer die Existenz der Bundesrepublik Deutschland und damit auch seinen eigenen Beamtenstatus negiere.

Die im Gerichtsverfahren zu den Akten gereichten Schriftsätze belegten zudem, dass dem Beklagten auch keine positive Prognose gestellt werden könne. Weder das behördliche noch das gerichtliche Disziplinarverfahren hätten ihn veranlasst, sich eines Besseren zu besinnen. Im Gegenteil habe er seine maßlosen und absurden Vorstellungen durch mannigfaltige Schriftstücke bekräftigt. Hierdurch habe er in qualitativer und quantitativer Hinsicht einen derart gravierenden Persönlichkeitsmangel offenbart, dass dem Dienstherrn und der Allgemeinheit eine Weiterbeschäftigung im Beamtenverhältnis nicht mehr zumutbar sei. Ein Polizeibeamter, der sich selbst nicht mehr als Beamter sehe und sich nicht an Recht und Gesetz gebunden fühle, stelle zudem eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung dar. Letztlich habe der Beklagte durch sein unentschuldigtes Ausbleiben im Termin zur mündlichen Verhandlung nochmals manifestiert, dass er weder Exekutive, Legislative noch Judikative akzeptiere, sondern sein Leben ausschließlich nach seiner eigenen Weltanschauung führen wolle. Erschwerend sei zudem zu berücksichtigen, dass der Beklagte offensichtlich bereits seit längerer Zeit dienstliche Unterlagen in seiner Privatwohnung gesammelt habe, ohne dass er hierzu befugt gewesen sei.

In Anbetracht dieser Gesamtumstände seien auch die zugunsten des Beklagten sprechenden Gesichtspunkte – langjährige Dienstleistungen ohne Beanstandungen mit guten Beurteilungen – nicht geeignet, sich mildernd auszuwirken.

Gegen die Entscheidung steht den Beteiligten innerhalb eines Monats die Berufung an das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz.“

M.E. gut so.

Beleidigung von Polizeibeamten mit „„Ihr habt doch nur Langeweile. Ihr seid doch nur Wichtigtuer!“?

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Die zweite Entscheidung kommt heute vom OLG Bremen. Es ist der OLG Bremen, Beschl. v. 13.04.2018 – 1 Ss 49/17, den mir die Kollegin M.Pfeiffer aus Bremen allerdings erst jetzt geschickt hat. Es behandelt mal wieder die Frage der Beleidigung von Polizeibeamten. Und zwar hatte der Angeklagte bei einer Verkehrskontrolle gegenüber den kontrollierenden Beamten geäußert: „Ihr habt doch nur Langeweile. Ihr seid doch nur Wichtigtuer!“. Frage: Beleidigung (§ 185 StGB) ja oder nein. AG und LG hatten die Frage bejaht, das OLG hat sie – m.E. zutreffend – – verneint und den Angeklagten frei gesprochen:

„…. b) Gemessen hieran begegnet bereits die Deutung des Landgerichts, mit der festgestellten Äußerung habe der Angeklagte den Beamten unterstellt, die Maßnahme ihm gegenüber nur deshalb durchzuführen, um das eigene Machtstreben oder ihren Geltungsdrang zu befriedigen und diesen Geltungsdrang über das Recht zu stellen, zumindest Bedenken. Dem Wortlaut nach besagt die Bezeichnung als „Wichtigtuer“, dass der Betreffende sich durch sein Auftreten größere Wichtigkeit zumesse als ihm in den Augen des Äußernden tatsächlich zukommt. Die Deutung des Landgerichts, dass der Angeklagte dadurch auch zum Ausdruck gebracht habe, die Beamten handelten, um ihre eigene Person in ihrer Bedeutung zu überhöhen, ist für sich genommen nicht zu beanstanden. Aus dem Kontext ergibt sich, dass der Angeklagte zum Ausdruck bringen wollte, dass die Beamten ihr Ermessen einseitig und schikanös ausübten. Der weitergehende Schluss aber, der Angeklagte habe damit auch erklärt, dass die Beamten ihren Geltungsdrang über das Recht stellten, wodurch ihr Handeln in die Nähe zum Amtsmissbrauch gerückt werde, findet keinen Anhalt im Wortlaut und den Umständen. Weder der sprachliche Kontext — der weitere Vorwurf, die Beamten handelten aus Langeweile — noch die objektiven Umstände — der Angeklagte sah sich einer Verkehrskontrolle ausgesetzt, gegen die er vehement protestierte — bieten eine Grundlage für diese Annahme, mit der Bezeichnung als Wichtigtuer werde eine bewusste Missachtung rechtlicher Bindungen zum Ausdruck gebracht.

c) Aber auch wenn man die Deutung durch das Landgericht zu Grunde legt, trägt dies eine Verurteilung wegen Beleidigung nicht, da die Äußerung als Wahrnehmung berechtigter Interessen im Sinne von § 193 StGB nicht strafbar ist…..

…..

bb) Gemessen hieran überwiegt der Schutz der Meinungsfreiheit im vorliegenden Fall. ….

Gemessen hieran fällt die Abwägung zugunsten der freien Rede aus. Richtig ist zwar, dass der Angeklagte seine Kritik personalisiert und in durch Verwendung der familiären Anrede in zusätzlich unhöflicher und distanzloser Form formulierte. Aber allein der Umstand, dass eine gegen einen Amtsträger gerichtete Kritik anklagend und personalisiert ausfällt, führt noch nicht zu ihrer Unzulässigkeit (BVerfG, Beschluss der 1. Kämmer des 1. Senats vom 12.05.2009 — 1 Eh« 2272/04, juris Rn. 38, NJW 2009, 3016). Die personalisierte Form, der Angesprochene sei ein Wichtigtuer, fällt allerdings schärfer aus als die auf ein konkretes Verhalten bezogene Formulierung, weil sie dem Betreffenden eine nachteilige Charaktereigenschaft zuschreibt. Die zugeschriebene Charaktereigenschaft des Wichtigtuers aber wiegt für sich genommen nicht so schwer, als dass mit ihr dem Betroffenen der soziale Geltungswert so sehr abgesprochen wird, dass es gerechtfertigt wäre, die Äußerung zu bestrafen. Hinzu kommt, dass die Äußerung entgegen der Ansicht des Landgerichts angesichts des Kontextes, in dem sie fiel, auf ein konkretes polizeiliches Handeln bezogen ist. Die Äußerung fiel, weil der Ange-klagte meinte, dass die Verkehrskontrolle und die dabei angewendeten Maßnahmen überzogen seien. Es bleibt damit eine Äußerung, mit der sich der Angeklagte gegen eine staatliche Maßnahme zur Wehr setzte, die er jedenfalls in ihrer tatsächlichen Aus-führung als unrechtmäßig ansah. In einer solchen Situation werden dem Betroffenen auch scharfe und anklagende Formulierungen zugebilligt (vgl. Bayerisches Oberstes Landesgericht, Beschluss vom 20.10.2004 — 1St RR 153/04, juris Rn. 29, NJW 2005, 1291; OLG Brandenburg, Beschluss vom 17.11.2016 — (2) 53 Ss 64/16, juris Rn. 18; OLG München, Beschluss vom 06.11.2014 — 5 OLG 13 Ss 535/14, juris Rn. 12, StraFo 2015, 3’0). Zumindest in Ansehung der konkreten Umstände in‘ Form der beginnenden Durchsuchung des Kofferraums des Fahrzeug des Angeklagten, die sowohl vom Landgericht als auch von der Generalstaatsanwaltschaft als unrechtmäßig eingeschätzt wird, war die Kritik auch nicht völlig ohne jeden Anlass.

Auch dass der Angeklagte nach der Deutung des Landgerichts mit seiner spekulativen Bemerkung den Beamten sachwidrige Motive unterstellte, ist für sich genommen nicht so schwer wiegend, als dass dies in der konkreten Situation eine Bestrafung wegen Beleidigung rechtfertigte. Denn letztlich schwingt beinahe in jeder Kritik an einer konkreten Maßnahme eines einzelnen Beamten der Vorwurf der sachwidrigen Ermessensbetätigung mit. Auch wenn man der Auffassung sein wollte, dass damit verbunden sei, dass die handelnden Beamten „in die Nähe des Amtsmissbrauchs“ gerückt wurden, ist dies typische Konsequenz der personalisierten Kritik an einer Diensthandlung.

Die spekulative Unterstellung des Motivs der Wichtigtuerei ist auch nicht etwa gleichzusetzen mit dem Vorwurf der Rechtsbeugung, den sich, wenn er ohne jeden tatsächlichen Anhalt geäußert wird, ein Beamter nicht ohne Weiteres gefallen lassen muss (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des 1. Senats vom 31.01.2017 — 1 BvR 2454/16, juris Rn. 4).

Die Anrede mit dem informellen „Du“, wie sie der Angeklagte hier gegenüber den Beamten verwendete, ist für sich genommen zwar unhöflich und respektlos, jedoch wird eine solche Anrede erst dann zur Beleidigung, wenn darin im Einzelfall eine soziale Herabwürdigung zum Ausdruck kommt, die über die bewusst missachtende Anredekonvention hinausgeht (vgl. Fischer, 65. Aufl., § 185 StGB Rn. 8a; LK-Hilgendorf, 12. Aufl., § 185 StGB Rn. 27; MK-Rogge/Pegel, 3. Auf., § 185 StGB Rn. 10). Umstände, die einen solchen herabwürdigenden Äußerungsgehalt begründeten, sind aber nicht feststellbar.“

Habe nur ich den Eindruck, dass die Verfahren zunehmen, in denen es um Beleidigung von Polizeibeamten geht? Dann stellt sich die Frage: Warum? Sind die Polizeibeamten dünnhäutiger geworden oder gibt es allgemeine Anweisungen, dass „so etwas“ verfolgt werden soll/muss. Falls ja: Für mich gilt der Spruch: Was stört es die Eiche, wenn sich das Schwein daran reibt. Oder: Umdrehen und den „Beleidiger“ toben lassen. Zumindest bei solchen Äußerungen in solchen Situationen. Erspart allen viel Ärger und Zeit….

Wer als Polizeibeamter immer wieder säuft und (Alkohol)Verkehrsstraftaten begeht, fliegt

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Über das OVG Koblenz, Urt. v. 07.03.2018 – 3 A 11721/17.OVG – ist schon an verschiedenen anderen Stellen berichtet worden. Nachdem ich nun den Volltext habe, will ich darüber auch im samstäglichen Kessel-Buntes berichten. Denn das Urteil gehört in die „Abteilung“ Verwaltungsrecht, obwohl Verkehrsstraftaten auch eine Rolle spielen.

Es geht um die Entfernung eines Polizeibeamte aus dem Dienst. Begründung für die Disziplinarmaßnahme: Alkoholrückfall und Verkehrsstraftaten unter Alkoholeinfluss. Zudem hatte sich der Polizeibeamte – so das VG und das OVG – durch sein anmaßendes Verhalten anlässlich eines Verkehrsunfalls eines schweren Dienstvergehens schuldig gemacht, und zwar hatte er nach einem Verkehrsunfall, an dem er beteiligt war, eine Jacke mit der Aufschrift „Polizei“ angezogen, um die besondere Autorität der Polizei für seine privaten Zwecke in Anspruch zu nehmen. Aueßerdem hatte er sich mit den den Unfall aufnehmenen Kollegen in ein „Streitgespräch“ verwickelt.

Im Disziplinarverfahrens ist der Polizeibeamten dann aus dem Beamtenverhältnis entfernt worden. Dagegen seine Klage beim VG, die keinen Erfolg hatte. Auch die Berufung beim OVG war erfolglos. Da das OVG-Urteil recht lang ist – sind immerhin 31 Seiten, nehme ich hier dann wegen der Begründung mal die Ausführungen aus der PM. Da heißt es zusammengefasst:

„Der Beamte habe durch sein Verhalten ein sehr schwer wiegendes Dienstvergehen begangen, wodurch er das Vertrauen des Dienstherrn und der Allgemeinheit endgültig verloren habe. Dabei sehe das Gericht den Schwerpunkt seiner Verfehlungen bei seinen unter Alkoholeinfluss begangenen Verkehrsstraftaten in Verbindung mit seinem Fehlverhalten anlässlich des Unfalls im November 2014. Schon diese Vorfälle und die von ihnen ausgehende Vertrauensbeeinträchtigung machten unter Berücksichtigung des Persönlichkeitsbildes des Beamten seine Dienstentfernung unausweichlich. Bliebe er im Dienst, so müsste künftig jederzeit mit ähnlichem Fehlverhalten gerechnet werden. Seine Entfernung aus dem Dienst sei erst recht unumgänglich, wenn man seinen schuldhaften Rückfall in die „nasse Phase“ seiner Alkoholkrankheit – spätestens im Oktober 2015 – in die Betrachtung einbeziehe. Denn auch hierin liege eine Dienstpflichtverletzung von einigem Gewicht. Der Polizeibeamte, bei dem jedenfalls seit 2003 eine Alkoholsuchterkrankung bestehe, habe seine Alkoholsucht nach einer Behandlung im Jahr 2004 bis 2015 unter Kontrolle gehabt. Der Rückfall sei Ausdruck einer Haltlosigkeit und einer Willens- und Charakterschwäche, welche mit der Pflichtenstellung eines Polizeibeamten unvereinbar sei.“

Den Rest bitte ggf. selbst lesen…..