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Berücksichtigung von Verzögerungen beim Termin, oder: Warum macht der Rechtspfleger es anders?

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Und heute dann RVG.

Ich beginne mit dem LG Cottbus, Beschl. v. 20.01.2022 – 24 KLs 34/20. Es geht um die notwendigen Auslagen des Angeklagten nach Freispruch durch die Strafkammer. Der Verteidiger macht die dem Angeklagten entstandenen notwendigen Auslagen geltend. Die werden vom Rechtspfleger nur zum Teil festgesetzt. Bei den Terminsgebühren gibt es Abstriche:

„Die Terminsgebühr VV-Nr. 4114 RVG umfasst bereits nach ihrem Wortlaut nur die Teilnahme an gerichtlichen Terminen, d.h. mit ihr wird die Anwesenheit des Rechtsanwalts in einem gerichtlichen Termin abgegolten. Somit ist das wesentliche Bemessungskriterium der Terminsgebühr zeitliche Inanspruchnahme des Rechtsanwalts (LG Cottbus, B. v. 17.12.19, 22 Qs 223/19; OLG Düsseldorf, B. v. 12.05.17, 61 Qs 5/17; B. v. 19.05.17, 1 Ws 2/17 — juris). Darüber hinaus erfasst die Terminsgebühr noch solche Tätigkeiten, die in unmittelbarem Zusammenhang mit der konkreten Vorbereitung des Termins stehen wie z.B. die nochmalige Aktendurchsicht oder die Überprüfung, ob alle in der Anklageschrift oder vom Verteidiger benannten Zeugen geladen wurden. Alle sonstigen Tätigkeiten des Rechtsanwalts, die der Vorbereitung bzw. der Verteidigung in der Hauptverhandlung gelten, wie z.B. eine nochmalige Besprechung mit dem Mandanten oder Befassung mit Zeugenaussagen etc., werden hingegen von der Verfahrensgebühr Nr. 4112 VV RVG abgegolten (s.a. OLG Bremen, B. v. 24.11.11, II AR 115/10).

Als durchschnittlich und damit grundsätzlich die Mittelgebühr rechtfertigend ist eine ca. 5¬stündige Hauptverhandlung vor der Strafkammer anzusehen. Dabei ist grundsätzlich auch immer die Vernehmung von Zeugen berücksichtigt, da die Beweisaufnahme Bestandteil eines jeden Strafverfahrens ist. Danach waren vorliegend sämtliche Hauptverhandlungstermine von nur unterdurchschnittlicher Dauer und rechtfertigen keine Terminsgebühren, die über die Mittelgebühr hinausgehen. Die Dauer der Teilnahme eines Rechtsanwalts an der Hauptverhandlung bestimmt sich aus dem in der Sitzungsniederschrift vermerkten tatsächlichen Beginn der Sitzung. Gemäß § 243 Abs. 1 S. 1 StPO beginnt die Hauptverhandlung mit dem Aufruf der Sache (OLG Saarbrücken, B. v. 20.02.06,1 Ws 5/06). Es wird insoweit auch auf die Beweiskraft des Hauptverhandlungsprotokolls verwiesen (§ 274 StPO). Verzögerungen können sich insoweit nicht auf die Terminsgebühr auswirken. Die Gebühren erhöhen sich auch nicht stets automatisch um 20 Prozent, sondern nur dann, wenn besondere Umstände dies rechtfertigen. Denn die angemessene Gebühr ist bezogen auf den jeweiligen Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände und sachgerechter Wertung aller beurteilbaren Bemessenskriterien zu bestimmen. Solche Umstände lagen in diesem Verfahren nicht vor.

In der Gesamtschau und der sachgerechten Wertung aller Bemessenskriterien werden deshalb folgende Terminsgebühren als angemessen erachtet:

– 28.04.20 (0:14 Std.) 150,00 Euro

– 28.09.20 (1:40 Std.) 290,00 Euro

– 05.10.20 (2:23 Std.) 320,00 Euro

– 26.10.20 (3:00 Std.) 320,00 Euro

– 07.05.21 (1:01 Std.) 250,00 Euro“

In meinen Augen zumindest teilweise falsch. Wie falsch kann man allerdings nicht sagen, da eine abschließende Beurteilung des Beschlusses leider einige Angaben fehlen. So wird nicht mitgeteilt, welche Gebühren der Pflichtverteidiger als angemessen angesehen hatte. Damit kann nicht abschließend beurteilt werden, ob er sein Ermessen richtig ausgeübt hat oder ob er die (magische) 20-%-Grenze der Rechtsprechung überschritten hat. Auch ist dem Beschluss nicht eindeutig zu entnehmen, ob altes oder neue Recht anzuwenden ist. Der Ablauf der Verfahren, in dem mit der Hauptverhandlung offenbar dreimal begonnen worden ist, bevor man das Verfahren dann am 7.5.2021 mit einem Urteil abschließen konnte, spricht allerdings für altes Recht. Dafür spricht auch die für den 26.10.2020 festgesetzte Terminsgebühr von 320,00 EUR. Der Betrag entspricht nämlich exakt der Mittelgebühr der Nr. 4114 VV RVG a.F.

Unabhängig von den Fragen: Man kann aber feststellen, dass die Entscheidung in zwei Punkten sicherlich falsch ist, und zwar:

Soweit das LG bei der Darstellung, welche Tätigkeiten bei der Bemessung der Terminsgebühr zu berücksichtigen sind, auf OLG Bremen RVGreport 2012, 63 = StraFo 2012, 39 = StRR 2012, 278 verweist und damit offenbar begründen will, warum es manche Tätigkeiten des (Pflicht)Verteidigers bei Bemessung der Terminsgebühr nicht berücksichtigt, ist das unzutreffend bzw. trägt die Entscheidung nicht. Denn bei der Bemessung der Terminsgebühr werden alle konkreten Tätigkeiten in Zusammenhang mit dem jeweiligen Termin erfasst. Das hat das OLG Bremen, auf das sich das LG bezieht, anders gesehen, was aber falsch ist (vgl. dazu Burhoff/Volpert/Burhoff, RVG Straf- und Bußgeldsachen, 6. Aufl., 2021, Vorbem. 4 VV Rn 75 f. m.w.N.). Damit legt der Rechtspfleger im Zweifel seiner Gebührenbemessung einen zu geringen Tätigkeitsumfang des Verteidigers zugrunde.

Unzutreffend sind auch die Ausführungen zur Nichtberücksichtigung von Wartezeiten und im Grunde genommen auch unredlich. Denn der Rechtspfleger bezieht sich zur Stützung seiner Auffassung, dass Verzögerungen – und damit längere „Terminszeiten“ sich nicht auf die Terminsgebühr auswirken, nur auf die von ihm angeführte Entscheidung des OLG Saarbrücken. Er unterschlägt dabei die Rechtsprechung anderer OLG, die das fast alle anders gesehen haben. Ich empfehle mal einen Blick in unseren RVG-Kommentar. Da sind zu der Frage sicherlich mehr als 20 Entscheidungen aufgelistet. Die Rechtsprechung des OLG Saarbrücken ist vereinzelt geblieben. Warum man sich dann gerade die Entscheidung herauspickt……?

Und im Übrigen: Auch die der Entscheidung zugrunde gelegte durchschnittliche Terminsdauer von fünf Stunden bei der Strafkammer erscheint mit recht hoch. Das KG ist von nur drei bis vier Stunden ausgegangen (vgl. zuletzt KG AGS 2921, 392 = JurBüro 2021, 482 = RVGreport 2012, 391).

StPO II: Nochmals – Auswertung von Laptos usw., oder: Gegenvorstellung der StA unzulässig/unbegründet

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Ich hatte heute morgen über den LG Cottbus, Beschl. v. 10.04.2019 – 22 Qs 1/19 – berichtet (vgl. dazu: StPO I: Auswertung von Laptos usw., oder: 14 Monate Dauer sind zu lang).

Dazu kann ich dann noch einen Nachtrag liefern. Der StA hat der Beschluss des LG nicht gefallen und sie hat mit einer „Gegenvorstellung nachgelegt“. Das LG dann aber auch, denn es sagt im LG Cottbus, Beschl. v. 29.05.2019 – 22 Qs 1/19 – : Die Gegenvorstellung ist unzulässig und auch unbegründet:

„1. Die Gegenvorstellung der Staatsanwaltschaft ist bereits unzulässig.

Gegenvorstellungen sind – als Ausfluss des Petitionsrechts (Art. 17 GG) – grundsätzlich statthaft gegen Entscheidungen, die das Gericht selbst wieder aufheben darf. Die auf eine einfache Beschwerde ergangene letztinstanzliche Entscheidung schließt jedoch das Beschwerdeverfahren ab und erwächst in formeller Rechtskraft. Diese Entscheidungen sind grundsätzlich nicht mehr angreifbar, da andernfalls die Rechtskraft durchbrochen wird. Etwas anderes gilt nur dann, wenn mit der Entscheidung grobes prozessuales Unrecht im Sinne von schwerwiegenden Verfahrensfehlern einhergeht, sie eine Grundrechtsverletzung beinhaltet oder auf einem offensichtlichen bzw. ohne weiteres erkennbaren Irrtum beruht (Schmitt in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 61. Auflage, 2018, Vor § 296 Rn. 24 f.; Allgayer in: Münchner Kommentar zur StPO, 2016, § 296 Rn. 13, beck-online). Diese Voraussetzungen liegen nicht vor und werden von der Staatsanwaltschaft auch nicht vorgetragen. Die Entscheidung der Kammer enthält weder offensichtliche Unrichtigkeiten noch wird durch diese erkennbar in ein Grundrecht der Beteiligten eingegriffen. Die Staatsanwaltschaft ist schon kein Grundrechtsträger, der Beschuldigte wird durch die Entscheidung der Kammer nicht beschwert. Sie kann mithin keinen neuen Grundrechtseingriff darstellen. Auch ein schwerwiegender Verfahrensfehler, wie beispielsweise die Verletzung rechtlichen Gehörs, ist nicht ersichtlich.

2. Die Gegenvorstellung wäre im Übrigen auch unbegründet. Die Kammer hat bei Ihrer Verhältnismäßigkeitsabwägung sehr wohl bedacht, dass hier keine freiheitsentziehende Maßnahme zur Überprüfung stand, sondern lediglich eine in das Grundrecht nach Art. 14 GG eingreifende vorläufige, der Durchsicht von Speichermedien dienende Sicherstellung im Rahmen der noch andauernden Durchsuchung. Indes ist zur Überzeugung der Kammer auch solchen Eingriffen eine zeitliche Grenze gesetzt, die zwar nicht demselben (strengen) Maßstab wie bei freiheitsenziehenden Maßnahmen unterliegt, andererseits aber auch nicht allein mangels personeller Ausstattung der Ermittlungsbehörden ins Uferlose ausgedehnt werden kann. Die Kammer ist sich bei der solchermaßen vorzunehmenden Abwägung des mit der Durchsicht von Speichermedien erforderlichen Aufwandes durchaus bewusst gewesen. Dieser hatte hier aber keinen Einfluss auf die Dauer der Durchsicht, denn mit dieser wurde erst nach über 12 Monaten seit der Sicherstellung begonnen. Das mit der Durchsicht befasste Landeskriminalamt hat dies sinngemäß mit seiner Überlastung begründet. So habe sich die Auswertung selbst nach einer Dringlichkeitsverfügung vom 13. Dezember 2018 (11 Monate nach vorläufiger Sicherstellung) zunächst erst noch in die Abarbeitung bereits bestehender dringender Auswerteaufträge eingereiht. Erst im Februar 2019 (nach 13 Monaten) sei der „Vorgang in Bearbeitung“, der im Übrigen augenscheinlich bis heute (nach nunmehr über 16 Monaten) nicht abgeschlossen ist.

Davon ganz abgesehen kann der von der Staatsanwaltschaft nur allgemein – d.h. abstrakt und nicht auf den konkreten Einzelfall bezogen – dargestellte erhöhte Aufwand der Durchsicht und Auswertung von Speichermedien die lange Dauer in dem hier zu entscheidenden konkreten Einzelfall allein nicht rechtfertigen, weil offen bleibt, ob die den Aufwand der Datenauswertung ganz allgemein erhöhenden Gründe hier überhaupt zum Tragen gekommen sind. Vielmehr hätte es hierfür eines konkret auf den zu entscheidenden Einzelfall bezogenen Vortrags bedurft, warum und in welcher Weise sich ein erhöhter Aufwand bei der Durchsicht der Speichermedien ergeben haben soll. In Anbetracht dessen, dass hier mit der Durchsicht nach über einem Jahr überhaupt erst begonnen wurde und die Staatsanwaltschaft auch in ihrer Gegenvorstellung nichts Handgreifliches dafür vorträgt, warum die Durchsicht nach (seit Februar 2019) nunmehr weiteren 4 Monaten noch immer nicht abgeschlossen ist, geht die Kammer nach wie vor davon aus, dass die Ursachen allein in der personellen Unterbesetzung der mit der Auswertung befassten Stellen zu suchen sind. Die Kammer gibt in diesem Zusammenhang zu bedenken, dass nunmehr bereits mehr als 16 Monate seit der vorläufigen Sicherstellung und mehr als 5 Monate sei Einlegung der Beschwerde verstrichen sind.

Schließlich sind entgegen der Darstellung der Staatsanwaltschaft offenkundig auch nicht die möglichen und zumutbaren Maßnahmen ergriffen und erschöpft, um diesen Zustand der Überlastung bzw. personellen Unterbesetzung zu beheben. Eine Aufstockung des Personals sowohl in quantitativer als auch qualitativer (Sachverständige) Hinsicht erscheint der Kammer nicht nur möglich und zumutbar, sondern im Hinblick auf den von der Staatsanwaltschaft in ihrer Gegenvorstellung beschriebenen deutlich zugenommenen und erhöhten Aufwand der Auswertung entsprechender Speichermedien sogar dringend geboten.

Dass entsprechende Maßnahmen – ähnlich wie auch im Bereich der Ausstattung der Gerichte -von den zuständigen Stellen nicht ergriffen werden und dies auch nicht von der Staatsanwaltschaft zu verantworten ist, ändert nichts daran, dass der mit der vorläufigen Sicherstellung verbundene Eingriff in das Eigentumsrecht des Beschuldigten – hier auch unter Berücksichtigung des etwas abgeschwächten Verdachtsgrades sowie des bisher zutage getretenen Ausmaßes der inkriminierten Handlung – nicht mehr verhältnismäßig ist.“

StPO I: Auswertung von Laptos usw., oder: 14 Monate Dauer sind zu lang

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Heute dann nach längerer Zeit mal wieder drei StPO-Entscheidungen.

Und den Reigen eröffne ich mit dem LG Cottbus, Beschl. v. 10.04.2019 – 22 Qs 1/19, ergangen in einem Verfahren wegen des Verdachts des Besitzes kinderpornographischer Schriften. In dem Verfahren ist am 18.01.2018 beim Beschuldigten durchsucht worden. Dabei wurden zwei Laptops, ein Notebook, zwei Handys und diverse Medien zu Speicherung digitaler Daten (Festplatten, UBS-Sticks und (micro-)SD-Karten) sichergestellt. Da der Beschuldigte mit der vorläufigen Sicherstellung nicht einverstanden war, wurde die vorläufige Sicherstellung der sichergestellten Gegenstände durch Beschluss des AG Cottbus vom 05.12.2018 zum Zwecke der Durchsicht richterlich bestätigt.

Gegen diese richterliche Bestätigung der vorläufigen Sicherstellung der Gegenstände zur Durchsicht wendet sich der Beschuldigte mit seiner Beschwerde, mit der er den Tatverdacht angreift und zudem der Auffassung ist, dass die Fortdauer der Sicherstellung der Gegenstände keinen Bestand haben kann, weil sie nach Ablauf von (damals) 11 Monaten jedenfalls den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verletze. Kapazitätsengpässe im Bereich der Justiz könnten nicht zu seinen Lasten gehen.

Das Beschwerdeverfahren dauert dann noch weitere drei Monate. Die Staatsanwaltschaft verfügte unter dem 13.12.2018 gegenüber der Polizei den dringenden Abschluss der Auswertung der sichergestellten Gegenstände. Mit Schreiben des Landeskriminalamts vom 14.02.2019 wurde mitgeteilt, dass aufgrund der hohen Arbeitsbelastung eine Auswertung des Datenbestandes bisher nicht abschließend möglich gewesen sei. Die Auswertung des Datenmaterials reihte sich seit der Dringlichkeitsverfügung der Staatsanwaltschaft vom 13.12.2018 in die Abarbeitung bereits bestehender dringender Auswertungsanträge ein. Der Vorgang sei aktuell in Bearbeitung.

Das LG Cottbus sagt: Das ist zu lang:

„Allerdings erscheint vor dem Hintergrund des etwas abgeschwächten Anfangsverdachts sowie unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die sichergestellten Gegenstände seit dem 18. Januar 2018 und damit seit über 14 Monaten vorläufig sichergestellt sind, eine weitere vorläufige Sicherstellung nunmehr unverhältnismäßig. Zwar verkennt die Kammer dabei nicht, dass es durchaus zeitlich sehr aufwendig ist, die bei dem Beschwerdeführer sichergestellten technischen Geräte und Speichermedien auszuwerten. Allerdings begründet das mit der Auswertung befasste Landeskriminalamt die lange Dauer der Sicherstellung nicht mit der Fülle der auszuwertenden Technik, sondern mit der Auswertung in anderen vordringlichen Verfahren begründet. Der mithin eher in der mangelnden personellen Ausstattung der Ermittlungsbehörden liegende Grund der langen Dauer der vorläufigen Sicherstellung vermag diese aber von Verfassungs wegen nicht zu rechtfertigen (BVerfG, Beschluss vom 30. Juli 2014 – 2 BvR 1457/14 – Rn. 27, juris). Dies gilt auch, soweit – wie hier – nicht Artikel 2 Abs. 2 GG betroffen ist, sondern das Eigentumsgrundrecht aus Art. 14 Abs. 1 GG (so auch LG Kiel, Beschluss vom 19. Juni 2003 – 32 Qs 72/02 – juris; ähnlich LG Köln, Beschluss vom 17. Mai 2002 – 109 Qs 219/02 – juris und unter Berufung auf diese Entscheidungen: LG Limburg, Beschluss vom 22. August 2005 – 5 Ws 96/05 –juris).“

(Termins)Gebühren im Bußgeldverfahren, oder: Bemessungsgrundlage ist die Mittelgebühr

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Die zweite Entscheidung kommt dann aus dem Osten. Es ist der LG Cottbus, Beschl. v. 20.11.2018 – 22 Qs 76/18. Thematik: Bemessung von Terminsgebühren im Bußgeldverfahren. Das LG hält an seiner Linie, dass Ausgangspunkt für die Gebührenbemessung auch im straßenverkehrsrechtlichen Bußgeldverfahren die Mittelgebühr ist, fest und setzt auf der Grundlage dann fest:

„Ausgangspunkt für die Tätigkeit des Rechtsanwaltes ist, auch in straßenverkehrsrechtlichen Bußgeldverfahren, grundsätzlich die Mittelgebühr für die Gebührenbemessung.

Wenn sämtliche der gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG zu berücksichtigenden Umstände, also insbesondere der Umfang und die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, die Bedeutung der Angelegenheit sowie die wirtschaftlichen Verhältnisse des Auftraggebers, als durchschnittlich einzuordnen sind, gilt damit die Mittelgebühr. Sie ist aber wegen der vorzunehmenden Gesamtabwägung auch anzusetzen, wenn erhöhende und vermindernde Bemessungskriterien etwa gleichgewichtig sind oder wenn ein Bestimmungsmerkmal ein solches Übergewicht erhält, dass dadurch das geringere Gewicht einzelner oder mehrerer anderer Merkmale kompensiert wird.

Bei der Billigkeitsprüfung ist neben dem Ausgangspunkt für die Gebührenbemessung zu berücksichtigen, dass dem Rechtsanwalt bei der Abwägung der zu berücksichtigenden Merkmale und der sich daran anschließenden Bestimmung der Gebühren durch die Vorschrift des § 14 Abs. 1 RVG ein weites billiges Ermessen eingeräumt ist. Der Kostenfestsetzungsbeamte und das Gericht sowie mittelbar auch der Vertreter der Staatskasse sind in dem Kostenfestsetzungsverfahren auf die Prüfung beschränkt, ob sich die geltend gemachte Gebühr innerhalb des Gebührenrahmens hält und ob sie im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände nicht unbillig ist. Allein dann, wenn der Gebührensatz missbräuchlich erfolgt oder bei einer Gesamtabwägung unbillig ist, darf und muss das Gericht die Gebühr neu festsetzen. Eine dem Rechtsanwalt zuzubilligende und durch die Kostenfestsetzung zu beachtende Toleranzgrenze bei der Ermessensausübung kann nicht allgemein, sondern nur für den konkreten Einzelfall unter Bewertung der einzustellenden Kriterien und nach Durchführung einer Gesamtabwägung gezogen werden.

Unter Beachtung dieser Maßstäbe, lässt sich eine Unbilligkeit der Gebührenbestimmung durch den Verteidiger im vorliegenden Fall, bis auf die begehrte Terminsgebühr für den Hauptverhandlungstermin vom 13. Oktober 2017, nicht feststellen.

Zutreffend und unter Beachtung der oben ausgeführten Grundsätze ist der Rechtspfleger des Amtsgerichts von einem insgesamt durchschnittlichen, Verkehrsordnungswidrigkeiten betreffenden, Verfahren ausgegangen. Demzufolge hat er die jeweils begehrten Gebühren mit Ausnahme der Terminsgebühren auch in Höhe der jeweiligen Mittelgebühr festgesetzt. Insoweit bedarf es keiner weiteren Ausführungen und kann zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Gründe der angefochtenen Entscheidung verwiesen werden. Das dagegen gerichtete Beschwerdevorbringen des Bezirksrevisors ist nach der Änderung der Kammerrechtsprechung durch den Beschluss vom 26. Juli 2016, 22 Qs 129/16, insoweit nicht beachtlich.

Speziell für die Bemessung der Terminsgebühren kommt es wesentlich auch auf den zeitlichen und inhaltlichen Aufwand, den der Rechtsanwalt für die Wahrnahme des Termins hatte an (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 03. Dezember 2009, 2Ws 270/09 — bei juris; KG Berlin, StraFo 2009, 260 f.), wobei es auch ein gewisser Vor- und Nachbereitungsaufwand zu berücksichtigen ist. Auch davon ist der Rechtspfleger des Amtsgerichts zutreffend ausgegangen. Allerdings hat er bei der Berechnung der Dauer der Hauptverhandlungen mit einzuberechnende Wartezeiten außer Acht gelassen. Maßgeblich für den Beginn der Zeitberechnung ist der Zeitpunkt der Ladung, wenn der Rechtsanwalt zu diesem Zeitpunkt erschienen ist. Nach Lage der Akten ist nicht ersichtlich, dass der Rechtsanwalt nicht zu den jeweils anberaumten Terminszeiten erschienen war; mithin sind für den Termin vom 22. September 2017 insgesamt ein Zeitaufwand von 34 Minuten, nämlich 26 Minuten Wartezeit zuzüglich acht Minuten Hauptverhandlung und für den Termin vom 13. Oktober 2017, insgesamt ein Zeitaufwand von 13 Minuten, nämlich sechs Minuten Wartezeit zuzüglich sieben Minuten Hauptverhandlung zu berücksichtigen.

Die hier für die Hauptverhandlung vom 22. September 2017 beanspruchte Zeit von 34 Minuten kann für Hauptverhandlungen in Bußgeldsachen wegen Verkehrsordnungswidrigkeiten noch – allerdings an der unteren Grenze — als durchschnittlich angesehen werden, so dass auch insoweit die Mittelgebühr gerechtfertigt ist.

Dies gilt indes nicht für den in zeitlicher Nähe durchgeführten Fortsetzungstermin vom 13. Oktober 2017. Der dafür wahrgenommene Zeitaufwand von lediglich 13 Minuten ist nur als unterdurchschnittlich einzuschätzen. Dabei war auch zu berücksichtigen, dass die Vorbereitung für den ersten Hauptverhandlungstermin zeitlich aufwändiger war als für den in zeitlicher Nähe anberaumten Fortsetzungstermin.

Die Kammer erachtet die insoweit festgesetzte Gebühr in Höhe von 53 % der Mittelgebühr als ausreichend und angemessen. Demgegenüber wird die vom Bezirksrevisor begehrte Kürzung auf 31,37 % der Mittelgebühr (80 €) dem Verfahren nicht gerecht.“

Wann verjährt der Vergütungsanspruch des Pflichtverteidigers, oder: Augen auf, denn es geht um Ihr Geld….

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Und als zweite nicht so erfreuliche Entscheidung habe ich dann den LG Cottbus, Beschl. v. 16.11.2017 – 21 Kls 5/10, schon etwas älter, abr ich habe ihn erst vor kurzem erhalten und stelle ihn als Warnung für Pflichtverteidiger online. Denn es geht um die Verjährung des Vergütungsanspruchs des Pflichtverteidigers. Der verjährt, sagt das LG gem. § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB ab  Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist.

 

„Der vom Antragsteller mit Kostenfestsetzungsantrag vom 30. Dezember 2014 gestellte Antrag auf Vergütung der ihm im Strafverfahren entstandenen Pflichtverteidigergebühren nach § 55 RVG ist verjährt. Die Kammer tritt insoweit der Rechtsauffassung des Bezirksrevisors bei.

Nach 8 Abs. I RVG wird die Vergütung des Pflichtverteidigers für seine Tätigkeit in der ersten Instanz mit Abschluss dieser ersten Instanz fällig. Zum Abschluss gelangte diese vorliegend mit Verkündung des Urteils des Landgerichts Cottbus am 2. Dezember 2010.

Die Rechtskraft des Urteils braucht – für die Fälligkeit der Vergütung der Pflichtverteidigergebühren – nicht vorliegen (vgl. Hartmann, Kostengesetze, 46. Aufl., Rn. 11 zu § 8 RVG).

Gemäß 199 Abs. 1 Nr. I BGB beginnt die Frist des Vergütungsanspruches des Pflichtverteidigers mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist. Mit Ende des erstinstanzlichen Verfahrens am 2. Dezember 2010 begann somit die in 195 BGB geregelte dreijährige Verjährungsfrist am 1. Januar 2011. Die ab diesem Zeitpunkt laufende Verjährung war gemäß 8 Abs. 2 §. 1, 2 RVG bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens gehemmt. Davon ausgehend, dass die Rechtskraft des Urteils seit dem 19. Juli 2011 besteht, setzte sich die dreijährige Verjährungsfrist ab dem 20. Juli 2011 fort und endete somit am 19. Juli 2014.

Nach alledem hat der Verteidiger seinen am 31. Dezember 2014 bei Gericht eingegangenen Kostenfestsetzungsantrag verspätet gestellt, da erst nach Ablauf der Verjährungsfrist erhoben.

Soweit sich der Antragsteller bezüglich der von ihm vertretenen Rechtsauffassung auf die Entscheidungen des KG Berlin und des OLG Braunschweig beruft, beziehen sich diese im Gegensatz zum vorliegenden Fail – auf die Frage der Verjährung des Anspruches auf Pauschvergütung. Beide Entscheidungen gehen explizit auf die Besonderheiten der Pauschvergütung ein und arbeiten die Unterschiede zur regulären Pflichtverteidigervergütung heraus. Die dortigen Überlegungen zur Frage der Verjährung des Anspruches auf Pauschvergütung sind gerade nicht auf die Pflichtverteidigervergütung übertragbar.

Im Gegensatz zu der der Höhe nach feststehenden Pflichtverteidigervergütung kann die Pauschvergütung erst nach Abschluss des Verfahrens und nicht schon mit Erlass des erstinstanzlichen Urteils oder Beendigung des Rechtszuges erfolgen. Denn von der für das gesamte Verfahren zustehenden Pauschgebühr werden auch solche Leistungen erfasst, die der Rechtsanwalt erst nach den in 8 Abs. 1 §. 2 RVG genannten Fälligkeitszeitpunkten erbracht hat; die hierfür entstehende Vergütung kann naturgemäß erst danach fällig werden. Daher sind für die Prüfung, ob und in welcher Höhe dem Rechtsanwalt eine Pauschgebühr zusteht, in einer Gesamtschau sämtliche Tätigkeiten des Verteidigers in allen Verfahrensabschnitten zu berücksichtigen. Ist der Anspruch aus § 51 RVG im Zeitpunkt der Fälligkeit einzelner gesetzlicher Gebühren jedoch noch gar nicht entstanden, verbietet sich auch in Bezug auf den Verjährungsbeginn eine Gleichbehandlung mit den gesetzlichen Regelgebühren (vgl. OLG Braunschweig, Beschluss vom 25. April 2016 – I ARS 9/16). Erst wenn in dieser Weise festgestellt ist, dass dem Antragsteller überhaupt ein Pauschgebührenanspruch zusteht, tritt dieser an die Stelle des Anspruches auf die gesetzlichen Gebühren.

Diese Unterschiede führen zu einer unterschiedlichen Beurteilung des Zeitpunktes des Verjährungsbeginns, weil der Zeitpunkt des Beginns der Verjährung aus Gründen der Rechtsicherheit von vornherein feststehen muss und nicht von dem ungewissen Ergebnis einer (nachträglichen) Prüfung abhängen darf, ob schon mit Beendigung des ersten Rechtszuges eine Pauschvergütung verdient war oder erst später infolge weiterer entfalteter anwaltlicher Tätigkeit entstanden ist. Aus diesem Grund stellt das KG Berlin ausdrücklich fest, dass der Anspruch aus § 51 RVG hinsichtlich des Verjährungsbeginns nicht mit dem Anspruch des Pflichtverteidigers nach § 55 RVG gleichbehandelt werden darf (NStZ-RR 2015, 296).

Im vorliegenden Fall geht es aber allein um den Anspruch des Pflichtverteidigers auf seine Regelvergütung, die mit Abschluss der ersten Instanz fällig wird, ohne dass es auf die Rechtskraft der Entscheidung ankommt.“

Also: Augen auf und sich nicht durch die Rechtsprechung der OLG zur Verjährung der Pauschvergütung verwirren lassen.