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Der ein oder andere wird sich vielleicht noch erinnern. Vor einigen Jahren hatte es den Streit um die Zulassung einer Referendarin zur Anwaltschaft gegeben. Die hatte am 28.08.2014 nach bestandener zweiter juristischer Staatsprüfung einen Antrag auf Zulassung zur Anwaltschaft gestellt, Mit Bescheid vom 15.05.2015 lehnte die zuständige RAK Köln den Antrag mit der Begründung ab, die Referendarin sei gemäß § 7 Nr. 5 BRAO unwürdig, zur Anwaltschaft zugelassen zu werden, da sie mit Urteil des AG Aachen vom 12.04.2013 wegen Beleidigung ihres Ausbilders in der Staatsanwaltsstation im Rahmen ihres Rechtsreferendariats zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 30,00 € sowie bereits im Jahre 2008 wegen uneidlicher Falschaussage verurteilt worden war. Die gegen den Ablehnungsbescheid erhobene Klage wurde vom Anwaltsgerichtshofs des Landes Nordrhein-Westfalen mit Urteil vom 30.10.2015 (1 AGH 25/15) abgewiesen. Der BGH lehnte den anschließenden Antrag auf Zulassung der Berufung mit Beschluss vom 27.06.2016 (AnwZ (Brfg) 10/16) ab. Mit Beschluss vom 22.10.2017 (1 BvR 1822/16) gab das BVerfG der Verfassungsbeschwerde der Referendarin statt und stellte fest, dass die Entscheidung der Beklagten und das Urteil des Anwaltsgerichtshofs des Landes Nordrhein-Westfalen diese in ihren Grundrechten aus Art. 12 Abs. 1 S. 1 GG verletzten. Der Anwaltsgerichtshof des Landes Nordrhein-Westfalen beraumte daraufhin einen neuen Termin zur mündlichen Verhandlung auf den 31.08.2018 an, in der man sich dann dahingehend verständigte, dass die RAK die Referendarin nunmehr zur Anwaltschaft zulassen wollte, was am 05.09.2018 vollzogen wurde.
Mit Schreiben vom 01.10.2020 forderte die Klägerin die Beklagte zur Zahlung von 75.000,00 € auf. Darum wird inzwischen geklagt. Das LG Köln hat mit LG Köln, Urt. v. 03.08.2021 – 5 O 341/20 – die Klage abgewiesen:
„…..
2.a) Auch hinsichtlich der Ablehnung des Zulassungsantrags kann zugunsten der Klägerin von der Verletzung einer Amtspflicht ausgegangen werden. Der Ablehnungsbescheid ist – wie das Bundesverfassungsgericht festgestellt hat – verfassungswidrig und damit rechtswidrig. Daran ist das erkennende Gericht gebunden. Der Beklagten ist jedoch kein Verschulden vorzuwerfen. Die Entscheidung der Beklagten, der Klägerin die Zulassung zu verweigern, erfolgte nicht mindestens fahrlässig.
Zum einen verstieß die Auslegung sowohl von § 7 Nr. 5 BRAO als auch von Art. 12 Abs. 1 S. 1 GG durch die Beklagte zum Bescheidungszeitpunkt nicht gegen den klaren, bestimmten, unzweideutigen Wortlaut der Vorschriften oder gegen eine eindeutige höchstrichterliche Rechtsprechung (Palandt/Sprau, BGB, § 839 Rn. 53 m.w.N.). Das Bundesverfassungsgericht hat ausdrücklich klargestellt, dass „sowohl die Rechtsanwaltskammer als auch der Anwaltsgerichtshof im Ansatz zutreffend davon ausgegangen [sind], dass eine Einschränkung der freien Berufswahl nur zum Schutz besonders wichtiger Gemeinschaftsgüter und unter strikter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit statthaft ist“, die Beklagte bei der Normauslegung des § 7 Nr. 5 BRAO der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gefolgt ist und dass auch der richtige Prüfungsmaßstab für Art. 12 Abs. 1 S. 1 GG festgelegt wurde (Beschluss vom 22.10.2017, Rn. 25). Für eine andere Beurteilung bestehen keine Anhaltspunkte. Die Beklagte hat in ihrem Bescheid auf Seite 2 den bis dato bekannten Prüfungsmaßstab korrekt dargelegt. Die in Rn. 29 der Bundesverfassungsgerichtsentscheidung – ohne eine Verweisung auf bereits ergangene Entscheidungen der Obergerichte – erfolgten Ausführungen fanden sich in der bis zu diesem Beschluss ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung in dieser Eindeutigkeit noch nicht und sind im Übrigen ausweislich Rn. 26 einzelfallbezogen.
Zum anderen ist nach der sog. Kollegialgerichts-Richtlinie das Verschulden regelmäßig zu verneinen, wenn bei einer zweifelhaften, nicht einfach zu beantwortenden Rechtsfrage ein mit mehreren Rechtskundigen besetztes Kollegialgericht nach sorgfältiger Prüfung, aber unrichtigerweise die Rechtsmäßigkeit der Amtshandlung bejaht hat, auch wenn diese Entscheidung erst nach der Amtshandlung ergangen ist (Palandt/Sprau, BGB, § 839 Rn. 53 m.w.N.). Der Ablehnungsbescheid der Beklagten wurde sowohl durch den 1. Senat des Anwaltsgerichtshofs des Landes Nordrhein-Westfalen, besetzt durch zwei Berufsrichter und drei Rechtsanwälte, als auch den Senat für Anwaltssachen des Bundesgerichtshofs, besetzt durch drei Berufsrichter und zwei Rechtsanwälte, nach jeweils eingehender, insbesondere nicht summarischer Prüfung über mehrere Seiten Entscheidungsgründe hinweg bestätigt.
Eine Ausnahme gälte nur dann, wenn die Gerichte in entscheidenden Punkten von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen wären oder diesen nicht erschöpfend gewürdigt hätten bzw. eine eindeutige Bestimmung handgreiflich falsch ausgelegt oder maßgebliche Fragen verkannt hätten oder das Verhalten des Amtsträgers aus anderen Rechtsgründen als dieser Bestimmung als objektiv gerechtfertigt angesehen hätten (Palandt/Sprau, BGB, § 839 Rn. 53 m.w.N.). Die Gerichte haben – wie bereits festgestellt – sowohl § 7 Nr. 5 BRAO als auch Art. 12 Abs. 1 S. 1 GG richtig ausgelegt und dabei maßgebliche Fragen nicht verkannt. Ebenfalls sind die Gerichte von einem richtigen Sachverhalt ausgegangen und haben diesen erschöpfend gewürdigt. Diesbezüglich hat das Bundesverfassungsgericht in Rn. 27 seines Beschlusses ausgeführt, dass „die Würdigung der konkret herangezogenen für und gegen die Beschwerdeführerin sprechenden Umstände zur Beurteilung ihrer Gesamtpersönlichkeit“ keinen Bedenken begegne. Die Kammer schließt sich dieser Bewertung an. Insbesondere hat die Beklagte berücksichtigt, dass die Verurteilungen der Klägerin bereits einige Zeit zurück lagen. Nach Ansicht der Beklagten war aber in der Zwischenzeit ein „Wandlungsprozess […] bei Ihnen nicht feststellbar. Sie haben zudem in keiner Ihrer Aussagen zum Ausdruck gebracht, Ihre Taten zu bereuen.“ Dass die Entscheidungen letztlich „eine Prognoseentscheidung im Hinblick auf die Beeinträchtigung der einer Zulassung entgegenstehenden Interessen der Öffentlichkeit vermissen“ ließen (BVerfG, Beschluss vom 22.10.2017, Rn. 29), erfüllt keinen der oben genannten Ausnahmetatbestände.
b) Selbst wenn man zugunsten der Klägerin davon ausginge, der Bescheid der Beklagten wäre schuldhaft rechtswidrig ergangen, so ist die Beklagte jedenfalls gemäß § 214 Abs. 1 BGB wegen Eintritt der Verjährung berechtigt, die Leistung zu verweigern. Die Verjährung ist gleichsam mit Ablauf des 31.12.2018 eingetreten.
Der Amtshaftungsanspruch entsteht im Sinne des § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB, wenn alle Tatbestandsmerkmale des § 839 BGB erfüllt sind. Hinsichtlich des Schadens genügt es nach dem Grundsatz der Schadenseinheit, dass ein Teilschaden eines auf einer abgeschlossenen Handlung beruhenden und vorhersehbaren Gesamtschadens entstanden ist (BGH, Urteil vom 07.03.2019 – III ZR 117/18; Palandt/Ellenberger, BGB, § 199 Rn. 14 m.w.N.). Wegen des Grundsatzes der Schadenseinheit umfasst die Kenntnis eines bereits entstandenen Schadens auch die Kenntnis weiterer nachteiliger Folgen, die zwar im Zeitpunkt der Erlangung der Kenntnis noch nicht eingetreten, aber bei verständiger Würdigung voraussehbar gewesen wären (BGH, Vorlagebeschluss vom 12.10.2006 – III ZR 144/05.
Der Amtshaftungsanspruch ist – unterstellt – dem Grunde nach mit der Ablehnung des Zulassungsantrags am 15.05.2015 entstanden. Wie bereits dargelegt wurde, war der Klägerin auch die Erhebung einer Feststellungsklage zumutbar. Der Ausnahmefall der Rechtsunkenntnis des Gläubigers, der den Verjährungsbeginn hinausschieben kann, wenn eine unsichere und zweifelhafte Rechtslage vorliegt, die selbst ein rechtskundiger Dritter nicht zuverlässig einzuschätzen vermag (vgl. nur BGH, Urteil vom 28. Oktober 2014 – XI ZR 348/13 -, BGHZ 203, 115-140, Rn. 35 m.w.N.), liegt ersichtlich nicht vor. Die Klägerin ging nach ihrem eigenen Vortrag davon aus, dass die Entscheidung der Beklagten „offenkundig“ rechtswidrig war, sodass für sie ein Anspruch nahe lag. Auch dass in Folge zwei Gerichte die Entscheidung der Beklagten bestätigten, ist insofern ohne Belang, ebenso wie der Umstand, dass die Klägerin bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nicht sicher wusste, ob der Bescheid tatsächlich rechtswidrig ist, denn eine solche „absolute“ Sicherheit wird von der Rechtsprechung im Rahmen des § 199 Abs. 1 BGB nicht gefordert…..“
Von der Sache werden wir sicher noch einmal hören.