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Akteneinsicht a la OLG Frankfurt – der Beschluss macht ärgerlich, zumindest mich

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Nachdem wir eine ganze Zeit nur über amts- und landgerichtliche Entscheidungen zur (Akten)Einsicht in die Bedienungsanleitung eines Messverfahrens berichten konnten, scheint die Welle jetzt bei den OLG angekommen zu sein. Das zeigen die vermehrt zu der Problematik ergehenden Entscheidungen, wie die des OLG Naumburg (vgl. hier hier Danke OLG Naumburg – erste OLG-Entscheidung zum Umfang der Akteneinsicht im Bußgeldverfahren – Teil 2), die des KG (vgl. hier Gerade herein bekommen: Auch das KG entscheidet positiv zur Akteneinsicht in die Bedienungsanleitung) und die des OLG Celle (vgl. hier Akteneinsicht a la OLG Celle – Rückschritt in Niedersachen – mag man Cierniak nicht?). Und dann heute der OLG Frankfurt, Beschl. v. 12.04.2013 – 2 Ss-OWi 137/13, den mir der Kollege Frese aus Heinsberg, der ihn erstritten hat und erleiden muss, zur Verfügung gestellt hat (vgl. zu dem Beschluss auch hier den Blogbeitrag des Kollegen).

Zum Beschluss.: Das OLG hat die mit der Rechtsbeschwerde des Verteidigers erhobene Verfahrensrüge als nicht ausreichend begründet angesehen. Im Zusammenhang damit verneint das OLG eine Verpflichtung des Tatgerichts, dann, wenn sich die Bedienungsanleitung eines Messgerätes ^zur Durchführung eins standarisierten Messverfahrens nicht bei der Gerichtsakte befindet, derartige Unterlagen vom Hersteller oder der Polizei auf Antrag der Verteidigung beizuziehen. Das sei nur auf einen tatsachenfundierten Antrag hin erforderlich.

Dazu Folgendes, wobei ich auf meine für den VRR vorbereitete Anmerkung zu dieser Entscheidung zurückgreife. Mich macht diese Entscheidung, die der Kollege, der sie „erstritten“ und bei der Übersendung als „Schlag ins Gesicht“ bezeichnet hat, (auch) ärgerlich. Denn:

„1. Die Ansicht und Argumentation des OLG in der Entscheidung läuft im Grunde darauf hinaus, dass das OLG dem Betroffenen/Verteidiger zumutet, die Messungen und Entscheidungen der Verwaltungsbehörden als „Gott gegeben“ hinzunehmen und auf die Richtigkeit zu vertrauen. Alles nach dem Motto: Es wird schon nichts falsch gemacht worden sein. Dass das aber gerade nicht der Fall ist, zeigen die zahlreichen Fehlmessungen, die Sachverständige, wenn sie den beigezogen werden, feststellen. Für diese Ansicht des OLG ist m.E. auch die vom OLG angeführte Entscheidung BGHSt 39, 291 nicht der richtige Beleg. Denn die Entscheidung behandelt die Frage der Anforderungen an die Urteilsgründe in Bußgeldverfahren bei standardisierten Messverfahren und nicht die Frage, wie und in welchem Umfang ggf. (Akten)Einsicht zu gewähren ist, um eine vorliegende Messung auf ihre Richtigkeit hin zu überprüfen.

2. Das OLG argumentiert m.E. auch mit einem „Teufelskreis“ bzw. verlangt vom Verteidiger Unmögliches. Denn wie bitte schön sollen „tatsachenfundierte begründete Zweifel“ an der Ordnungsgemäßheit der Messung vorgetragen werden, wenn dem Verteidiger/Betroffenen nicht die Möglichkeit eröffnet wird, die Messung auf ihre Richtigkeit hin zu überprüfen? Was ich nicht weiß bzw. nicht erfahren kann – manchmal hat man den Eindruck: auch nicht erfahren soll – kann ich nicht vortragen. Genau darauf hat auch Cierniak in seinem Beitrag in zfs 2012, 664 ff. (vgl. Danke Herr Cierniak – Akteneinsicht im Bußgeldverfahren Teil I) hingewiesen und gefordert, ggf. durch Beiziehung der entsprechenden Unterlagen, dem Verteidiger die Möglichkeit zu eröffnen, zu Messfehlern überhaupt vortragen zu können. Wer schon für den (Akten)Einsichtsantrag „tatsachenfundierte begründete Zweifel“ fordert, schüttet das Kind mit dem Bade aus bzw. stellt Anforderungen, die erst für den zweiten Schritt, nämlich einen ggf. zu stellenden Beweisantrag, aufgestellt werden können. So, wie das OLG vorgeht und wie es die teilweise bei AG anzutreffende Praxis absegnet, überlässt es den Betroffenen vollständig dem Tatrichter und dem, was er für erforderlich hält, ohne dem Betroffenen eine Überprüfungsmöglichkeit zu eröffnen.

3. M.E. greift auch der Hinweis des OLG auf KG VRR 2013, 76 = StRR 2013, 77 = VA 2013, 51 (s. o. die Fundstelle) nicht nur nicht, sondern ist auch falsch. Denn das KG hatte in seiner Entscheidung gerade ausgeführt, dass die Bedienungsanleitung, falls sie sich nicht bereits ohnehin bei den Akten befinde, in Original oder Kopie auf ein entsprechendes Akteneinsichtsgesuch des Verteidigers zu den Akten zu nehmen sei, damit dieser sie im Rahmen der ihm zu gewährenden Akteneinsicht einsehen könne. Dazu hatte das KG auf die dazu vorliegende Rechtsprechung der LG und AG (vgl. die Zusammenstellung bei Burhoff VRR 2011, 250 und VRR 2012, 130; s. auch noch OLG Naumburg VRR 2013, 37 = StRR 2013, 36) und vor allem auch auf Cierniak zfs 2012, 664 ff. verwiesen. Mit der Rechtsprechung und Literatur setzt sich das OLG gar nicht erst auseinander, sondern belässt es bei der Behauptung, dass den genannten Entscheidungen – zitiert ist im Beschluss nur eine – mit den tragenden Ausführungen gemein sei, dass die Bedienungsanleitungen bereits Teil der Gerichtsakte waren und aus anderen Gründen nicht an die Verteidigung herausgegeben worden waren. Das ist – zumindest für die KG-Entscheidung – falsch.

4. Endlich: Erstaunlich ist für mich, dass das OLG durch den Einzelrichter entschieden und dieser die Sache nicht dem Senat vorgelegt hat. Geht man beim OLG Frankfurt wirklich davon aus, dass die anstehenden Rechtsfragen inzwischen alle so geklärt sind, dass eine Einzelrichterentscheidung reicht? Die Annahme dürfte angesichts der unterschiedlichen Rechtsprechung von KG und OLG Naumburg (jeweils a.a.O.) und OLG Celle gewagt sein. Aber vielleicht wollte man auch nur eine Vorlage an den BGH vermeiden (vgl. dazu BGHSt 44, 144). Denn das scheinen die OLG derzeit zu scheuen wie der „Teufel das Weihwasser“.

Zu Letzterem fragt man sich: Warum eigentlich?  Nun ja: Cierniak lässt grüßen. Aber mit dem und seinen Ausführungen setzt man sich erst gar nicht auseinander.

Die Weitergabe von Kinderpornografie durch den Verteidiger – strafbar?

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Eine für die Verteidigung interessante Fallgestaltung entscheidet der OLG Frankfurt, Beschl. v. 02.11.2012, 2 Ws 114/12, nämlich die Frage nach den Voraussetzungen für eine Strafbarkeit des Verteidigers bei Weitergabe kinderpornografischer Schriften. Dem Rechtsanwalt wird in der Anklage folgendes von der Staatsanwaltschaft zur Last gelegt:

„Im Fall 1 soll er am 24. Juli 2008 als Verteidiger des im Verfahren … gesondert Verfolgten A einen Untersuchungsbericht, der 108 kinderpornografische Abbildungen enthielt, was der Angeschuldigte wusste, auf einen von dem Beschuldigten A ihm zu diesem Zweck überlassenen USB-Stick digital kopiert und ihm den USB-Stick an einem nicht näher bestimmbaren Tag zwischen dem 24. Juli 2008 und dem 26. November 2009 übergeben haben. Bei den 108 kinderpornografischen Abbildungen handelte es sich um die Bilder, die Gegenstand des Vorwurfs gegen A sind.

Im Fall 2 soll er an einem nicht näher bestimmbaren Tag im Zeitraum vom 23. Oktober 2008 bis 14. April 2009 die eingescannten Gutachten und Berichte der von der Staatsanwaltschaft mit der Datenanalyse der sichergestellten Festplatte beauftragten Sachverständigen aus dem Verfahren … gegen den Beschuldigten A dem gesondert Verfolgten B in dessen Büro in der Land1 übersandt haben. Darin enthalten waren 147 kinderpornografische Abbildungen, was der Angeschuldigte wusste. Der gesondert Verfolgte B war von dem Angeschuldigten beauftragt worden, die Datenanalysegutachten der Festplatte des PC des Beschuldigten A zu überprüfen. Die Staatsanwaltschaft ist der Ansicht, der gesondert Verfolgte B habe weder die erforderliche forensische Ausbildung, noch eigene Erfahrungen durch forensische Auswertung von Datenträgern, um ein entsprechendes Gutachten zu erstellen.

Im Fall 3 soll er am 14. April 2009, entgegen der ausdrücklichen Weisung der Staatsanwaltschaft Marburg, dem gesondert Verfolgten B ermöglicht haben, im Rahmen einer durch die Staatsanwaltschaft Marburg in den dortigen Räumen gewährten Auswertung eines Images des Originalbeweismittels (= 1:1 Kopie des Originaldatenträgers), dieses Image zu kopieren und mit sich zu nehmen. Das Image enthielt wiederum 147 kinderpornografische Abbildungen, was der Angeschuldigte wusste.

Im Fall 4, soll er den gesondert Verfolgten B veranlasst haben, eine Datei, die wiederum 98 kinderpornografische Abbildungen enthielt, an den Beschuldigten A zu übermitteln.

Das Landgericht hat durch Beschluss  die Eröffnung in den Fällen 1 und 2 aus Rechtsgründen nach § 204 Abs. 1 StPO abgelehnt und das Verfahren in den Fällen 3 und 4 vor dem Amtsgericht – Strafrichter – in Marburg eröffnet. Insoweit hat das Landgericht Marburg eine besondere Bedeutung der Sache nach dem § 24 Abs. 1 Nr. 3 GVG verneint.

Das OLG Frankfurt hat eröffnet. Der Beschluss hat folgende Leitsätze:

1. Ein Verteidiger, dem im Rahmen der §§ 147 Abs. 1 StPO, 184b Abs. 5 StGB der Besitz kinderpornografischer Schriften erlaubt ist, darf diese nicht weitergeben, da jede abgeleitete Berechtigung und jede Weitergabe der Privilegierung gesetzlich ausgeschlossen ist.

2. Das Verkehrsverbot des § 184b StGB umfasst daher auch die Rückübertragung des Besitzes auf den Beschuldigten, von dessen Festplatte die Schriften stammen, zumal dessen Verteidigerrechte dadurch gewahrt werden können, dass ihm ein Akteneinsichtsrecht in den Räumen der Staatsanwaltschaft oder des Verteidigers gewährt wird.

3. Das Verkehrsverbot des § 184b StGB umfasst des Weiteren die Besitzübertragung auf einen vom Verteidiger beauftragten Sachverständigen, da im Ermittlungsverfahren Herrin der Beweismittel und damit allein verfügungsberechtigt die Staatsanwaltschaft ist.“

Also: Vorsicht

Das feindliche Grün bei nicht aufklärbarem Unfallhergang

Der Kampf/Streit um die Haftungsverteilung spielt im Verkehrszivilrecht in der Praxis eine erhebliche Rolle. Mit den insoweit bedeutsamen Fragen befasst sich im Fall des sog. „feindlichen Grün“ das OLG Frankfurt, Urt. v. 09.10.2012, 22 U 109/11, das bei unaufklärbarem Unfallhergang im Falle von feindlichem Grün zu einer Haftungsverteilung von 50% kommt.

In dem Verfahren ging es um eine Zeugenaussage eines Beifahrers, dem das LG nicht gefolgt war. Das OLG stützt das: Es sei grundsätzlich eine Frage des Einzelfalls, ob durch die Aussage eines einzelnen Zeugen, der dazu noch Beifahrer ist, die Überzeugung des Richters von der Richtigkeit seiner Aussage erreicht werde. Auch wenn sich ein Zeuge ganz sicher sei (hier: dass der Fahrer an der roten Ampel angehalten hat und dann losgefahren ist), Fehler in seiner Wahrnehmung bei der Vernehmung nicht erkennbar waren, und wenn die Aussage auch sonst keine Anhaltspunkte zeige, die für eine Beeinflussung des Zeugen durch andere Faktoren sprechen könnten, und wenn der Zeuge offensichtlich auch einen glaubwürdigen Eindruck gemacht habe, so reiche dies nicht aus, um die Voraussetzungen zu erfüllen, die von der höchstrichterlichen Rechtsprechung für die Würdigung von Zeugenaussagen gefordert werden.

Man fragt sich: Was denn noch. Nun dafür hat das OLG einen Hinweiss:

Es ist deshalb erforderlich (BGH v. 30.7.1999 – 1 StR 618/98, NJW 1999, 2746; BVerfG v. 30.4.2003 – 2 BvR 2045/02, NJW 2003, 2444), in erster Linie Anhaltspunkte zu finden, die dafür sprechen, dass die Auskunftsperson die Wahrheit sagt (BGH v. 29.4.2003 – 1 StR 88/2003, NStZ-RR 2003, 245). Dabei nimmt man zunächst an, die Aussage sei unwahr (sog. „Nullhypothese“ – BGH, aaO.). Diese Annahme überprüft man anhand verschiedener Hypothesen. Ergibt sich, dass die Unwahrhypothese mit den erhobenen Fakten nicht mehr in Übereinstimmung stehen kann, so wird sie verworfen, und es gilt die Alternativhypothese, dass es sich um eine wahre Aussage handelt. Dies bedeutet, dass jede Zeugenaussage solange als unzuverlässig gilt, als die Nullhypothese nicht eindeutig widerlegt ist.

Schön. Die Zivilrichter schauen über den Tellerrand :-).

 

Das OLG Frankfurt und das Berufsbild des Rechtsanwaltes/Verteidigers – ärgerlich

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Eine gebührenrechtliche Problematik beschäftigt die Gerichte seit Inkraftreten des RVG im Jahr 2004, nämlich die Frage: Sind bei der Berechnung der maßgeblichen Hauptverhandlungsdauer für den dem Pflichtverteidiger zustehenden „Längenzuschlag“ Wartezeiten und Pausen mit einzubeziehen oder nicht. Die Frage ist natürlich für das Überschreiten der „Grenzwerte“ von mehr als 5 bzw. mehr als 8 Stunden von erheblicher Bedeutung.

Während die OLG in der Frage, ob Wartezeiten miteinzurechnen sind, sich weitgehend einig sind, besteht bei der Frage der Berücksichtigung von Pausen erheblicher Streit in der OLG Rechtsprechung. Das geht von: Ja immer, über verschiedene Abstufungen bis zu: Nein nie. Ich bin der Meinung, dass man auch Pausen berücksichtigen muss, weil es dem RVG gerade auf eine angemessene Honorierung des Zeitaufwandes des Rechtsanwalts/des Verteidigers ankommt. Nun gut, man kann ja über alles diskutieren und streiten. Dann aber bitte auch mit fairen und nachvollziehbaren Argumenten. Und die vermisse ich in zwei Beschlüssen des OLG Frankfurt, die sich vor einiger Zeit mit dieser Problematik auseinander gesetzt haben, nämlich der OLG Frankfurt, Beschl. v. 13.03.2012 – 2 Ws 182/11 und OLG Frankfurt, Beschl. v. 19.06. 2012 – 2 Ws 83/12:

Argumentiert wird mit dem Berufsbild des Rechtsanwaltes:

„Wartezeiten und Vorhaltezeiten wie sie durch Pausen und Unterbrechungen während der Hauptverhandlung entstehen, sind typische Begleiterscheinungen des Berufsbildes des Rechtsanwaltes und insb. des Strafverteidigers und weder eigenständig vergütungspflichtig noch stellen sie Besonderheiten da, die durch Ausweitung bestehender Vergütungstatbestände aufgefangen werden müssen. Der Gesetzgeber wollte mit dem RVG gerade die intransparente Kasuistik zu Sondervergütungen für Rechtsanwälte beenden und durch transparente Vergütungstatbestände pauschalisieren. Dem RVG liegt die Konzeption einer Mischkalkulation zu Grunde.“

Im Grunde genommen hätte man auch schreiben können: Deine Arbeitszeit hast du zur Verfügung zu stellen. Nur bezahlt wird dir das nicht vollständig. Ärgerlich.

Keine Wiederaufnahme für Gäfgen

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In meinem Jurion-NL finde ich gerade folgende Meldung über einen OLG Frankfurt am Main-Beschluss – vgl. auch hier den Bericht bei LTO:

Magnus G. scheitert mit Wiederaufnahmeantrag vor dem Oberlandesgericht Frankfurt am Main

„Mit einem Beschluss hat das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) eine Beschwerde des wegen Mordes verurteilten Magnus G. zurückgewiesen, mit der dieser die Wiederaufnahme seines Strafverfahrens erreichen wollte.

G. war durch das Landgericht Frankfurt am Main am 9.4.2003 wegen Mordes an dem 11-jährigen J. zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt worden, die er seitdem verbüßt. Die Tat und das anschließende Strafverfahren gegen G. hatten damals große Aufmerksamkeit in den Medien hervorgerufen. Die Verurteilung beruhte im Wesentlichen auf einem Geständnis des G., das dieser in der Hauptverhandlung abgegeben hatte. Zuvor hatte das Landgericht festgestellt, dass die von G. während seiner polizeilichen Vernehmung gemachten Einlassungen wegen der Anwendung verbotener Vernehmungsmethoden durch einen Polizeibeamten nicht verwertet werden dürften.

Die gegen das Urteil eingelegte Revision verwarf der Bundesgerichtshof im Mai 2004 als offensichtlich unbegründet. Eine von G. erhobene Verfassungsbeschwerde wurde vom Bundesverfassungsgericht nicht zur Entscheidung angenommen. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) stellte durch Urteil vom 1.6.2010 fest, dass G. während seiner polizeilichen Vernehmung im Oktober 2002 mit Folter gedroht wurde, um ihn zur Preisgabe des Aufenthaltsortes seines Opfers zu veranlassen, und dass diese Vernehmungsmethode eine nach Artikel 3 der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK – Menschenrechtskonvention) verbotene unmenschliche Behandlung darstelle. Gestützt auf das Urteil des EGMR betreibt G. die Wiederaufnahme seines Strafverfahrens, die er primär damit begründet, dass seine Verurteilung durch das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main auf dem gegen ihn ausgeübten Zwang im Ermittlungsverfahren beruhe. Das für die Wiederaufnahme erstinstanzliche zuständige Landgericht Darmstadt wies den Antrag mit Beschluss vom 9.11.2011 zurück.

Zu Recht, wie das OLG im Beschluss nunmehr feststellte. Die Voraussetzungen, unter denen die Wiederaufnahme eines durch rechtskräftiges Urteil abgeschlossenen Verfahrens zugunsten des Verurteilten zulässig sei, lägen nicht vor. Soweit der EGMR eine Verletzung der Menschenrechtskonvention gegenüber G. festgestellt habe, beruhe das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main hierauf nicht. Der im Ermittlungsverfahren festgestellte Verstoß habe keinen Einfluss auf das Geständnis des G. in der Hauptverhandlung gehabt, auf dem die Verurteilung im Wesentlichen beruhe.

Beschluss des OLG Frankfurt am Main vom 29.06.2012
Aktenzeichen 1 Ws 3/12
Ich wage die Behauptung, dass das Verfahren damit noch nicht beendet ist, sondern Gäfgen wahrscheinlich den Weg nach Karlsruhe und Straßburg gehen wird.