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Nebenklage im JGG-Verfahren – geht das?

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Nebenklage im JGG-Verfahren, geht das? Nun, das geht, nach § 80 Abs. 3 JGG aber nur in bestimmten Ausnahmefällen – i.d.R. bei bestimmten Verbrechen, nicht aber bei Vergehen. So weit, so gut. Es stellt sind dann aber die nächste Frage: Was ist in Verfahren gegen mehrere Beschuldigte, von denen zumindest (nur) einer Jugendlicher ist. Ist dann die Nebenklage, wenn die Anklage nur Vergehen zum Gegenstand hat, auch gegen mitangeklagte Heranwachsende oder Erwachsene jedenfalls dann ausgeschlossen?

Mit der Frage befasst sich der AG Ebersberg, Beschl. v. 07.05.2014 – 3 Ls 24 Js 3529/13 jug (2). Das AG hat sie bejaht.

In den §§ 79 ff JGG hat der Gesetzgeber den Ausschluss von Vorschriften des allgemeinen Verfahrensrechts für das Jugendgerichtsverfahren ausdrücklich geregelt und in § 80 Abs. 3 JGG n.F. die Nebenklage mit Ausnahme von Verbrechen nach wie als unzulässig ausgeschlossen. Anders als § 48 Abs. 3 JGG, der für Verfahren, in denen Heranwachsende oder Erwachsene mitangeklagt sind – in Abweichung vom Grundsatz der Nichtöffentlichkeit in Verfahren gegen Jugendliche – die Öffentlichkeit der Verhandlung vorsieht, trifft § 80 JGG eine vergleichbare Ausnahmeregelung nicht. Deshalb ist in Verfahren gegen mehrere Beschuldigte, von denen zumindest einer Jugendlicher ist, die Nebenklage auch gegen mitangeklagte Heranwachsende oder Erwachsene ausgeschlossen, jedenfalls wenn die Anklage Vergehen zum Gegenstand hat (vgl. Eisenberg, JGG, 12. Aufl., § 80 Rn. 13).

Hätte der Gesetzgeber eine andere Regelung gewollt, hätte er sie bei Neufassung des § 80 Abs. 3 JGG zweifelsohne getroffen. Die hier im Streit stehende Konstellation hat er aber erkennbar nicht geändert, was die Annahme rechtfertigt, dass der Gesetzgeber an der Regelung des § 80 Abs.3 JGG a. F. – dass die Nebenklage bei weniger schwerwiegenden Straftaten Jugendlicher (Vergehen) unzulässig ist – festhalten wollte….“

Aufgepasst: (Gefährliche) Fristversäumung im Strafverfahren

Manchmal hört man in Strafsachen: Ach, eine Fristversäumung ist ja nicht so schlimm, mein (Rechtsanwalts)Verschulden wird dem Mandanten ja nicht zugerechnet. Nun, das ist nur bedingt richtig, und zwar grds. nur dann, wenn es sich um den Angeklagten oder im Bußgeldverfahren um den Betroffenen handelt. In anderen Fällen ist die Fristversäumung auch im Straf-/Bußgeldverfahren „gefährlich“ und kann zum Verlust eines Rechtsmittels führen.

AusrufezeichenDas gilt vor allem auch für den Bereich der Nebenklage, wie der BGH, Beschl. v. 28.08.2013 – 4 StR 336/13 – noch einmal verdeutlicht: Die Vertreterin der Nebenklägerin hatte fristgerecht gegen das landgerichtliche Urteil Revision eingelegt. Nachdem bis zum Ablauf der Frist des § 345 Abs. 1 Satz 2 StPO eine Rechtsmittelbegründung nicht eingegangen war, hat das LG die Revision gemäß § 346 Abs. 1 StPO als unzulässig verworfen. Hiergegen hat die Nebenklägerin auf Entscheidung des Revisionsgerichts angetragen und zugleich um Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach Versäumung der Revisionsbegründungsfrist ersucht. Und hatte keinen Erfolg:

Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach Versäumung der Revisionsbegründungsfrist ist unzulässig; dementsprechend erweist sich der Antrag auf Entscheidung des Revisionsgerichts gemäß § 346 Abs. 2 StPO als unbegründet.

1. Das Verschulden seines Prozessbevollmächtigten ist dem Nebenklä-ger, der nach Versäumung der Revisionsbegründungsfrist Wiedereinsetzung beantragt, nach dem allgemeinen Verfahrensgrundsatz des § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnen (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschlüsse vom 11. Dezember 1981 – 2 StR 221/81, BGHSt 30, 309; vom 17. März 2010 – 2 StR 27/10; weitere Nachweise bei Meyer-Goßner, StPO, 56. Aufl., § 44 Rn. 19). Deshalb erfordert die Begründung eines Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand grundsätzlich eine genaue Darlegung und Glaubhaftmachung aller zwischen dem Beginn und Ende der versäumten Frist liegenden Umstände, die für die Frage bedeutsam sind, wie und gegebenenfalls durch wessen Verschulden es zur Versäumung gekommen ist; zu dem erforderlichen Tatsachenvortrag gehört dabei auch, dass der Antragsteller einen Sachverhalt vorträgt, der ein der Wiedereinsetzung entgegenstehendes Verschulden ausschließt (BGH, Beschluss vom 17. März 2010 – 2 StR 27/10 mwN).

2. Daran fehlt es.

Nach dem Vortrag der Nebenklägervertreterin oblag es ihrer Rechtsan-waltsgehilfin, Fristen zu überwachen und ihr die Akten rechtzeitig vor Ablauf der Revisionsbegründungsfrist vorzulegen. Dass hier – zum ersten Mal – die Revisi-onsbegründungsfrist versäumt wurde, habe daran gelegen, dass die Rechtsan-waltsgehilfin die Frist nicht eingetragen habe.

Damit ist ein Verschulden der Nebenklägervertreterin selbst nicht ausge-schlossen. Zwar darf ein Rechtsanwalt in einfach gelagerten Fällen die Feststel-lung des Fristbeginns und die Berechnung einer Frist gut ausgebildeten und sorgfältig überwachten Büroangestellten überlassen (BGH, Beschlüsse vom 30. Mai 2000 – 1 StR 103/00, BGHR StPO § 44 Verschulden 7; vom 6. Juli 2004 – 5 StR 204/04, jeweils mwN). Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs darf der Rechtsanwalt aber schon das Empfangsbekenntnis über eine Urteilszustellung nur unterzeichnen und zurückgeben, wenn sicher-gestellt ist, dass in den Handakten die Rechtsmittelfrist festgehalten und vermerkt ist, dass die Frist im Fristenkalender notiert worden ist (BGH, Beschluss vom 2. Februar 2010 – VI ZB 58/09, NJW 2010, 1080 mwN). Weist er seine Bürokraft im Einzelfall mündlich an, die Rechtsmittelfrist einzutragen, müssen ausreichende organisatorische Vorkehrungen dafür getroffen sein, dass diese Anweisung nicht in Vergessenheit gerät (BGH aaO S. 1080 f.; Beschluss vom 26. Januar 2009 – II ZB 6/08, NJW 2009, 1083).

Diesen Anforderungen genügende Maßnahmen hat die Nebenklägerver-treterin nicht vorgetragen. Insbesondere hat sie weder dargelegt, dass sie ihre Angestellte ausdrücklich angewiesen hat, die Revisionsbegründungsfrist einzu-tragen, noch waren unter Zugrundelegung ihres Vortrags in der Kanzlei Vorkeh-rungen, z.B. durch eine allgemeine Weisung, Aufträge zur Eintragung von Rechtsmittel- und Rechtsmittelbegründungsfristen sofort und vorrangig zu erle-digen, dagegen getroffen, dass die Ausführung einer entsprechenden mündlich erteilten Weisung unterblieb (BGH aaO mwN). Auch zu einer Überwachung der Fristennotierung durch ihre Angestellte fehlt jeglicher Vortrag.

Tja, das war es dann :-(.

Falsche Verdächtigung im Sorgerechtsstreit endet mit der Nebenklage

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Durch das 2. OpferrechtsreformG ist das Recht der Nebenklage im Jahr 2009 nicht unerheblich erweitert worden. Nach § 395 Abs. 3 StPO kann sich auch derjenige mit der Nebenklage anschließen, wenn dies aus besonderen Gründen, insbesondere wegen der schweren Folgen der dem Beschuldigten vorgeworfenen Tat, zur Wahrnehmung seiner Interessen geboten erscheint. Zum Anwendungsbereich dieser Neuregelung hat inzwischen schon der BGH, Beschl. v. 09.05.2012 – 5 StR 523/11 – Stellung genommen. Nun auch der LG Bad Kreuznach, Beschl. v. 12.09.2013 – 2 Qs 77/13 hinsichtlich der Frage, ob auch eine falsche Verdächtigung (§ 164 StGB) zum Anschluss berechtigen kann. Da hatte in einem familiengerichtlichen Verfahren der Kindesvater geäußert/vortragen lassen: „… nach Kenntnis des Kindesvaters verkehren in dem von der Kindesmutter und T. bewohnten Haus viele Leute, welche bereits Probleme mit Drogen und Alkohol hatten. Dies gelte vor allem für die Kindesmutter, ihren Lebensgefährten D., dessen Schwester B. und auch für die Mutter der beiden, M. Insofern wird angeregt, dass das Jugendamt in den kommenden Wochen und Monaten unangemeldete Besuche macht, um sich über das Umfeld und das Wohlergehen von T. eigene Eindrücke zu verschaffen.“

Das LG hat den Anschluss der Kindesmutter mit der Nebenklage nach § 395 Abs. 3 StPO durchgreifen lassen:

„Nach § 395 Abs. 3 StPO kann auch eine falsche Verdächtigung gemäß § 164 StGB zum Nebenklageanschluss berechtigen.

Mit der Neufassung des § 395 Abs. 3 StPO durch das Zweite Opferrechtsreformgesetz vom 1.10.2009 (BGBl I S. 2280) wurde ein Auffangtatbestand für die Nebenklagebefugnis von Opfern, die durch die Tat besonders schwerwiegenden Folgen davongetragen haben, geschaffen. Entsprechend dem Wortlaut der Vorschrift sind nunmehr alle rechtswidrigen Taten grundsätzlich anschlussfähig. Der als Korrektiv zur ansonsten uferlosen Weite der Norm geschaffene materielle Anschlussgrund erfordert, dass besondere Gründe den Anschluss zur Wahrnehmung der Interessen des Verletzten gebieten. Maßgeblich für die Zuerkennung der privilegierten Rechtsstellung eines Nebenklägers ist die im Einzelfall zu prüfende prozessuale Schutzbedürftigkeit des möglicherweise durch die Tat Verletzten (BGH StV 2012, 754).

Anhaltspunkte für die notwendige besondere Schutzbedürftigkeit können nach dem Willen des Gesetzgebers schwere physische oder psychische Folgen der Tat darstellen. Besondere Gründe können aber auch darin liegen, dass das Opfer Schuldzuweisungen durch den Beschuldigten abzuwehren hat. Bei der Beurteilung ist auf die individuelle Lebenssituation des Verletzten abzustellen. Das betroffene und geschützte Rechtsgut ist dabei besonders zu beachten. Rein wirtschaftliche Interessen sind indessen nicht ausreichend (vgl. BGH StV 2012, 754 m.w.N.; Weiner in BeckOK, Stand: 28.1.2013; § 395 Rn. 18-20).

Nach diesen Maßstäben ist die besondere Schutzbedürftigkeit der Anzeigeerstatterin S. im vorliegenden Fall gegeben.

Die verfahrensgegenständlichen Äußerungen, die der Angeklagte getätigt haben soll, zielen erkennbar darauf ab, dem streitigen familiengerichtlichen Verfahren über das Sorge- und Umgangsrecht betreffend die gemeinsamen Kinder zu einem für die Anzeigeerstatterin negativen Ausgang zu verhelfen. Auf Betreiben des im familiengerichtlichen Verfahren ebenfalls beteiligten Jugendamtes hat sich die Anzeigeerstatterin bereits einem Drogenscreening unterziehen müssen. Die verfahrensgegenständlichen Äußerungen, die der Angeklagte getätigt haben soll, haben mithin erhebliche Auswirkungen auf die Anzeigeerstatterin. Das Sorge- und Umgangsrecht mit den leiblichen Kindern, das hier betroffen ist, stellt ein besonders bedeutendes und grundrechtlich geschütztes Rechtsgut (Art. 6 GG) dar, das auch die individuelle Lebensführung prägt. Die Anzeigeerstatterin hat ein besonderes schutzwürdiges Interesse daran, sich gegen unberechtigte Schuldzuweisungen, die diesen Bereich betreffen, zur Wehr zu setzen.“

Jetzt aber richtig: Einmal Nebenkläger, immer Nebenkläger

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Das gestrige Posting ist irgendwie „schief gelaufen“. Danke für den Hinweis. Hier dann der Beitrag (noch einmal) richtig. 🙂

Der Angeklagte wird wegen Betruges in sechs Fällen zum Nachteil einer Frau S. vom AG verurteilt, in drei Fällen wird er frei gesprochen. Frau S. war vom AG gemäß §§ 395 Abs. 3, 396 StPO als Nebenklägerin zugelassen worden ist. Dagegen legt Frau S. Berufung ein. Die wird vom LG als unzulässig verworfen. Die Nebenklägerin sei nicht durch ein Nebenklagedelikt im Sinne des § 395 StPO verletzt, weshalb es für die Zulässigkeit der Berufung an der notwendigen Beschwer der Nebenklägerin fehle.

Der OLG Oldenburg, Beschl. v. 06.02.2013 – 1 Ws 70/13 – sagt: So geht es nicht. Denn einmal nach § 395 Abs. 3 StPO als Nebenkläger zugelassen, dann bleibt man es auch:

„Zwar zählt der gegen den Angeklagten erhobene Vorwurf des Betruges zum Nachteil der Geschädigten nicht zu den in § 395 Abs. 1 StPO aufgezählten Delikten, die zum Anschluss als Nebenkläger berechtigen, weshalb das Amtsgericht die Geschädigte zunächst nicht als Nebenklageberechtigte zugelassen hatte. Auf die hiergegen gerichtete Beschwerde der Geschädigten, mit der sie geltend gemacht hat, sie sei durch die Betrugshandlungen in ihrer Lebensführung und auch psychisch nachhaltig und schwerwiegend belastet worden, hat das Amtsgericht die Geschädigte mit Beschluss vom 12. Januar 2012 gemäß §§ 395 Abs. 3, 396 StPO als Nebenklägerin zugelassen. Anders als ein gemäß § 395 Abs. 1 oder Abs. 2 StPO ergangener Zulassungsbeschluss begründet die auf § 395 Abs. 3 StPO gestützte Zulassung einen materiellen Anschlussgrund mit konstitutiver Wirkung. Sie ist durch § 396 Abs. 2 StPO jeder Anfechtung entzogen und bindet auch das Rechtsmittelgericht, mit der Folge, dass das Landgericht bei der im Rahmen der Zulässigkeit der Berufung zu prüfenden Beschwer der Nebenklägerin deren Nebenklageberechtigung nicht abweichend von der materiellen Entscheidung des Amtsgerichts beurteilen darf (vgl. BGH NJW 2012, 2601; OLG Düsseldorf NStZ 1994, 49 mit Anm. Rössner NStZ 1994, 506; OLG Düsseldorf NStZ-RR 1997, 11).

Da der Angeklagte nur in sechs von neun Fällen der ihm vorgeworfenen Betrugstaten zu Lasten der Nebenklägerin verurteilt und im Übrigen freigesprochen worden ist, ist sie durch das angefochtene Urteil beschwert.

 

 

Tod des Opfers – nur beschränkte Nebenklageberechtigung

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Die Misshandlung eines Schutzbefohlenen (§ 225 StGB) berechtigt nach § § 395 Abs. 1 Nr. 3 StPO zum Anschluss als Nebenkläger, aber: Nach dem Tod des Opfers gilt das nicht mehr. Dann folgt die Nebenklageberechtigung allein noch aus § 395 Abs. 2 Nr. 1 StPO – also Kinder, Eltern usw. Darauf macht noch einmal der BGH, Beschl. v. 09.10.2012 – 4 StR 350/12 – in Zusammenhang mit der Verwerfung der Revision des Nebenklägers aufmerksam:

„…1. Das Rechtsmittel des Nebenklägers ist unzulässig, soweit er den (Teil-)Freispruch der Angeklagten angreift.

Nach § 400 Abs. 1 StPO kann der Nebenkläger das Urteil nicht mit dem Ziel anfechten, dass der Angeklagte wegen einer Gesetzesverletzung verurteilt wird, die nicht zum Anschluss des Nebenklägers berechtigt. Nach dem Tod des Opfers kann sich die Berechtigung zum Anschluss als Nebenkläger nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs allein aus § 395 Abs. 2 Nr. 1 StPO ergeben (vgl. BGH, Beschlüsse vom 13. Mai 1998 – 3 StR 148/98, BGHSt 44, 97, 99; vom 13. Juni 2002 – 4 StR 95/02, DAR 2002, S. 421; vom 10. Januar 2006 – 4 StR 490/05, NStZ 2006, S. 351, und vom 11. Oktober 2011 – 5 StR 396/11, StraFo 2012, S. 67; KK-Senge, StPO, 6. Aufl., § 395 Rn. 9 mwN). Rechtswidrige Taten im Sinne dieser Vorschrift sind Straftaten gegen das Leben sowie solche, die durch den Tötungserfolg qualifiziert sind. Hieran fehlt es, soweit die Revision wegen der am 17. September 2010 festgestellten Verletzungen des Kindes die Verurteilung der Angeklagten wegen Misshand-lung eines Schutzbefohlenen nach § 225 StGB erstrebt….“