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Erstaunen macht sich breit: Da hat in einer Haftsache das BVerfG im BVerfG, Beschl. v. 11.07.2012 – 2 BvR 1092/12 – einen LG-Beschluss und die dazu gehörende OLG München -Beschwerdenetscheidung aufgehoben,weil weder das LG noch das OLG in ihren Ausführungen hatten erkennen lassen, dass nach einem beanstandungsfreien Verlauf einer Haftverschonung von einem Jahr und 8 Monaten neu hervorgetretene Umstände die Invollzugsetzung der Untersuchungshaft erforderlich gemacht hätten. Die Sache wird an das OLG zurückverwiesen.
Was macht das OLG? Es hebt nun den LG, Beschluss auf weil die landgerichtlichen Erwägungen nach Maßgabe des Beschlusses des BVerfG nicht ausreichten. Aber: Zugleich erhöht das OLG, ohne den Angeklagtenn zuvor zu seiner aktuellen wirtschaftlichen Situation angehört zu haben, die im ursprünglichen Außervollzugsetzungsbeschluss festgesetzte Sicherheit von 45.000 € auf 200.000 €, die der Angeklagte zudem als Eigenhinterleger in bar zu leisten habe. Zur Begründung führt der Strafsenat aus, dass es insgesamt verantwortbar erscheine, „der Fluchtgefahr durch die im Beschlusstenor aufgeführten Maßnahmen nach § 116 Abs..1 StPO zu begegnen und dabei lediglich die ursprüngliche Sicherheit angemessen zu erhöhen.“
Dagegen die Gegenvorstellung des Angeklagten, mit der geltend gemacht wird, dass die nunmehr auf 200.000 € festgelegte Sicherheit keine angemessene Sicherheit im Sinne von § 116 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 StPO darstelle. „Sie werde seinen Vermögensverhältnissen nicht gerecht und erweise sich für ihn als faktische Verweigerung der Außervollzugsetzung. Über sein Vermögen sei mit Beschluss des Amtsgerichts München vom 29. November 2010 das Privatinsolvenzverfahren eröffnet worden. Seither sei er völlig mittellos und habe nach den Feststellungen des Landgerichts Augsburg im Urteil vom 22. März 2012 Schulden in Höhe von 1,5 Millionen €.“
Das bringt beim OLG (natürlich) nichts, aber beim BVerfG mit der zweiten Verfassungsbeschwerde die erneute Aufhebung. Dem BVerfG, Beschl. v. 27.09.2012 – 2 BvR 1847/12 – kann man m.E. deutlich entnehmen, dass das BVerfG not amused ist.
1. Den sich aus Art.2 Abs. 2 Satz 2 GG in Verbindung mit Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG ergebenden Anforderungen werden die angefochtenen Entscheidungen erneut nicht gerecht.
Die dargestellten verfassungsrechtlichen Maßstäbe erfordern für die haftrichterliche Entscheidung zunächst das Vorliegen „neu hervorgetretener Umstände“ im Sinne des § 116 Abs. 4 Nr. 3 StPO, Erst wenn diese bejaht werden können, ist in einem zweiten Schritt zu prüfen, ob eine Wiederinvollzugsetzung tatsächlich geboten ist oder – aus Verhältnismäßigkeitsgründen — davon abgesehen werden kann, weil ein milderes Mittel zur Verfügung steht, das im Ergebnis eine Verhaftung nicht erforderlich macht.
Das Oberlandesgericht hat in seiner Entscheidung vom 25. Juli 2012 ausdrücklich festgestellt, dass nach Maßgabe des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 11. Juli 2012 neu hervorgetretene Umstände im Sinne von § 116 Abs. 4 Nr. 3 StPO nicht angenommen werden können. Dessen ungeachtet hat der Strafsenat die Auflagen verschärft, indem er die ursprünglich auf 45.000 € festgesetzte Sicherheitsleistung auf 200.000 € erhöht und zugleich die Eigenhinterlegung angeordnet hat.
2. Die angefochtene Entscheidung vom .1. August 2012 verletzt darüber hin¬. aus das aus Art. 3 Abs. 1 GG folgende Willkürverbot.
a) Die Sicherheit Ist nach Art und Höhe so festzusetzen, dass auf den Beschuldigten ein „psychischer Zwang“ ausgelöst wird, eher am Verfahren teilzunehmen und eine etwa erkannte Freiheitsstrafe anzutreten, als den Verlust der Sicherheit zu riskieren. Die Intensität des Haftgrundes und die Bedeutung der Sache sind für Art und Höhe der Sicherheit grundlegend; bei der Bemessung der Sicherheit ist aber auch den Einkommens- und Vermögensverhältnissen des Beschuldigten Rechnung zu tragen (vgl. Graf, in: Karlsruher Kommentar, StPO, 6. Aufl. 2008, § 116a Rn, 4), Zudem darf bei der Ausgestaltung und Bemessung der Sicherheit nur ihr verfahrenssichernder Zweck berücksichtigt werden. Die Verfolgung anderer Zwecke ist ausgeschlossen; insbesondere darf nicht nach Art einer Strafe ein Rechtsgüterschutz vorweggenommen werden (Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 28. August 1990 – 2 BvR 375190 -, juris Rn. 2).
Hier hat das Oberlandesgericht den Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Beschwerdeführers ersichtlich nicht Rechnung getragen, Es hat insbesondere das laufende Insolvenzverfahren ungeachtet des Vorbringens in der Gegenvorstellung und der Feststellungen im Strafurteil zu den finanziellen Verhältnissen des Beschwerdeführers nicht berücksichtigt. Die Anordnung einer „Eigenhinterlegung“ verkennt zudem die aus dem Privatinsolvenzverfahren folgenden rechtlichen Wirkungen. Der Beschwerdeführer ist danach gehindert, jedenfalls aus eigenen Mitteln wirksam eine Sicherheit zu hinterlegen. Nach § 80 Abs. 1 InsO geht das Recht des Schuldners, das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen zu verwalten und über es zu verfügen, auf den Insolvenzverwalter über. Selbst wenn der Beschwerdeführer den geforderten Betrag aus eigenen Mitteln aufbringen könnte, wäre eine Hinterlegung durch ihn angesichts der Regelung des § 81 Abs. 1 S. 1 InsO nicht möglich, der zufolge solche Verfügungen unwirksam sind.“