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Nach Teilfreispruch Differenztheorie, oder: Ob Verteilung richtig, kann man nicht sagen

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Am heutigen „Gebührentag“ zunächst der AG Lehrte, Beschl. v. 28.9.2017 – 6 Ls 19 Js 18713/15. Es geht um die Kostenerstattung nach einem Teilfreispruch. Verurteilt worden ist der Angeklagte wegen unerlaubten Besitzes einer halbautomatischen Kurzwaffe in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz von Munition zu einer solchen Waffe sowie wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln. Von welcher Vorwurf er frei egsprochen worden ist, ergibt sich aus dem Beschluss nicht. Der Angeklagte meinte: Wenn von Anfang an der Vorwurf in der Welt gewesen wäre, der zur Verurteilung geführt hat, hätte ich gar keinen Verteidiger genommen. Also sind nach der anwendbaren Diffenrenztheorie desse gesamte Kosten von der Staatskasse zu erstatten.

Das sieht das AG anders:

„Der Verurteilte kann sich allerdings nicht darauf berufen, dass er bei einer Anklage wegen nur der Taten, wegen derer er letztlich verurteilt wurde, gar keinen Verteidiger in Anspruch genommen hätte. Gegen dieses Vorbringen spricht bereits, dass der Verurteilte die Verteidigerin bereits im Ermittlungsverfahren beauftragt hat, also zu einer Zeit, als noch offen war, ob es überhaupt zu einer Anklage kommen würde und wenn ja, mit welchen Tatvorwürfen. Weiterhin handelt es sich bei dem Vorwurf des unerlaubten Besitzes einer halbautomatischen Kurzwaffe um eine Tat, die mit einer Freiheitsstrafe von 6 Monaten bis zu 5 Jahren geahndet werden kann und nicht etwa um ein Bagatelldelikt. Es kann daher nicht davon ausgegangen werden, dass der Verurteilte zur Verteidigung nur gegen diesen Vorwurf aus Kostenerwägungen von vornherein auf Hinzuziehen eines Rechtsanwalts verzichtet hätte.

Zu berücksichtigen ist dagegen, dass der Verurteilte die beiden Taten, wegen derer er verurteilt wurde, bereits am ersten Verhandlungstag gestanden hat. Wären also nur diese Taten Gegenstand des Verfahrens gewesen, wäre die weitere Beweisaufnahme entbehrlich gewesen und die Hauptverhandlung mit diesem Verhandlungstag beendet worden. Die Verteidigervergütung für die Fortsetzung des Verfahrens und die weiteren Verhandlungstage wäre nicht angefallen. Es sind daher lediglich die bis einschließlich zum 08.06.2016 angefallenen Gebühren und Auslagen der Verteidigerin anzusetzen, also 761,90 €. Die Kosten der weiteren Verteidigertätigkeit in Höhe von 1.489,65 € (608,57 und 881 ,08) hat der Verurteilte nicht zu tragen.“

Ob die Abwägung so richtig ist, kann man leider nicht beurteilen, da offen ist, von welchem Vorwurf der Angeklagte frei gesprochen worden ist.

Lösung zu: Ich habe da mal eine Frage: Wie geht das noch mit der Abrechnung nach dem Teilfreispruch?

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Zu meiner Frage vom vergangenen Freitag: Ich habe da mal eine Frage: Wie geht das noch mit der Abrechnung nach dem Teilfreispruch?, hat ja schon der Kollege Ullrich eingehend Stellung genommen. Dem ist an sich nichts mehr hinzuzufügen, außer: Einen habe ich noch, nämlich einen OLG-Beschluss, der u.a. zu der Frage gerade Stellung genommen hat, nämlich den OLG Saarbrücken, Beschl. v. 10.11.2015 – 1 Ws 197/15.

Vorab: Abzurechnen ist in den Fällen des Teilfreispruchs, wenn im Urteil nicht Quoten festgelegt sind, entweder mach der Differenztheorie oder nach Bruchteilen. Dazu das OLG:

a) Hat — wie im vorliegenden Fall — bei einem Teilfreispruch das Gericht in seiner Kostengrundentscheidung keine Quotelung nach § 464d StPO vorgenommen, sondern die Kosten und notwendigen Auslagen des Angeklagten der Landeskasse auferlegt, „soweit“ er freigesprochen wurde, kann im anschließenden Kostenfestsetzungsverfahren nach § 464b StPO die Höhe der dem Angeklagten zu erstattenden, auf den Freispruch entfallenden notwendigen Auslagen nach pflichtgemäßem Ermessen des Rechtspflegers entweder nach der sogenannten Differenztheorie — in diesem Fall wird von dem gesamten Wahlverteidigerhonorar das fiktive Honorar abgezogen, das entstanden wäre, wenn nur die abgeurteilten Taten Gegenstand der Verteidigung gewesen wären (vgl. Senatsbeschlüsse vom 25. Juli 2000 – 1 Ws 57/00 Rpfleger 2000, 564 f., Rn. 7 nach juris und vom 25. März 2010 – 1 Ws 64/09 -; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 24.02.2010 — 1 Ws 700/09, Rn. 10 nach juris; Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O., § 464d Rn. 2 und § 465 Rn. 8 f.) — oder nach Bruchteilen (vgl. Senatsbeschlüsse vom 3. Juni 2013 – 1 Ws 127/12 – und vom 1. Dezember 2014 – 1 Ws 167/14 -) bestimmt werden, da § 464d StPO auch im Kostenfestsetzungsverfahren gilt (vgl. OLG Braunschweig NStZ-RR 2014, 263 f. — Rn. 11 nach juris; Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O., § 464b Rn. 1 und § 464d Rn. 3; KK-Gieg, StPO, 7. Aufl., § 464d Rn. 2 f.; Löwe-Rosenberg/Hilger, StPO, 26. Aufl., § 464b Rn. 8 und § 465 Rn. 40; Volpert in: Burhoff, RVG Straf- und Bußgeldsachen, 3. Aufl., Teil A: Kostenfestsetzung und Erstattung in Strafsachen, Rn. 944, 948).

Dazu steht dann einiges in unserem RVG-Kommentar, allerdings jetzt Teil A, Rn. 1400 ff. 🙂 . Das OLG zitiert leider noch die 3. Aufl. 🙂  .

In dem OLG Saarbrücken, Beschl. ging es im Übrigen aber um eine ganz andere Frage, nämlich in welchem Umfang bereits gezahlte Pflichtverteidigergebühren auf den Erstattungsanspruch anzurechnen sind: Voll oder ggf. auch nur in Höhe der/einer Quote. Das OLG folgt der h.M. und sagt dazu – hier der Leitsatz:

Die gezahlten Pflichtverteidigergebühren sind bei einem Teilfreispruch in voller Höhe und nicht nur im anteiligen Verhältnis von Freispruch zu Verurteilung auf den Erstattungsanspruch anzurechnen.

Ich habe da mal eine Frage: Wie geht das noch mit der Abrechnung nach dem Teilfreispruch?

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Heute greife ich mal eine Frage auf, die vor einigen Tagen von einem Kollegen gestellt worden ist – er wird sich wiederfinden. Es ist eine Frage, die in der Praxis immer wieder eine Rolle spielt und häufig auch Probleme bereitet, nämlich:

„… Grund ist folgender Sachverhalt: Mandant ist angeklagt wegen 4 einzelner, unterschiedlicher Taten. Ich bin in dem Verfahren als Wahlverteidiger. Bei drei Anklagepunkten erfolgt Freispruch. Hinsichtlich des vierten Vorwurfs erfolgt eine Verurteilung. Wie bitte rechne ich gegenüber dem Gericht ab? Differenzmethode?“

Na? Montag gibt es dann die Lösung.

Das Schattendasein des § 465 Abs. 2 StPO – einer für die Kostenverteilung wichtigen Vorschrift

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Manche Vorschriften führen in meinen Augen ein Schattendasein, d.h. sie werden häufig übersehen. Und zwar nicht nur von den Gerichten, sondern auch von Verteidigern, die auf sie nicht hinweisen und die Gerichte damit nicht „zwingen“ sich mit den Vorschriften auseinanderzusetzen. Zu diesen Vorschriften gehört § 465 Abs. 2 StPO.

In § 465 StPO ist die Kostentragungspflicht  des Angeklagten geregelt.

In Absatz 1 heißt es:

(1) Die Kosten des Verfahrens hat der Angeklagte insoweit zu tragen, als sie durch das Verfahren wegen einer Tat entstanden sind, wegen derer er verurteilt oder eine Maßregel der Besserung und Sicherung gegen ihn angeordnet wird. Eine Verurteilung im Sinne dieser Vorschrift liegt auch dann vor, wenn der Angeklagte mit Strafvorbehalt verwarnt wird oder das Gericht von Strafe absieht.
Absatz 2 macht davon eine Ausnahme, die in den Fällen des Teilfreispruchs eine Rolle spielen kann. Dort heißt es:
(2) Sind durch Untersuchungen zur Aufklärung bestimmter belastender oder entlastender Umstände besondere Auslagen entstanden und sind diese Untersuchungen zugunsten des Angeklagten ausgegangen, so hat das Gericht die entstandenen Auslagen teilweise oder auch ganz der Staatskasse aufzuerlegen, wenn es unbillig wäre, den Angeklagten damit zu belasten. Dies gilt namentlich dann, wenn der Angeklagte wegen einzelner abtrennbarer Teile einer Tat oder wegen einzelner von mehreren Gesetzesverletzungen nicht verurteilt wird. Die Sätze 1 und 2 gelten entsprechend für die notwendigen Auslagen des Angeklagten.

Und auf diese Ausnahme weist der BGH, Beschl. v. 09.10.2012 – 5 StR 441/12 – hin. Der nur teilweise verurteilte Angeklagte, dem aber offenbar dennoch die gesamten Kosten auferlegt worden waren, hatte gegen die Kosten- und Auslagenentscheidung sofortige Beschwerde eingelegt, die Erfolg hatte. Dazu der BGH:

Die sofortige Beschwerde des Angeklagten gegen die Kosten- und Auslagenentscheidung (§ 464 Abs. 3 StPO) hat hingegen vorläufig Erfolg und führt insoweit zur Zurückverweisung der Sache an die Strafkammer des Landgerichts (BGH, Beschluss vom 12. Februar 1998 – 1 StR 777/97, StV 1998, 610 mwN). Das Landgericht hätte sich aufgrund der erheblichen Diskrepanz zwischen dem mit der Anklage erhobenen Vorwurf (versuchte besonders schwere räuberische Erpressung in Tateinheit mit unerlaubtem Führen eines Schlagrings) und dem abgeurteilten Waffendelikt zu einer Prüfung des § 465 Abs. 2 StPO veranlasst sehen müssen. Entsprechende Feststellungen hierzu hat das Landgericht weder getroffen noch erkennen lassen, dass es sich einer Entscheidungsmöglichkeit nach dieser Vorschrift bewusst war.“

Diese Vorschrift sollte man als Verteidiger beim Teilfreispruch auf dem Schirm haben.