© sashpictures – Fotolia.com
Verfahren, die zur Entziehung der Fahrerlaubnis führen, haben für die Betroffenen erhebliche Bedeutung und sind in der Regel auch von erheblicher Brisanz. Meist geht es (auch) um die Frage, ob der Betroffene überhaupt verpflichtet war, ein von der Verwaltungsbehörde gefordertes Gutachten beizubringen und ob dann der Umstand, dass er das nicht getan bzw. die Beibringung verweigert hat, Grundlage für die Entziehung der Fahrerlaubnis sein kann/darf. Das ist nach § 11 Abs. 8 FeV zwar grundsätzlich zulässig, da danach der Schluss auf die Nichteignung des Betroffenen möglich ist, wenn er ein gefordertes Gutcahten nicht beibringt. Der Schluss auf die Nichteignung ist jedoch nur dann zulässig, wenn die Anordnung des Gutachtens formell und materiell rechtmäßig, insbesondere anlassbezogen und verhältnismäßig ist (BVerwG, Beschluss vom 11. Juni 2008 – 3 B 99/07 -, NJW 2008, 3014).
Und um die Fragen ging es u.a. im VG Neustadt, Beschl. v. 14.09.2015 – 3 L 783/15.NW. Die Verwaltungsbehörde hatte von dem Betroffenen die Beibringung eines ärztlichen Gutachtens gefordert, da nach ihrer Ansicht fahreignungsrelevante Bedenken bestanden, weil der Betroffene u.a. an einer Psychose litt. Das ergab sich für die Behörde aus einer gutachterlichen Stellungnahme aus Oktober 2009 sowie aus einem Fachgutachten aus August 2009. In Letzterem war ausdrücklich darauf hingewiesen, dass mehrere psychotische Episoden aufgetreten seien und deshalb im Hinblick auf mögliche Wiedererkrankungen eine gutachterliche Kontrolle nach Ablauf von zwei Jahren erfolgen sollte. Eine solche Nachuntersuchung hat die Verwaltungsbehörde im Jahre 2011 und später aber nicht veranlasst. Sie wurde erst Anfang 2015 tätig, nachdem sie offenbar ein Nachbar des Antragstellers hierauf aufmerksam gemacht hatte. Dazu das VG:
„Zwar lassen sich aus (anonymen) Hinweisen Dritter genügende Tatsachen im Sinne von § 11 Abs. 2 Satz 1 FeV nicht ableiten. Die Fahrerlaubnisbehörde muss der Versuchung widerstehen, gewissermaßen durch „Schüsse ins Blaue“ auf der Grundlage eines bloßen „Verdachts-Verdachts“ dem Betroffenen einen im Gesetz nicht vorgesehenen Eignungsbeweis aufzuerlegen (vgl. BVerwG, Urteil vom 5. Juli 2001 – 3 C 13.01 -, NJW 2002, 78). (Anonymen) Hinweisen Dritter kommt daher allgemein noch kein eigener Erkenntniswert zu, der Ermittlungsmaßnahmen, wie sie § 11 Abs. 2 FeV vorsieht, begründet, weil aus dem sie kennzeichnenden Charakter der Unverbindlichkeit für den Anzeigenden – die Behauptungen können auf bloßer Böswilligkeit beruhen und für den Anzeiger folgenlos aufgestellt werden – bereits kein genügender Anfangsverdacht erwächst (OVG Saarland, Beschluss vom 18. September 2000 – 9 W 5/00 -, ZfSch 2001, 92; vgl. auch OVG RheinlandPfalz, Beschluss vom 23. Mai 2002 – 7 B 10765/02 – und VG Neustadt, Beschluss vom 17. August 2015 – 1 L 700/15.NW -, wonach die Verkehrsbehörde einen durch Tatsachen getragenen „Anfangsverdacht“ zu belegen hat).
Die Kammer misst dem Umstand, dass der Antragsgegner erst auf „Anregung“ eines Nachbarn tätig geworden ist, im vorliegenden Verfahren – auch unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten – jedoch keine Bedeutung zu. Maßgebend ist allein, dass unabhängig davon Tatsachen im Sinne von § 11 Abs. 2 Satz 1 FeV vorgelegen haben, nämlich die von Dr. med. C in seinem Gutachten vom 31. August 2009 angeregte, aber bisher nicht angeordnete Nachuntersuchung des Antragstellers.“
Schöner (?) „Zwar-Aber-Beschluss.