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Termin ohne Angeklagten dauert nur 15 Minuten, oder: Terminsgebühr unter der Mittelgebühr

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Der zweite Beschluss, den ich heute vorstelle, kommt vom LG Dessau-Roßlau. Das hat im – schon etwas älteren – LG Dessau-Roßlau, Beschl. v. 23.02.2023 – 6 Qs 29/23 – zur Höhe der Hauptverhandlungsterminsgebühr Stellung genommen.

Zu den Termin, um den hier gestritten wird, war der Angeklagte zwar geladen, aber nicht erschienen. Der Termin beim AG hat daher nur 15 Minuten gedauert. Der Verteidiger hatte dafür die Mittelgebühr angesetzt, also nach dem anwendbaren alten Recht 275,– EUR. Der Rechtspfleger hatte nur 150,– EUR festgesetzt. Das hat beim LG gehalten:

„Hinsichtlich der Verteidigergebühren sind die vom Amtsgericht festgesetzten von der Landeskasse dem Verteidiger zu erstattenden notwendigen Auslagen nicht zu beanstanden. Die von dem Verteidiger geltend gemachte Terminsgebühr für den Hauptverhandlungstermin am 01.03.2021 ist unbillig und damit unverbindlich (§ 14 Abs. 1 S. 4 RVG). Die durch den Rechtspfleger vorgenommene Kürzung der insoweit beantragten Gebühr nach Nr. 4108 VV RVG auf 150,00 EUR hält der rechtlichen Überprüfung stand.

Die Bemessung von Rahmengebühren hat der Rechtsanwalt gemäß § 14 Abs. 1 S. 1 RVG unter Berücksichtigung aller Umstände nach billigem Ermessen vorzunehmen. Unbillig und damit nach § 14 Abs. 1 S. 4 RVG unverbindlich ist der Gebührenansatz dann, wenn die beantragte Gebühr um mehr als 20% über der angemessenen Gebühr liegt, da einem Rechtsanwalt insoweit eine Toleranzgrenze eingeräumt wird (BGH, Urteil vom 31.10.2006 – VI ZR 261/05, NJW-RR 2007, 420, 421 m.w.N.). Maßgebliche Kriterien für die Bemessung von Rahmengebühren sind u.a. Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, Bedeutung der Angelegenheit sowie die wirtschaftlichen Verhältnisse des Auftraggebers. Die sog. Mittelgebühr ist anzusetzen, wenn der „Normalfall“ vorliegt, also ein Fall in dem sämtliche, vor allem die nach § 14 Abs. 1 S. 1 RVG zu berücksichtigenden Umstände, durchschnittlicher Art sind (Gerold/Schmidt /Mayer, a.a.O., § 14 Rn. 10).

Die Terminsgebühr nach Nr. 4108 VV RVG entsteht für die Teilnahme an gerichtlichen Terminen. Wegen des insoweit zu vergütenden Zeitaufwandes des Verteidigers stellt die Verhandlungsdauer des jeweiligen Hauptverhandlungstermins das wesentliche Bemessungskriterium für die Terminsgebühr dar (OLG Hamm Beschluss vom 3.12.2009 – 2 Ws 270/09, BeckRS 2010, 2547; KG Beschluss vom 24.11.2011 – 1 Ws 113-114/10, BeckRS 2012, 11963; OLG Bamberg, Beschluss vom 6.2.2018 – 1 Ws 51/18, NStZ-RR 2018, 192 m.w.N.). Hier betrug die Verhandlungsdauer am 01.03.2021 ausweislich des Hauptverhandlungsprotokolls 15 Minuten, da der vormalige Angeklagte nicht erschienen war. Die Hauptverhandlungsdauer von 15 Minuten ist für ein Strafverfahren als unterdurchschnittlich anzusehen. Hinzu kommt, dass aufgrund des unentschuldigten Fernbleibens des vormaligen Angeklagten keinerlei Tätigkeit des Verteidigers in dem Termin erforderlich war. Der Arbeitsaufwand des Verteidigers im Rahmen dieses Hauptverhandlungstermins ist demnach insgesamt als sehr gering und weit unterdurchschnittlich anzusehen. Die deutliche Herabsetzung der Terminsgebühr für den Hauptverhandlungstermin am 01.03.2021 von der Mittelgebühr auf 150,00 EUR erscheint der Kammer daher als angemessen.“

Nun, 15 Minuten sind auch beim AG ein wenig kurz, so dass man gegen die Kürzung auf 150,00 EUR nichts einwenden kann (wir streiten bitte nicht darüber, dass die Gebührensätze des RVG grundsätzlich zu niedrig sind).

OWi III: Einspruch der nebenbeteiligten jurist. Person, oder: Verwerfung bei Ausbleiben des Geschäftsführers?

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Und im dritten Posting des Tages dann noch etwas zur Einspruchsverwerfung wegen unentschuldigten Ausbleibens in der Hauptverhandlung. Ausgeblieben war hier der Geschäftsführer einer Nebenbeteiligten (juristischen Person). Die gegen das Verwerungsurteil gerichtete Rechtsbeschwerde hatte mit dem OLG Oldenburg, Beschl. v. 21.11.2022 – 2 Ss(OWi) 170/22 – Erfolg:

„Mit Bußgeldbescheid vom 16.03.2022 ist gegen die AA UG wegen eines Verstoßes gegen das Verpackungsgesetz eine Geldbuße in Höhe von 1250 € festgesetzt worden. Durch das angefochtene Urteil hat das Amtsgericht den Einspruch „d. Betroffenen“ verworfen, da „d. Betroffene“ trotz ordnungsgemäßer und rechtzeitiger Ladung zum Termin nicht erschienen sei.

Gegen dieses Urteil wendet sich die UG mit ihrer Rechtsbeschwerde.

Sie macht geltend, ihr Geschäftsführer sei aus näher dargelegten Gründen an der Teilnahme am Termin gehindert gewesen.

Die zulässige Rechtsbeschwerde hat Erfolg.

Erfolg hat sie allerdings nicht deshalb, weil die vom Geschäftsführer der Nebenbeteiligten genannten Gründe für sein Ausbleiben stichhaltig wären.

Entscheidend ist vielmehr Folgendes:

Da hier gegen eine juristische Person (UG nach § 5a GmbHG) eine Geldbuße verhängt worden ist, ist diese – auch wenn nur gegen sie ein Bußgeldverfahren eingeleitet worden und der Wortlaut somit zumindest missverständlich ist- Nebenbeteiligte des Verfahrens (vergleiche zur Begrifflichkeit Göhler-Gürtler/Thoma, OWiG,18. Aufl., vor § 87 RN 2 und 8; Hilgers-Klautzsch in: Kohlmann, Steuerstrafrecht, § 401 Rn. 86 (juris): „Die Rechtsstellung der JP/PV im Verfahren bei Festsetzung einer Geldbuße regelt § 444 StPO mit einer Vielzahl von Verweisungen. Diese Norm stellt die verfahrensrechtliche Ergänzung zu § 30 OWiG… dar. Die StPO schränkt dabei an keiner Stelle die Verfahrensrechte der juristischen gegenüber der natürlichen Person ein. Gleichwohl hat die JP/PV im selbständigen Verfahren „nur“ die Stellung eines Nebenbeteiligten … .“; sowie § 88 OWiG)

Die Rechtsbeschwerde hat deshalb Erfolg, weil trotz Nichterscheinens einer vertretungsberechtigten Person der Nebenbeteiligten, eine Verwerfung des Einspruches nicht in Betracht kam.

Der Bundesgerichtshof hat in einer umfassend begründeten Entscheidung vom 24.12.2021 (KRB 11/21) = BGHSt 66, 309 = DAR 2022, 465, ausgeführt, dass auf nebenbeteiligte juristische Personen § 74 Abs. 2 OWiG nicht anwendbar sei. Es gelte stattdessen vielmehr § 46 Abs. 1 OWiG in Verbindung mit § 444 StPO. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die Entscheidung des BGH verwiesen, durch die diese bis dahin umstrittene Rechtsfrage geklärt worden ist.

Damit lagen die Voraussetzungen für eine Verwerfung des Einspruches trotz Nichterscheinens einer vertretungsberechtigten Person der Nebenbeteiligten nicht vor. Das Verwerfungsurteil unterliegt deshalb der Aufhebung und die Sache ist zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht zurückzuverweisen.“

BVerfG II: Mitschreibeverbot in der Hauptverhandlung, oder: Beim Vorsitzenden eine Ausnahme beantragt?

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Die zweite Entscheidung des BVerfG, der BVerfG, Beschl. v. 26.01.2022 – 2 BvR 75/22 – hat ihren Ausgangspunkt in einem Staatsschutzverfahren beim OLG Frankfurt.

Dort hatte der Vorsitzende folgende Anordnung erlassen:

„Zuschauern ist das Mitschreiben in der Verhandlung grundsätzlich nicht gestattet. Sofern in Ausnahmefällen ein nachgewiesenes wissenschaftliches Interesse an der Mitschrift besteht, kann ein begründeter Antrag an den Senat gestellt werden. Eine Mitschrift ist dann im Fall positiver Bescheidung zulässig.

Medienvertretern hingegen ist gestattet, sich mit internetfähigen Geräten im Offline-Modus Notizen zu machen.“

Die Anordnung hat der Senatsvorsitzende auf § 176 Abs. 1 GVG. Eine Begründung für die  Regelung enthielt die sitzungspolizeiliche Verfügung nicht. Dagegen ist Verfassungsbeschwerde einegelt worden, mit der geltend gemacht worden ist, diese Regelung verletze den Beschwerdeführer in seiner durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützten allgemeinen Handlungsfreiheit. Außerdem gebe es keinen Grund dafür, Medienvertreter und Personen, die ein wissenschaftliches Interesse daran geltend machen könnten, in der Verhandlung mitzuschreiben, ihm gegenüber zu privilegieren, weshalb auch ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG vorliege. Der Beschwerdeführer hatte ausgeführt, er besuche „nur ab und zu in [seiner] Freizeit Gerichtsprozesse und möchte auch an diesem [Prozess] teilnehmen und [sich] bei spannenden Sachen Notizen machen, […] den Eindruck des Gerichtsaales schriftlich festhalten und mitschreiben, wie so ein großer Gerichtsprozess [ablaufe]“. Seine Aufzeichnungen wolle er weder an andere Personen weitergeben noch sonst veröffentlichen.

Das BVerfG hat die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen:

„Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen, denn die Annahmevoraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG sind nicht erfüllt. Grundsätzliche Bedeutung kommt der Verfassungsbeschwerde nicht zu. Ihre Annahme ist auch nicht zur Durchsetzung der Rechte des Beschwerdeführers angezeigt, da sie unzulässig ist. Der Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde steht der Subsidiaritätsgrundsatz entgegen.

1. Der aus § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG abgeleitete Grundsatz der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde fordert, dass ein Beschwerdeführer über das Gebot der Erschöpfung des Rechtswegs im engeren Sinne hinaus alle ihm zur Verfügung stehenden prozessualen Möglichkeiten ergreift, um eine Korrektur der geltend gemachten Verfassungsverletzung zu erwirken oder eine Grundrechtsverletzung zu verhindern (vgl. BVerfGE 68, 384 <388 f.>; 77, 381 <401>; 81, 97 <102>; 140, 229 <232 f. Rn. 10>). Die mit dem Grundsatz der Subsidiarität bezweckte vorrangige Anrufung der Fachgerichte soll eine umfassende Vorprüfung des Beschwerdevorbringens gewährleisten (vgl. BVerfGE 4, 193 <198>; 16, 124 <127>; 51, 386 <396>; 72, 39 <43>). Dem Bundesverfassungsgericht soll vor seiner Entscheidung unter anderem ein – gegebenenfalls sogar in mehreren Instanzen – geprüftes Tatsachenmaterial unterbreitet und die Fallanschauung und Rechtsauffassung der Gerichte vermittelt werden (vgl. BVerfGE 8, 222 <227>; 9, 3 <7>; 72, 39 <43>; 140, 229 <232 f. Rn. 10>).

Der Grundsatz der materiellen Subsidiarität verpflichtet einen Beschwerdeführer zwar nicht, fachgerichtlichen Rechtsschutz zu suchen, wenn dieser offensichtlich aussichtslos wäre (vgl. BVerfGE 16, 1 <2 f.>; 55, 154 <157>; 102, 197 <208>; 150, 309 <327 f. Rn. 45>). Er greift aber ein, wenn eine anderweitige Möglichkeit besteht, den geltend gemachten Grundrechtsverstoß zu beseitigen. Beruht ein Eingriffsakt auf einer grundrechtsverletzenden Regelung, die Ausnahmen vorsieht, muss der Beschwerdeführer deshalb vor Erhebung der Verfassungsbeschwerde versuchen, die Beseitigung des Eingriffsakts unter Berufung auf die Ausnahmeregelung zu erwirken (vgl. BVerfGE 78, 58 <69>).

2. Diese Grundsätze hat der Beschwerdeführer nicht beachtet. Im Ansatz zutreffend erkennt er, dass ihm ein Rechtsbehelf gegen die sitzungspolizeiliche Verfügung eines Senatsvorsitzenden beim Oberlandesgericht nicht zusteht (vgl. BGH, Beschluss vom 13. Oktober 2015 – StB 10/15, StB 11/15 -, juris, Rn. 3 ff.; vgl. auch BVerfGE 91, 125 <133>; 103, 44 <58>; 119, 309 <317>; offenlassend BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 8. Juli 2016 – 1 BvR 1534/16 -, Rn. 2; Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 6. September 2016 – 1 BvR 2001/16 -, Rn. 2). Er übersieht allerdings, dass ein Beschwerdeführer vor Erhebung der Verfassungsbeschwerde gehalten ist, dem geltend gemachten Grundrechtsverstoß entgegenzuwirken, indem er unter Berufung auf Ausnahmeregelungen beantragt, eine ihm eine durch eine abstrakte Regelung präventiv untersagte Handlung in dem ihn betreffenden Einzelfall zu erlauben.

Ein solcher Antrag erwiese sich hier nicht von vornherein als offensichtlich aussichtslos, denn das Verbot, in der Verhandlung mitzuschreiben, gilt nach der angegriffenen sitzungspolizeilichen Verfügung nicht ausnahmslos. Das Oberlandesgericht behält sich vor, nach entsprechender Prüfung eines begründeten Antrags Ausnahmen vom Mitschreibeverbot zuzulassen. Zwar ist in der angegriffenen Verfügung ausdrücklich nur vorgesehen, Zuschauern das Mitschreiben bei dargelegtem wissenschaftlichen Interesse zu gestatten. Der Strafsenat ist aber gehalten, jedes grundrechtsrelevante Vorbringen zu erwägen und zu bescheiden, denn er hat die Aufgabe, zunächst als Fachgericht die für eine tragfähige verfassungsrechtliche Prüfung erforderliche Tatsachenbasis zu ermitteln und die Grundrechte des Beschwerdeführers zu wahren und durchzusetzen (vgl. BVerfGE 107, 395 <414>).“

Na ja. M.E. ein wenig blauäugig vom BVerfG. Denn das Ergebnis eines Antrages an den Senatsvorsitzenden kann man m.E. voraussagen: Kein Erfolg.

Im Übrigen: Die Sinnhaftigkeit der Verfügung erschließt sich mir nicht, jedenfalls nicht auf den ersten Blick. Daher hat der Vorsitzende sie dann lieber auch gar nicht erst begründet. 🙂

OWi I: Nachträgliche Überprüfbarkeit der Messung, oder: Bei Widerspruch in der HV kein Zwischenbescheid

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Urheber KarleHorn

Ich setze die Berichterstattung dann heute mit einem OWi-Tag fort, und zwar zunächst mit dem OLG Düsseldorf, Beschl. v. 22.02.2022 – 2 RBs 25/22.

Das AG hat den Betroffenen wegen einer fahrlässigen Geschwindigkeitsüberschreitung verurteilt. Der Einzelrichter hat die hiergegen gerichtete Rechtsbeschwerde des Betroffenen mit zur Fortbildung des Rechts zugelassen und hat die Sache dem Bußgeldsenat in der Besetzung mit drei Richtern übertragen. Der Betroffene hatte die Sachrüge erhoben und verfahrensrechtlich beanstandet, dass das mit dem Laserscanner PoliScan FM1 (Softwareversion 4.4.9) ermittelte Messergebnis mangels Speicherung von Messdaten einem Beweisverwertungsverbot unterliege und das AG den dazu durch den Verteidiger zu Beginn der Hauptverhandlung angebrachten Widerspruch weder in der Sitzung noch in den Urteilsgründen beschieden habe. Das OLG hat die Rechtsbeschwerde verworfen:

„1. Die in zulässiger Weise erhobenen Verfahrensrügen greifen nicht durch.

a) Der Senat und andere Oberlandesgerichte haben bereits mehrfach entschieden, dass der Messvorgang nicht rekonstruierbar sein muss und die Verwertbarkeit des Messergebnisses nicht von der nachträglichen Überprüfbarkeit anhand gespeicherter Messdaten abhängt (vgl. Senat BeckRS 2020, 4049; OLG Köln BeckRS 2019, 23786; OLG Oldenburg BeckRS 2019, 20646; OLG Schleswig BeckRS 2019, 33009; BayObLG NZV 2020, 322 = BeckRS 2019, 31165; OLG Karlsruhe BeckRS 2020, 29; OLG Hamm BeckRS 2020, 550; OLG Brandenburg BeckRS 2020, 1077; BeckRS 2020, 3291; BeckRS 2020, 4369; BeckRS 2020, 4376; OLG Zweibrücken BeckRS 2020, 5104; OLG Bremen BeckRS 2020, 5935; NStZ 2021, 114 = BeckRS 2020, 5965; OLG Jena BeckRS 2020, 24234; KG Berlin BeckRS 2019, 41508; BeckRS 2020, 6521; BeckRS 2020, 18283; OLG Dresden NJW 2021, 176; a. A. VerfGH Saarland NJW 2019, 2456 = NZV 2019, 414).

An den in diesen Entscheidungen dargelegten Argumenten wird festgehalten. So besteht die Möglichkeit einer nachträglichen Überprüfung anhand gespeicherter Messdaten etwa auch nicht bei der als standardisiertes Messverfahren anerkannten Geschwindigkeitsmessung mit dem nicht dokumentierenden Lasermessgerät Riegl FG 21-P („Laserpistole“). Auch kennen andere Messmethoden wie etwa die Verwendung von digitalen Waagen, Entfernungsmessern, Thermometern und Geräten zur Bestimmung der Atemalkoholkonzentration in der Regel keine Speicherung von Messdaten, ohne dass Gerichte oder der Gesetzgeber (vgl. § 24a Abs. 1 StVG für die Atemalkoholkonzentration) deshalb zur Annahme eines rechtsstaatlichen Defizits gelangt wären.

b) Der Widerspruch, den der Verteidiger zu Beginn der Hauptverhandlung gegen die Verwertung des mit dem Laserscanner PoliScan FM1 (Softwareversion 4.4.9) ermittelten Messergebnisses angebracht hat, bedurfte keiner Bescheidung durch das Amtsgericht, so dass insoweit weder das rechtliche Gehör versagt noch der Grundsatz des fairen Verfahrens verletzt wurde.

Nach der sog. Widerspruchslösung der Rechtsprechung besteht kein Beweisverwertungsverbot, wenn der verteidigte oder insoweit richterlich belehrte Angeklagte der Beweisverwertung nicht bis zu dem in § 257 Abs. 1 StPO genannten Zeitpunkt widerspricht (vgl. statt vieler: BGH NStZ 2006, 348; NStZ 1997, 502; OLG Hamm NJW 2009, 242). Fehlt es an einem solchen Widerspruch, führt dies für die Revision zur Rügepräklusion (vgl. BGH NJW 2015, 265, 266; NJW 2018, 2279; OLG Celle NStZ 2014, 118, 119). Die Widerspruchsobliegenheit besteht auch im Bußgeldverfahren (vgl. Senat BeckRS 2019, 25099 = DAR 2020, 209; OLG Brandenburg BeckRS 2020, 4261; OLG Zweibrücken BeckRS 2020, 5104).

Wird in der Hauptverhandlung seitens der Verteidigung Widerspruch gegen die Verwertung eines Beweismittels erhoben, ist ein Zwischenbescheid, in dem sich das Tatgericht zur Frage eines Beweisverwertungsverbots äußern müsste, nicht vorgesehen, wenn auch nicht unzulässig (vgl. BGH NStZ 2007, 719; nachfolgend in der derselben Sache: BVerfG BeckRS 2009, 140731). Der Widerspruch dient der Vermeidung der Rügepräklusion und soll dem Tatgericht in der Hauptverhandlung verfahrensfördernd die Möglichkeit und Veranlassung geben, dem gerügten Verfahrensfehler freibeweislich nachzugehen (vgl. BGH NJW 2007, 3587, 3589; NJW 2018, 2279, 2280). Ein solcher Aufklärungsbedarf bestand vorliegend nicht, da die tatsächlichen Gegebenheiten des hier verwendeten Messverfahrens (Laserscanner PoliScan FM1, Softwareversion 4.4.9) bekannt sind. Zudem hatte der Verteidiger selbst ein Privatgutachten vorgelegt, das sich grundsätzlich mit diesem Messgerätetyp nebst neuer Softwareversion wie auch mit der konkreten Messung befasste.

Im Übrigen konnte sich der Verteidiger – der Betroffene war nach Entbindung von der Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen selbst nicht anwesend – auch ohne ausdrückliche Erklärung des Amtsgerichts auf das weitere Verfahren einstellen. Denn es hat das Messergebnis (Messprotokoll, Datenfeld des Messfotos, XML-Datei) nach Erhebung des Widerspruchs in die Hauptverhandlung eingeführt, was darauf schließen ließ, dass es diese Beweismittel auch unter Berücksichtigung des Widerspruchs und dessen Begründung verwerten wollte.

Auch in dem schriftlichen Urteil musste das Amtsgericht den Widerspruch nicht bescheiden. Ausführungen zur Verwertbarkeit von Beweismitteln sind in § 267 StPO nicht vorgesehen und von Rechts wegen nicht geboten (vgl. BGH NStZ-RR 2007, 244; NJW 2009, 2612, 2613). Welches Messverfahren verwendet wurde, ist in dem Urteil festgestellt worden. Anders als etwa im Falle der Beanstandung einer polizeilichen Beschuldigtenvernehmung bedurfte es im Hinblick auf das geltend gemachte Beweisverwertungsverbot keiner weiteren Sachaufklärung. Durch die Verwertung des Messergebnisses hat das Amtsgericht inzident klar zum Ausdruck gebracht, dass es den zur Kenntnis genommenen Widerspruch nicht für durchgreifend erachtet hat und der oben zitierten Rechtsprechung des übergeordneten Senats wie auch zahlreicher anderer Oberlandesgerichte gefolgt ist. Ein Erkenntnisgewinn für den Verteidiger, dem diese Rechtsprechung ohnehin bekannt ist, hätte sich nicht ergeben, wenn der Widerspruch in den Urteilsgründen unter Hinweis auf einige Fundstellen der ständigen OLG-Rechtsprechung ausdrücklich beschieden worden wäre.

Bei dem Widerspruch handelt es sich um eine den Betroffenen bzw. Verteidiger treffende Obliegenheit, deren Erfüllung Voraussetzung für die Verfahrensrüge in der Rechtsbeschwerdeinstanz ist. Das Amtsgericht konnte sich zu dem Widerspruch äußern, musste dies aber nicht. Ein Verwertungswiderspruch ist unter den Gesichtspunkten des rechtlichen Gehörs und des fairen Verfahrens nicht einem Antrag gleichzustellen, den das Tatgericht zu bescheiden hat (z. B. Beweisantrag, Antrag auf Aussetzung der Hauptverhandlung)…..“

Anmerkung:

1. Zur nachträglichen Überprüfbarkeit entspricht der Beschluss der h.M. in der Rechtsprechung der OLG. Man wird sehen, was das BVerfG – hoffentlich bald – dazu sagt.

2. Zur Widerspruchslösung ist die Entscheidung ebenfalls wohl zutreffend. Allerdings ist insoweit anzumerken, dass der Obersatz des OLG: „Nach der sog. Widerspruchslösung der Rechtsprechung besteht kein Beweisverwertungsverbot, wenn der verteidigte oder insoweit richterlich belehrte Angeklagte der Beweisverwertung nicht bis zu dem in § 257 Abs. 1 StPO genannten Zeitpunkt widerspricht“ zumindest missverständlich ist. Die Frage des Widerspruchs hat nämlich nichts mit dem Bestehen eines Beweisverwertungsverbotes zu tun. Sondern: Das Beweisverwertungsverbot besteht, nur muss der Betroffene es auch in der Hauptverhandlung geltend machen, und zwar eben mit dem Widerspruch. Denn bei dem handelt es sich um eine den Betroffenen bzw. Verteidiger treffende Obliegenheit, deren Erfüllung nicht Voraussetzung für das Bestehen des Beweisverwertungsverbotes ist, sondern für die Verfahrensrüge in der Rechtsbeschwerdeinstanz ist. Nur, wenn widersprochen worden ist und das auch vorgetragen wird, kann die Verfahrensrüge durchgreifen.

OWi III: 4 x Entscheidungen zum Verfahrensrecht, oder: Zu späte Ablehnung, Vorhalt, Entlastungszeuge, Urteil

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Und zum Schluss dann noch ein paar Entscheidungen zu Verfahrensfragen, und zwar – zum Teil noch einmal:

    1.  Die gerichtliche Aufklärungspflicht im Hinblick auf die Ladung von Entlastungszeugen ist in den Fällen eingeschränkt, in denen der in der Hauptverhandlung anwesende Betroffene anhand eines bei der Tat gefertigten Lichtbildes nach Auffassung des Tatgerichts eindeutig identifiziert worden ist. Die Verpflichtung, in einem solchen Fall dennoch einen Zeugen zu laden, hängt dann von den konkreten Umständen des Einzelfalls ab.
    2. Im Fall der Identifizierung anhand eines Lichtbildes müssen die tatrichterlichen Urteilsgründe so gefasst sein, dass das Rechtsbeschwerdegericht prüfen kann, ob das Belegfoto geeignet ist, die Identifizierung einer Person zu ermöglichen.

Auch einem Urteil in Bußgeldsachen muss im Grundsatz zu entnehmen sein, ob und gegebenenfalls wie sich der Betroffene in der Hauptverhandlung geäußert hat oder ob er von seinem Schweigerecht Gebrauch gemacht hat.

    1. Entscheidet das Gericht über die Rechtsbeschwerde außerhalb der Hauptverhandlung im Beschlusswege, so kann ein Ablehnungsgesuch nur so lange statthaft vorgebracht werden, bis die Entscheidung ergangen ist.
    2. Nichts anderes gilt, wenn die Ablehnung mit einer Gehörsrüge nach § 356a StPO verbunden wird, weil der Rechtsbehelf nicht dazu dient, einem unzulässigen Ablehnungsgesuch durch die unzutreffende Behauptung der Verletzung rechtlichen Gehörs doch noch Geltung zu verschaffen.
    3. Die nicht den Akteninhalt betreffenden Informations- und Einsichtsrechte leiten sich im Bußgeldverfahren nicht aus dem Anspruch auf rechtliches Gehör ab.
    4. Der Zulassungsgrund des § 80 Abs. 1 Nr. 2 OWiG (Verletzung rechtlichen Gehörs) ist auf nicht vom Wortlaut der Norm erfasste Verletzungen des Verfahrensrechts nicht entsprechend anwendbar.

Erklärt ein Zeuge auf einen Vorhalt hin, sich (weiterhin) nicht an die ihm vorgehaltenen Angaben in einer Urkunde zu erinnern, ist der Inhalt der Urkunde nicht verwertbar in die Hauptverhandlung eingeführt worden. Auch die Angabe, bei Durchführung der damaligen Vernehmung richtig protokolliert zu haben, führt in einem solchen Fall nicht dazu, dass die vorgehaltenen Angaben des Zeugen durch den Vorhalt in die Hauptverhandlung eingeführt werden und bei der Entscheidung verwertbar sind.