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Anforderungen an die Begründung von Jugendrecht im Urteil hoch

Das OLG Hamm hat vor einiger Zeit in seinem Beschluss vom 13.04.2010 – III – 2 RVs 18/10 – Anwendung von Jugendrecht und zu den Anforderungen an das tatrichterliche Urteil Stellung genommen. Es weist darrauf hin, dass die Frage, ob der Täter bei seiner Tat im Sinne des § 105 Abs. 1 Nr. 1 JGG noch einem Jugendlichen gleichstand, im Wesentlichen Tatfrage, wobei dem Jugendrichter ein erheblicher Beurteilungsspielraum eingeräumt ist. Die Gründe der Entscheidung seien im tatrichterlichen Urteil darzulegen. Zu letzteren heißt es wörtlich:

Um die Entscheidung für das Revisionsgericht nachprüfbar zu machen, bedarf es einer detaillierten Darlegung der Entscheidungsgründe (Eisenberg, JGG, 9. Aufl., § 105 Rdnr. 46 m.w.N.). Der bloße Hinweis auf den Werdegang des Angeklagten reicht keinesfalls aus (OLG Hamm, Beschluss vom 19. Juli 2007 in 4 Ss 290/07). Es müssen vielmehr die Tatsachen und rechtlichen Schlussfolgerungen dargelegt werden, auf denen die jeweils konkrete Entscheidung beruht (Eisenberg, a.a.O., § 105 Rdnr. 46 m.w.N.). Erforderlich sind insoweit Angaben, die eine Beurteilung des Entwicklungsstandes des Heranwachsenden zur Zeit der Tat ermöglichen (Senatsbeschluss vom 25. November 2004 – 2 Ss 413/04 -, StV 2005, 71). Das Rechtsmittelgericht muss erkennen können, dass bei den Ermittlungen alle Möglichkeiten der Anwendung von Jugendstrafrecht ausgeschöpft wurden (Eisenberg, a.a.O. § 105 Rdnr. 46 m.w.N.).“

Anordnung von Verfall auch im Jugendrecht

Die Frage der Zulässigkeit von Maßnahmen nach den §§ 73 ff. JGG hat für den Angeklagten – gerade in BtM-Verfahren – erhebliche (wirtschaftliche) Relevanz. Das gilt vor allem auch in JGG-Verfahren.

Dazu hat der BGH jetzt in seinem für BGHSt vorgesehenen Beschl. v. 17.06.2010 – 4 StR 126/10 seine ständige Rechtsprechung bestätigt, dass die Anordnung des Verfalls oder des Verfalls des Wertersatzes gegen Jugendliche oder Heranwachsende, auf die Jugendstrafrecht angewendet wird, zulässig ist; das gelte auch, wenn der Wert des Erlangten nicht mehr im Vermögen des Täters vorhanden ist. An der Stelle können also wirtschaftliche Belastungen auf den jugendlichen Angeklagten zukommen. Besonderes Augenmerk ist daher auf die  Anwendung der Härtevorschrift des § 73c StGB zu richten (BGH, Beschlüsse vom 15. 03.2001 – 3 StR 21/01 und vom 10.06.2009 – 2 StR 76/09).

Geltendes Jugendkriminalrecht hat sich nach Ansicht der Bundesregierung bewährt

Die Bundesregierung ist der Ansicht, dass sich das geltende Jugendkriminalrecht im Wesentlichen bewährt habe. Das teilt sie in ihrer Antwort (BT-Drs. 16/13142) auf eine Große Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (BT-Drs. 16/8146) mit. Weiter ist sie der Auffassung, dass bei den für Jugendliche typischen Taten wie gefährlicher Körperverletzung oder dem sogenannten Abziehen, bei dem unter Androhung von Gewalt Geld oder ein Handy erpresst wird, keine Gefahr bestehe, dass die zuständigen Gerichte nachträglich Sicherungsverwahrung gegen diese Jugendlichen anordnen. Die Wahrung der Verhältnismäßigkeit, aber auch der Erziehungsgrundsatz erforderten es, dass die Anordnung der Sicherungsverwahrung nur in besonderen Fällen – wenn das Opfer schwer seelisch und körperlich geschädigt sei – in Betracht kommen dürfe. Wie aus der Antwort weiter hervorgeht, sieht die Regierung auch keinen Bedarf, das Strafmündigkeitsalter herabzusetzen. Es bestünden bereits geeignete rechtliche Handlungsmöglichkeiten. So halte das Sozialgesetzbuch unter anderem Erziehungsberatung, soziale Gruppenarbeit, Erziehungsbeistandschaft, Vollzeitpflege und Heimerziehung zur Integration junger Menschen in die Gesellschaft bereit. Bei einer Kindeswohlgefährdung sei das Familiengericht berechtigt, wenn die Eltern nicht gewillt oder nicht in der in Lage seien, die Gefahr beispielsweise durch Bestellung eines Vormunds abzuwenden. Dies gelte verstärkt, so die Regierung, angesichts der Warnung von Kriminologen vor den negativen Nebenfolgen, die ein frühes förmliches Eingreifen der Strafjustiz für die weitere Entwicklung der Jugendlichen haben könne.

Die Regierung ist im Übrigen auch der Ansicht, dass der Täter-Opfer-Ausgleich bei der Konfliktregelung ein sinnvolles Mittel ist. Möglichst unter Anleitung eines unparteiischen und geschulten Vermittlers könnten Opfer und Täter so ihre jeweilige Sichtweise und Interessen unmittelbar schildern. Der Täter-Opfer-Ausgleich sei so ein wichtiges Instrument, um den Rechtsfrieden wiederherzustellen und eine bedeutsame Alternative zu einem herkömmlichen Strafverfahren. Wie es in der Antwort weiter heißt, begingen Strafverdächtige, die für ihre Taten noch nicht zur Verantwortung herangezogen werden können, weil sie unter 14 Jahren sind, zumeist Brandstiftung, Laden- oder Taschendiebstahl und Sachbeschädigung. Der Regierung liegen keine Erkenntnisse vor, dass Gewaltdelikte zugenommen haben. Für das Jahr 2007 seien bundesweit mehr als 102.000 kindliche Tatverdächtigte verzeichnen – darunter seien mehr als 84.000 Deutsche.

Bei den Intensivtätern komme wesentliche Bedeutung einer zeitnahen und konsequenten Reaktion zu, sowohl seitens der Polizei als auch der Justiz, erläutert die Regierung. Positive Effekte würden den in einigen Ländern von der Polizei vorgenommenen Erziehungsgesprächen zugeschrieben. Eine enge Kooperation zwischen der Polizei, der Staatsanwaltschaft und der kommunalen Verwaltung insbesondere den Jugendämtern, verbessere den analytischen Blick auf den jeweiligen Täter und seinen individuelle Lebenslauf. Das wiederum ermögliche einen genauen Zuschnitt der zu treffenden Maßnahmen.