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StGB I: Wann ist es eine „kriminelle Vereinigung“?, oder: Abgrenzung zur Bande

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Ich stelle heute dann mal wieder einige StGB-Entscheidungen vor, aber heute dann auch mal zwei Entscheidungen, die sich nicht mit den Delikten befassen, die „alltäglich“ sind bzw. sonst die Berichterstattung beherrschen.

Und ich beginne mit dem LG Köln, Beschl. v. 09.11.2020 – 101 Qs 72/20. In ihm geht es um den Begriff der kriminellen Vereinigung i.S. des § 129 StGB und die Abgrenzung dieses Begriffs zur Bande. Da der Beschluss gut 26 (!) Seiten lang ist, eignet er sich nicht so gut, um hier eingestellt zu werden. Daher verweise ich auf den Volltext.

Und hier mache ich es mir einfach und stelle das Übersendungsschreiben der 1. großen Strafkammer des LG Köln ein:

„Sehr geehrte Damen und Herren,

in der Anlage übersende ich Ihnen einen Beschluss unserer Kammer vom 09.11.2020 (101 Qs 72/20), der aus meiner Sicht für eine Veröffentlichung in Betracht kommen könnte.

In diesem Beschluss hat sich unsere Kammer im Rahmen eines Beschwerdeverfahrens ausführlich mit dem Begriff der kriminellen Vereinigung befasst, insbesondere ausgeführt, dass auch nach der Einführung der Legaldefinition des § 129 Abs. 2 StGB weiterhin eine trennscharfe Abgrenzung von Bande und krimineller Vereinigung möglich sein müsse. Höchstrichterliche Entscheidungen liegen hierzu, soweit wir sehen, nach der Gesetzesneufassung noch nicht vor. Die Kommentarliteratur erkennt das Problem einer geradezu uferlosen Anwendung des § 129 StGB und hat die Hoffnung geäußert, dass die Rechtsprechung dem Begriff ggfs. neue Konturen verleihen könne. Diesem Ziel haben wir uns in dem angesprochenen Beschluss, mit dem wir einen u.a. auf den Vorwurf der Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung gestützten Haftbefehl aufgehoben haben, auf den Seiten 4 bis 17 gewidmet.

Folgende Leitsätze könnten für den angehängten Beschluss in Betracht kommen:

  1. Zur Abgrenzung der kriminellen Vereinigung von der Bande nach der Neuregelung des § 129 Abs. 2 StGB mit Gesetz zur Änderung des Strafrechts vom 21.07.2017
  2. Der Anwendungsbereich des § 129 StGB ist weiterhin subjektiv zu begrenzen (Fortgeltung der in BGHSt 54, 216 entwickelten Auslegungsgrundsätze).
  3. Eine darauf verzichtende, allein am Zweck des Rahmenbeschlusses 2008/841/JI des Rates der Europäischen Union vom 24.10.2008 orientierte Auslegung würde demgegenüber zu einer Verwischung der Grenzen von Bande und krimineller Vereinigung und damit zu einem unauflösbaren Bruch im System der Strafbarkeit mehrerer zusammenwirkender Personen führen, auf dem das deutsche materielle Strafrecht beruht.
  4. Ein „übergeordnetes gemeinsames Interesse“ im Sinne von § 129 Abs. 2 StGB scheidet daher weiterhin aus, wenn bloß ein persönliches Gewinnstreben der Täter im Vordergrund steht.

Die gegen unseren Beschluss gerichtete weitere Beschwerde der Staatsanwaltschaft Köln hat das Oberlandesgericht Köln mit Beschluss vom 21.01.2021 (2 Ws 717/20) als unbegründet verworfen. Es hat ausgeführt, dass – mangels Ausbeutung – kein dringender Tatverdacht bezüglich eines Menschenhandels bestehe und letztlich offen bleiben könne, ob ein solcher bezüglich der Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung vorliege, da es jedenfalls am Haftgrund fehle. Im Rahmen eines obiter dictums hat das Oberlandesgericht Köln ausgeführt, dass die Kammer „mit beachtlichen Argumenten“ darauf hingewiesen habe, dass es auch nach Einführung von § 129 Abs. 2 StGB n.F. möglich bleiben müsse, die kriminelle Vereinigung vom Begriff der Bande abzugrenzen; dies entspreche auch der Gesetzesbegründung.

Auch in einem ähnlich gelagerten Parallelverfahren hat das Oberlandesgericht Köln eine weitere Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen einen Beschluss der Kammer (vom 1.10.20, 101 Qs 64/20) mit Beschluss vom 21.01.2021 (2 Ws 614/20) als unbegründet verworfen. Auch hier hat das Oberlandesgericht Köln nicht abschließend zum Begriff der kriminellen Vereinigung Stellung genommen, aber erneut erwähnt, dass die Kammer „mit beachtlichen Gründen ausgeführt“ habe, dass gegen den Beschuldigten insoweit kein dringender Tatverdacht bestehe.“

Im Übrigen: Selbst lesen. Die Kammer hat sich viel Mühe gemacht.

„… meine Fahrzeugdaten im EDR lasse ich nicht auslesen“, oder: Obliegenheitsverletzung bei der Kaskoversicherung?

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Im Verkehrszivilrecht – ja: „Kessel Buntes“ stelle ich heute zunächst das LG Köln, Urt. v. 26.03.2020 – 26 O 236/19 – vor. Es behandelt eine m.E. ganz interessante Frage, und zwar:

Der Kläger verlangte von der Beklagten als Kaskoversicherung eine Leistung anlässlich eines von ihm behaupteten Versicherungsfalls. der vom Kläger geschilderte Unfallhergang wird von einem Sachverständigen angezweifelt. Die beklagte Versicherurng geht davon aus, dass durch das Auslesen der im Fahrzeug vorhandenen Daten, insbesondere dem sogenannten Event-Data-Recorder (EDR) der Eintritt des Versicherungsfalls umfänglich überprüft werden konnte. Es legt deshalb dem Kläger eine Einwilligungserklärung mit der Bitte vor, dass er diese gegenzeichnet und die Untersuchung des Fahrzeuges/das Auslesen der Daten durch einen von der Beklagten eingeschalteten Sachverständigen gestattet. Der Kläger verweigert das. Die Beklagte verweigerte daraufhin die Leistung aus der Kaskoversicherung mit dem Hinweis auf eine Obliegenheitsverletzung des Klägers. Der Kläger erhebt dann Klage, die vom LG Köln abgewiesen wird:

„Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Entschädigungsanspruch nach A.2.3.2, A.2.7.1 AKB. Keine Partei hat vorgetragen, dass die vorgelegten AKB in den entscheidungserheblichen Passagen mit den vorgelegten AKB entsprechen würden.

Die Beklagte ist nach E.5.2 AKB i.V.m, § 28 Abs. 2 WG leistungsfrei.

Der Kläger hat seine Aufklärungsobliegenheit gemäß E.1.3. AKB arglistig verletzt.

Danach hat der Kläger der Beklagten Untersuchungen zu den Umständen des Schadensereignisses sowie zu ihrer Leistungspflicht zu ermöglichen, soweit ihm dies zumutbar ist.

Durch seine Weigerung, den Fahrzeugdatenspeicher auslesen zu lassen, hat der Kläger hiergegen verstoßen.

Die Beklagte hatte an der Auslesung ein auf der Hand liegendes berechtigtes Interesse, weil diese Aufschluss über etwa aufgetretene technische Fehler geben konnte, die der Beklagten im Rahmen ihrer Regulierungsprüfung eine Einschätzung erlaubte, ob es sich um ein manipuliertes Schadensereignis handelt oder nicht.

Es sind keine Umstände dafür ersichtlich, dass dem Kläger die Gestattung der Speicherauslesung unzumutbar gewesen wäre. Soweit er darauf abstellt, dass die Beklagte aus der Auslesung Rückschlüsse auf sein Fahrverhalten ziehen könnte, macht er deutlich, dass ihm klar war, um was es geht, und dass er eben dies durch seine Weigerung verhindern und der Beklagten eine wichtige Erkenntnisquelle für ihre Regulierungsprüfung verschließen wollte.

Dieses Verhalten des Klägers war arglistig, weil er erkennbar auf die Regulierungsentscheidung der Beklagten Einfluss nehmen wollte, zumindest in der Form, die Prüfung aufgrund verringerter Tatsachenbasis für sich unkomplizierter und zügiger zu gestalten.

Dafür, dass die Beklagte die Auslesung begehrt hat, um für die Regulierung irrelevante Informationen zu erlangen, ist nichts ersichtlich.

Selbst wenn man von einer nur vorsätzlichen Aufklärungsobliegenheitsverletzung des Klägers ausgehen würde, bliebe es bei der Leistungsfreiheit der Beklagten. Das Fahrzeug ist nach Polen verkauft und der Kläger geht selbst davon aus, dass das Fahrzeug für eine Untersuchung nicht zur Verfügung steht. Folglich kann er auch den Kausalitätsgegenbeweis nicht führen.“

Vollstreckung II: Strafaussetzung nach Drogentherapie, oder: Anrechnung der Behandlungszeit

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Bei der zweiten Entscheidung des Tages handelt es sich um den LG Siegen, Beschl. v. 23.01.2020 – 10 Qs-64 Js 68/19 V-88/19. Es geht um die Aussetzung der Vollstreckung des Restes einer Gesamtfreiheitsstrafe nach § 36 Abs. 1 Satz 3 2. Alt. BtMG. Das LG sagt: Der kann auch dann zur Bewährung ausgesetzt werden, wenn der Verurteilte zwar weder zwei Drittel der Strafe einschließlich der angerechneten Therapiezeit vollständig verbüßt noch die Therapie erfolgreich abgeschlossen hat.

„Die zulässige Beschwerde hat in der Sache Erfolg und führt zur Aufhebung der ablehnenden Entscheidung und zur Strafaussetzung zur Bewährung.

Nach § 36 Abs. 1 S. 3 2. Alt. BtMG setzt das Gericht die Reststrafe zur Bewährung aus, wenn eine Behandlung in der Einrichtung nicht mehr erforderlich ist und die Strafaussetzung unter Berücksichtigung des Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit verantwortet werden kann. Diese Voraussetzungen sieht die Kammer nach Abwägung aller Umstände im maßgeblichen Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung als erfüllt an.

Der Verurteilte hat zwar weder zwei Drittel der Strafe einschließlich der angerechneten Therapiezeit vollständig verbüßt noch die Therapie erfolgreich abgeschlossen, sondern musste vorzeitig entlassen werden. Der Verurteilte befindet sich allerdings in einer ambulanten Substitutionsbehandlung sowie im ambulanten betreuten Wohnen. Nach den Schilderungen seines Betreuers, Herrn pp. zeigt der Betroffene eine gute Entwicklung und bemüht sich ernsthaft um die Bewältigung seiner Drogenproblematik und ein damit einhergehendes straffreies Leben. Dieses Handeln knüpft unmittelbar an den grundsätzlich positiven Entlassungsbericht betreffend die stationäre Behandlung und die dortigen weiteren Behandlungsempfehlungen an. Auch wenn der Verurteilte, einen Abbruch der stationären Therapie durch sein Verhalten erwirkt hat, hält er sich seit seiner Entlassung an die von der Klinik im Entlassungsbericht empfohlenen weiteren Maßnahmen. Soweit nach der Stellungnahme der Frau Dr. pp. weiterhin ein Beikonsum zur Subtitutionsbehandlung nachgewiesen werden konnte, ist dieser dem Verurteilten kritisch vor Augen geführt worden. Weiter sei eine Entgiftung geplant. Nach der Stellungnahme von Herrn … ist der Beikonsum auch nicht mehr in einem Umfang gegeben, wie dies früher der Fall gewesen sei, so dass auch diesbezüglich bereits eine positive Entwicklung zu sehen ist.

Wesentlich für eine positive Sozialprognose ist, dass der Verurteilte zukünftig ein straffreies Leben führen wird. Im Hinblick auf seine bisherige Betäubungsmittelabhängigkeit, die Ursache seiner bisherigen Straffälligkeit war, sieht die Kammer den Verurteilten auf einem guten Weg. Die Kammer verkennt dabei nicht, dass der Verurteilte bereits einmal erneut durch Strafbefehl rechtskräftig verurteilt wurde. Die vom Amtsgericht in seiner ablehnenden Entscheidung gewertete Verurteilung wegen Hausfriedensbruchs vom 25.09.2019 steht dabei nach der Auffassung der Kammer aber nicht in erkennbar unmittelbarem Zusammenhang mit der Betäubungsmittelabhängigkeit und ist im Hinblick auf den Unrechtsgehalt in der vorliegenden Situation zu vernachlässigen. Ausweislich der beigezogenen Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft Siegen, Az. 64 Js 991/19, war dem Betroffenen das ihm grundsätzlich bekannte Hausverbot, bei einem von ihm beabsichtigten Lebensmitteleinkauf im Rewe-Markt in der konkreten Situation nicht bewusst. Soweit weitere Ermittlungsverfahren gegen den Verurteilten geführt wurden, sind diese eingestellt worden, so dass hieraus keine negative Prognose abzuleiten ist.

Unter Abwägung aller genannten Umstände geht die Kammer davon aus, dass es gemäß § 36 Abs. 1 S. 3 BtMG unter Berücksichtigung des Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit verantwortet werden kann, zu erproben, ob der Verurteilte keine weiteren Straftaten mehr begeht, und dass eine Fortsetzung der abgebrochenen stationären Therapie zur Sicherstellung der positiven Sozialprognose derzeit nicht zwingend erforderlich erscheint. Es erscheint unter den angeordneten Auflagen und Weisungen unter Zurückstellung von Bedenken vielmehr vertretbar, dem Verurteilten nochmals eine Chance zu gewähren, seinen Willen zu einem straffreien – und insoweit auch suchtmittelfreien – Leben unter Beweis zu stellen.“

Wenn der Richtervorbehalt nicht beachtet wird, oder: Beweisverwertungsverbot

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Die 4. KW. eröffne ich heute mit einem „schönen“ Beschluss des LG Köln. Dem Angeklagaten wird bewaffneter unerlaubter Anbau von und Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge vorgrworfen. Insoweit ist Anklage gegen ihn erhoben worden. Das LG Köln hat im LG Köln, Beschl. v. 09.05.2019 – 108 KLs 42/18 – die Eröffnung des Hauptverfahrens abgelehnt. Begründung: Die bei einer Durchsuchung gewonnenen Beweismittel sind aufgrund eines Verstoßes gegen den Richtervorbehalt unverwertbar:

„1. Vorliegend wurde die Durchsuchung durch die Bereitschaftsstaatsanwältin ohne richterliche Durchsuchungsanordnung angeordnet.

Gemäß § 105 Abs. 1 S. 1 StPO dürfen Durchsuchungen nur durch den Richter angeordnet werden; bei Gefahr im Verzug steht diese Kompetenz auch der Staatsanwaltschaft bzw. ihren Ermittlungspersonen zu. Gefahr im Verzug ist dabei nur anzunehmen, wenn die richterliche Anordnung nicht mehr eingeholt werden kann, ohne dass der Zweck der Maßnahme gefährdet wird. Kann hingegen der Richter mit dem Durchsuchungsbegehren befasst werden und über dieses entscheiden, ohne dass damit ein Risiko des Verlusts von Beweismitteln verbunden ist, ist für einen Rückgriff auf die Eilkompetenz der Strafverfolgungsbehörden kein Raum (OLG Köln, Beschluss vom 25. Oktober 2016 – III-1 RVs 227/16 –, Rn. 13, juris). Da die Regelzuständigkeit des Richters in der Praxis effektiv bleiben muss und auf eine vorbeugende Kontrolle der Maßnahme durch eine unabhängige und neutrale Instanz abzielt, haben die Strafverfolgungsbehörden grundsätzlich den Versuch zu unternehmen, zuvor eine richterliche Anordnung zu erwirken (BVerfG 12.2.2007 – 2 BvR 273/06, BGH 11.8.2005 – 5 StR 200/05; BGH, Urteil vom 06. Oktober 2016 – 2 StR 46/15 – jeweils m.w.N). Der Versuch einer telefonischen Kontaktaufnahme genügt (MüKoStPO/Hauschild, 1. Aufl. 2014, StPO § 105 Rn. Randnummer 9 m.w.N). Lediglich in Ausnahmesituationen, wenn die zeitliche Verzögerung zu einem Verlust des Beweismittels führt, dürfen die Strafverfolgungsbehörden die Anordnung wegen Gefahr im Verzug selbst treffen, ohne sich zuvor um eine richterliche Entscheidung bemüht zu haben (BVerfG, Beschluss vom 4.2.2005 – 2 BvR 308/04)

Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Nach dem Bericht der POK’in K (Bl. 3 – 3. Abs. – HA) wurde „die diensthabende Richterin“ mit der Sache nicht befasst. Die anordnende Staatsanwältin selbst hat keine Erinnerung mehr an den Vorgang. Somit ist angesichts des Akteninhalts davon auszugehen, dass überhaupt nicht versucht worden ist, eine richterliche Entscheidung herbeizuführen. Weitere Ermittlungsansätze zu der Frage, ob der Versuch unternommen wurde, einen Ermittlungsrichter zu erreichen, sind nicht ersichtlich.

Zudem sind keinerlei Anhaltspunkte ersichtlich, die den Schluss zulassen, dass eine richterliche Anordnung im vorliegenden Fall nicht hätte eingeholt werden können. So besteht ausweislich der Auskunft der Ermittlungsrichterin Dr. D grundsätzlich die Möglichkeit, bis 21:00 Uhr einen Ermittlungsrichter zu erreichen. Angesichts des Umstands, dass die polizeiliche Strafanzeige um 19:49 Uhr (HA: Bl. 1 – oben)  gefertigt wurde, ergibt sich, dass die gesamte Durchsuchungsmaßnahme in einem Zeitraum durchgeführt wurde, zu welchem durchgehend die Erreichbarkeit jedenfalls des Eildienstrichters gegeben war.

Auch sonstige Umstände, die eine derartige Eilbedürftigkeit begründen, dass der Zweck der Maßnahme durch vorherige Einschaltung des Ermittlungsrichters gefährdet wäre, sind nicht ersichtlich. Der Zeuge Q hatte Angaben gemacht, die den Betrieb einer Cannabisplantage in den Räumlichkeiten seines Mieters nahelegen. Dies begründete den Anfangsverdacht in Verbindung mit den vor Ort getroffenen Feststellungen der Polizeibeamten dahingehend, dass sich der Beschuldigte wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz strafbar gemacht haben könnte. Danach bestanden konkrete Anhaltspunkte dafür, dass eine Durchsuchung bei dem Beschuldigten zum Auffinden von Beweismitteln würde führen könnte. Angesichts des Einsatzes der Polizeibeamten in einem Mehrfamilienhaus unter Berücksichtigung der mit dem Einsatz der Beamten verbunden Außenwirkung bestand auch die naheliegende Gefahr, dass der Beschuldigte von Dritten darüber informiert werden würde, dass die Polizei einen Einsatz in seiner Wohnung vorgenommen hatte. Naheliegende Reaktion des Beschuldigten wäre es dann gewesen, die von ihm betriebene Plantage zu beseitigen. Allerdings befand sich der Beschuldigte nach der polizeilichen Strafanzeige nicht in seiner Wohnung. Somit konnte der mit der Einschaltung des Ermittlungsrichters einhergehenden Verzögerung  der Durchsuchung durch polizeiliche Maßnahmen, etwa durch ein weiteres Zuwarten der Beamten vor dem vom Beschuldigten genutzten Zimmer, bis zu einer Entscheidung des Ermittlungsrichters begegnet werden. Auf jeden Fall bestand vor einem etwaigen Beweismittelverlust die Möglichkeit, Kontakt zu dem zuständigen Richter aufzunehmen.

2. Dies hat zur Folge, dass sämtliche in der Wohnung vorgefundenen Beweismittel einem Beweisverwertungsverbot unterliegen.

Nicht jeder Verstoß gegen Beweiserhebungsvorschriften zieht ein strafprozessuales Verwertungsverbot nach sich. Die Frage des Beweisverwertungsverbots ist jeweils nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere nach der Art des Verbots und dem Gewicht des Verstoßes unter Abwägung der widerstreitenden Interessen zu entscheiden.

Bei der Annahme von Gefahr im Verzug führen nur geringfügige Versäumnisse oder Ungeschicklichkeiten von Ermittlungsbeamten nicht ohne Weiteres zu einem Beweisverwertungsverbot. Anders liegt der Fall bei einem schwerwiegenden Verstoß gegen den Richtervorbehalt, in denen der Richtervorbehalt gezielt oder leichtfertig umgangen wird (BGH, Beschluss vom 30. 8. 2011 – 3 StR 210/11).

Ein solcher schwerwiegender Verstoß liegt aufgrund der oben geschilderten Umstände vor. Die zuständige Staatsanwältin hat die Bedeutung des Richtervorbehalts grundlegend verkannt, als sie keine Anstrengungen unternommen hat, einen Ermittlungsrichter zu erreichen, obwohl eine Erreichbarkeit grundsätzlich für den Zeitraum der Durchsuchung bestand, ohne dass Gründe hierfür ersichtlich sind. Der Richtervorbehalt wurde damit leichtfertig umgangen.

Dem – für andere Fallgestaltungen zur Einschränkung der Annahme von Beweisverwertungsverboten entwickelten – Aspekt eines möglichen hypothetisch rechtmäßigen Ermittlungsverlaufs kommt hierbei keine Bedeutung zu (vgl. BGH, Beschluss vom 30. 8. 2011 – 3 StR 210/11; BGH, Urteil vom 06. Oktober 2016 – 2 StR 46/15 – jeweils m.w.N).

3. Vor diesem Hintergrund besteht ein hinreichender Tatverdacht hinsichtlich des Vorwurfs des bewaffneten unerlaubten Anbaus von und Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge nicht. Der Umstand, dass der Angeschuldigte bislang der Verwertung der Durchsuchungsergebnisse nicht widersprochen hat, steht dem nicht entgegen. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH, Urteil vom 06. Oktober 2016 – 2 StR 46/15 –, BGHSt 61, 266-277) ist die Art und Weise der Erlangung jener Sachbeweise durch die Ermittlungsbehörden, auf die der Beschuldigte keinen Einfluss hat – wie etwa auf Grundlage einer Durchsuchung -, von dem Gericht von Amts wegen aufzuklären und zu berücksichtigen, soweit Verfahrensfehler bei diesem Vorgang in Betracht kommen. Auf einen Widerspruch gegen die Beweisverwertung kommt es dafür nach der zitierten Rechtsprechung (BGH aaO) nicht an. Dies gilt insbesondere für den hiesigen Fall, da sich vorliegend auch ohne besonderen Hinweis der Verteidigung konkrete Anhaltspunkte dafür ergeben, dass die Ermittlungsmaßnahme nicht den gesetzlichen Eingriffsvoraussetzungen entspricht.

Zudem ist das Gericht nicht gehalten, von ihm als in rechtstaatswidriger, ein Verwertungsverbot begründender Weise erhoben erkannte Beweismittel zu verwerten. Vielmehr entbindet auch der Nichtgebrauch des Rechtsbehelfs des § 98 II S. 2 StPO das Gericht nicht von der Pflicht, die Verwertbarkeit von im Rahmen einer Durchsuchung gewonnenen Beweismitteln zu prüfen (vergl. BGH, Beschluss vom 16. 6. 2009 – 3 StR 6/09).“

(Akten)Einsicht III: Ablehnung durch das AG, oder: „Parität des Wissens“

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Und als dritte und letzte Entscheidung dann noch der LG Köln, Beschl. v. 11.10.2019 – 323 Qs 106/19 – zur Zulässigkeit der Beschwerde gegen die amtsgerichtliche Ablehnung, dem Betroffenen bestimmte Mussunterlagen zur Verfügung zu stellen.

Das LG sieht die Beschwerde als zulässig und auch begründet an.

1. Die Beschwerde des Betroffenen gegen den Beschluss des Amtsgerichts Köln vom 12.09.2019, mit welchem der Antrag des Betroffenen vom 15.08.2019 auf Einsicht in die digitalen Falldateien inklusive Rohmessdaten der kompletten Messreihe vom Tattag zurückgewiesen worden ist, ist zulässig und begründet.

a) Der Zulässigkeit der gemäß § 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 304 Abs. 1 StPO grundsätzlich statthaften Beschwerde steht § 305 Satz 1 StPO nicht entgegen. Hiernach unterliegen Entscheidungen der erkennenden Gerichte, die der Urteilsfällung vorausgehen, nicht der Beschwerde. Die Regelung soll Verfahrensverzögerungen verhindern, die eintreten würden, wenn Entscheidungen des erkennenden Gerichts sowohl auf eine Beschwerde als auch auf das Rechtsmittel gegen das Urteil überprüft werden müssten. Diesem Zweck entsprechend greift die Ausnahmevorschrift des § 305 Satz 1 StPO jedenfalls dann nicht ein, wenn ein Rechtsmittel gegen das (künftige) Urteil nicht eröffnet ist oder die betroffene Entscheidung im Rahmen eines zulässigen Rechtsmittels nicht überprüft werden kann (OLG Koblenz, Beschl. v. 17.03.201 1 – 1 Ws 154/1 1 , juris, dort Tz. 6; OLG Hamm, Beschl. v. 30.01.1986 – 6 23/86, NStZ 1986, 328f.; LG Neubrandenburg, Beschl. v. 30.09.2015 82 Qs 1 1 2/1 5, dort Tz. 14; Meyer-Goßner/Schmitt/Schmitt, StPO, 62. Auflage 2019, § 305 Rn. 1).

Dies ist vorliegend der Fall. Gegen den Betroffenen ist im Bußgeldbescheid vom 19.03.2019 eine Geldbuße von lediglich 120,00 € festgesetzt worden, ohne dass eine Nebenfolge angeordnet worden ist. Gegen ein entsprechendes Urteil ist daher eine Rechtsbeschwerde nicht zulässig, weil die Voraussetzungen des § 79 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 oder 2 OWiG nicht erfüllt sind (vgl. LG Neubrandenburg, Beschl. v. 30.09.2015 — 82 Qs 112/15, juris, dort Tz. 15) und es sich um keine der in § 79 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3-5 OWiG genannten Fallkonstellationen handelt. Ob im Hinblick auf die Zurückweisung des Antrags des Betroffenen vom 15.08.2019 die Rechtsbeschwerde gemäß den §§ 79 Abs. 1 Satz 2, 80 Abs. 1 Nr. 2 OWiG wegen der Versagung des rechtlichen Gehörs oder — in analoger Anwendung des 80 Abs. 1 Nr. 2 OWiG (vgl. BohneH/Krenberger/Krumm, in: Krenberger/Krumm, OWiG, 5. Auflage 2018, § 80 Rn. 22 m.w.N.) — wegen eines Verstoßes gegen den Grundsatz der prozessualen Waffengleichheit und einer Verletzung des Rechts auf ein faires Verfahren zuzulassen wäre (so OLG Celle, Beschl. v. 16.06.2016 – I Ss (OWi) 96/16, juris, dort Tz. 4; a.A. OLG Hamm, Beschl. v, 03.01.2019 – 4 RBs 377/18, juris, dort Tz. 5f.), obliegt der eigenständigen Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts. Da ein Rechtsmittel gegen das (künftige) Urteil somit nicht von vorherein eröffnet ist, kann ein Ausschluss der Beschwerde gemäß § 305 Satz 1 StPO auch mit Blick auf den Ausnahmecharakter der Vorschrift — nicht auf die bloße Möglichkeit der Zulassung der Rechtsbeschwerde gestützt werden (so auch LG Neubrandenburg, Beschl. v. 30.09.2015 – 82 Qs 1 12/15, juris, dort Tz. 15).

b) Die Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg. Der Betroffene hat ein Recht auf Einsicht in die — nicht bei den Akten befindlichen — digitalen Falldateien inklusive Rohmessdaten der kompletten Messreihe vom Tattag.

Ein solcher Anspruch ergibt sich – auch beim standardisierten Messverfahren – aus dem Gebot des fairen Verfahrens, welches sich wiederum aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG ableitet und zudem in Art. 6 EMRK statuiert ist. Gemäß Art. 6 Abs. 3 Buchst. a) EMRK hat jede angeklagte Person mindestens das Recht, in allen Einzelheiten über Art und Grund der gegen sie erhobenen Beschuldigung unterrichtet zu werden. Dabei wendet sich das Gebot einer rechtsstaatlichen, insbesondere auch fairen Verfahrensgestaltung nicht nur an die Gerichte, sondern ist auch von allen anderen staatlichen Organen zu beachten, die auf den Gang eines Straf- oder Bußgeldverfahrens Einfluss nehmen. Der Grundsatz des fairen Verfahrens und das hieraus folgende Gebot der Waffengleichheit erfordern, dass sowohl die Verfolgungsbehörde als auch die Verteidigung in gleicher Weise Teilnahme-, Informations- und Äußerungsrechte wahrnehmen können, um so Übergriffe der staatlichen Stellen oder anderer Verfahrensbeteiligter angemessen abwehren zu können. Insofern kann sich hieraus ein Recht auf Einsicht in Akten oder Daten ergeben, welches über das Recht auf Einsicht in die dem Gericht vorliegenden Akten (§ 147 Abs. 1 StPO) hinausgeht (OLG Karlsruhe, Beschl. v. 16.07.2019 1 Rb 10 Ss 291/19, juris, dort Tz. 24f.; LG Kaiserslautern, Beschl. v. 22.05.2019 5 Qs 51/19, ZfSch 2019, 471, 472; jeweils m.w.N.).

Bezogen auf das Bußgeldverfahren ergibt sich auf dieser Grundlage, dass ein Betroffener wegen der zu garantierenden „Parität des Wissens“ bzw. der „Waffengleichheit“ verlangen kann, Einsicht in sämtliche existenten, zur Überprüfung der Messung erforderlichen Messunterlagen zu nehmen, und zwar auch, soweit sich diese nicht in den Gerichtsakten, sondern in den Händen der Verwaltungsbehörde befinden. Solche weitreichenden Befugnisse stehen dem Verteidiger im Vorfeld der Hauptverhandlung gerade bei standardisierten Messverfahren jedenfalls dann zu, wenn ein entsprechendes Herausgabeverlangen gegenüber der Verwaltungsbehörde ebenso erfolglos geblieben ist wie ein anschließender Antrag auf gerichtliche Entscheidung gemäß § 62 OWiG (OLG Karlsruhe, Beschl. v. 16.07.2019  1 Rb 10 Ss 291/19, juris, dort Tz. 28; KG Berlin, Beschl. v. 06.08.2018  3 Ws (B) 168/18, juris, dort Tz. 8; OLG Celle, Beschl. v. 16.06.2016 1 Ss (OWi) 96/16, juris, dort Tz. 5; LG Kaiserslautern, Beschl. v. 22.05.2019 – 5 Qs 51/19, ZfSch 2019, 471, 472; LG Hanau, Beschl. v. 07.01.2019 – 4b Qs 1 14/18, juris, dort Tz. 12ff.; LG Baden-Baden, Beschl. v. 14.09.2018 – 2 Qs 104/18, juris, dort Tz. l; LG Trier, Beschl. v. 14.06.2017 1 Qs 46/17, juris, dort Tz. 30ff.•, LG Neubrandenburg, Beschl. v. 30.09.2015 – 82 Qs 1 12/15, juris, dort Tz. 17ff.; a.A. OLG Oldenburg, Beschl. v. 23.07.2018 – 2 Ss OWi 197/18, juris, dort Tz. 20ff.; OLG Bamberg, Beschl. v. 13.06.2018 – 3 Ss OWi 626/18, juris, dort Tz. 3ff.; offen lassend: OLG Köln, Beschl. v. 27.09.2019 – 11 1-1 RBs 339/19, n.V., abrufbar unter https://www.burhoff.de/asp_weitere beschluesse/inhalte/5260.htm; jeweils m.w.N.). Denn zum einen gibt es keinen Erfahrungssatz, dass ein standardisiertes Messverfahren unter allen Umständen zuverlässige Ergebnisse liefert (so schon BGH, Beschl. v. 19.08.1993 – 4 StR 627/92, juris, dort Tz. 28), und zum anderen hat der Betroffene einen Anspruch darauf, nur aufgrund ordnungsgemäß gewonnener Messdaten verurteilt zu werden (OLG Karlsruhe, Beschl. v. 16.07.2019  1 Rb 10 291/19, juris, dort Tz. 28; KG Berlin, Beschl. v. 06.08.2018 3 Ws (B) 168/18, juris, dort Tz. 9). Bei einem standardisierten Messverfahren ist es dem Betroffen indes nur möglich, die Richtigkeit der Messung anzugreifen, wenn er im jeweiligen Verfahren konkrete Anhaltspunkte für eine Unrichtigkeit der Messung aufzeigen kann. Eine pauschale Behauptung, mit der die Richtigkeit der Messung angezweifelt wird, genügt nicht. Ein solcher dezidierter Vortrag ist dem Betroffenen jedoch nur dann möglich, wenn er — bzw. sein Verteidiger — auch Zugang zu den entsprechenden gesamten Messunterlagen des jeweiligen Messsystems hat und diese ggf. mit Hilfe eines Sachverständigen überprüfen kann (OLG Celle, Beschl. v. 16.06.2016 – 1 Ss (OWi) 96/16, juris, dort Tz. 5; LG Kaiserslautern, Beschl. v. 22.05.2019 – 5 Qs 51/19, ZfSch 2019, 471, 472; LG Trier, Beschl. v. 14.06.2017 1 Qs 46/17, juris, dort Tz. 40; ferner VGH Saarland, Beschl. v. 27.04.2018 — LV 1/18, juris, dort Tz. 31ff; jeweils m.w.N.).

Dabei ist es unerheblich, ob bereits konkrete Anhaltspunkte für Messfehler vorliegen oder vom Betroffenen vorgetragen worden sind. Denn ohne umfassende Kenntnis der zur Überprüfung der Messung erforderlichen Messunterlagen, die den Verfolgungsbehörden zur Verfügung stehen, kann der Betroffene bzw. seine Verteidigung schon nicht verlässlich beurteilen, inwiefern zweckmäßigerweise Beweisanträge gestellt oder Beweismittel vorgelegt werden sollen. Das Informationsund Einsichtsrecht des Verteidigers kann daher deutlich weiter gehen als die Amtsaufklärung des Gerichts (OLG Karlsruhe, Beschl. v. 16.07.2019 1 Rb 10 291/19, juris, dort Tz. 27f.; KG Berlin, Beschl. v. 06.08.2018 3 Ws (B) 168/18, juris, dort Tz. 9; LG Hanau, Beschl. v. 07.01.2019 – 4b Qs 114/18, juris, dort Tz. 18; a.A. OLG Oldenburg, Beschl. v. 23.07.2018-2 ss OWi 197/18, juris, dort Tz. 24ff.). Anders als im Hinblick auf die Reichweite der gebotenen Amtsaufklärung ist es daher für das Einsichtsrecht des Verteidigers ohne Bedeutung, inwiefern das Gericht selbst es für ausgeschlossen hält, dass sich aus der Auswertung der Messdaten der gesamten Messreihe Entlastungsmomente für den Betroffenen ergeben. Eine konkrete Darlegung seitens des Betroffenen, welche Anhaltspunkte für eine Unrichtigkeit der Messung sich bei Einsichtnahme in die Messdaten möglicherweise ergeben könnten und welche Schlüsse hieraus zu ziehen wären, ist in diesem Zusammenhang nicht erforderlich.

Unter Zugrundelegung dieser Maßgaben hat der Betroffene einen Anspruch auf Einsicht in die digitalen Falldateien inkl. Rohmessdaten der kompletten Messreihe vom Tattag (08.01.2019). Bei dem durchgeführten Geschwindigkeitsmessverfahren mittels des Messgeräts ESO 3.0 handelt es sich um ein standardisiertes Messverfahren. Eine Einsicht in die digitalen Falldateien ist bereits im Verwaltungsverfahren mit anwaltlichem Schreiben vom 25.04.2019 erfolglos beantragt worden. Der anschließende Antrag auf gerichtliche Entscheidung gemäß § 62 OWiG vom 12.06.2019 ist mit Beschluss des Amtsgerichts Brühl vom 26.06.2019 (Az. 53 OWi 740/19 [b]) zurückgewiesen worden. Dass die digitalen Falldateien, deren Einsicht der Betroffene begehrt, nicht existent wären, ist schließlich nicht ersichtlich.

Hinsichtlich der Art und Weise der begehrten Einsichtnahme, nämlich durch Kopie auf einen von der Verteidigung zur Verfügung gestellten Datenträger, bestehen keine Bedenken. Auch datenschutzrechtliche Bedenken stehen der Einsichtnahme in die Falldatensätze nicht entgegen. Soweit mit der. Zurverfügungstellung der gesamten Messserie ein Eingriff in die Persönlichkeitsrechte anderer Verkehrsteilnehmer einhergeht, weil von diesen jeweils Foto und Kennzeichen übermittelt werden, überwiegt vorliegend das Interesse des Betroffenen an der Durchsetzung seines Anspruchs auf ein faires Verfahren. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass lediglich Foto und Kennzeichen, nicht aber die Fahrer- oder Halteranschrift der anderen Verkehrsteilnehmer übermittelt werden. Zudem ist von einem Verteidiger als Organ der Rechtspflege auch zu erwarten, dass die ihm übermittelten Daten nicht an Dritte weitergegeben werden (vgl. LG Kaiserslautern, Beschl. v. 22.05.2019 — 5 Qs 51/19, ZfSch 2019, 471, 472; LG Hanau, Beschl. v. 07.01.2019 – 4b Qs 1 14/18, juris, dort Tz. 20).“