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Der Kampf um die Mittelgebühr in Bußgeldverfahren und das Rasenmäherprinzip

In (straßenverkehrsrechtlichen) OWi-Verfahren gibt es immer wieder den Kampf um die Mittelgebühr. Dafür ist der Beschl. des LG Neuruppin v. 08.02.2010, 16 Qs 9/10, auf den ich erst jetzt gestoßen bin, ein „schönes“ Beispiel. Das LG sagt:

Wird ein Bußgeldverfahren wegen Geschwindigkeitsüberschreitung mit Festsetzung einer Geldbuße von 130 Euro und drei Punkten im Verkehrsregister wegen Doppelverfolgung auf Kosten der Staatskasse eingestellt und beschränkt sich die Verteidigung auf die Sichtung einer VHS-Videokassette, die Rüge der Zuständigkeit des Gerichts und die Geltendmachung des Einwands der Doppelverfolgung in zwei einseitigen Schriftsätzen, so handelt es sich gebührenrechtlich um eine weit unterdurchschnittliche Angelegenheit. Die Gebühren können demnach nicht in Höhe der Mittelgebühr festgesetzt werden. Angemessen ist vielmehr eine Festsetzung auf 50 Prozent unter der Mittelgebühr.“

Also: Weit unterdurchschnittlich, ich wage, diese Aussage aus dem landgerichtlichen Beschluss zu bezweifeln. Und auch die Bedeutung der Angelegenheit für den Betroffenen mit den drei drohenden Punkten wird m.E. nicht richtig gesehen.

Und total verfehlt ist der Beschluss hinsichtlich der Gebühr Nr. 5115 VV RVG. Da sollte es inzwischen auch in Neuruppin angekommen sein, dass diese Gebühr eine Festgebühr ist, also immer die Mittelgebühr anfällt. Aber, wenn man schon kürzt, dann kürzt man eben alles. Rasenmäherprinzip.

Da hatte mal wieder einer einen Igel in der Tasche, oder ca. 142 € versus ca. 570 €…

… ist die erste Reaktion, wenn man den Beschluss des LG Zweibrücken v. 14.06.2010 – Qs 33/10 liest. Die zweite ist dann – im Hinblick auf die der landgerichtlichen Entscheidung zugrunde liegende Kostenfestsetzung des Rechtspflegers – „Frechheit“ (über die auf diese Formulierung eingehenden Kommentare bin ich mir bewusst).

Aber: Der Rechtspfleger setzt die Mindestgebühr (!!!) an, geht also im Grunde vom denkbar geringsten Fall aus und kommt so zu nur rund 142 € gegenüber rund 570 €, die der Verteidiger geltend gemacht hat.

Das LG legt zutreffend dar, dass Ausgangspunkt der anwaltlichen Gebührenberechnung in Strafsachen i.d.R. die Mittelgebühr ist (was sonst?) und die Mindestgebühr eben nur in weit unterdruchschnittlichen Fällen zum Ansatz kommt. Anhand der Kriterien des Einzelfalls wird dann ausgeführt, dass das Verfahren – m.E. zumindest – durchschnittlich ist und genau das festgesetzt,was der Rechtsanwalt beantragt hatte.

Der „Igel in der Tasche“ hat also nicht überlebt..

Kein Eiertanz um die Gebühren beim AG Stadtroda…

Auch nach Inkrafttreten des RVG sind die Stimmen nicht verstummt, die in straßenverkehrsrechtlichen Bußgeldverfahren grds. Gebühren unter der Mittelgebühr als angemessen ansehen. Dass das nicht richtig ist, habe ich bereits an verschiedenen Stellen (Nachweise auf meiner Homepage) dargelegt.

Jetzt hat sich auch das AG Stadtroda in einem Beschl. v. 23.06.2010 – 5 OWI 1043/10 – dieser Auffassung angeschlossen und ausgeführt, dass die Diskussion nach Inkrafttreten des RVG erledigt sei.

Wenn doch nur alle AG so denken würden.

OLG Stuttgart zur Befriedungsgebühr: Leider nur teilweise richtig

Das OLG Stuttgart hat in einem Beschl. v. 08.03.2010 – 2 Ws 29/10 zur sog. Befriedungsgebühr Stellung genommen. Die erste Freude über diese Entscheidung verfliegt schnell, wenn man sich den Beschluss genauer ansieht.

1. Erste Freude deshalb: Zutreffend ist die Entscheidung hinsichtlich des vom OLG gewählten Leitsatzes: „Für die anwaltliche Mitwirkung in Sinne der Nr. 4141 Abs. 1 Nr. 1 VV RVG genügt jede auf die Förderung des Verfahrens gerichtete Tätigkeit, die objektiv geeignet ist, das Verfahren im Hinblick auf eine Verfahrensbeendigung außerhalb der Hauptverhandlung zu fördern. Weitergehende Anforderung an die Quantität oder Qualität der Mitwirkung, insbesondere im Sinne einer intensiven und zeitaufwändigen anwaltlichen Mitwirkung bestehen nicht (entgegen KG Berlin, Beschluss vom 24.10.2006, 4 Ws 131/06).“ Das entspricht der ganz h.M. Meinung in dieser (Streit)Frage.

2. Schlicht falsch ist es aber, wenn das OLG hinsichtlich der Höhe der Gebühr davon ausgeht, dass die Gebühr innerhalb des Rahmens zu bemessen ist und sie dann vom OLG mit 40 € bemessen wird. Falsch deshalb, weil schon nach dem Wortlaut „bemisst“ die Befriedungsgebühr als eine reine Festgebühr anzusehen ist und sie immer in Höhe der Mittelgebühr entsteht. Für seine abweichende Ansicht gibt das OLG keine Begründung. Das spricht m.E. dafür, dass man die Problematik gar nicht gesehen und im Kommentar offenbar nicht zu Ende gelesen hat. Um es vorsichtig auszudrücken: Schade.

LG Chemnitz: Wenn schon, denn schon, oder: Wie wäre es denn mal mit einer Begründung

Da ist mal wieder eine gebührenrechtliche Entscheidung, die ärgerlich macht.

Der RA beantragt nach Freispruch im OWi-Verfahren die Festsetzung der Wahlanwaltsgebühren. Er geht von den Mittelgebühren aus, die um etwa 18 % überschritten werden. Das AG setzt die Mittelgebühren fest, dagegen Rechtsmittel. Das LG Chemnitz entscheidet im Beschluss vom 22.10.2009, 2 Qs 82/09 und verwirft die sofortige Beschwerde. Es hält die Mittelgebühren für angemessen. So weit, so gut (über die Frage kann man trefflich streiten). Aber: Was ist denn nun mit der 20%-Grenze? Da hilft sich das LG mit einem Hinweis auf OLG Düsseldorf NStZ 1998, 465; und Gerold/Schmidt, RVG, 18. Aufl., § 14 RVG, Rn.12. Danach ist auch bei nur geringerer, unter der sog. 20 %-Grenze liegender Überschreitung der Bestimmung der Festsetzung der Wahlanwaltsgebühren diese nicht bindend, wenn sie mit sachfremden Erwägungen ohne Ermessensausübung erfolgte in der Meinung, in diese Bestimmung unter der 20 %-Grenze könne nicht eingegriffen werden. Nur: Für diese Annahme bleibt das LG m.E. eine Begründung schuldig. Denn es führt nur aus: „Vorliegend war die Festsetzung von deutlich (bis zu 18,6 %) über der Mittelgebühr, aber knapp unter der 20 %-Grenze liegenden Beträgen unter Berücksichtigung der Gesamtumstände des unterdurchschnittlich einfach gelagerten Falls trotz der Auswirkungen des Fahrverbots erheblich überhöht, so dass die Gebührenbestimmung nicht bindend ist.“ Das passt auf jeden Fall und führt zur Abschaffung der 20%-Grenze.