Schlagwort-Archive: OLG Naumburg

„Und sie bewegt sich doch!“, oder: Es muss eine „Lebensakte“ geben

entnommen wikimedia.org Author Justus Sustermans

entnommen wikimedia.org
Author Justus Sustermans

„Und sie bewegt sich doch!“ – das soll Galileo Galilei im 17. Jahrhundert im Hinblick auf die sich (nach seiner Auffassung) bewegende Erde ausgerufen haben. An den Ausspruch war ich erinnert, als ich den OLG Naumburg, Beschl. v. 09.12.2015 – 2 Ws 221/15 – gelesen haben. der befasst sich mit der Wartung von Messgeräten und deren Dokumentation. Das OLG macht dazu erfreuliche Ausführungen und ist wieder einmal – wie auch schon bei der Akteneinsicht mit dem OLG Naumburg, Beschl. v. 05.11.2012 – 2 Ss (Bz) 100/12 (vgl. dazu Danke OLG Naumburg – erste OLG-Entscheidung zum Umfang der Akteneinsicht im Bußgeldverfahren – Teil 2) – auf dem richtigen Weg. Also eine erfreuliche Entscheidung zum Wochenauftakt.

Ergangen ist der Beschluss in einem Verfahren wegen Geschwindigkeitsüberschreitung. Da hatte das AG einen (hohen) Toleranzwert von 20 % angenommen und den damit begründet, dass es keine Lebensakte über das Messgerät geben. Die Stadt Zeitz (?), die das Gerät gemietet hatte, könne keine Angaben darüber machen, ob Reparaturen an dem Gerät nach der Eichung durchgeführt worden seien. Weil keine Lebensakte existier und die Kommune keine Auskünfte zu Reparaturen etc. erteilen konnte, sei die Gültigkeit der Eichung zweifelhaft. Zu Gunsten der Betroffenen ist das AG daher von einer erloschenen Eichgültigkeit ausgegangen.

Lassen wir mal die Frage dahingestellt, ob das AG nicht ggf. konsequenterweise hätte frei sprechen müssen (nach der OLG-Rechtsprechung wohl nicht). Das OLG hat die Entscheidung aufgehoben und zurückverwiesen und hat – anders als die StA – ein standardisiertes Messverfahren verneint. Allein die Tatsache, dass die Eichsiegel bei der Messung unversehrt waren, mache die Prüfung, ob an dem Gerät nach der Eichung Reparaturen vorgenommen worden seien, nicht entbehrlich.

In dem Zusammenhang macht das OLG Ausführungen, die m.e. von weit tragender Bedeutung sind, und zwar sowohl zur Aufklärungspflicht des AG – mit der eine „Vorab-Informationspflicht“ des Betroffenen/Verteidigers korrespondiert. Dazu heißt es:

„Der Senat hat indes nicht zu entscheiden, welche rechtlichen Folgen die Unaufklärbarkeit dieser Fragen hätte. Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts ist nämlich davon auszugehen, dass eine Auskunft der Eigentümerin des Messgeräts bzw. die Vernehmung eines Mitarbeiters die „Reparaturfrage“ klären kann. Das Amtsgericht hat insoweit ausgeführt: „Dass eine private, auf Gewinnerzielung orientierte Gesellschaft, die zahlreiche Geschwindigkeitsmessgeräte vermietet, diesbezüglich nicht durch – ohnehin nicht bekannte – Zeugen glaubhafte Angaben machen kann, wenn sie keine Geräteakten führt, liegt auf der Hand.“ Das sieht der Senat anders.

Die Firma G. GmbH ist gemäß § 31 Abs. 2 Nr. 4 Mess- und Eichgesetz verpflichtet, Nachweise über Wartungen, Reparaturen und sonstige Eingriffe am Messgerät herzustellen und aufzubewahren. Das muss nicht in einer Lebensakte geschehen, sondern kann auf andere Weise erfolgen. Selbst wenn die Firma entgegen dieser Verpflichtung keine entsprechenden Unterlagen hergestellt und aufbewahrt hat, ist zu erwarten, dass entsprechende Vorgänge in anderer Weise dokumentiert sind. Die Generalstaatsanwaltschaft weist zutreffend darauf hin, dass das Amtsgericht im Rahmen der Aufklärungspflicht angehalten ist, sich um entsprechende Unterlagen bzw. Zeugenaussagen zu bemühen.“

Das wird man der häuifg von Bußgeldbehörden geäußerten Aussage: Es gibt keine Lebensakte entgegenhalten können/müssen: Es gibt sie doch, auch wenn sie so nicht unbedingt heißen muss. Wer bei mir im FA-Kurs oder in Fortbildungen war, weiß, dass ich das seit Jahren „predige“.

Und, m.E. noch schöner:

„Der Senat sieht Anlass zu bemerken:

Er teilt das im Urteil angedeutete Unbehagen des Amtsgerichts über die sehr dürftige Auskunft der Stadt Z. vom 25. März 2015 (Bl. 25 d. A.). Entschließen sich die Überwachungsbehörden, Private bzw. Geräte Privater für Verkehrsüberwachungen heranzuziehen, liegt es nahe, eine Beauftragung von der ordnungsgemäßen Dokumentation von Reparaturen etc. an den Geräten abhängig zu machen. Der bloße Verweis auf die Unversehrtheit der Sicherungsmarken reicht jedenfalls nicht aus.

Hält das Gericht die Klärung der Frage, ob das Gerät nach der Eichung repariert oder sonst- wie verändert worden ist, für erforderlich, kann es erwarten, dass diese Frage durch die Bußgeldbehörde im Rahmen der ihr obliegenden Ermittlungen durch Beifügen von Dokumenten bzw. Zeugenvernehmungen geklärt worden ist. Ist das nicht der Fall, liegt es nahe, die Sache gemäß § 69 Abs. 5 Satz 1 OWiG an die Verwaltungsbehörde zurückzuverweisen.“

Wer die Diktion von OLG kennt, weiß, was es bedeutet, wenn ein OLG-Senat „Unbehagen“ hat. Alles in allem ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Jetzt müssen die Amtsrichter das nur auch umsetzen.

Für mich läuft die Entscheidung übrigens unter: Die „Galilei-Enstscheidung“ des OLG Naumburg.

So lange es den „Richtervorbehalt“ gibt, muss man sich dran halten

© Klaus Eppele - Fotolia.com

© Klaus Eppele – Fotolia.com

Die mit der Missachtung des Richtervorbehalts bei der Blutentnahme bei Trunkenheits- und/oder Drogenfahrten (§§ 315c, 316 StGB; 24a StVG) zusammenhängenden Fragen haben vor einiger Zeit die Rechtsprechung und auch die Blogs intensiv beschäftigt. Der „Rechtsprechungsmarathon“ ist inzwischen abgeflaut. Ein OLG Naumburg, Beschl. v. 05.11.2015 – 2 Ws 201/15  – zeigt aber, dass es auch heute noch für den Verteidiger Sinn machen kann, sich mit den Fragen des § 81a Abs. 2 StPO zu befassen. In dem Beschluss hat das OLG die Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft gegen den AG Zeitz, Beschl. v. 03.08.2015 – 13 OWi 723 Js 204201/15 – verworfen und das AG Zeitz bestätigt. Das AG hatte den Betroffenen vom Vorwurf der Drogenfahrt nach § 24a Abs. 2 StVG freigesprochen. Es hatte für das Untersuchungsergebnis einer dort durchgeführten Blutprobenentnahme wegen eines Verstoßes gegen den Richtervorbehalt des § 81 a Abs.2 StPO ein Beweisverwertungsverbot angenommen. Die Blutprobe war an einem Sonntag um 16.30 Uhr entnommen worden, obwohl zu der Zeit, was den Polizeibeamten bekannt war, ein richterlicher Eildienst eingerichtet war. Der Polizeibeamte hatte – so weit er sich überhaupt nocht erinnern konnte – nur den „Diensthabenden“ benachrichtigt, sich dann aber nicht mehr weiter um die Sache gekümmert und die Blutprobe veranlasst. Dazu das OLG:

„Das Amtsgericht hat zu Recht angenommen, dass hier der Richtervorbehalt willkürlich bewusst und gezielt umgangen worden ist. Dafür spricht bereits, dass der Zeuge pp. nicht, wie erforderlich, schriftlich Gründe dafür niedergelegt hat, weshalb er sich nicht bemüht hat, eine richterliche Entscheidung herbeizuführen. Die Information des Diensthabenden, wenn sie denn erfolgt sein sollte, reichte nicht aus, um dem Richtervorbehalt zu genügen. Die bloße Information des Diensthabenden ohne Rückfrage, ob der Richter erreicht wurde und wenn ja, wie er entschieden hat, würde nämlich den Richtervorbehalt in besonders deutlicher Weise missachten, nämlich dergestalt, dass der Richter zwar informiert werden soll, dem Polizeibeamten aber völlig egal ist, ob der Richter eine Blutentnahme anordnet oder diese ablehnt. Eine Respektierung des Richtervorbehalts setzt nicht nur die Information des Diensthabenden voraus, sondern auch eine Rückfrage dahingehend, ob der Richter erreicht wurde und wenn ja, ob er die Blutentnahme angeordnet oder eine solche Anordnung abgelehnt hat. All dies hat der Zeuge nicht getan, das erlaubt nur eine Schlussfolgerung: Es war ihm völlig gleichgültig, ob ein Richter erreichbar war und wenn ja, wie dieser entschied, auf jeden Fall wurde die Blutentnahme angeordnet.“

Treffend auch, wenn das OLG meint:

„Zuzustimmen ist der Generalstaatsanwaltschaft zwar, dass eine Blutentnahme einen minimalen Eingriff in die Rechte des Betroffenen darstellt und es sinnvoll wäre, den Richtervorbehalt insoweit abzuschaffen. Solange der Gesetzgeber ihn indes vorsieht, haben sich Exekutive und Judikative daran zu halten, weil sie an das Gesetz gebunden sind.“

Falsch gefahren – deshalb „fahrunsicher“? – so einfach nicht

© monticellllo - Fotolia.com

© monticellllo – Fotolia.com

Ich hatte ja heute morgen schon auf den OLG Naumburg, Beschl. v. 24.08.2015 – 2 RV 104/15 hingewiesen (vgl.: Selbstläufer).  Die Entscheidung ist aber nicht nur wegen der angesprochenen Revisions-Rechtsbeschwerdeproblematik interessant, sondern auch wegen der weiteren Frage, zu der das OLG Stellung genommen hat, nämlich dazu, ob die Feststellungen des Amtsgerichts zu der alkoholbedingten Fahruntüchtigkeit der wegen eines Verstoßes gegen § 315c StGB verurteilten Angeklagten ausreichend sind. Das AG hatte – wie häufig/üblich – abgestellt auf nachträglichen Ausfallerscheinungen wie „Gang der Angeklagten unsicher, plötzliche Kehrtwendung nach vorherigem Gehen unsicher und Finger-Finger-Probe unsicher“. Das reicht dem OLG – auch in Zusammenhnag mit einem Fahrfehler nicht:

Allerdings hätte es für die Annahme alkoholbedingter Ausfallerscheinungen einer Gesamtwürdigung sämtlicher Tatumstände unter Einbeziehung des Unfallhergangs und von Darlegungen zu der Kausalität zwischen der festgestellten Alkoholisierung und dem Unfallereignis bedurft.

Zwar teilt das Gericht mit, dass die Angeklagte beim Abbiegevorgang in eine vorfahrtsberechtigten Straße den aus ihrer Fahrtrichtung gesehen von links kommenden Pkw des Zeugen pp.   aufgrund ihrer hohen Alkoholisierung und der damit einhergehenden Einschränkung ihrer Reaktions- und Wahrnehmungsfähigkeit übersehen habe (UA S. 3), obgleich die Straße für die Angeklagte nach links zum Tatzeitpunkt etwa 30 m frei einsehbar gewesen sei, zum Tatzeitpunkt um 7:35 Uhr Berufsverkehr geherrscht habe (UA S. 5) und es dunkel gewesen sei (UA S. 3). Allerdings stellt das Amtsgericht auch fest, dass das Übersehen eines Vorfahrtsberechtigten, der für die Angeklagte auf der vorfahrtsberechtigten Straße von links käme, einen typischen bedingten Fahrfehler darstelle (UA S. 5).

Hierbei verkennt das Gericht, dass eine falsche Einschätzung einer Verkehrssituation für sich alleine keine Ausfallerscheinung ist, die als Indiz für eine alkoholbedingte Fahruntauglichkeit genügt. Selbst ein verkehrswidriges Fahrverhalten stellt nur dann ein Untauglichkeitsindiz dar, wenn es sich dabei um typische Fahrweisen alkoholisierte Kraftfahrer im Straßenverkehr handelt (vgl. BGH, 20.03.1959, 4 StR 306/58). Es ist jedoch allgemein bekannt und entspricht der Verkehrserfahrung, dass es auch einem nüchternen Kraftfahrer passieren kann, beim Linksabbiegen in eine bevorrechtigte Straße ein entgegenkommendes Fahrzeug zu übersehen. Bei dem Fahrfehler der Angeklagten, wie es sich im Urteil darstellt, handelt es sich daher nicht um einen der „klassischen“ Ausfälle unter Alkoholeinfluss, wie etwa Schlangenlinienfahren, grundloses Abkommen von der Fahrbahn oder auffallend übervorsichtiges Fahrverhalten. Vielmehr könnte der Unfall auch durch alkoholunabhängige Unachtsamkeit, wie z. B. eine den morgendlichen Beleuchtungsverhältnissen geschuldete Fehleinschätzung wie z. B. eine den morgendlichen Beleuchtungsverhältnissen geschuldete Fehleinschätzung der Verkehrssituation, der Entfernung sowie der Geschwindigkeit des entgegenkommenden Fahrzeugs, verursacht worden sein. Einen Erfahrungsgrundsatz, dass ein Übersehen eines Vorfahrtsberechtigten, der für die Angeklagte auf der vorfahrtsberechtigten Straße von links kam, ein typisch alkoholbedingter Fahrfehler sei (vgl. UA S. 5), besteht jedenfalls nicht. Vor diesem Hintergrund ist es daher rechtsfehlerhaft, wenn das Tatgericht von einem nichtbestehenden Erfahrungssatz ausgeht (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 58. Aufl. 2015, § 337 Rn. 31 m.w. N.).“

Tja, so einfach ist das also nicht mit dem § 315c StGB.

Selbstläufer

© Alex White - Fotolia-com

© Alex White – Fotolia-com

Ich habe ja schon häufiger darauf hingewiesen: Ein (Straf-/Bußgeld)Urteil muss die Einlassung des Angeklagten/Betroffenen wiedergeben. Geschieht das – unverständlicher Weise – nicht, dann ist die Revision/Rechtsbeschwerde gegen dieses Urteil i.d.R. ein Selbstläufer. Das beweist (mal wieder) der OLG Naumburg, Beschl. v. 24.08.2015 – 2 RV 104/15, in dem es zu der Frage nur kurz heißt:

„Das angefochtene Urteil kann keinen Bestand haben, weil es materiell-rechtlich unvollständig ist. Insbesondere kann nicht festgestellt werden, das die Überzeugungsbildung des Amtsgerichts in jeder Hinsicht auf einer rechtsfehlerfreien Grundlage beruht und andererseits kann auch nicht ausgeschlossen werden, dass die Entscheidung in diesem Bereich von rechtsfehlerhaften Erwägungen beeinflusst ist (§ 337 StPO).

1. So teilt das Amtsgericht in seinem Urteil weder mit, ob und wie sich die Angeklagte zu der Sache eingelassen hat, noch wie und mit welchen erhobenen Beweisen diese Einlassung gewürdigt worden ist. Fehlen in einem Strafurteil jedoch jegliche Angaben darüber, liegt grundsätzlich ein sachlich rechtlicher Mangel vor, der zur Aufhebung des Urteils führt, denn ein so unvollständiges und lückenhaftes Urteil ermöglicht keine Überprüfung, ob in ihm das Recht in fehlerfreier Weise angewandt worden ist [vgl. KG Berlin, Beschluss vom 09.07.1997 — (4) 1 Ss 158/97 (66/97)].

Und das muss man in der Revision/Rechtsbeschwerde noch nicht einmal ausdrücklich rügen 🙂 . Man sollte es aber lieber tun…..

„Geboten“ ist nicht „unerlässlich“ – dabei bleibt es

© M. Schuppich - Fotolia.com

© M. Schuppich – Fotolia.com

Ich habe ja schon öfters über obergerichtliche Entscheidungen berichtet, die den § 47 StGB zum Gegenstand hatten (vgl. z.B.„Unerlässlich“ muss die kurzfristige Freiheitsstrafe sein, nicht nur geboten oder Ich freue mich schon auf die Kommentare – „erforderlich“ ist nicht „unerlässlich“. Eine Kollege hat mir jetzt den OLG Naumburg, Beschl. v. 02.07.2015 – 2 Rev 75/15 – übersandt, mit dem ich das Thema heute dann noch einmal aufgreife.

Das AG hat den Angeklagten wegen Diebstahls in 5 Fällen zur Gesamtfreiheitsstrafe von 8 Monaten mit Bewährung verurteilt. Der Angeklagte war 5 Mal vorbestraft, davon 4 Mal einschlägig.  Bei der Strafzumessung hat das AG ausgeführt, die Verhängung kurzer Freiheitsstrafen sei geboten, weil der Angeklagte einschlägig vorbestraft und am Morgen der ersten Tat aus der Verbüßung einer Ersatzfreiheitsstrafe entlassen worden sei.

Dem OLG reicht das nicht:

Diese Erwägungen rechtfertigen die Verhängung kurzer Freiheitsstrafen nicht. Nach dem Gesetzeswortlaut muss die Verhängung kurzer Freiheitsstrafen unerlässlich sein, Gebotenheit reicht nicht aus (Fischer, StGB, 62. Aufl., Rn. 10 zu § 47). Die Unverzichtbarkeit einer freiheitsentziehenden Einwirkung muss mit einer umfassenden und erschöpfenden Begründung dargestellt werden. Daran fehlt es hier. Außerdem hat das Amtsgericht einen maßgeblichen Gesichtspunkt nicht erörtert.

Der Angeklagte verbüßte zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung seit dem 25. September 2014 erstmals eine Freiheitsstrafe, nämlich die Freiheitsstrafe von 6 Monaten aus dem Urteil vom 26. Oktober 2012.

Die erstmalige Verbüßung einer längeren Strafhaft — eine Ersatzfreiheitsstrafe hat, wenn sie wie im Fall des Angeklagten nur kurz ist, außer Betracht zu bleiben — kann gegen die Verhängung einer kurzen Freiheitsstrafe sprechen. Es ist allgemein bekannt, dass die erstmalige Verbüßung einer Freiheitsstrafe viele Gefangene derartig beeindruckt, dass sie künftig ein Leben ohne Straftaten führen, sei es, weil das Vollzugsziel (§ 2 StVollzG) durch resozialisierungsfördernde Vollzugsgestaltung erreicht wird, sei es, weil der Gefangene aus sonstigen Gründen zu dem Entschluss gelangt, die für ihn negative Erfahrung der Strafverbüßung in Zukunft durch Straffreiheit zu vermeiden, und diesen Entschluss auch umsetzt. Deswegen sind im Falle erstmaliger Verbüßung von Freiheitsstrafe deren zu erwartende Auswirkungen auf den Täter bei der Prüfung der Frage, ob die Verhängung weiterer kurzer Freiheitsstrafen unerlässlich ist, in der Regel zu erörtern (vgl. OLG Köln, NStZ — RR 2007, 266, Senat, Beschluss v. 12. März 2012, StV 2012, 734, Fischer, a.a.O.). Eine solche Erörterung fehlt hier. Sie hätte wahrscheinlich dazu geführt, dass das Gericht keine kurzen Freiheitsstrafen verhängt hätte, zumal es dem Angeklagten eine positive Kriminalprognose gestellt hat, wie die Aussetzung der Gesamtfreiheitsstrafe zur Bewährung zeigt.“

Und:

„Davon abgesehen sind die Freiheitsstrafen von jeweils 3 Monaten für die Taten zu Ziffer 2 bis 5 (Wert der Diebesbeute: einmal unter 14,00 Euro, im Übrigen jeweils unter 5,00 Euro) angesichts der bisher festgestellten Umstände überhöht, diese Strafen lösen sich nach oben von ihrer Bestimmung, gerechter Schuldausgleich zu sein.“

Tja, dem ein oder anderen wird das nicht schmecken, aber: (Auch) mir hätte das AG mal erklären müssen, wieso es eine kurzfristige Freiheitsstrafe für „geboten“ hält, dann aber zur Strafaussetzung zur Bewährung kommt. Natürlich geht das. Aber dazu muss/sollte man dann doch ein Wort verlieren.