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Unfallursache: Querender Fuchs oder Alkohol?, oder: Egal, auf jeden Fall grob fahrlässig

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Schon etwas älter ist das LG Saarbrücken, Urt. v. 06.09.2018 – 14 O 162/17, das ich heute zunächst im „Kessel Buntes“ vorstelle. Die Verkehrssituation, die dem Urteil zugrunde liegt, ist sicherlich häufiger anzutreffen. Der Kläger macht nämlich gegenüber seiner Vollkaskoversicherungsvertrag Ansprüche geltend, die aus einem Verkehrsunfall mit seinem dort versicherten Pkw herrühren. Der Kläger hatte bei einer Fahrt auf einer Landstraße die Kontrolle über sein Fahrzeug verloren und war damit gegen einen Baum gefahren. Der Kläger hat für den „Kontrollverlust“ das plötzliche Queren der Fahrbahn durch einen Fuchs angeführt, dem er ausgewichen ist. Die Versicherung sieht die Unfallursache in einer Alkoholisierung des Klägers; eine Blutprobe hatte zwei Stunden nach dem Unfall noch eine BAK von 1,57 Promille. Das LG hat die Klage abgewiesen, es hat den Grund für den Unfall offen gelassen und meint: Egal, welche der beiden potentiellen Ursachen Unfallursache gewesen ist: Es liegt immer grobe Fahrlässigkeit vor, die zum Leistungsausschlu führt.

Hier dann die Leitsätze der Entscheidung:

1. Kommt es in Folge eines Ausweichmanövers, dass der Fahrzeugführer einleitet, um bewusst einem Fuchs auszuweichen, zu einer Beschädigung seines Fahrzeugs, so kann eine Leistungskürzung nach §§ 90, 83 Abs. 1, 81 Abs. 2 VVG auf null in Betracht kommen. Ein willentliches Ausweichen vor einem solch kleinen Tier stellt in der Regel ein grob fahrlässiges Fehlverhalten dar. In die Bemessung der Leistungskürzung sind auch die Größe des PKW – hier ein SUV – und das damit einhergehende Schadenrisiko bei der Kollision mit dem Fuchs miteinzubeziehen.
2. Eine vollständige Leistungskürzung wegen grober Fahrlässigkeit kommt insbesondere auch dann in Betracht, wenn der Versicherungsnehmer den Versicherungsfall dadurch grob fahrlässig herbeiführt, dass er sein Fahrzeug trotz absoluter Fahruntüchtigkeit (hier: Blutalkoholkonzentration von 1,57‰) im Verkehr geführt hat.
3. Kommen als alternative Geschehensabläufe nur die Verursachung eines Unfalls durch das Ausweichen vor einem Fuchs oder aufgrund des Fahrens im Zustand der absoluten Fahruntüchtigkeit in Betracht und ist in beiden Fällen die Rechtsfolge eine Leistungsreduzierung auf null, so kann die tatsächliche Verursachung dahinstehen.

Selbstläufer

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Ich habe ja schon häufiger darauf hingewiesen: Ein (Straf-/Bußgeld)Urteil muss die Einlassung des Angeklagten/Betroffenen wiedergeben. Geschieht das – unverständlicher Weise – nicht, dann ist die Revision/Rechtsbeschwerde gegen dieses Urteil i.d.R. ein Selbstläufer. Das beweist (mal wieder) der OLG Naumburg, Beschl. v. 24.08.2015 – 2 RV 104/15, in dem es zu der Frage nur kurz heißt:

„Das angefochtene Urteil kann keinen Bestand haben, weil es materiell-rechtlich unvollständig ist. Insbesondere kann nicht festgestellt werden, das die Überzeugungsbildung des Amtsgerichts in jeder Hinsicht auf einer rechtsfehlerfreien Grundlage beruht und andererseits kann auch nicht ausgeschlossen werden, dass die Entscheidung in diesem Bereich von rechtsfehlerhaften Erwägungen beeinflusst ist (§ 337 StPO).

1. So teilt das Amtsgericht in seinem Urteil weder mit, ob und wie sich die Angeklagte zu der Sache eingelassen hat, noch wie und mit welchen erhobenen Beweisen diese Einlassung gewürdigt worden ist. Fehlen in einem Strafurteil jedoch jegliche Angaben darüber, liegt grundsätzlich ein sachlich rechtlicher Mangel vor, der zur Aufhebung des Urteils führt, denn ein so unvollständiges und lückenhaftes Urteil ermöglicht keine Überprüfung, ob in ihm das Recht in fehlerfreier Weise angewandt worden ist [vgl. KG Berlin, Beschluss vom 09.07.1997 — (4) 1 Ss 158/97 (66/97)].

Und das muss man in der Revision/Rechtsbeschwerde noch nicht einmal ausdrücklich rügen 🙂 . Man sollte es aber lieber tun…..

Klage eines „besoffenen“ (?) Fußgängers abgewiesen, aber: – OLG München watscht LG Passau ab

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Beim Lesen des OLG München, Urt v. 16.01.2015 – 10 U 1930/14 – habe ich nur gedacht: Man da holt sich das LG aber eine Abfuhr ab bzw. wird „abgewatscht“. Abgewiesen worden war vom LG die Schmerzensgeldklage eines Fußgängers, der von einem Pkw beim Überqueren der Fahrbahn in einer Fußgängerfurt erfasst wurde. Das LG hatte eine Sorgfaltspflichtverletzung des Kraftfahrers verneint und war davon ausgegangen, dass die Haftung für Betriebsgefahr von grobem Mitverschulden des Klägers – offenbar wegen einer vom LG angenommen Alkoholisierung – verdrängt werde. Das gefällt dem OLG so aber nun gar nicht – man könnte auch sagen, dass das LG seine Hausaufgaben nicht gemacht hat. Jedenfalls spricht das OLG-Urteil eine deutliche Sprache, wenn es heißt:

  • Dieses Ergebnis entbehrt jeglicher tragfähiger Grundlage
  • Das Landgericht hatte die für den Streitgegenstand entscheidungserheblichen Tatsachen verfahrensfehlerhaft nicht ansatzweise vollständig festgestellt.“
  • Der „unstreitige Tatbestand des Ersturteils steht einer erneuten Sachprüfung nicht entgegen, weil er hinsichtlich der Alkoholisierung des Klägers widersprüchlich und sich nicht auf erwiesene Tatsachen stützen kann. Eine Atemluftalkoholkonzentration von 1,09 mg/l um 19.00 Uhr (EU 3 = Bl. 71 d.A.) ist niemals festgestellt worden und steht in beweisvernichtendem Widerspruch (§ 314 S. 2 ZPO) zum Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 07.04.2014, (Bl. 50/60 d.A.). ...“

In der Schule würde es heißen: Setzen, mangelhaft …. :-).

Oder vielleicht doch noch mehr? Denn:

„(2) Das Landgericht hat auch die Auswirkungen der zum Unfallzeitpunkt wirksamen Alkoholbeeinflussung des Klägers auf die Unfallursache nicht geklärt. Es ist rechtsfehlerhaft, den angetrunkenen Zustand eines Unfallbeteiligten allein aufgrund einer Atemluftalkoholmessung für geklärt zu halten, die von der Polizei als nicht gerichtsverwertbar eingeschätzt wird. Dies gilt verstärkt, wenn naheliegende Aufklärungsmöglichkeiten, etwa die Vernehmung des die Kontrolle durchführenden Polizeibeamten, ohne jeden Grund außer Acht gelassen werden.

und:

„Dagegen war die Rechtsauffassung des Erstgerichts, nach Sachlage seien Sorgfaltspflichtverletzung und Verschulden des Beklagten zu 1) ausgeschlossen, mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelungen nicht vereinbar und deswegen nicht mehr vertretbar. Hinsichtlich der verkehrsrechtlichen Sorgfaltspflichten von Kraftfahrern gegenüber Fußgängern, die die Fahrbahn queren wollen, wird ergänzend auf die ausführlichen Hinweise des Senats (v. 22.10.2014, S. 2-5 = Bl. 101/105 d.A., unter a), aa) – ee) Bezug genommen.

In gleicher Weise und aus den gleichen Gründen war die Rechtsauffassung des Erstgerichts, das Mitverschulden des Klägers sei so gewichtig, dass es sogar die Betriebsgefahr des Fahrzeugs der Beklagten verdränge, nicht mehr vertretbar.“

Lassen wir die Frage der endgültigen Benotung offen. Eins ist allerdings sicher: An dem landgerichtlichen Urteil passte aber nun auch gar nichts….

Mit 1,09 Promille besoffen gefahren – 75 % der Kaskoversicherung weg

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Die Klägerin fährt alkoholisiert mit ihrem Pkw und verursachte einen Verkehrsunfall dadurch, dass sie in einem Baustellenbereich von der Fahrbahn ab kommt. Die BAK der Klägerin beträgt 1,09 Promille. Das OLG Karlsruhe sagt im OLG Karlsruhe, Urt. v. 15.04.2014 – 9 U 135/13: Grob fahrlässig, was dazu führt, dass der Kaskoversicherer zu einer Leistungskürzung von 75 % berechtigt ist:

„Der Umstand, dass die Klägerin den Versicherungsfall alkoholbedingt grob fahrlässig herbeigeführt hat, führt nicht dazu, dass ihr Anspruch gegen die Beklagte vollständig entfällt. Unter Berücksichtigung der Schwere des Verschuldens (§ 81 Abs. 2 VVG) ist vielmehr eine Kürzung auf 25 % vorzunehmen. Daraus ergibt sich der Anspruch in Höhe von 1.780,00 €.
 
a) Bei der Kürzung der Versicherungsleistung gemäß § 81 Abs. 2 VVG sind sämtliche Umstände des Einzelfalls abzuwägen. Dies gilt grundsätzlich auch bei alkoholbedingter Fahruntauglichkeit (vgl. BGH, NJW 2011, 3299). In der Praxis spielt dabei allerdings die jeweilige Blutalkoholkonzentration eine erhebliche Rolle, da bei einem höheren BAK-Wert in der Regel von einem entsprechend höheren Verschulden auszugehen ist. In der gerichtlichen Praxis wird bei einem BAK-Wert oberhalb der Grenze der absoluten Fahruntauglichkeit von 1,1 Promille im Rahmen von § 81 Abs. 2 VVG vielfach eine Kürzung der Leistung auf Null vorgenommen, während BAK-Werte unterhalb von 1,1 Promille zumeist nicht zu einem gänzlichen Entfallen der Leistung führen (vgl. hierzu die Rechtsprechungsbeispiele bei Böhm/Nugel, MDR 2013, 1328).
 
b) Im vorliegenden Fall hält der Senat eine Kürzung auf ¼ für angemessen. Dabei ist berücksichtigt, dass der BAK-Wert zum Unfallzeitpunkt nahe an der absoluten Grenze von 1,1 Promille lag, diesen Wert jedoch nicht ganz erreichte. Ausfallerscheinungen, welche die Klägerin zusätzlich vor Fahrtantritt hätten vom Fahren abhalten müssen, waren nicht erkennbar. Die Klägerin hat erstinstanzlich vor dem Landgericht einerseits eingeräumt, sie habe ein „schlechtes Gewissen“ wegen des Alkohols gehabt, als sie sich zur Fahrt entschloss. Andererseits kann der Senat unter den gegebenen Umständen jedoch nicht feststellen, dass sich das Verschulden der Klägerin im Grenzbereich zu einem Eventualvorsatz befunden hätte (vgl. zu diesem Gesichtspunkt Böhm/Nugel a. a. O.).“

Stark besoffen und brutal ==> Strafschärfung? So einfach nicht.

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Das LG trifft folgende Feststellungen: Die beiden Angeklagten wollten dem späteren Tatopfer, einem ihnen bekannten Obdachlosen, eine gewaltsame Abreibung erteilen. Sie schlugen dem Geschädigten zu-nächst gemeinsam mehrfach mit der Faust ins Gesicht, bis er zu Boden ging und dort wehrlos liegen blieb. Nunmehr traten sie gemeinsam – teilweise gleichzeitig – aus bloßer Freude an der Ausübung körperlicher Gewalt mit beschuhten Füßen mehrfach mit mindestens bedingtem Tötungsvorsatz wuchtig gegen den Kopf des Tatopfers ein. Das Tatopfer, das durch die sein Gesicht bis zur Unkenntlichkeit entstellenden Misshandlungen u.a. ein schweres Schädel-Hirn-Trauma und multiple Frakturen am Kopf sowie massive innere Blutungen erlitt, verstarb noch am Tatort an den Folgen der Gewalteinwirkung. Die – sachverständig beratene – Schwurgerichtskammer ist davon ausgegangen, dass beide Angeklagte aufgrund ihrer Alkoholisierung (Blutalkoholkonzentration zur Tatzeit von 3,39 ‰ bzw. 3,50 ‰) in ihrer Steuerungsfähigkeit erheblich vermindert waren (§ 21 StGB). In der Strafzumessung hat sie zu Lasten beider Angeklagten gewertet, dass sie besonders brutal vorgegangen seien.

Das passt dem BGH nicht. Er hat im BGH, Beschl. v. 18.06.2013 – 2 StR 104/13 – aufgehoben:

„Nach ständiger Rechtsprechung darf die Art der Tatausführung einem Angeklagten nur dann ohne Abstriche strafschärfend zur Last gelegt werden, wenn sie in vollem Umfang vorwerfbar ist, nicht aber, wenn ihre Ursache in ei-ner von ihm nicht oder nur eingeschränkt zu vertretenen geistig-seelischen Be-einträchtigung liegt (BGH, Beschluss vom 29. Juni 2000 – 1 StR 223/00, StV 2001, 615; Urteil vom 17. Juli 2003 – 4 StR 105/03, NStZ-RR 2003, 294; Beschluss vom 8. Oktober 2002 – 5 StR 365/02, NStZ-RR 2003, 104; Beschluss vom 31. Januar 2012 – 3 StR 453/11, NStZ-RR 2012, 169; Fischer, StGB, 60. Aufl., § 46 Rn. 32). Damit, ob den Angeklagten die ihnen vorgewor-fene „besondere Brutalität“ ihres Vorgehens trotz ihrer Rauschzustände, die ihre erheblich verminderte Steuerungsfähigkeit begründet haben, uneinge-schränkt vorwerfbar ist, setzt sich das Urteil indes nicht auseinander. Sie kann jeweils auch Ausdruck der verminderten Schuldfähigkeit gewesen sein. Dass das Landgericht diese Möglichkeit bei der strafschärfenden Berücksichtigung der Art der Tatausführung übersehen oder aus den Augen verloren haben könnte, lässt sich hier auch aus der Gesamtschau der Strafzumessungserwägungen nicht ausschließen.“