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Bezugnahme auf Videofilm geht nicht – auch in Saarbrücken nicht

Der BGH, Beschl. v. 02.11.2011 – 2 StR 332/11 dürfte inzwischen allgemein bekannt sein (vgl. hier unser Posting dazu Die Kuh ist vom Eis – BGH: Bezugnahme auf “Videofilme” geht nicht. Danach kann nicht gem.  § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO auf einen Videofilm Bezug genommen werden. Das hat nicht nur im Strafverfahren Bedeutung – der Beschluss betraf ein Strafverfahren – sondern auch im Bußgeldverfahren, wenn es z.B. um die Täteridentifizierung anhand eine Videofilms geht. Der Rechtsprechung des BGH hatte sich recht bald nach Bekanntwerden des Beschlusses v. 02.11.2011 das OLG Jena angeschlossen (vgl. unser Posting: Manchmal kommt die Rechtsprechung des BGH schnell bei den OLG an…). Und nun gibt es auch eine Entscheidung des OLG Saarbrücken zu der Problematik, nämlich den OLG Saarbrücken, Beschl. v. 11.03.2013 – Ss 88/2012 (57/12), das ausführt:

„a) Dem Revisionsführer ist zuzugeben, dass die an mehreren Stellen des Urteils vorgenommene Verweisung auf die – auf den DVD in Hülle BI. 42 d.A. befindlichen – Videoaufnahmen der Überwachungskameras rechtsfehlerhaft ist. Denn in der Verweisung auf ein elektronisches Speichermedium als solches liegt nach Auffassung des Bundesgerichtshofs (NStZ 2012, 228), der sich der Senat anschließt, keine wirksame Bezugnahme im Sinne von § 267 Abs. 1 S. 3 StPO (vgl. auch OLG Brandenburg, NStZ-RR 2010, 89; OLG Schleswig, SchlHA 1997, 170; a.A. OLG Dresden, NZV 2009, 520; OLG Zweibrücken, VRS 102, 102 f.; KG, VRS 114, 34; OLG Bamberg, NZV 2008, 469). Nach dieser Vorschrift darf wegen der Einzelheiten nur auf Abbildungen verwiesen werden, die sich bei den Akten befinden. Unabhängig von der Frage, ob sich der Begriff Abbildungen nach dem Wortsinn auch auf Filme oder Filmsequenzen erstreckt (vgl. hierzu BGH, a.a.O., m.w.N.), setzt eine Bezugnahme nach § 267 Abs. 1 S. 3 StPO voraus, dass die Abbildungen selbst Aktenbestandteil geworden sind. Dies ist bei auf elektronischen Medien gespeicherten Bilddateien nicht der Fall.“

Das OLG hat die Bezugnahme als unzulässig angesehen, auf dem Rechtsfehler beruhte das Urteil dann aber nicht :-(.

Übrigens: Mehr OLG-Entscheidungen zu der Frage kenne ich bislang nicht. Über die Zusendung weiterer Entscheidungen würde ich mich daher freuen.

Auch frühere Landtagsabgeordnete müssen in Strafhaft…

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Der 1. Strafsenat des OLG Saarbrücken hat mit Beschluss v. 23.08.2012 – 1 ws 204/12 – den Eilantrag eines wegen Betruges pp. zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilten früheren Landtagsabgeordneten und Facharztes zurückgewiesen, ihm kurzfristig – bis zur Entscheidung des OLG über ein Rechtsmittel – Vollstreckungsaufschub zu gewähren.

Der Beschwerdeführer hat gegen seine Verurteilung durch das LG Saarbrücken das Bundesverfassungsgericht angerufen. Zugleich hat er bei der Staatsanwaltschaft erfolglos beantragt, die Vollstreckung der Freiheitsstrafe bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über die Annahme der Verfassungsbeschwerde aufzuschieben. Gegen die Ablehnung seines Antrags hat der Verurteilte Rechtsmittel eingelegt, über welches der 1. Strafsenat des Saarländischen Oberlandesgerichts nach Einholung einer Stellungnahme der Generalstaatsanwaltschaft entscheiden wird.

Den hiermit verbundenen Eilantrag des Verurteilten, mit dem dieser einen Haftaufschub zumindest bis zur Entscheidung des OLG über sein Rechtsmittel erreichen wollte, hat der Strafsenat mit folgender Begründung zurückgewiesen: Das Rechtsmittel des Verurteilten habe keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Erhebliche Nachteile familiärer oder sonstiger Art, die über den Charakter des Strafvollzugs selbst hinausgingen, habe der Verurteilte nicht darlegen können. Deshalb verdiene das öffentliche Interesse an der Vollstreckung der Freiheitsstrafe den Vorzug. Die Entscheidung des Senats ist nicht anfechtbar.

Quelle:Pressemitteilung des OLG Saarland vom 24.08.2012

Klassiker: Schuldanerkenntnis nach einem Verkehrsunfall?

Ein Klassiker in der anwaltlichen Praxis ist die Frage des Schuldanerkenntnisses nach einem Verkehrsunfall.

Damit befasst sich das OLG Saarbrücken, Urt. v. 01.03.2011 – 4 U 370/10. Es untersucht, ob die Angaben, die eine Zeugin nach einem Verkehrsunfall gemacht hatte, ein deklaratorisches oder gar ein konstitutives Schuldanerkenntnis war – was verneint wird – oder nur eine „Unfallschilderung“, wovon das OLG ausgeht, und an die sich eine Beweislastumkehr knüpfen könnte. Für den Strafrechtler mal ganz interessant.

OLG Saarbrücken – Anleitung zur Wertung von Beweisanzeichen gegen eine Drogenfahrt

Der kundige Verkehrsrechtler weiß: Bei einer Drogenfahrt kann nicht allein aus der nach der Tat gemessenen Wirkstoffkonzentration des Rauschmittels im Blut des Angeklagten auf seine Fahruntüchtigkeit geschlossen werden. Vielmehr bedarf es außer einem positiven Blutwirkstoffbefund weiterer, für die fahrerische Leistungsfähigkeit aussagekräftiger Beweisanzeichen, d.h. solcher Tatsachen, die über die allgemeine Drogenwirkung hinaus den sicheren Schluss zulassen, dass der Angeklagte in der konkreten Verkehrssituation fahrunsicher gewesen ist.

In dem Zusammenhang ist der Beschl. des OLG Saarbrücken v. 28.10.2010 – Ss 104/10, den der Kollege Feltus erstritten hat, zu dem er aber selbst aus Zeitgründen nicht bloggen kann, interessant. Man sollte ihn lesen und sich merken, wie nach Auffassung des OLG Drogen(enthemmungs)merkmale auch anders erklärt werden können. Das lässt sich sicherlich gut in Einlassungen verwerten.

So kann man sich irren…, oder einen Verein werden wir nicht gründen können.

Tja, so kann man sich irren, habe ich gedacht, als ich den Beschl. des OLG Saarbrücken v. 19.01.2010 – 2 Ws 228/09 -, den ich bereits vor einiger Zeit auf meiner Homepage eingestellt hane, jetzt noch einmal gelesen habe; ein Kollege hatte mich in anderem Zusammenhang auf diesen Beschluss noch einmal hingewiesen.

Das OLG behandelt die Frage der Abrechnung der Tätigkeit des Verteidigers als Zeugenbeistand, die es m.E. ebenso falsch wie einige anderes OLGs nur nach Teil 4 Abschnitt 3 VV RVG honoriert (ein Schelm, wer Böses dabei denkt). Dazu will ich aber gar nichts mehr schreiben, da die Argumente ausgetauscht sind und die Rechtsprechung teilweise einfach nicht erkennen will, dass ihre Argumentation falsch ist.

Interessant(er) sind in dem Beschluss die Ausführungen des OLG zur Frage der Beiordnung eines Zeugenbeistandes nach § 68b Abs. 2 StPO, die ich bisher in der Schärfe nicht gesehen hatte. Dazu schreibt das OLG am Ende seiner Ausführungen:

„Hervorzuheben ist, dass die Tätigkeit eines gemäß § 68b StPO (a.F. und n.F.) für die Dauer der Vernehmung beigeordneten Zeugenbeistands „nur“ mit der Gebühr nach Nr. 4301 VV RVG unabhängig davon zu vergüten ist, ob derselbe Rechtsanwalt den Zeugen zuvor in demselben oder einem anderen Verfahren bereits verteidigt hat. Auch belegen die Materialien zu § 68b Abs. 2 StPO in der Fassung des 2. Opferrechtsreformgesetzes – anders als der Beschwerdeführer meint – dass die Beiordnung nach dieser Vorschrift absoluten Ausnahmecharakter haben sollte, weil es in erster Linie Sache des Vernehmenden ist, die Rechte und Befugnisse eines Zeugen während dessen Vernehmung zu wahren. Mit dem Entfallen des Antragserfordernisses wird zugleich verdeutlicht, dass es Sache des für die Bestellung zuständigen Gerichts ist, die engen Voraussetzungen des § 68b Abs. 2 StPO unabhängig von einem gestellten Beiordnungsantrag von Amts wegen zu prüfen.“

Wenn man das liest, könnte man einen Schreikrampf bekommen, denn.

  1. Ausnahmecharakter. Mitnichten. Denn der Gesetzgeber hat mit dem 2. OpferRRG gerade eine Stärkung der Stellung des Zeugen beabsichtigt. Dafür spricht schon der offizielle Name des Gesetzes – Gesetz zur Stärkung… Zudem hat man die Voraussetzungen für die Beiordnung erleichtert, nicht verschärft. Kann man m.E. – mit ein bißchen gutem Willen – alles in der BT-Drucks. 16/12098 nachlesen.
  2. Geradezu auf den Kopf gestellt wird die Praxis aber, wenn darauf hingewiesen wird, dass „es in erster Linie Sache des Vernehmenden ist, die Rechte und Befugnisse eines Zeugen während dessen Vernehmung zu wahren„. Wer – bitte schön – ist denn schon mal ohne Antrag als Zeugenbeistand beigeordnet worden? Und wie sieht die Praxis der Gerichte beim Zeugenbeistand aus? Ein „schönes“ Beispiel bringt die Entscheidung des BVerfG in 2 BvR 941/09. Die Gerichte sind doch froh, wenn ein Zeugenbeistand ihnen die Arbeit nicht schwer macht. Ich wage daher die Behauptung: Wenn wir einen „Verein der ohne Antrag vom Gericht beigeordneten Zeugenbeistände e.V.“ gründen wollten, werden wir die sieben erforderlichen Gründungsmitglieder nicht zusammen bekommen.

Von daher: Die Entscheidung des OLG Saarbrücken macht mich jetzt nachträglich noch mal ärgerlich, und zwar über die falsche Entscheidung der gebührenrechtlichen Frage hinaus.