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Akte drei Jahre „außer Kontrolle“ – wenigstens Strafrabatt

© Elena Schweitzer - Fotolia.com

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Einen ziemlich eklatanten Fall von (rechtsstaatswidriger) Verfahrensverzögerung ergibt sich aus dem OLG Saarbrücken, Beschl. v. 19.02.2016 – Ss 9/2016 (8/16). Das amtsgerichtliche Urteil datiert vom 11.10.2012 – die Akten kommen zur Entscheidung über die Sprungrevision dann aber erst Anfang Februar 2016 beim OLG an. Sie waren „außer Kontrolle geraten“, und zwar waren sie „versehentlich als Beiakte zu einem anderen Strafverfahren ins Archiv ausgelagert worden“. Das hat dann folgende Folgen:

Kein Verfahrenshindernis, denn:

b) Auch die nach Erlass des angefochtenen Urteils im Wesentlichen dadurch eingetretene Verletzung des Beschleunigungsgebots, dass die Akten bei der Staatsanwaltschaft Saarbrücken „außer Kontrolle“ geraten sind, nämlich ausweislich eines Vermerks der Staatsanwaltschaft Saarbrücken vom 23. Dezember 2015 (BI. 133 d.A.) versehentlich als Beiakte zu einem anderen Strafverfahren ins Archiv ausgelagert worden waren, begründet kein Verfahrenshindernis. Eine Verletzung des Beschleunigungsgebots im Sinne von Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK, Art. 2 Abs. 1 GG i. V. mit Art. 20 Abs. 3 GG, die, wenn sie — wie hier — nach Ablauf der Revisionsbegründungsfrist eingetreten ist, vom Revisionsgericht auf die zulässige Sachrüge hin von Amts wegen zu beachten ist (vgl. BGH NJW 2007, 2647 f. — juris Rn. 10; StraFo 2009, 391 – juris Rn. 3; Senatsbeschluss vom 25. Juni 2014 – Ss 13/2014 (8/14) – m. w. N.; Fischer, StGB, 62. Aufl., §.46 Rn. 127; Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O., Art. 6 MRK Rn. 9e), führt grundsätzlich nicht zu einem von Verfassungs wegen zu beachtenden Verfahrenshindernis (vgl. BGHSt 35, 137 ff. — juris Rn. 51; BGHSt 46, 159 ff. — juris Rn. 21; OLG Rostock StV 2011, 220 ff. — juris Rn. 11; Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O., Art. 6 MRK Rn. 9). Etwas anderes eilt nur in außergewöhnlichen und extrem gelagerten Einzelfällen, in welchen das Ausmaß der Verfahrensverzögerung besonders schwer wiegt und die Dauer des Verfahrens zudem mit besonderen Belastungen für den Beschuldigten einhergegangen ist, so dass eine angemessene Berücksichtigung des Verstoßes im Rahmen einer Sachentscheidung nicht mehr in Betracht kommt, weil die erforderliche Kompensation im Wege der Anrechnung eines bezifferten Teils der verhängten Strafe die unter Berücksichtigung der Verfahrensdauer maximal noch zu erwartende Strafe ersichtlich übersteigen würde (vgl. BVerfG, Beschl. v. 04,09.2009 — 2 BvR 1089/09, juris Rn. 4 ff.; BGHSt 35, 137 ff. — juris Rn. 49 ff.; BGHSt 46, 159 ff. — juris Rn. 21 ff.; Senatsbeschluss vom 18. Januar 2007 – 1 Ws 263/06 -, StV 2007, 178 ff., juris Rn. 11 ff.; OLG Rostock StV 2011, 220 ff. — juris Rn. 12 ff.; Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O., Art. 6 MRK Rn. 9, 9e). Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Allein der Umstand, dass es nach Erlass des erstinstanzlichen Urteils infolge einer versehentlichen Auslagerung der Akten ins Archiv zu einer allein der Justiz anzulastenden Verzögerung des Revisionsverfahrens von rund drei Jahren gekommen ist, reicht für die Annahme eines solchen Ausnahmefalls nicht aus (vgl. BGH StV 2009, 638 f. in einem vergleichbaren Fall).“

Aber zumindest bei der neuen Sachentscheidung – das OLG hat aus anderen Gründen aufgehoben, einen Rabatt bei der Strafzumessung:

„c) Auch wird das neue Tatgericht bei seiner Sachentscheidung zugunsten des Angeklagten zu berücksichtigen haben, dass das Verfahren nach Erlass des angefochtenen Urteils in rechtsstaats- und konventionswidriger Weise (Art. 20 Abs. 3 GG, Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK) für die Dauer von rund drei Jahren verzögert worden ist. Der zeitliche Abstand zwischen den Taten und dem Urteil sowie die besonderen Belastungen, denen der Angeklagte wegen der überlangen Verfahrensdauer ausgesetzt war, werden bei der Strafzumessung mildernd zu berücksichtigen sein (vgl. BGHSt 52, 124, 141 f., 144; BGH StV 2009, 638 f. juris Rn. 5; Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O., Art. 6 MRK Rn. 9d). Dem daneben rechtlich gesondert zu bewertenden und zu entschädigenden Gesichtspunkt, dass die überlange Verfahrensdauer auf einem rechtsstaats- und konventionswidrigen-Verhalten-der Strafverfolgungsbehörden beruht, wird dadurch Rechnung zu tragen sein, dass in die Urteilsformel die nach den Kriterien des § 46 StGB zugemessene (Gesamt-)strafe aufzunehmen und gleichzeitig auszusprechen sein wird, welcher bezifferte Teil dieser Strafe zur Kompensation für die überlange Verfahrensdauer als vollstreckt gilt (vgl. zu diesem sogenannten Vollstreckungsmodell: BGHSt 52, 124, 146 f.; BGH StV 2009, 93 f. – juris Rn. 7 ff.; StV 2009, 638 f. juris Rn. 5; StV 2015, 563; Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O., Art. 6 MRK Rn. 9a ff.).“

Wenigstens etwas.

Der „Teufelskreis“ zieht Kreise, oder: Das hat Burhoff zum Einsichtsantrag schon immer gesagt

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Nach dem „schönen“ OLG Jena, Beschl. v. 01.03.2016 – 2 OLG 101 Ss Rs 131/15 (vgl. dazu Akteneinsicht a la OLG Jena, oder: Burhoff und sein „Teufelskreis“) eine weitere Entscheidung eines OLG zur Einsichts-/Beiziehungsfrage von Messunterlagen/Messdaten, die mir der Kollege Gratz übersandt hat; besten Dank. Es ist der OLG Saarbrücken, Beschl. v. 24.02.2016 – Ss (BS) 6/2016 (4/16 OWi). Das AG hatte den Betroffenen wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung zu einer Geldbuße verurteilt. Hiergegen wendet sich der Betroffene mit seiner Rechtsbeschwerde, mit der er „die Verletzung des rechtli­chen Gehörs bzw. des Anspruches auf ein fai­res Verfahren so­wie die Verletzung for­mel­len Rechts“ rügt. Diese Verfahrensrüge wird im Wesentlichen da­mit be­grün­det, das AG habe da­durch, dass es den von dem Verteidiger des Betroffenen be­reits bei der Bußgeldbehörde ge­stell­ten, von die­ser ab­ge­lehn­ten und im Hauptverhandlungstermin wie­der­hol­ten Antrag, „ihm den zur ei­gen­stän­di­gen Auswertung der Messung er­for­der­li­chen kom­plet­ten Falldatensatz ein­schließ­lich der dort ge­spei­cher­ten Helligkeitsprofile her­aus­zu­ge­ben“, ab­ge­lehnt habe, den Anspruch des Betroffenen auf ein fai­res Verfahren ver­letzt, weil die Kenntnis die­ser Informationen für eine sach­ge­rechte Verteidigung, näm­lich zur Überprüfung der mit dem Messgerät ES 3.0 der Firma ESO durch­ge­führ­ten Geschwindigkeitsmessung, un­ab­ding­bar sei.

Das Rechtsmittel hatte zwar aus formellen Gründen keinen Erfolg, aber die Entscheidung ist in meinen Augen dennoch von erheblicher Bdeeutung. Und zwar aus zwei Gründen:

Das OLG führt zunächst aus und bestätigt, was schon das OLG Düsseldorf im vorigen Jahr festgestellt hat:

„Zwar kann sich aus dem – aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) in Verbindung mit dem all­ge­mei­nen Freiheitsrecht (Art. 2 Abs. 1 GG) so­wie aus Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK fol­gen­den (vgl. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 22.07.2015 – 2 RBs 63/15, ju­ris Rn. 17; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 58. Aufl., Einl. Rn. 19) – Recht auf ein fai­res Verfahren ein über das Recht auf Akteneinsicht (§ 147 StPO i. V. mit § 46 Abs. 1 OWiG) hin­aus­ge­hen­der Anspruch des Betroffenen auf Einsicht in die bei der Bußgeldbehörde vor­han­de­nen, sich nicht bei den Akten be­fin­den­den Messunterlagen und Messdaten er­ge­ben, und zwar un­ab­hän­gig da­von, ob kon­krete Anhaltspunkte für Messfehler vor­lie­gen oder vom Betroffenen vor­ge­tra­gen wor­den sind (vgl. OLG Düsseldorf, a. a. O., ju­ris Rn. 18; Cierniak, zfs 2012, 664, 673; Cierniak/Niehaus, DAR 2014, 2, 4 f.)…“

Und es gibt dann einen für den Verteidiger wichtigen Hinweis:

„…Auf die Versagung die­ser Einsicht in die Messunterlagen bzw. Messdaten durch die Bußgeldbehörde kann die Rechtsbeschwerde je­doch für sich al­lein nicht ge­stützt wer­den, da es sich hier­bei um ein der Hauptverhandlung vor­ge­la­ger­tes Geschehen han­delt (vgl. Cierniak/Niehaus, DAR 2014, 2, 6; vgl. auch be­züg­lich der Verweigerung der Akteneinsicht: OLG Hamm NJW 1972, 1096; Meyer-Goßner/Schmitt, a. a. O., § 147 Rn. 42).

b) Nur wenn des­we­gen in der Hauptverhandlung ein Antrag auf Unterbrechung oder Aussetzung ge­stellt und durch Gerichtsbeschluss ab­ge­lehnt wor­den ist, kann der Rechtsbeschwerdegrund der un­zu­läs­si­gen Beschränkung der Verteidigung (§ 338 Nr. 8 StPO i. V. mit § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG), der auch in Betracht kommt, wenn das Gericht ge­gen den Grundsatz des fai­ren Verfahrens ver­stößt (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, a. a. O., § 338 Rn. 59), gel­tend ge­macht wer­den (vgl. BGH NStZ 1985, 87 f. – ju­ris Rn. 2 f.; StV 1988, 193 f. – ju­ris Rn. 3 ff.; OLG Hamm NJW 1972, 1096 f.; KG VRS 83, 428, 429; Cierniak, zfs 2012, 664, 672, 676; Cierniak/Niehaus, DAR 2014, 2, 7). Zum Erhalt die­ser Rüge muss von dem Zwischenrechtsbehelf des § 238 Abs. 2 StPO (i. V. mit § 46 Abs. 1 OWiG) Gebrauch ge­macht wer­den (vgl. BGHSt 1, 322, 325; Meyer-Goßner/Schmitt, a. a. O., § 238 Rn. 22; Cierniak, zfs 2012, 664, 672, 676; Cierniak/Niehaus, DAR 2014, 2, 7). Das gilt auch im Verfahren vor dem Bußgeldrichter, ob­wohl hier Vorsitzender und Gericht iden­tisch sind (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, a. a. O., § 238 Rn. 18; Cierniak/Niehaus, DAR 2014, 2, 7)…“

Wer in den letzten Jahren bei mir in einer Fortbildung oder im FA-Kurs war, weiß das (hoffentlich). Ich könnte auch schließen mit: Habe ich doch schon immer gesagt (vgl. VRR 2011, 250 und VRR 2012, 130; Burhoff in: Burhoff (Hrsg.), Handbuch für das straßenverkehrsrechtliche OWi-Verfahren, 4. Aufl., 2015, Rn 254 ff. m.w.N.). Und Cierniak und Niehaus haben es auch gesagt. Also: Achtung.

Abstinenzweisung beim Suchtkranken? – Geht nicht = unzulässig….

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Eine Frage, die in der Praxis immer wieder eine – für die Betroffenen – erhebliche Rolle spielt und die nicht unumstritten ist, entscheidet (noch einmal) der schon etwas ältere OLG Saarbrücken, Beschl. v. 13.07.2015 – 1 Ws 114/15. Es ist die Frage nach der Zulässigkeit der sog. Abstinenzweisung bei einem langjährig und manifest suchtkranken Verurteilten (§ 68b Abs. 1 Satz 1 Nr. 10 StGB). Zulässig oder unzulässig, weil es sich um einen unzumutbaren Eingriff in die Lebensführung des Verurteilten handelt. Das OLG geht davon aus:

„a) Mit der durch das am 18. April 2007 in Kraft getretene Gesetz zur Reform der Führungsaufsicht und zur Änderung der Vorschriften über die nachträgliche Sicherungsverwahrung (BGBl. I, S. 531) neu in den nach 145a StGB strafbewehrten Katalog der Weisungen nach § 68b Abs. 1 StGB eingefügten Möglichkeit einer „Abstinenzweisung“ gemäß § 68b Abs. 1 Satz 1 Nr. 10 StGB wollte der Gesetzgeber dem Umstand Rechnung tragen, dass der Missbrauch von Alkohol oder anderen berauschenden Mitteln in vielen Fällen einen zentralen Risikofaktor für eine gelungene Resozialisierung darstellt, weshalb es „für einen rückfallfreien Verlauf“ vielfach entscheidend darauf ankomme, Tendenzen des Abgleitens in einen erheblichen Suchtmittelmissbrauch frühzeitig zu erkennen und ihnen zu begegnen (vgl. BT-Drucks. 16/1993, S. 19). Als Weisungsadressaten kommen daher vor allem im Straf- oder Maßregelvollzug erfolgreich behandelte alkohol- oder drogensüchtige Straftäter in Frage, denen die Weisung dazu dienen soll, in der Zeit nach ihrer Entlassung die erforderliche Abstinenz gegen Rückfälle abzusichern (vgl. Schneider, NStZ 2007, 441, 443; Fischer, aaO., § 68b Rn. 12; OLG Hamm, Beschl. vom 10.01.2013 – 5 Ws 358/12 und 5 Ws 359/12, Rn. 39 nach juris).

b) Gegenüber einem – wie hier – langjährig und manifest suchtkranken Verurteilten, der bislang nicht oder nicht erfolgreich behandelt werden konnte, scheidet eine Weisung nach 68b Abs. 1 Satz 1 Nr. 10 StGB hingegen nach vom Senat für zutreffend erachteter Auffassung aus, da sie an die Lebensführung des Verurteilten unzumutbare Anforderungen stellen würde (vgl. OLG Dresden NJW 2009, 3315, 331; OLG Celle NStZ-RR 2010, 91 f. – Rn. 6 ff. nach juris; Schneider, aaO.; Fischer, aaO., § 68b Rn. 12, 12b; Schönke/Schröder/Stree/Kinzig, aaO.; LKSchneider/StGB, 12. Aufl., § 68b Rn. 36; a. A.: OLG Köln NStZ.RR 2011, 62 f. – Rn. 10 ff. nach juris; OLG Rostock NStZ-RR 2012, 222 f. – Rn. 15 ff. nach juris; differenzierend: OLG Hamm, aaO., das auf die Umstände des Einzelfalls abstellen will; OLG München NStZ-RR 2012, 324 f. – Rn. 12 nach juris, das eine Abstinenzweisung bei Unfähigkeit zur Ab-stinenz für unzumutbar hält, Abstinenzfähigkeit aber bei einem Heroinabhängigen bejaht, der im Strafvollzug abstinent war und hierzu auch „in einer geschützten Umgebung bei lebensbegleitender Therapie“ in der Lage wäre; OLG Bamberg, Beschl. v. 18.06.2014 – 3 Ss 76/14, Rn. 3 nach juris). Denn von ihm würde ein Verhalten – nämlich Suchtmittelfreiheit – verlangt, zu dem er bedingt durch seine Suchterkrankung von vornherein nicht in der Lage ist. Weder während seiner neun Tage andauernden therapeutischen Behandlung im Rahmen der Zurückstellung der Strafvollstreckung nach § 35 BtMG im Dezember 2013 noch im anschließenden Strafvollzug ist es dem Verurteilten gelungen, drogenfrei zu leben. Mit hoher Wahrscheinlichkeit wird er, da lediglich eine erfolgreich absolvierte stationäre Drogentherapie eine realistische Chance auf eine Heilung von der langjährigen Drogensucht böte, auch nunmehr in Freiheit abermals Betäubungsmittel (insbesondere Heroin und Kokain) konsumieren. Ein nach § 145a StGB mit Strafe bedrohter Weisungsverstoß wäre daher vorprogrammiert. Entsprechend dem Zweck der Führungsaufsicht, gefährliche oder rückfallgefährdete Straftäter in ihrer Lebensführung in Freiheit über gewisse kritische Zeiträume hinweg zu unterstützen und zu überwachen, um sie von künftigen Straftaten abzuhalten (vgl. OLG Celle, aaO., Rn. 8 nach juris; Schönke/Schröder/Stree/Kinzig, aaO., § 68 Rn. 3; Fischer, aaO., Vor § 68 Rn. 2; LK-Schneider, aaO., Vor § 68 Rn. 3), sollen Weisungen im Rahmen der Führungsaufsicht dazu dienen, den Verurteilten von der Begehung weiterer Straftaten abzuhalten oder die insoweit bestehende Gefahr zumindest zu verringern (vgl. Schönke/Schröder/Stree/Kinzig, aaO., § 68b Rn. 1; Fischer, aaO., § 68b Rn. 2). Durch eine Weisung nach § 68b Abs. 1 Satz 1 Nr. 10 StGB gegenüber einem langjährig und manifest Drogenabhängigen würde dieser Zweck geradezu in sein Gegenteil verkehrt, indem bereits ein ansonsten straffreier bloßer Konsum von Drogen unter Strafe gestellt wird. Die von dem Verurteilten im Rahmen seiner Anhörung durch die Strafvollstreckungskammer erklärte Überlegung, „ins Substitutionsprogramm zu gehen“, ändert hieran nichts, sondern bestätigt gerade das Fortbestehen der Suchterkrankung.

c) Die Argumente der Gegenauffassung geben dem Senat keine Veranlassung für eine hiervon abweichende Beurteilung…….“

Lösung zu: Ich habe da mal eine Frage: Wie geht das noch mit der Abrechnung nach dem Teilfreispruch?

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Zu meiner Frage vom vergangenen Freitag: Ich habe da mal eine Frage: Wie geht das noch mit der Abrechnung nach dem Teilfreispruch?, hat ja schon der Kollege Ullrich eingehend Stellung genommen. Dem ist an sich nichts mehr hinzuzufügen, außer: Einen habe ich noch, nämlich einen OLG-Beschluss, der u.a. zu der Frage gerade Stellung genommen hat, nämlich den OLG Saarbrücken, Beschl. v. 10.11.2015 – 1 Ws 197/15.

Vorab: Abzurechnen ist in den Fällen des Teilfreispruchs, wenn im Urteil nicht Quoten festgelegt sind, entweder mach der Differenztheorie oder nach Bruchteilen. Dazu das OLG:

a) Hat — wie im vorliegenden Fall — bei einem Teilfreispruch das Gericht in seiner Kostengrundentscheidung keine Quotelung nach § 464d StPO vorgenommen, sondern die Kosten und notwendigen Auslagen des Angeklagten der Landeskasse auferlegt, „soweit“ er freigesprochen wurde, kann im anschließenden Kostenfestsetzungsverfahren nach § 464b StPO die Höhe der dem Angeklagten zu erstattenden, auf den Freispruch entfallenden notwendigen Auslagen nach pflichtgemäßem Ermessen des Rechtspflegers entweder nach der sogenannten Differenztheorie — in diesem Fall wird von dem gesamten Wahlverteidigerhonorar das fiktive Honorar abgezogen, das entstanden wäre, wenn nur die abgeurteilten Taten Gegenstand der Verteidigung gewesen wären (vgl. Senatsbeschlüsse vom 25. Juli 2000 – 1 Ws 57/00 Rpfleger 2000, 564 f., Rn. 7 nach juris und vom 25. März 2010 – 1 Ws 64/09 -; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 24.02.2010 — 1 Ws 700/09, Rn. 10 nach juris; Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O., § 464d Rn. 2 und § 465 Rn. 8 f.) — oder nach Bruchteilen (vgl. Senatsbeschlüsse vom 3. Juni 2013 – 1 Ws 127/12 – und vom 1. Dezember 2014 – 1 Ws 167/14 -) bestimmt werden, da § 464d StPO auch im Kostenfestsetzungsverfahren gilt (vgl. OLG Braunschweig NStZ-RR 2014, 263 f. — Rn. 11 nach juris; Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O., § 464b Rn. 1 und § 464d Rn. 3; KK-Gieg, StPO, 7. Aufl., § 464d Rn. 2 f.; Löwe-Rosenberg/Hilger, StPO, 26. Aufl., § 464b Rn. 8 und § 465 Rn. 40; Volpert in: Burhoff, RVG Straf- und Bußgeldsachen, 3. Aufl., Teil A: Kostenfestsetzung und Erstattung in Strafsachen, Rn. 944, 948).

Dazu steht dann einiges in unserem RVG-Kommentar, allerdings jetzt Teil A, Rn. 1400 ff. 🙂 . Das OLG zitiert leider noch die 3. Aufl. 🙂  .

In dem OLG Saarbrücken, Beschl. ging es im Übrigen aber um eine ganz andere Frage, nämlich in welchem Umfang bereits gezahlte Pflichtverteidigergebühren auf den Erstattungsanspruch anzurechnen sind: Voll oder ggf. auch nur in Höhe der/einer Quote. Das OLG folgt der h.M. und sagt dazu – hier der Leitsatz:

Die gezahlten Pflichtverteidigergebühren sind bei einem Teilfreispruch in voller Höhe und nicht nur im anteiligen Verhältnis von Freispruch zu Verurteilung auf den Erstattungsanspruch anzurechnen.

Rückwärts fahrender LKW/falsch fahrender Radfahrer – wie wird gehaftet?

FahrradfahrerAus der Reihe: Wie wird gehaftet?“ weise ich heute auf das OLG Saarbrücken, Urt. v. 22.01.2015 – 4 U 69/14 hin. Er kommt bei der Konstellation: Rückwärts in eine Grundstückseinfahrt einbiegender Lkw mit einem einen Radweg in der falschen Richtung befahrenden Radfahrerin, zu der für mich ein wenig überraschenden vollen Haftung des LKW-Fahrers. Das begründet das OLG mit

  • der Betriebsgefahr beim LkW,
  • einem Verstoß des Lkw-Fahrers gegen § 9 StVO,

kein Verschulden des Radfahrerin, das insbesondere nicht in der Benutzung des Radwegs in der nicht angezeigten „falschen“ Richtung besteht, da die Richtung eines Radwegs nur den Gegen-, nicht aber den kreuzenden Verkehr schützt.

Überraschend, jedenfalls für mich, aber ich kann ja auch kein Zivilrecht 🙂 . Die Radfahrerin selbst war übrigens wohl nur von einer Haftungsquote von 75% zu ihren Gunsten ausgegangen und hatte erst gar nicht mehr beantragt.