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Nochmals Verteidigermitwirkung bei der Einstellung, oder: Verfassen des Einstellungsschriftsatzes reicht

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Heute ist zwar Feiertag, Karfreitag, Ostern naht also. Aber trotz des langen Wochenendes lasse ich es hier normal „durchlaufen“. Heute daher: RVG-Entscheidungen.

Zunächst stelle ich den LG Aachen, Beschl. v. 28.02.2024 – 2 Qs 8/23 – vor. Das LG Aachen hat mit deutlichen Worten Stellung genommen zur Qualität der Mitwirkungshandlung des Verteidigers im Sinne der Nr. 4141 VV RVG. Der Kollege, der mir den Beschluss geschickt hat, hat den Beschuldigten in einem Strafverfahren als Pflichtverteidiger verteidigt. Das Verfahren ist eingestellt worden, ohne dass ein von dem Kollegen verfasster und abgesandter Einstellungsschriftsatz zur Akte gelangt ist.

Der Kollege hat bei der Gebührenfestsetzung auch die Festsetzung der zusätzlichen Verfahrensgebühr Nr. 4141 VV RVG beantragt. Diese ist schließlich vom LG festgesetzt worden. Dagegen hat der Bezirksrevisor Gegenvorstellung erhoben, die das LG nun zurückgewiesen hat:

„Die Gegenvorstellung ist zwar zulässig, gibt jedoch in der Sache keinen Anlass, den angegriffenen Beschluss abzuändern. Denn dessen Gründe treffen nach wie vor zu.

Die Kammer ist bereits im Beschluss vom 13.06.2023 davon ausgegangen, dass der Schriftsatz des Verteidigers vom 20.09.2022 nicht zur Akte gelangt ist und damit eine (Mit-)Ursächlichkeit dieses Schriftsatzes für die Einstellung des Verfahrens an der Existenz dieses Schriftsatzes, dessen Zugang der Verteidiger durch Übersendung des Zustellnachweises nachgewiesen hat (BI. 154 d.A.), bestehen auch nach dem Vorbringen der Gegenvorstellung nicht.

Es kann vorliegend auch dahinstehen, ob. der Einstellungsschriftsatz bei der Staatsanwaltschaft Aachen bekannt war. Denn die Kammer hält an der Rechtsaufassung des Kammerbeschlusses vom 13.06.2023 fest. Danach muss die auf Förderung gerichtete anwaltliche Mitwirkungshandlung i.S.d. 4141 VV RVG weder ursächlich noch mitursächlich für die Entscheidung des Gerichts gewesen sein (OLG Stuttgart, Beschluss vom 08.03.2010          2 Ws 29/1.0; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 14.10.2002, 2 Ws 261/02, NStZ-RR 2003, 31 zu § 84 BRAGO; Gerold/Schmidt, RVG-Kommentar, 25. Auflage 2021, VV 4141, Rz 11.).

Die Bestimmung der Nr. 4141 Abs. 1. Nr. 1 VV RVG übernimmt den Grundgedanken der Regelung des § 84 Abs. 2 BRAGO (vgl. BT-Drucks. 15/1971, S. 227 zu Nr. 4141 W). Diese war geschaffen worden, um Tätigkeiten des Verteidigers zu honorieren, die zu einer Vermeidung der Hauptverhandlung und damit beim Verteidiger zum Verlust der Hauptverhandlungsgebühr führten (vgl. BT-Drucks. 12/6962, S. 106). Die Neuregelung in Nr. 4141 W RVG hat diesen Ansatz aufgegriffen, indem dem Rechtsanwalt in den dort genannten Fällen eine zusätzliche Gebühr in Höhe der jeweiligen Verfahrensgebühr zugebilligt wird. Die Zusatzgebühr soll wie die Vorgängerregelung den Anreiz, Verfahren ohne Hauptverhandlung zu erledigen, erhöhen und damit zu weniger Hauptverhandlungen führen (vgl. BT-Drucks. 15/1971, S. 227 f. zu Nr. 4141 VV; BGH, Urteil vom 18. September 2008 — IX ZR 174/07 —, juris).

Nach dem Wortlaut der Nr. 4141 Abs. 2 W RVG entsteht die Gebühr jedoch nur dann nicht, wenn eine auf die Förderung des Verfahrens gerichtete Tätigkeit nicht ersichtlich ist, während es im ursprünglichen Regierungsentwurf (BT-Drucksache 12/6962 S. 41) hieß, dass der Rechtsanwalt die Gebühr nicht erhält, wenn seine Mitwirkung für die Einstellung oder Erledigung nicht ursächlich war. Vor diesem Hintergrund ist der Wortlaut dahingehend auszulegen, dass keine Ursächlichkeit i.S.e. conditio-sine-qua-non zwischen anwaltlicher Mitwirkung und Entbehrlichkeit der Hauptverhandlung, sondern lediglich eine Tätigkeit, die auf die Förderung des Verfahrens ausgerichtet war, zu verlangen ist. Das Verfassen eines auf Einstellung des Verfahrens gerichteten Schriftsatzes ist ersichtlich eine solche Tätigkeit.

Eine gebührenauslösende Tätigkeit des Verteidigers lag somit bereits im Verfassen und Absenden des Einstellungsschriftsatzes, dessen Zugang bei der Staatsanwaltschaft Aachen durch Übersenden des Zustellnachweises (BI. 154 d.A.) nachgewiesen wurde.“

Schön begründet. Dem ist nichts hinzuzufügen.

OLG Stuttgart zur Befriedungsgebühr: Leider nur teilweise richtig

Das OLG Stuttgart hat in einem Beschl. v. 08.03.2010 – 2 Ws 29/10 zur sog. Befriedungsgebühr Stellung genommen. Die erste Freude über diese Entscheidung verfliegt schnell, wenn man sich den Beschluss genauer ansieht.

1. Erste Freude deshalb: Zutreffend ist die Entscheidung hinsichtlich des vom OLG gewählten Leitsatzes: „Für die anwaltliche Mitwirkung in Sinne der Nr. 4141 Abs. 1 Nr. 1 VV RVG genügt jede auf die Förderung des Verfahrens gerichtete Tätigkeit, die objektiv geeignet ist, das Verfahren im Hinblick auf eine Verfahrensbeendigung außerhalb der Hauptverhandlung zu fördern. Weitergehende Anforderung an die Quantität oder Qualität der Mitwirkung, insbesondere im Sinne einer intensiven und zeitaufwändigen anwaltlichen Mitwirkung bestehen nicht (entgegen KG Berlin, Beschluss vom 24.10.2006, 4 Ws 131/06).“ Das entspricht der ganz h.M. Meinung in dieser (Streit)Frage.

2. Schlicht falsch ist es aber, wenn das OLG hinsichtlich der Höhe der Gebühr davon ausgeht, dass die Gebühr innerhalb des Rahmens zu bemessen ist und sie dann vom OLG mit 40 € bemessen wird. Falsch deshalb, weil schon nach dem Wortlaut „bemisst“ die Befriedungsgebühr als eine reine Festgebühr anzusehen ist und sie immer in Höhe der Mittelgebühr entsteht. Für seine abweichende Ansicht gibt das OLG keine Begründung. Das spricht m.E. dafür, dass man die Problematik gar nicht gesehen und im Kommentar offenbar nicht zu Ende gelesen hat. Um es vorsichtig auszudrücken: Schade.